Hallo Margitta,
vielen Dank für die zusätzlichen Informationen.
Ich bin sehr an weiteren Details zu den 4 jungen Männern und den Standorten des Feldstrafgefangenenlagers 16 am Niederrhein interessiert. Auch weitere Informationen zum Standort Glatz wären für mich interessant, da meine Großeltern in der Nähe zuhause waren (Giesshübel im Adlergebirge). Wenn du uns an der Geschichte deines Vaters teilhaben lässt, würde ich mich auch sehr freuen. Hast du Informationen, weshalb die 4 Männer verurteilt wurden?
Gruss
Michael
Hallo Michael,
ich kenne den Grund der Verurteilung der vier jungen Männer nicht; es ist aber stark zu vermuten, daß es auch wegen "unerlaubter Entfernung von der Truppe" war. Jedenfalls sollten sie sich in der Jugendfeldstrafgefangenenabteilung "bewähren". In so eine Abteilung kam nur, wer zu einer mind. 3-monatigen Gefängnisstrafe durch ein Militärgericht verurteilt war.
Die Zustände im Wehrmachtsgefängnis Glatz bzw. der riesigen, aber völlig überfüllten Festungsanlage waren im Sommer 1944 schrecklich. Mein Vater war am 6.6.1944 durch ein Divisionsgericht in Yasi/Rumänien verurteilt worden und er hatte "Glück", daß man ihm nicht mehr als 4 Tage Abwesenheit von der Truppe nachweisen konnte, er wäre sonst wegen Fahnenflucht zum Tode verurteilt worden. Da es um Fahnenflucht ging, bekam er ein Verteidiger zur Seite gestellt, der ihn in seinem Falle wirklich beriet, was keineswegs üblich war. Mein Vater war in Glatz eineinhalb Monate, die ersten zwei Wochen noch zusammen mit gleichaltrigen verurteilten Jugendlichen, die letzten vier Wochen aber mit Schwerstverbrechern und Mördern. Dabei haben sich fürchterliche Dinge zugetragen, darüberhinaus kamen die Gefangenen aus dem Verlies nur selten kurz an die Luft bzw. Tageslicht.
Nach dieser Zeit erfuhren die Gefangenen, daß sie einer Feldstrafgefangenen-Abteilung zugeführt werden sollten, was dann auch geschah. Mit dieser Gefangenenabteilung, die aus Hunderten von Wehrmachtshäftlingen bestand, ging es in Güterwaggons in den Westen. Die Häftlinge atmeten auf, nicht wieder an die Ostfronten geschickt zu werden. Sie wußten nichts von dem, was entlang der Kanalküste vor sich ging. Sie hatten ja nicht die geringste Information über das Kriegsgeschehen und dachten, daß die Wehrmacht im Westen nach wie vor "alles im Griff" hatte. Sie sollten das Gegenteil erfahren.
Der Transport nach Holland wurde mehrfach unterbrochen. Die Strafgefangenen mußten die Waggons in Lager und Gefängnisse verlassen für Tage oder auch Wochen, um Gestorbene und Todkranke zu "entsorgen" und den Transport mit neuen Gefangenen zu ersetzen, von denen es viele gab. So war mein Vater ca. zwei Wochen in Baracken des Wehrmachtsgefängnisses Döllersheim, streng bewacht und wieder mit älteren Verbrechern eingesperrt. In Rokitnitz im Adlergebirge, wo es im Sommer 1944 auch ein Wehrmachtsgefängnis bzw. Lager gab, war er in einer Schule, ca. zwei Wochen, streng bewacht. Dort fand eine "Auslese" statt: Die jungen Gefangenen wurden von den älteren getrennt und zu einer Jugendfeldstrafgefangenenabteilung zusammengestellt. Hier dürften sich die vier jungen Männer und mein Vater kennengelernt haben.
Von dort aus kamen sie Ende August/Anfang September 1944 an ihr Ziel in Holland, nach Well an der Maas. Sie waren in der dortigen Schule untergebracht. Die Front lag zu diesem Zeitpunkt über der Maas. Während sie dort ohne jeglichen Schutz (Helm, Gasmaske etc.) einen Panzergraben bauen mußten, kamen die ersten englischen Jagdflieger, zum Glück noch ohne Beschuß, was sich später aber änderte, als sie in der Wäldern Bunker bauen mußten und punktgenau über die Maas beschossen wurden. Im Dezember, einen Tag vor Weihnachten 1944, kamen sie nach Walbeck, wo sie vermutlich in der Gaststätte "Friedenseiche" unterkamen.
Der Alltag in der Jugendfeldstrafgefangenen-Abteilung war geprägt von härtester Arbeit, 10 - 14 Stunden Bunker- und Stellungsbau bei geringsten Verpflegungssätzen. Darüberhinaus waren die Gefangenen brutaler Gewalt und Demütigung durch sadistische Bewacher ausgeliefert. Es ist ein furchtbares Kapitel, an anderer Stelle mehr dazu.
Viele Grüße
Margitta