Hallo zusammen,
da wir hier ja eigentlich ein Militär-Historisches Forum sind, will ich mal ein paar Gedanken zum
militärischen Part des Ukraine-Kriegs machen, was hier auf 88 Seiten überraschend am Rande
behandelt wird.
Ich will die Gedankengänge von Thorsten Heinrich auf (3) Militär & Geschichte mit Torsten Heinrich - YouTube
aufgreifen und mir eigene machen.
Ich finde es bemerkenswert, wie es im Jahr 2022 möglich ist, eine strategische Überraschung zu erlangen wie
die Ukraine an dem Charkow-Abschnitt der Front.
1. (Ablenkungs?-)Angriffe im Süden
Die vorangegangenen Angriffe im Süden, Bereich Cherson, waren offenbar so stark, dass die russische Armee
mangels anderer Möglichkeiten gezwungen war, Verbände von anderen, ruhiger erscheinenden Abschnitten
abzuziehen. Das erfolgte anscheinend aus dem Raum Charkow, wo mangels anderer Einheiten leicht
bewaffnete paramilitärische Verbände an die Front gelangten.
2. Zusammenziehung der strategischen Reserve zum Angriff
Bemerkenswert, dass im Jahr 2022 einer Armee, die eigentlich über Satelliten, Aufklärungsflugzeuge,
Drohnen, Fernaufklärer und eine (angeblich) pro-russische, auf die Befreiung wartende Bevölkerung,
entgangen ist, dass im Süden die ukrainische Armee wohl nicht die Hauptmacht zusammengezogen,
sondern in den Nordosten nach Charkow verlegt hatte.
3. Entschlossener Angriff und Ausnutzung des Erfolgs
Die strategische und taktische Überraschung wurde wohl konsequent ausgenutzt. Historisch ist
bekannt, dass das Aufhalten eines erfolgten Durchbruchs ohne massive, bewegliche Reserven
schwer ist.
4. Fragen nach der Qualität der militärischen Aufklärung und Auswertung der russischen Armee
Nach der offensichtlichen Fehlleistung zu Beginn des Krieges stellen die Punkte 1 und 2 erneut eine
maximale Fehlleistung dar denke ich.
Entweder lagen keine Informationen vor, oder sie wurden ignoriert oder fehlinterpretiert.
Alle drei Möglichkeiten eigentlich erstaunlich.
Es drängen sich historische Parallelen zu "Fremde Heere Ost" und dem - nicht nur meiner Meinung nach -
vor allem ab 1944 überschätzten Reinhard Gehlen auf sowie der Tätigkeit des OKH und des Generalstabs
in der Zeit.
Die alte Frage, die wohl schon Julius Cäsar und Alexander den Großen beschäftigt hat "Was erwartet mich
hinter dem nächsten Hügel" ist bei aller Technologie auch im Jahr 2022 immer noch aktuell.
Grüße aus München
Marcus