Hallo Karl Grohmann, gestatte mir, die Gefühle eines zehnjährigen Pimpfes während zweier Bombenangriffe im April 1945 auf meine Heimatstadt Nordhausen/Thüringen darzustellen.
Am 3. April - auf dem Heimweg vom Jungvolkdienst- scheuchten mich krachende Explosionen in einen ebenerdigen Luftschutz-Raum, voller Frauen und Kinder. Die stählerne Aussentür flatterte wie ein Blatt im Wind, als eine nahe Explosion das Haus schaukeln liess. Das Nachbarhaus war getroffen worden. Ich lehnte stoisch an einer Wand und zählte die Sekunden zwischen Erschütterungen und Explosions-Geräusche. Bei der Differenz NULL überkam mich Angst, von der Stahltür erschlagen zu werden. Aber sie hielt.
Das Nachbarhaus war seitlich runtergebrochen. Ich rannte nach Hause. Mutter kam mir entgegen und schloss mich weinend in die Arme.
"Junge, da bist Du ja". Am nächsten Tag ging es wieder los. Mein Vater scheuchte uns in den Kellerraum am Durchbruch zum Nachbarhaus.
Er beugte sich schützend über mich, als das Haus zu beben und schaukeln begann. Der Kalk rieselte von der Decke. "
"Hoffentlich kommt die Decke nicht runter. Ich möchte nicht verschüttet werden. Aber Vati wird mich rausbringen."
Das Krachen und Pfeifen dauerte eine Ewigkeit. Nach zwanzig Minuten war es vorbei. Niemand war verletzt, das Haus und die Nachbarhäuser standen noch. Auf der Strasse gähnte ein ca 3 Meter breites Loch, wohl ein Blindgänger. Scheinbar unbeeindruckt suchte ich meine Bücher und das Spielzeug in meinem Zimmer zusammen. Beide Fenster gähnten leer. Die nächsten Tage verbrachte ich mit Mutter im Keller einer Fabrik. Die war auch Kommandostelle des Volkssturmes. Ein HJ-Bannführer schickte uns Pimpfe mit einem Tafelwagen täglich Essen holen. "Bei Tieffliegern sofort auseinander in Deckung". War traurig, als ich meine neuen Freunde vom "Geheim-Kommando Kaiserberg"- am Kaiserberg war die Grossküche - verlassen musste. Vater schickte uns zur Oma in Wernigerode, weil die SS und der Volkssturm auf Befehl von SS- General Kammler Nordhausen und die Harzpforte verteidigen sollten. Ist nichts draus geworden, die SS ist abgehauen und die Volkssturm-Männer haben sich um ihre Familien gekümmert. Mit neu gewonnenen Selbstbewusstsein - ich bin ja jetzt kriegserfahren - liess ich mich nicht mehr von den Frauen rumkommandieren und nahm mir das Fahrrad meines Opas, das ich vorher nie benutzen durfte.
Gruss jostdieter.