Hallo Marc, hallo zusammen,
in unserer Wilna-1944-Dokumentation habe ich versucht, dieses Konglomerat all jener Partisanenorganisationen im Bereich Polen und insbes. bei Wilna zu beleuchten.
Ich stimme der Beurteilung von Marc zu, wenn er sagt, dass man Antisemitismus der AK nicht pauschal zuordnen darf - so, wie es der "UMUV"-Film des ZDF ein wenig oberflächlich gemacht zu haben scheint. Die Tatsache, dass die AK für ein Polen in den Grenzen von 1939 und die polit. Orientierung des letzten Stadiums der II. Republik (Pilsudski und seine durchaus als faschistisch zu bezeichnenden Nachfolger) stritt, legt einen zumindest durchgängig latenten Antisemitismus in der AK nahe.
Die Vorkriegsphase der II. Poln. Republik war gekennzeichnet durch deutlich chauvinistische und auch antisemitische Aktivitäten: So unterdrückte man insbes. in Wolhynien die ukrainische Mehrheit, auch im ländlichen Litauen des Wilna-Gebiets war man wenig zimperlich mit der ansässigen Bevölkerung. Zum Antisemitismus in Polen in der Vorkreigszeit, aber auch insgesamt in Europa, kann man bei Götz Aly interessante Aspekte lesen:
https://www.zukunft-braucht-er…egen-die-juden-goetz-aly/
Die Unterdrückung der Ukrainer, welche bis zu ethnischen Säuberungen im Sinne von erzwungenen Umsiedlungen von Ukrainern und Neuansiedlung von poln. Bauern ging - abgesehen davon, dass man Hunderte orthodoxe Kirchen niederbrannte, führte dann 1943 unter dem deutschen Schutzschirm zu den schrecklichen Massakern der ukrainischen Bandera-Partisanen an polnische Nachbarn in Wolhynien mit mehr als Hunderttausend Opfern. Die Racheakte der AK in jener Gegend kosteten dann wiederum mehreren Zehntausend Ukrainern das Leben...
Noch heute registriert man starke Spannungen zwischen dem jetzigen nationalistisch regierten Polen und nahezu all seinen Nachbarn. Ein Grund dafür ist die pauschale Verherrlichung aller Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime und dann in der Folge gegen das neu installierte kommunist. Regime der Nachkriegszeit.
Manche der früheren Partisanen der AK kamen nicht mehr aus ihrer Rolle heraus und fanden nicht die Rückkehr in das gewohnte zivile Leben. So auch der aktuell sehr umstrittene "Held" der "Verfemten Soldaten" ("Żołnierze wyklęci") Romuald Rajs, dem man 80-fachen Mord an weißrussischer Dorfbevölkerung nachgewiesen hat:
https://www.jstor.org/stable/j…etadata_info_tab_contents
(ab etwa S. 121 unten)
Vgl. auch:
https://www.deutschlandfunk.de…ml?dram:article_id=411675
Rajs war südlich Wilna in den Wäldern aktiv (vgl. frühere Beiträge) - es gab dort Gegenden, welche völlig in der Hand der Partisanen und nur die Straßen durch Patrouillen (Sicherungseinheiten) mehr oder weniger sicher waren (vgl. o. a. Kartenskizze).
Das polnische IPN (eine Art "Gauck-Behörde") hatte Rajs vor Jahren schuldig gesprochen - vor einigen Tagen wurde er jedoch - in diesen "patriotischen Zeiten" der PiS-Regierung wieder durch die gleiche Behörde (nun durch PiS okkupiert) freigesprochen - und der ungehemmten Verehrung überantwortet.
Und so rennen wie in jedem Jahr auch vor zwei Wochen uniformierte und bewaffnete (Attrappen?) Ultranationalisten (vgl. o. a. Video aus der ARD-Mediathek) gröhlend durch jene Dörfer, in denen Rajs vor Jahren gewütet hat.
Aktuell wurde der polnische Botschafter in Weißrussland bez. dieser Angelegenheit ins Außenministerium einbestellt...
http://wyborcza.pl/7,75398,24541859,bialoruski-msz.html
(Vielleicht kann man mit einem Translator ein wenig verständlich machen...)
Auch die Ukraine griff schon bei früheren Aktionen zu solchen Maßnahmen.
Rajs wurde wegen dieser Anschläge und Morde vom kommunist. Nachkriegspolen zum Tode verurteilt und hingerichtet. Viele andere dieser "verfemten Soldaten" - auch von Eugen Hinnen in der "Wilna-1944"-Doku als "Waldmenschen" bzw. "Waldbrüder" bezeichnet und beschrieben, wurden von den Sicherheitsbehörden des kommunist. Regimes gefasst und nicht selten hingerichtet. Mir liegt noch ein Foto mit fünf durch die Sowjets erschossenen "Waldbrüdern" vor - darunter auch ein früherer deutscher Soldat, der sich diesen Partisanen angeschlossen hatte, um der sowjet. Gefangenschaft zu entgehen. Der Name ist dort angegeben, obwohl falsch geschrieben. Meine Recherchen ergaben, dass es in der Düsseldorfer Gegend solche Namensverwandtschaft gab. Ich werde demnächst mal bei Suchdiensten anfragen...
Eugen Hinnen hat bei seinem ersten Besuch in Wilna 50 Jahre nach dem Ende des WW2 die (von den Litauern gepflegten) Gräber einiger seiner FJR-16-Kameraden besucht, welche sich auch diesen "Waldbrüdern" angeschlossen hatten - und - nach Jahren in den Wäldern - verraten und gefasst wurden...
Was kann dieses aktuelle "Patriotische Theater" in manchen östlichen Nachbarländern (und auch bei uns?) lehren? Der Nationalismus wächst - "die Jugend" weiß nicht, was Krieg bedeutet (außer in PC-Ballerspielen?)... Hoffentlich gerät dieses alles nicht außer Kontrolle - zumal in der EU!
Gruß,
Joseph