Posts by Scorluzzo

    Hallo Andre,


    vielen Dank für Deine wertvollen Tipps! Ich habe mich bereits an das Stadtarchiv Geldern gewandt, das mir nicht direkt weiterhelfen konnte, da militärische Unterlagen dort nicht archiviert sind, aber mir Hinweise auf weitere Archive (Land NRW, Bundesarchiv) gab. Dort geht nun meine Recherche weiter. Sollte ich von dieser Seite zu weiteren Informationen kommen, werde ich diese ins Forum stellen.


    Zu Johannes Bours: Als die Alliierten im November 1944 bereits an der Maas lagen und Walbeck zur "Roten Zone" erklärt und evakuiert wurde, ließ er sich, um der Ausweisung zu entgehen, zum Seelsorger der Strafkompanie ernennen. Die Gefangenen durften ein einziges Mal zu Weihnachten 1944 in die Kirche und es ist anzunehmen, daß bei der Weihnachtspredigt lediglich sie und Wachpersonal anwesend waren, also keine "höheren Vorgesetzten". Allerdings hätte wohl eine entsprechende Denunziation ausgereicht.


    Liebe Grüße

    Margitta

    Lieber Frank,


    ich danke Dir sehr für Deinen Beitrag und motivierenden Worte! Ich werde die Verfassung einer Biografie meines Vaters überdenken, denn sie wäre umfangreich: Meinem Vater standen nach der Jugendfeldstrafgefangenenabteilung, aus der er Mitte April 1945 auf dem Rückzug gen Osten wieder desertierte und bei Walsrode auf die Befreiung durch die Engländer wartete und zu ihnen überlief, weitere schlimme Erlebnisse bevor. Er konnte den Briten nicht nachweisen, daß er Nazigegner war und aus einer Strafkompanie kam. Darüberhinaus waren Deserteure auch dort nicht gerade beliebt...


    So kam er in britische Kriegsgefangenschaft nach Rotenburg/Wümme. Dort wußte man nicht wohin mit den vielen Kriegsgefangenen und so wurde er den Belgiern übergeben und mußte (als Bergsteiger) 2 1/2 Jahre im Bergwerk Winterslag unter anfangs wiederum fürchterlichen Bedingungen als Hauer schuften. Als er Ende November 1947 in seine Heimatstadt zurückkam, hatte sich dort bereits die zweite Diktatur etabliert und als Demokrat, Humanist und Pazifist war schnell wieder ein Andersdenker und mußte in den Jahren darauf wiederum die Flucht antreten...


    Also eine ziemlich lange Geschichte, die aber bereits in der Kindheit mit der Machtergreifung der Nazis begann... Eine Biografie würde also eine "etwas längere Sache" werden...


    Nochmals vielen Dank für Deine und auch Petzis ermutigenden Worte!


    Viele Grüße


    Margitta

    Ich würde es super finden wenn du dort dein Wissen und das dir mündlich überlieferte bzw die biografie deines Vaters dort einstellen würdest. Das ist ganz bestimmt eine Bereicherung für unser forum hier...

    Hallo Petzi,


    vielen Dank für Deine positive Rückmeldung! Ich werde Deine Gedanken aufgreifen; derzeit bin ich noch am Recherchieren. Leider habe ich meinem Vater (1925 - 2012) meistens passiv zugehört; heute würde ich mit gezielten Fragen aktiv nachhaken...


    Beste Grüße

    Margitta

    Hallo Andre,


    besten Dank für die Info zu Johannes Bours. Ich befürchte, daß es die Broschüre aus dem Jahr 2002 längst nicht mehr gibt; mir selbst liegt nur eine schlechte Kopie derselben vor. Diese Broschüre beleuchtet Johannes Bours' Leben, da im Jahr 2002 eine Straße in Walbeck nach ihm benannt wurde.


    Zu Johannes Bours möchte ich noch sagen, daß dieser junge Kaplan ein mutiger Mensch war, von dem mein Vater Zeit seines Lebens sprach. Unvergeßlich blieb ihm seine Weihnachtspredigt 1944, die von einem tiefen Humanismus geprägt war und meinen Vater an eine Welt ohne Mord, Tod, grausame Gewalt, Folter, Demütigungen und Unterdrückung erinnerte. Der Geistliche sprach von einer zukünftigen Welt, in der es wieder humanistische Werte geben würde.

    Für meinen Vater war diese Predigt wie ein "Stern von einer anderen Welt"; diese Predigt war so mutig, daß mein Vater Angst um diesen Kaplan hatte; er fürchtete, daß dieser auch den Nazis zum Opfer fallen könne.


    Es ist so, wie Du schreibst; die jugendlichen Strafgefangenen waren nur Kanonenfutter unter schrecklichsten Bedingungen. Leider sind diese Feldstrafgefangenenabteilungen und -lager in der Öffentlichkeit so gut wie unbekannt. M.E. ist hier hier noch einiges an Forschungsarbeit zu leisten... Ein hervorragender Historiker auf diesem Gebiet war der leider viel zu früh verstorbene Hans-Peter Klausch.


    Liebe Grüße

    Margitta

    Hallo Margitta,


    vielen Dank für die zusätzlichen Informationen.
    Ich bin sehr an weiteren Details zu den 4 jungen Männern und den Standorten des Feldstrafgefangenenlagers 16 am Niederrhein interessiert. Auch weitere Informationen zum Standort Glatz wären für mich interessant, da meine Großeltern in der Nähe zuhause waren (Giesshübel im Adlergebirge). Wenn du uns an der Geschichte deines Vaters teilhaben lässt, würde ich mich auch sehr freuen. Hast du Informationen, weshalb die 4 Männer verurteilt wurden?


    Gruss

    Michael

    Hallo Michael,


    ich kenne den Grund der Verurteilung der vier jungen Männer nicht; es ist aber stark zu vermuten, daß es auch wegen "unerlaubter Entfernung von der Truppe" war. Jedenfalls sollten sie sich in der Jugendfeldstrafgefangenenabteilung "bewähren". In so eine Abteilung kam nur, wer zu einer mind. 3-monatigen Gefängnisstrafe durch ein Militärgericht verurteilt war.


    Die Zustände im Wehrmachtsgefängnis Glatz bzw. der riesigen, aber völlig überfüllten Festungsanlage waren im Sommer 1944 schrecklich. Mein Vater war am 6.6.1944 durch ein Divisionsgericht in Yasi/Rumänien verurteilt worden und er hatte "Glück", daß man ihm nicht mehr als 4 Tage Abwesenheit von der Truppe nachweisen konnte, er wäre sonst wegen Fahnenflucht zum Tode verurteilt worden. Da es um Fahnenflucht ging, bekam er ein Verteidiger zur Seite gestellt, der ihn in seinem Falle wirklich beriet, was keineswegs üblich war. Mein Vater war in Glatz eineinhalb Monate, die ersten zwei Wochen noch zusammen mit gleichaltrigen verurteilten Jugendlichen, die letzten vier Wochen aber mit Schwerstverbrechern und Mördern. Dabei haben sich fürchterliche Dinge zugetragen, darüberhinaus kamen die Gefangenen aus dem Verlies nur selten kurz an die Luft bzw. Tageslicht.


    Nach dieser Zeit erfuhren die Gefangenen, daß sie einer Feldstrafgefangenen-Abteilung zugeführt werden sollten, was dann auch geschah. Mit dieser Gefangenenabteilung, die aus Hunderten von Wehrmachtshäftlingen bestand, ging es in Güterwaggons in den Westen. Die Häftlinge atmeten auf, nicht wieder an die Ostfronten geschickt zu werden. Sie wußten nichts von dem, was entlang der Kanalküste vor sich ging. Sie hatten ja nicht die geringste Information über das Kriegsgeschehen und dachten, daß die Wehrmacht im Westen nach wie vor "alles im Griff" hatte. Sie sollten das Gegenteil erfahren.


    Der Transport nach Holland wurde mehrfach unterbrochen. Die Strafgefangenen mußten die Waggons in Lager und Gefängnisse verlassen für Tage oder auch Wochen, um Gestorbene und Todkranke zu "entsorgen" und den Transport mit neuen Gefangenen zu ersetzen, von denen es viele gab. So war mein Vater ca. zwei Wochen in Baracken des Wehrmachtsgefängnisses Döllersheim, streng bewacht und wieder mit älteren Verbrechern eingesperrt. In Rokitnitz im Adlergebirge, wo es im Sommer 1944 auch ein Wehrmachtsgefängnis bzw. Lager gab, war er in einer Schule, ca. zwei Wochen, streng bewacht. Dort fand eine "Auslese" statt: Die jungen Gefangenen wurden von den älteren getrennt und zu einer Jugendfeldstrafgefangenenabteilung zusammengestellt. Hier dürften sich die vier jungen Männer und mein Vater kennengelernt haben.


    Von dort aus kamen sie Ende August/Anfang September 1944 an ihr Ziel in Holland, nach Well an der Maas. Sie waren in der dortigen Schule untergebracht. Die Front lag zu diesem Zeitpunkt über der Maas. Während sie dort ohne jeglichen Schutz (Helm, Gasmaske etc.) einen Panzergraben bauen mußten, kamen die ersten englischen Jagdflieger, zum Glück noch ohne Beschuß, was sich später aber änderte, als sie in der Wäldern Bunker bauen mußten und punktgenau über die Maas beschossen wurden. Im Dezember, einen Tag vor Weihnachten 1944, kamen sie nach Walbeck, wo sie vermutlich in der Gaststätte "Friedenseiche" unterkamen.


    Der Alltag in der Jugendfeldstrafgefangenen-Abteilung war geprägt von härtester Arbeit, 10 - 14 Stunden Bunker- und Stellungsbau bei geringsten Verpflegungssätzen. Darüberhinaus waren die Gefangenen brutaler Gewalt und Demütigung durch sadistische Bewacher ausgeliefert. Es ist ein furchtbares Kapitel, an anderer Stelle mehr dazu.


    Viele Grüße


    Margitta

    Hallo Andre,


    Danke dir für deine freundliche Resonanz.


    Das Buch "Niederrheinisches Land im Krieg" kenne ich bislang nicht. Mir liegt das Buch "Der zweite Weltkrieg zwischen Rhein und Maas" von Heinz Bosch aus dem Jahre 1977 vor, in welchem auf Seite 183 die Strafkompanie nur am Rande unwesentlich erwähnt wird.


    Interessant ist eine 2002 vom Heimat- und Verkehrsverein Walbeck herausgegebene kleine Denkschrift mit dem Titel "Der stille Held von Walbeck", gewidmet Johannes Bours (die Broschüre ist aber vermutlich vergriffen). Johannes Bours war ein mutiger junger Kaplan, der die jugendlichen Strafgefangenen seelsorgerlich in der "Roten Zone" betreute. Er begleitete die vier jungen Männer auf ihrem letzten Weg. Auch ihn muß dieses Erlebnis ein Leben lang, wie meinen Vater, beschäftigt haben. Er hat es in einem seiner Werke verarbeitet.


    Ergänzend möchte ich noch anmerken, daß es sich bei der Kompanie der 3. Feldstrafgefangenen-Abteilung 16 um eine reine Jugendfeldstrafgefangenenabteilung handelte. Die Gefangenen waren alle nur 18 - 20 Jahre alt und durch Miltärgerichte verurteilt.


    Liebe Grüße


    Margitta

    Lieber Frank/Evergreen,


    Danke für deine freundliche Antwort.


    Mein HIntergrundwissen beschränkt sich auf die Berichte meines Vaters, quasi "Wissen aus zweiter Hand", das ich hier gerne weitergeben möchte. Ich bin ja per Zufall auf die Seite des Wehrmachtsforums gestoßen, da ich nach dem Namen Ewald Bansbach recherchierte, einem der vier ermordeten Männer, mit dem sich mein Vater im Strafgefangenenlager angefreundet hatte.

    Ich weiß nicht, ob meine Kenntnisse ausreichen, um ein eigenes Thema zu eröffnen.


    Die Tragik dieser Geschichte im Detail ist: Der fanatische Befehlsinhaber der Kompanie, im Zivilleben Jurist, setzte sich nach der Gefangenennahme der vier jungen Männer gegen den Willen eines Ranghöheren! durch und machte Meldung an das "Fliegende Standgericht". Die traurigen Folgen sind bekannt.


    Die Geschichte meines Vaters ist eine lange Geschichte und beginnt schon in seiner Kindheit, da seine Eltern NS-Verfolgte waren und er nie im Jungvolk oder HJ war. Er wurde zum Deserteur aus Abneigung gegen das sinnlose Morden und seine politische Einstellung gegen das NS-Regime. Er desertierte bei seinem ersten Einsatz Anfang Februar 1944 bei Uman in der Ukraine. Wie schon erwähnt, eine lange Geschichte, ja eine Biografie, ich weiß nicht, ob dies hier der richtige Ort dafür ist...


    Viele Grüße


    Margitta

    Hallo Michael,


    durch Zufall stieß ich auf deine Frage in diesem Forum und möchte sie beantworten:

    Die vier ermordeten jungen Männer waren verurteilte Deserteure, die der 3. Feldstrafgefangenen-Abteilung 16 angehörten. Die Einheit wurde im Wehrkreis VIII für das Wehrmachtsgefängnis Glatz aufgestellt. (Einsatzräume 1944/1945 im Westen, Niederrhein, Venlo, Ems, Weser)

    Die vier wegen Desertation verurteilten jungen Männer kamen Anfang September 1944 aus dem Wehrmachtsgefängnis Glatz über die Wehrmachtsgefängnisse Döllersheim und Rokitnitz in die vorgenannte Feldstrafgefangenen-Abteilung. Zuerst nach Well in Holland und ab November 1944 nach Geldern-Walbeck.

    Die Gefangenen mußten unter schwersten Bedingungen und ausgehungert Bunker und Stellungen im Frontgebiet bauen. Man kann die Feldstrafgefangenenabteilungen und Feldstraflager als KZ der Wehrmacht bezeichnen, da eine Vernichtung durch Arbeit stattfand ("Der Soldat kann sterben, der Deserteur muß sterben!" - Hitler-Zitat -)

    Die vier jungen Männer, die zu den Engländern überlaufen wollten, begingen den Fehler, gemeinsam zu flüchten, was den Wächtern viel zu schnell auffiel und sie von Feldjägern gefangengenommen wurden.


    Sie wurden durch ein "fliegendes Standgericht" in Walbeck verurteilt und von einem 10-köpfigen Erschießungskommando umgebracht. Die ganze Strafgefangenenkompanie mußte dabei zusehen. Für das Kriegsverbrechen gibt es einen mutmaßlich Verantwortlichen. Die vier ermordeten jungen Männer waren Kameraden meines Vaters, der als verurteilter Deserteur dieses Feldstrafgefangenenlager überlebt hat. Es gäbe daher viele Details zu berichten.


    Liebe Grüße

    Margitta