Geteilte Verantwortung?
Der nationalsozialistische Völkermord an den Sinti und Roma in der deutschen Erinnerungspolitik und in Ausstellungen zum Holocaust
Von der Philosophischen Fakultät der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover zur Erlangung des Grades eines Doktors der Philosophie (Dr. phil.) genehmigte Dissertation von Silvio Peritore
Kurzbeschreibung der Disseration „Geteilte Verantwortung? Der nationalsozialistische Völkermord an den Sinti und Roma in der deutschen Erinnerungspolitik und in Ausstellungen zum Holocaust:
Diese Untersuchung beleuchtet die historische Bewertung dieses Genozids und die daraus resultierenden Kontroversen. Dazu werden, primär in der deutschen und teilweise in der internationalen Erinnerungsarbeit, die politischen, gesellschaftlichen, kulturellen und psychologischen Auswirkungen dieses Verbrechens untersucht. Schwerpunkte sind die Dokumentation, Bewertung und Analyse der Entwicklungsprozesse in der deutschen Erinnerungsarbeit sowie von 20 Ausstellungen zum Nationalsozialismus und zum Völkermord in Gedenkstätten und Museen unter Einbeziehung der Sinti und Roma. Die Begutachtung der Ausstellungen richtet sich nach erinnerungspolitischen, historiographischen und pädagogischen Kriterien. Ebenso wird der konfliktreiche Weg der Sinti und Roma in diese Ausstellungen beschrieben. Der von Vorurteilen geprägte politische, gesellschaftliche, wissenschaftliche und juristische Umgang mit den deutschen Sinti und Roma bis zum Beginn ihrer Bürgerrechtsarbeit in den 1970er Jahren wirkte sich auch auf das Gedenken an deren Opfer aus, denen lange die Anerkennung versagt blieb. Stattdessen wurden Sinti und Roma in den wenigen Beiträgen zu ihrer Verfolgung klischeehaft dargestellt. Die heutige Rolle der Sinti und Roma als Opfer des NS-Völkermords in der deutschen Erinnerungs- und Gedenkstättenarbeit ist ebenso Gegenstand dieser Arbeit. Dazu gehört auch das Nicht-Erinnern, also die Frage, warum sie von der Politik, der Wissenschaft und den Gedenkstätten aus dem Gedenken ausgeschlossen oder erst nach Auseinandersetzungen einbezogen wurden. Es sollen Gegensätze zwischen den offiziellen Formen des Erinnerns und den Erwartungen der Sinti und Roma sichtbar werden. Die Untersuchung soll für die Erinnerungs- und Gedenkstättenarbeit, für die Wissenschaft, Politik und Ge-
sellschaft Anregungen und Erkenntnisse bringen, die das Bewusstsein über den Genozid an den Sinti und Roma und dessen vielfältige Auswirkungen stärken, und dazu beitragen, antiziganistische Vorurteile abzubauen. Neben der Darstellung von Defiziten in der Erinnerungsarbeit sollen Lösungswege aufgezeigt und Anregungen für künftige Forschungen und Bildungsmaßnahmen gegeben werden, um den Stellenwert der Sinti und Roma als Opfer des NS-Völkermordes zu stärken.
Geteilte Verantwortung?
Der nationalsozialistische Völkermord an den Sinti und Roma in der deutschen Erinnerungspolitik und in Ausstellungen zum Holocaust
INHALTSVERZEICHNIS
1.1 Gegenstand, Problemstellung und Ziele der Untersuchung
1.2 Forschungsstand
1.3 Faktenlage zu den herangezogenen Themenbereichen
1.4 Theoriebezug und methodische Vorgehensweise
1.5 Quellenmaterial
1.6 Wissenschaftliches Erkenntnisinteresse
2 DER WEG ZUR ERINNERUNG AN DIE SINTI UND ROMA
2.1 Herkunft und Geschichte der Sinti und Roma in Europa
2.2 Auswirkungen des Nationalsozialismus auf Sinti und Roma
2.2.1 Die NS-Rassenpolitik als Grundlage der Vernichtung
2.2.2 Der Weg in den Genozid
2.2.3 Mordaktionen
2.2.4 Bilanz des Völkermords an den Sinti und Roma
2.2.5 Streitpunkte des erinnerungspolitischen und historischen Diskurses
2.3 Die Situation in der Nachkriegszeit
2.3.1 Aufbau einer neuen Existenz und gesellschaftliche Re-Integration
2.3.2 Kontinuierliche Diskriminierung in der Tätergesellschaft
2.3.3 Trauer und Trauma der Betroffenen und Bedeutung des Gedenkens
2.4 Die Bürgerrechtsarbeit der Sinti und Roma als Basis für die Erinnerungsarbeit
2.4.1 Die Protagonisten und ihre Ziele
2.4.2 Menschen- und Minderheitenrechte
2.5 Bekämpfung des Rassismus und des Antiziganismus
2.5.1 Antiziganistische Darstellung in der Literatur und in der Presse
2.5.2 Antiziganistische Darstellung im Film und in der Fotographie
3 VERANTWORTUNG, ERINNERN, GEDENKEN
3.1 Entwicklungen der deutschen Erinnerungsarbeit nach 1945
3.2 Leugnung, Verdrängung, Marginalisierung des Genozids an den Sinti und Roma
3.3 Deutungsmächte in der deutschen Erinnerungskultur
4 AUSSTELLUNGEN ZUM GENOZID AN DEN SINTI UND ROMA
4.1 Der schwierige Weg in die Ausstellungen
4.2 Erwartungen und Zielkonflikte
4.3 Erinnerungspolitische Gremienarbeit in Gedenkstätten und Lagerkomitees
4.3.1 Stiftung Topographie des Terrors
4.3.2 Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten
4.3.3 Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora
4.3.4 Stiftung Niedersächsische Gedenkstätten
4.3.5 Stiftungen Sächsische Gedenkstätten
4.3.6 Stiftung Sachsen-Anhaltinische Gedenkstätten
4.3.7 Stiftung Bayerische Gedenkstätten
4.3.8 Beraterkreis der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung
4.3.9 Internationale Lagerkomitees der Überlebenden-Organisationen
4.4 Prinzipien für die Gedenkstättenarbeit und Ausstellungen
4.5 Die ständigen Ausstellungen der Sinti und Roma
4.5.1 Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma
4.5.2 Auschwitz
4.6 Analyse der Ausstellungen in Gedenkstätten und Museen
4.6.1 Bergen-Belsen
4.6.2 Buchenwald
4.6.3 Dachau
4.6.4 Flossenbürg
4.6.5 Mittelbau-Dora
4.6.6 Neuengamme
4.6.7 Sachsenhausen
4.6.8 Gedenkstätte Deutscher Widerstand
4.6.9 Haus der Wannseekonferenz
4.6.10 Ort der Information am Denkmal für die ermordeten Juden Europas
4.6.11 Topographie des Terrors
4.6.12 Deutsches Historisches Museum
4.6.13 Badisches Landesmuseum Karlsruhe
4.6.14 Forschungsstelle für Zeitgeschichte Hamburg
4.6.15 Wanderausstellung „Sonderzüge in den Tod“ der Deutschen Bahn AG
4.6.16 Ausstellung „Erzwungene Wege“ des Bundes der Vertriebenen
4.6.17 Ausstellung „Unerwünscht–Verfolgt–Ermordet“ im Stadtmuseum Magdeburg
4.6.18 Ausstellung „Die Deutschen, die Zwangsarbeiter und der Krieg“
5 ERINNERUNGSPOLITISCHE ERFOLGE UND MISSERFOLGE
5.1 Anerkennung des NS-Völkermords an den Sinti und Roma
5.1.1 Rezeption im In- und Ausland
5.1.2 Akzeptanz und Kritik innerhalb der Minderheit
5.2 Die Lehren nach Auschwitz
5.2.1 Pädagogische Arbeit der Sinti und Roma
5.2.2 Lernen mit Zeitzeugen
5.3 Der Konflikt um das Denkmal in Berlin
5.4 Weitere Formen des Gedenkens an die Sinti und Roma
6 SCHLUSSBETRACHTUNG UND AUSBLICK
ANHANG
Chronologie des NS-Völkermords an den Sinti und Roma
Quelle: Dokumentationszentrum Deutscher Sinti und Roma
Verfolgung der Sinti und Roma im besetzten Europa
Ständige Ausstellungen mit Bezug auf Sinti und Roma
Gedenkorte für Sinti und Roma / Stand April 2011
Fragen an die Zeitzeugen der Sinti und Roma
Verzeichnis der verwendeten Literatur und der Quellen
Abrufbar unter: https://www.repo.uni-hannover.de/bitstream/hand….pdf?sequence=1