Hallo zusammen,
da die Beteiligung und Verantwortung der Ordnungspolizei (und nicht der SS wie es immer hieß) für das Massaker von Lidice mittlerweile ganz gut erforscht ist, sollen noch einige ergänzende Fakten mitgeteilt werden.
Bei der eingesetzten Polizeikompanie aus Kladno handelt es sich um die Polizeikompanie Halle.
Nach einem zweitägigen Einsatz in Prag, wo die Kompanie für die Sicherheiut bei der Überführung der Leiche von Heydrich zu sorgen hatte, war sie nach Kladno zurückverlegt worden.
Die Polizisten wurden zu Streifen in den umliegenden Dörfern eingesetzt mit dem Ziel, Personen ohne Ausweispapiere zu finden und Durchsuchungen bei Verdächtigen vorzunehmen.
Am Abend des 9. Juni 1942 erhielt die Kompanie unter Führung von Hauptmann Weber den Einsatzbefehl für Lidice. Das Dorf wurde gegen 22.00 Uhr umstellt. Der erste Zug, welcher später die Erschießungen vornahm, rückte in das Dorf ein.
Die Frauen und Kinder des 503 Einwohner zählenden Dorfes wurden während der Nacht mit Bussen abtransportiert. Mit der Erschießung der Männer wurde gegen 06.00 Uhr begonnen.
Über den Ablauf der Erschießung berichtet Eduard Stehlik:
"Nachdem die Frauen und Kinder weggebracht waren, hat der befehlshabende Offizier der Schutzpolizei, ein Mann aus Halle, der Geburtsstadt Heydrichs, am Marktplatz bei der Kirche die Schützen für das Hinrichtungskommando ausgesucht. Die Mitglieder des Kommandos haben aus den naheliegenden Häusern Matratzen im Horaks Hof geholt und an der Wand der Novaks-Scheune aufgestellt, damit die Schüsse nicht zurückprallen und sie verletzen konnten.
Auf jeden Mann zielten drei Schutzpolizisten, zwei haben auf die Brust, einer auf den Kopf geschossen.
Nach der Exekutionssalve trat der anwesende Offizier an jeden Exekutierten heran, um ihm nochmals in den Kopf zu schießen. Zu Anfang sind alle Männer in Fünferguppen vorgeführt worden. Dies ging Horst Böhme (Befehlshaber der Sicherheitspolizei Prag, Anm. d. Verf.) aber zu langsam voran, so dass er das Exekutionskommando verdoppelte. Somit konnte man jeweils zehn Männer auf einmal erschießen. Die Toten lagen so wie sie fielen und die Neukommenden mußten an ihnen vorbei laufen und sich davor aufstellen. Das Exekutionskommando trat daraufhin zwei Schritte zurück und das Grauen wiederholte sich. Den Männern wurden die Augen nicht verbunden, sie waren nicht gefesselt, keinen hat ihnen ein Urteil vorgelesen. Sie wurden ermordet ohne jegliche Erklärung.
Im Garten verblieben 173 Leichen."
Nachdem etwa die Hälfte der Männer erschossen war, durften die Polizisten eine Pause machen und erhielten Alkohol. Einige waren von dem Geschehen ziemlich erschüttert. Drei von ihnen konnten nicht mehr weiter schießen und wurden ausgetauscht.
Gegen 07.00 Uhr wurden mit dem Niederbrennen der Häuser durch die Schutzpolizei begonnen.
Die Polizeikompanie Halle verließ Lidice gegen 09.00 Uhr.
Der Nachfolger Heydrichs als Reichsprotektor, Daluege, teilte Himmler in einem Bericht vom 17. Juni 1942 mit, dass die Aktion um 10.00 Uhr beendet war. Die Beschlagnahme des Viehs und der Wertgegenstände erfolgte durch Wehrmacht und drei Kompanien Schutzpolizei.
Weitere Erschießungen von Einwohnern von Lidice erfolgten am 16. Juni 1942 in Prag durch die 2. Kompanie des Reserve-Polizei-Bataillons Prag.
Dabei handelte es sich um 29 Personen, darunter auch 7 Frauen, die teilweise bereits am 4. Juni verhaftet worden waren, bzw. Männer, die in der Nacht des Massakers zur Arbeit in den Kohlegruben waren.
Bereits unmittelbar nach dem Attentat auf Heydrich am 27. Mai 1942 und auch nach dem Massaker von Lidice kam es zu Verhaftungen und Exekutionen durch verschiedene Polizeieinheiten.
Das Polizeibataillon Leipzig wurde unmittelbar nach dem Attentat in die Tschechoslowakei nach Tabor verlegt. Dort wurde ihm auch die dort stionierte 2. Kompanie des Pol.-Batl. Klattau (Hauptmann Fridtjof Strecker) unterstellt. wahrscheinlich auch die 5. Kompanie (Oberleutnant Hans Ehricke).
Am 5. Juni 1942 begannen die Erschießungen durch diese Kompanien auf dem Schießstand der Polizeikaserne Tabor. Während der Chef der 2. Kompanie Leutnnant Aschen mit der Organisation beauftragte, leitete der Chef der 5. Kompanie, Oberltn. Ehricke, die Erschießungen selbst.
Von der 2. Kompanie wurden mindestens 13, von der 5. Kompanie zwei Erschießungen durchgeführt, bei welchen bis 2. Juli 129 Menschen ums Leben kamen.
Weitere Erschießungen wurden durch die 6. Kompanie des Polizeibataillons Prag (beteiligt Leutnant Bernhardt Mörschel) durchgeführt.
In Kladno wurden von der Polizeikompanie Halle Menschen erschossen, in Luby durch die Polizeikompanie Würzburg unter Hauptmann Otto Balleier.
Zu Erschießungen in Pardubice kam es durch Angehörige des Polizeibataillons Kolin (Hauptmann Gottspfennig, Oberleutnant Schünemann, Oberleutnant Preiss, Leutnant Koch).
In einem Bericht des BdS Böhme über die "Großfahndung" in der Zeit vom 10. bis 14. Juni 1942 wurde mitgeteilt, dass 418 Personen festgenommen und 81 erschossen wurden.
Während Lidice hinreichend als "Sühnemaßnahme" für das Heydrich-Attentat bekannt ist, ist die Vernichtung des Dorfes Lezaky weitgehend unbekannt.
Die Zeitung "Der Neue Tag" aus Prag berichtete am 25. Juni 1942:
"Am 24. Juni wurde das Dorf Lezaky bei Louka Bezirk Chrudim dem Erdboden gleichgemacht. Die Erwachsenen wurden nach den Bestimmungen des Kriegsrechts erschossen."
diese Erschießungen wurden von der 3. Kompanie des Polizeibataillons Kolin in Pardubice unter dem Kommando von Oberleutnant Preuss voirgenommen.
Hintergrund dieser Aktion war, dass in diesem Dorf eine Funkverbindung mit England unterhalten worden war.
Wenige Tage zuvor waren die Attentäter in einer Kirche in Prag ermittelt worden. Bei einer Schießerei wurden drei Fallschirmspringer getötet, weitere sieben kamen bei der Überflutung der Kellerräume durch eine Einheit der Waffen-SS ums Leben oder begingen Selbstmord.
Am 3. Juli 1942 wurde der Ausnahmezustand wieder aufgehoben.
Wer sich mehr mit dem Einsatz der Ordnungspolizei in der Tschechoslowakei beschäftigen will, sei die Veröffentlichung von Stefan Klemp, "Rücksichtslos ausgemerzt - Die Ordnungspolizei und das Massaker von Lidice", herausgegeben von der Villa ten Hompel, Münster, empfohlen, welche ich als Quelle dieses Beitrages genutzt habe.
Übrigens bedankt sich Herr Klemp in seiner Schrift bei unseren Mitgliedern Marcus (Lockenheld) und Rolandus (RolandP) für ihre Recherchen und Hinweise!
Dies belegt wieder einmal die wichtige Arbeit der Forum-Mitglieder.
Mit herzlichen Grüßen
Dieter