Hallo Thomas,
Quotewieso sollte es nach dem Stand der Geschichtswissenschaft (wohlgemerkt nicht hinsichtlich der Probleme einer völkerstrafrechtlichen Verwertung der Niederschrift - das ist ein völlig anderes Problem) Schwierigkeiten mit der Verwertung der Hoßbach-Niederschrift geben?, vgl schon Bussmann, JfZ 1968, Zur Entstehung und Überlieferung der Hossbach-Niederschrift.
Ich spielte hier auch eher auf die Tatsache an, dass Hoßbach aufgrund von Notizen diese Niederschrift verfasste, die zudem nicht lückenlos ist und des Weiteren leider nicht den Wortlaut einzelner Akteure erfasst. Gerade diesen letzten Punkt verwendete auch Göring, freilich in irreführender Absicht, bei den Nürnberger Prozessen um die Niederschrift zu relativieren. Was in letzter Konsequenz sicherlich unzutreffend ist, aber dennoch Berücksichtigung finden sollte.
QuoteEine Expansion im Osten - auch in Schritten - war realistisch nicht mehr ohne die Konfrontation mit den Westmächten denkbar, so dann auch die tatsächlichen Abläufe.
Aus heutiger Sicht der Dinge ist dem sicherlich zuzustimmen. Wenn ich mir allerdings die Konstellation am 1. September 1939, hier vor allem aus militärischer Perspektive, ansehe, ist das für mich doch ein starkes Indiz für die Auffassungsgabe Hitlers bezüglich der internationalen Reaktionen auf "Fall Weiß". Unter diesem Gesichtspunkt stehen dann auch der halb fertige Westwall, die nicht vorhandenen strategischen Planungen, die Dislozierung der Truppen, die Munitionsknappheit und natürlich die Hilflosigkeit, die er gegenüber Ribbentrop zum Ausdruck brachte.
QuoteEine spätere Aussage vom 23.11.1939 geht dahin, er habe lange überlegt, ob erst im Westen oder im Osten loszuschlagen sei.
Diese Aussage kann schon durch die Entwicklung des Krieges beeinflusst worden sein, wie es bei Hitler häufiger der Fall war, indem er der tatsächlichen späteren Lage entsprechend seine Aussagen modifizierte.
Ich glaube wir können uns aber auf zwei Punkte verständigen:
1.) Auch Hitler wollte mit dem Angriff auf Polen den Konflikt zunächst begrenzen.
2.) Hitlers Außenpolitik war auch nach Mai 1939 von der Vorstellung bestimmt, England und Frankreich werden sich im Falle einer Besetzung Polens nicht einmischen, vor allem nicht nach dem Hitler-Stalin Pakt.
QuoteUnd das wiederum stimmt im Wesentlichen mit den Überlegungen Hitlers im Schmundt-Protokoll vom Mai 1939 überein, übrigens auch mit Indizien wie der Kriegsbereitschaft der Marine ab Juli 1939, und dem Auslaufen der U-Boote in den Westen.
Als kleines Beispiel, Thomas, folgende Passage:
[...]"Der Führer zweifelt an der Möglichkeit einer friedlichen
Auseinandersetzung mit England. Es ist notwendig sich auf
die Auseinandersetzung vorzubereiten. England sieht in
unserer Entwicklung die Fundierung einer Hegemonie, die
England entkräften würde. England ist daher unser Feind und
die Auseinandersetzung geht auf Leben und Tod."[...]
Quelle: Textauszug aus der sogenannten "Schmundt-Mitschrift" vom 23.5.1939
Ich kann daraus genauso gut interpretieren, dass Hitler eine friedliche Auseinandersetzung für möglich hielt, und die danach folgenden Passagen über eine mögliche Kriegsführung lediglich eine etwaige Reaktion Deutschlands auf eventuelle Aktionen Englands wären. Außerdem die offensichtliche Erkenntnis Hitlers, dass die Kriegsmarine wohl die Hauptlast neben der Luftwaffe zu Tragen haben würde. In diesem Zusammenhang verweise ich zudem auf seine Ausführungen zur Skagerrakschlacht, wo er offensichtlich die unzureichende Stärke der Kriegsmarine als eine der Hauptursachen durchaus erkannte.
Jedenfalls lassen sich keine militärischen Pläne bzw. Richtlinien für den Fall eines Kriegseintritts mit England und Frankreich im Herbst 1939 feststellen.
Das Problem ist die Quelle Hitler. Um es einmal platt zu formulieren:"Er sagte viel, wenn der Tag lang war". Damit sind seine Aussagen meines Erachtens oftmals nur als "punktuelle Ansichten" zu betrachten, die die realen Gegebenheiten nicht oder lediglich peripher tangierten. Ein Umstand, den das erwähnte Beispiel doch recht deutlich zum Ausdruck bringt, wie ich meine.
Ansonsten bewegen wir uns hier im Rahmen eines spekulativen Szenarios, was eigentlich nicht meine Absicht war und ist.
Edit: Ich bitte um Verzeihung, aus Hektik habe ich vergessen den Textausuzug mit der entsprechenden Quelle zu versehen.
MfG