Hallo zusammen,
einen Aspekt der aktuellen Diskussion zu Waffenlieferungen (vor allem durch Deutschland) an die Ukraine möchte ich einmal zur Debatte
stellen (eigentlich kommt mir persönlich der militärische Aspekt des Ukraine-Krieges hier in diesem Forum viel zu kurz).
Ich möchte absichtlich nicht auf den Tonfall ukrainischer Politiker und Diplomaten und dem Thema "Ausladung des Bundespräsidenten"
eingehen - ich kann eigentlich irgendwie schon verstehen, dass man gerne einen Entscheider und nicht einen Repräsentanten sehen würde.
Es wird im Rahmen der entsprechenden Forderungen (auch von mir bekannten Leuten, von denen ich aufgrund ihrer sonstigen
politischen Einstellung, die ich durchaus respektiere und teilweise teile) die Lieferung von bei Privat-Unternehmen eingelagerten
Marder-Schützenpanzern der Bundeswehr gefordert.
Meine Meinung hierzu, wobei ich darauf hinweise, dass ich "ungedient" bin und mir alles militärisches Wissen nur (ich denke sehr umfangreich)
angelesen habe:
- Dauer der Wiederinbetriebnahme: mindestens einen Monat
- Schulung der Besatzungen so weit, dass sie in einen offenen Panzerkrieg ziehen können: weitere mindestens drei Monate
- parallel Schulung von Wartungs- und Instandsetzungspersonal: mindestens ebenso lange
- Fertigung von Ersatzteilen für Fahrzeuge, die zu einer Zeit eingeführt wurden, als Volkswagen noch den Käfer fertigte und die beiden
deutschen Staats-Eisenbahnen noch einiges (Bundesbahn) bis vieles (Reichsbahn) mit Dampflokomotiven abwickelten: unabsehbar.
Was bekommt man dafür:
Frühestens im Hochsommer einen Schützenpanzer, der ab 1971 in Dienst gestellt wurde und vom Panzerschutz und Bewaffnung auf einem
entsprechenden Stand ist. Ich gehe davon aus, dass diese eingelagerten Fahrzeuge auf dem technischen Stand "Bundeswehr Mitte der 90er"
sind, also wahrlich nicht "up to date".
Was macht man damit:
Offene Panzerschlachten? Echt jetzt? Für mehr ist der Marder, der zur Begleitung schneller Kampfpanzer entworfen wurde, ja wohl kaum geeignet.
Eine russische Luftwaffe mit Jagdbombern und Hubschraubern wird "Danke" sagen.
Die mögliche Lieferung von ehemaliger Ausrüstung der Ex-Warschauer-Pakt-Staaten in der NATO:
Wenn man Wikipedia (mit allen bekannten Schwächen) nimmt, gibt es in Polen, der Tschechei, Slowakei, Rumänien, Bulgarien, Slowenien und Kroatien
ja wohl noch einiges an Gerät des ehemaligen Warschauer Paktes, wie z. B. Kampfpanzer T-72, Schützenpanzer BMP, MiG-Flugzeuge usw., wobei das
Meiste allerdings auch eingelagert und technisch nicht auf neuerem Stand sein dürfte - Folgen und Zeitdauer siehe oben.
Das Problem ist meiner Ansicht nach, dass diese Länder - aus eigenem Interesse - nicht alles oder sehr viel abgeben werden, da ihnen bewusst
sein geworden dürfte, dass man die alten Sachen selbst nochmal brauchen kann.
Selbst wenn wir unterstellen, dass die USA den Ländern wie Polen, der Tschechei usw. als Ersatz für an die Ukraine abgegebenes Material natürlich
angeboten haben, dafür M 1 Abrams, M2/3 Bradley, F-16 Fighting Falcon usw. aus eigenen Lagern für "ein Appel und ein Ei" zu bekommen,
wissen diese, dass sie mit den Panzern erst in Monaten und mit den Flugzeugen erst in Jahren selbst was anfangen können, da Personal
ausgebildet werden muss, was, wie oben dargestellt, dauern wird.
Meine Meinung:
Auf dem Boden kann man natürlich annehmen, dass die Ukraine bereit ist, kaum mit dem entsprechenden Gerät ausgebildete Soldaten einzusetzen.
Das Ergebnis dürfte aber (wahrscheinlich weniger) zweifelhaft sein. Ich verweise historisch auf die deutschen Panzer-Brigaden, die im
Spätsommer 1944 zwar auf dem Blatt gut ausgerüstet waren, im Endeffekt aber mit zu wenig Logistik und zusammengewürfelt mangelhaft ausgebildet
wenig bis nichts ausrichteten.
Das bewährte (wenn auch vielleicht nicht so "tolle") Material in kampferfahrenen Einheiten hätte damals wohl mehr geholfen (wenn natürlich auch
letzten Endes erfolglos) und dürfte jetzt auch die bessere Wahl sein.
Will man sich der russischen Armee in offenen Panzerschlachten stellen? Von so vielen davon habe ich bisher nicht gelesen, es scheinen mehr
oder weniger eher ukrainische Hinterhalte u. ä. gewesen sein vorne und Nadelstiche hinten, die die russische Armee vor massive Probleme stellten.
Ich lasse mich aber gerne eines Besseren belehren.
In der Luft dürfte der Ukraine bald die Luft ausgehen und man wird auf bodengestützte Luftabwehr angewiesen sein.
Grund: die Flugzeuge und auch Piloten "gehen irgendwann aus", vor allem letztere können nicht ersetzt werden, selbst wenn die NATO noch "passende"
Flugzeuge hat.
Probleme, die man von Görings Luftwaffe kennt, Flugzeuge gab es am Schluss genug, nur keine ausgebildeten Piloten (und Sprit). Allerdings hat aus der
Luft noch keiner einen Krieg gewonnen, weder die deutschen Luftangriffe auf London, noch die alliierten Luftangriffe auf Deutschland, Japan, Nordkorea oder
Vietnam haben den Sieg gebracht.
Irgendwo habe ich einmal einen Witz gehört:
"Der 3. Weltkrieg ist vorbei, der Warschauer Pakt hat gewonnen.
Treffen sich zwei sowjetische Panzergeneräle am Eifelturm in Paris.
Einer frägt den Anderen: "Wer hat eigentlich den Luftkrieg gewonnen?"
Soweit zum Thema Luftangriffe und die taktische Wirkung, die vor Ort vielleicht den Truppen helfen kann, strategisch aber keinen Krieg für sich alleine
gewinnt.
Terrorangriffe auf die Zivilbevölkerung sind hier nicht gemeint.
Von rechtlichen Bewertungen wie "Völkermord", "Kriegsverbrechen" u. ä. halte ich mich fern, da ich kein Jurist bin.
Meine Gesamtmeinung:
Der Krieg wird noch lange gehen, wenn in Russland das System nicht strauchelt.
Solange das nicht passiert, wird Putin (und mit ihm die Generalität) den eingeschlagenen Weg folgen.
Russland hat Soldaten (?), Material und Munition.
Die Ukraine bekommt Material und Munition und hat Soldaten.
Die Sanktionen werden nicht greifen, siehe Syrien, Iran, Nordkorea, früher Serbien.
Grüße aus München
Marcus