Hallo Christian,
ich bin zwar kein Veteran, der Dir direkt auf Deine Fragen antworten kann, und mein folgender Literaturhinweis bezieht sich auch nicht auf die SS oder das Heer, vermittelt aber meiner Meinung nach sehr gut die Inhalte, die durch Deine Fragen angerissen werden. Bei dem erwähnten Buch handelt es sich um Lothar-Günther Buchheims: „Der Film -Das Boot-“, Goldmann, 1981.
Recht kritisch geht Buchheim hier auf Unstimmigkeiten zwischen seinem eigenen Erleben der Ereignisse auf U 96 (wie auch seiner gesamten Marinezeit) und der filmischen Umsetzung derselben ein. Es handelt sich dabei um Widersprüchlichkeiten, die Buchheim an der Entstehungszeit des Filmes und den Grundsätzen dramaturgischer Gestaltung festmacht. Als besonders erwähnenswert wird dabei immer wieder die Diskrepanz zwischen den sehr gut ausgeführten Requisiten und Kulissen und dem nicht dazu passenden Verhalten der Schauspieler angeführt.
Bsp. 1: „Dieser dumme Uniformgeck soll ich sein?...Ich könnte nicht in den Spiegel sehen, wenn ich mich jemals so dusselig aufgeführt hätte, wie es dieser Charge abgefordert wird!“
Bsp. 2: „Der Kriegsberichter wirft, wenn ein Brecher kommt, die Arme in die Luft und reißt dem Mund auf wie ein an Land geworfener Karpfen, der gegen das Verenden kämpft, anstatt sich vor den Wasserschwällen wegzuducken…Kein Mensch, zuletzt P. will von mir hören, wie es auf der Brücke bei Sturm tatsächlich zuging. Als sich P. mir halb zuwendet, ist sein Unwille deutlich. Aber jetzt kann ich nicht mehr zurück. Ich sage: ‚Wenn ihr in das Becken eine Tonne Salz schüttet, würde der Kriegsberichter von ganz allein seine Schnauze zumachen.’“
Bsp. 3: “Wenn einer einen Film mit so vielen technischen Installationen macht, sollte er, wenn der Schauspieler in die einzig richtigen Haltungen beim Bedienen der Aggregate einweisen will, selber ganz genau über deren Funktion Bescheid wissen…Er dürfte sich nicht wie ein Scholastiker verhalten, der seine Kenntnisse über die Natur vor seinem Hause nur aus Büchern schöpft, anstatt einmal nach draußen zu gehen und sie sich anzusehen.“
Es wird also den einzelnen Darstellern und auch den Regisseuren und Produzenten, so sie einen authentischen Blick auf die Vergangenheit anstreben, nichts anderes übrig bleiben, als sich offensiv mit der jeweiligen Zeit auseinanderzusetzen. Dazu gehört neben Literaturstudien auch die Zusammenarbeit mit den noch lebenden Zeitzeugen, da nur bei denen diese soft skills in Erfahrung gebracht werden können. Ob sich dann gewonnene Erkenntnisse allerdings auch gegen die Regeln durchsetzen können, denen der Aufbau eines Filmes unterliegt, sei dahingestellt…
Mit freundlichen Grüßen
Schorsch