Posts by Rote-Kapelle

    Hallo zusammen!

    Malte

    Dir sind offenbar wesentliche Zusammenhänge nicht bekannt.

    Deine Verortung des ehemaligen Oberbefehlshabers des Heeres als "Tragikgestalt", die nun offenbar ungerechtfertigt als "Handlanger" abgestempelt wird, ist jedenfalls abenteuerlich. Eigentlich geradezu provozierend.

    Von Brauchitsch war (wie die gesamte Spitzengeneralität) von Anfang an über den Vernichtungskrieg bestens informiert und hat ihn bedingungslos mitgetragen. Und selbstverständlich zählte dazu auch das Wagner-Heydrich-Abkommen, das die Kompetenzverteilung zwischen Wehrmacht und SS im Osten klar regelte und allen Beteiligten vor Augen führte, was hier zu erwarten war. Entlarvend unter anderem auch v. Brauchitschs befürwortende Reaktion auf den berüchtigten Reichenau-Befehl (vgl. Wette, 2005, S. 276).

    Aufgrund der außerordentlichen Dimension der begangenen Verbrechen und des hohen Kenntnisstandes, der mit einer so zentralen Stellung wie der eines Oberbefehlshabers des Heeres automatisch einherging, ist die zitierfähige Literatur zum Thema seitenfüllend. Eine kleine Auswahl sei dennoch angeführt:

    Gerlach, Christian: Kalkulierte Morde. Die deutsche Wirtschafts- und Vernichtungspolitik in Weißrußland 1941-1944, Hamburg 1999

    Hürter, Johannes: Hitlers Heerführer. Die deutschen Oberbefehlshaber im Krieg gegen die Sowjetunion 1941/42, München 2007

    Streit, Christian: Keine Kameraden: die Wehrmacht und die sowjetischen Kriegsgefangenen 1941-1945, Bonn 1991

    Wette Wolfram: Die Wehrmacht: Feindbilder, Vernichtungskrieg, Legenden. Frankfurt am Main 2002

    MfG

    Hallo zusammen!

    Ich lese gerade "Japan im Pazifischen Krieg: Herrschaftssystem, politische Willensbildung und Friedenssuche" von Gerhard Krebs.

    Wer sich hier eine Abbildung militärischer Vorgänge im Pazifikkrieg erwartet, wird enttäuscht werden. Wie der Untertitel präzisiert, handelt es sich hierbei um einen Beitrag zur politischen Geschichte.

    Dabei umfasst der Betrachtungszeitraum nicht nur die Rolle Japans im Zweiten Weltkrieg, sondern auch dessen Vor- und (unmittelbare) Nachkriegsgeschichte.

    Ein Blick in das über einhundert Seiten umfassende Quellen- und Literaturverzeichnis offenbart dem Leser die Monumentalität dieses Vorhabens. Doch trotz der überaus umfangreichen Rezeption westlicher Literatur bleibt sie auffällig lückenhaft. Zur Nichtbeachtung bedeutender Werke zählen u.a. Michael Banharts: Japan Prepares for Total War. The Search for Economic Security, 1919–1941. Cornell 1988, John Dowers: Embracing Defeat. Japan in the Wake of World War II. New York 1999, wie auch Edward Millers: Bankrupting the Enemy: The U.S. Financial Siege of Japan before Pearl Harbor. Annapolis 2007.

    Ungewöhnlich ist außerdem die Praxis des Autors, die ins Literaturverzeichnis aufgenommenen Schriften nicht grundsätzlich auch zu verarbeiten. Ein Beispiel hierfür ist Jonathan Parshalls und Anthony Tullys Meisterwerk zur Trägerschlacht um Midway: Shattered Sword: The Japanese Story of the Battle of Midway. Dulles 2005. Ein Vorgehen, das wissenschaftliche Standards eigentlich verletzt.

    Dessen ungeachtet hat der Autor hier die umfangreichste, deutschsprachige Darstellung zur japanischen Weltkriegsgeschichte vorgelegt und damit einen unverzichtbaren Beitrag zur deutschen Japanforschung geleistet. Letztere ist leider über einige wenige Einzelbeiträge zur hier behandelten Showa-Periode nie hinausgekommen. Das Feld ist praktisch verwaist. Fast alle wesentlichen Beiträge stammen zudem vom Autor selbst. Daher ist es auch nicht verwunderlich, wenn es gerade Krebs gelingt, dem deutschsprachigen Publikum hiermit erstmals die wesentlichen politischen Entwicklungen innerhalb des japanischen Kaiserreiches jener Zeit darzustellen.

    Die ersten gut 250 Seiten widmet der Autor der Vorkriegszeit. Er nutzt diesen Raum nicht nur zur Beschreibung der relevanten politischen Vorgänge, sondern auch um die tragenden Institutionen und Akteure vorzustellen. Letztere sollen dann, ähnlich einem Schachspiel, in den folgenden Kapiteln "zum Laufen gebracht werden" (Krebs, 2010, S. 13).

    Diese Vorgehensweise ist durchaus begrüßenswert, scheitert jedoch aufgrund der Themenfülle an ihrer Oberflächlichkeit. Wenn bedeutende Aspekte des japanischen Herrschaftssystems, etwa seine Entscheidungsorgane, auf wenigen Seiten abgehandelt werden, wird das der Komplexität des Themas nicht gerecht.

    Kritik, die sich auch andere Abschnitte der Arbeit gefallen lassen müssen. Die Beschreibung der vielfältigen Vorgänge und Teilnehmer ist leider häufig kursorisch geblieben. Sicherlich auch ein Resultat der Ereignisdichte, die den verfügbaren Raum spürbar überfordert.

    Ein Problem, das der Autor durch eine thematische Gewichtung auszugleichen versucht, damit der Kritik jedoch Tür und Tor öffnet.

    Dazu zählt die flüchtige Behandlung der innermilitärischen Auseinandersetzungen der Vorkriegszeit, die insgesamt erhebliche innenpolitische Rückwirkungen entfalten sollten, genauso, wie die Überlegungen des amerikanischen Außenministeriums zur japanischen Nachkriegsordnung, denen im Verhältnis dazu deutlich mehr Raum zur Verfügung steht. Im Gegensatz dazu fristen dann z.B. die japanischen Unterhauswahlen aus dem Jahre 1942 auf acht Seiten ein geradezu unwürdiges Dasein, obwohl sich ihre ausführliche Erörterung, ob ihrer politischen Dimension, förmlich angeboten hätte. Der Autor versäumt es an dieser Stelle Edward Dreas Monographie: The 1942 Japanese General Election: political mobilization in wartime Japan. Kansas 1979, substanziell zu erweitern oder wenigstens nachvollziehbar wiederzugeben. Stattdessen hat der Leser, aufgrund der starken inhaltlichen Verdichtung des Autors, Mühe überhaupt dem Wahlausgang zu folgen.

    Bedeutend, und zwar über alle Sprachgrenzen hinweg, ist demgegenüber die Darstellung der verschiedenen Oppositionsgruppen und ihrer Tätigkeiten zur Kriegsvermeidung wie -beendigung. Hier hat der Autor, ohne grundsätzlich Neuland zu betreten, einen wesentlichen Forschungsbeitrag zum besseren Verständnis dieser politischen Gegenbewegungen geleistet.

    Von hohem Erkenntnis generierenden Wert ist in diesem Zusammenhang der extensive Rückgriff des Autors auf die zahlreichen schriftlichen Darlegungen der beteiligten Akteure, die in einem persönlichem Rahmen entstanden sind. Mit dem Tode Hirohitos, des Kriegskaisers, Ende der 1980er Jahre, setzte in Japan eine Veröffentlichungswelle von privaten Schriftstücken ein, die aus kaiserlicher Rücksichtnahme der breiten Öffentlichkeit zuvor unzugänglich waren. Daraus lassen sich zeitgenössische Perzeptionen der handelnden Persönlichkeiten genauso ersehen, wie Rückschlüsse auf deren Verhaltensmuster ziehen.

    Das reicht jedoch insgesamt nicht aus, um die hohen inhaltlichen Erwartungen - die sich der Autor selbst zum Ziele stellt - zu erfüllen.

    Zum einen ist dafür, neben den bereits erwähnten Einschränkungen, die Nichtbeachtung bekannter sozio-kultureller Eigenheiten verantwortlich.

    Dazu zählt u.a. das Prinzip der zwei Gesichter, des "honne" und "tatemae". Die soziale Interaktion wird in Japan maßgeblich durch die gesellschaftliche Situation bestimmt. In der Öffentlichkeit maskiert man persönliche Gefühle, die eigene Meinung und sogar seinen Willen zugunsten kollektiver, mit Funktion und Stellung verbundener Ordnungen. Individuelle Aspekte werden lediglich im kleinsten, privaten Kreise offenbart.

    Der Generalstabschef der japanischen Marine, Admiral Nagumo, wird vom Autor daher beispielsweise als Kriegstreiber verortet, weil er in den Konferenzen - in seiner Funktion - keine Vorstöße zur Friedenswahrung in Betracht zog, sondern ausschließlich auf die Kriegsvorbereitung und schließlich -eröffnung drängte und damit militärischen Gesichtspunkten folgte. Tatsächlich schien eine rasche Kriegseröffnung aus Sicht der Marine durchaus ratsam, da ihre Ölbestände täglich sanken und damit die Operationsfreiheit einzuschränken drohten.

    Seine Haltung wäre jedoch insgesamt wesentlich differenzierter zu beurteilen gewesen, da er privat völlig andere Ansichten vertrat, diese jedoch aufgrund der herrschenden gesellschaftlichen Strukturen nicht öffentlich artikulieren konnte. Auf diese facettenreichen Sozialinteraktionen und ihren Stellenwert für die Verortung ihrer Akteure hat zuletzt Eri Hotta kenntnisreich hingewiesen: Japan 1941: Countdown to Infamy. New York 2013

    Zum anderen stellt der Autor aber auch wichtige Fragen zum Herrschaftssystem, seinen Prozessen, Entwicklungen, Ergebnissen und Akteuren nicht.

    Wenn Krebs z.B. im Zusammenhang mit der Demission des Tojo-Kabinetts auf die sich verschlechternde Stimmungslage des Unterhauses gegenüber der Regierung hinweist, ohne dabei auf die Ursachen dafür einzugehen, kommt der Autor über die Wiedergabe (hinreichend) bekannter Fakten nicht hinaus. Das ist enttäuschend und führt dazu, dass sich der Erkenntnisgewinn der Arbeit für das versierte Publikum im Wesentlichen auf die bereits diskutierte oppositionelle Komponente des japanischen Staatssytems beschränkt. Wer hingegen durch eine Sprachbarriere am Zugang zu fremdsprachiger Literatur gehindert wird, kommt daran freilich nicht vorbei. Selten erschöpfend und nicht immer ausgewogen, gewährt der Autor dem Leser dennoch einen durchaus interessanten Einblick in die Materie.

    MfG

    Hi Chris!

    Fernsehdokumentationen sind leider keine zuverlässigen Quellen, wie du selbst bemerkt hast.

    Wenn dich das Thema interessiert, empfehle ich dir Fachliteratur zu lesen.

    Quote

    gibt es in dem von dir genannten Buch noch weitere Informationen zur 1.Pz.Div.?

    Nichts zum Pervitin-Gebrauch.

    An dieser Stelle sei bemerkt, dass die mir bekannte Operationsgeschichte auf Pervitin nicht näher eingeht. Schon daraus lassen sich erste Rückschlüsse auf die militärische Bedeutung dieses Mittels ziehen.

    Quote

    Der Versorgungsoffizier der 1.Pz.Div. soll im Westfeldzug dazu den Befehl erhalten haben, taeglich 20.000 Tabletten an die Fahrer der Division auszugeben.

    Wenn man die sehr hohe Tagesdosis von zwei Tabletten zugrunde legt, würde das bedeuten, dass die 1. Panzerdivision über 10.000 Fahrer verfügt hätte (die Ausgabe von Pervitin war an dessen Konsumation gebunden).

    Der Personalbestand der 1. Panzerdivision betrug nach Mobilmachung allerdings nur rund 12.000 Mann: http://www.lexikon-der-wehrmacht.de/Zusatz/Heer/Panzerdivision.htm

    Quote

    diesbezueglich spricht in der NTV Doku "Panzerschokolade - Crystal Meth bei der Wehrmacht" ein weiterer franzoesischer Historiker davon,dass die Soldaten des LVI.Panzerkorps bei ihrem Vorstoss auf Dünaburg (240km in 48Stunden) auf Pervitin gewesen sein muessen!

    Das LVI. Panzerkorps wurde erst am 1. März 1942 aufgestellt: http://www.lexikon-der-wehrmacht.de/Gliederungen/K…VIPzKorps-R.htm

    Dünaburg dagegen bereits in den ersten Juni-Tagen des Jahres 1941 durch das LVI. Armeekorps (mot.) erobert: http://www.lexikon-der-wehrmacht.de/Gliederungen/Korps/LVIKorps.htm

    Zu den Marschleistungen:

    Sie müssen immer im Kontext gesehen werden. Den Vorkriegsangaben fehlen naturgemäß die Kriegserfahrungen.

    Die durchschnittliche Tagesmarschleistung des XXIV. Panzerkorps betrug in den ersten 11 Tagen des Russlandfeldzugs beispielsweise rund 60 km (vgl. Hofmann/Toppe, 1953, S. 16). Man darf dabei nicht vergessen, dass sich die Marschleistung auf den Bewegungsradius des Truppenkörpers bezieht, nicht auf die tatsächlich zu bewältigende Fahrtstrecke eines Kraftfahrers. Denn der musste sich und die Truppe natürlich noch versorgen. Dazu zählte beispielsweise auch bei der Be- und Entladung der Fracht zu helfen. Er übernahm darüber hinaus Sicherungsaufgaben am ihm zugewiesenen Kraftfahrzeug und war mit seiner Wartung betraut.

    Ähnliches galt freilich auch für Panzer- und Kradfahrer, wenngleich selbige häufiger unter Feindeinwirkung standen und damit einer besonderen emotionalen und körperlichen Belastung ausgesetzt waren.

    Unter diesen Gesichtspunkten sind 240 km in zwei Tagen tatsächlich eine ganze Menge!


    Literatur:

    Hofmann, Rudolf; Toppe, Alfred: Consumption and attrition rates attendant to the operations of German Army Group Center (22 June 1941 – 31 December 1941), Washington 1953

    MfG

    Hallo Chris!

    Für die wissenschaftliche Betrachtung ist noch immer der Beitrag von Jochen Peter Steinkamp maßgeblich: Pervitin (Metamphetamine) tests, use and misuse in the German Wehrmacht, in: Man, Medicine, and the State. The Human Body as an Object of Government Sponsored Medical Research in the 20th Century, Stuttgart 2006, pp. 61-72

    Nachdem Pervitin bereits im Polenfeldzug vereinzelt eingesetzt wurde, brachte der Westfeldzug die planmäßige Einführung des Aufputschmittels. Zwischen April und Juli 1940 lieferte die mit der Herstellung der Arznei befasste Knoll AG rund 35 Millionen Tabletten an die Wehrmacht (vgl. ebd., S. 65). Zum Vergleich: Die 1. Panzerdivision beispielsweise verfügte über ein Kontingent von 20.000 Tabletten (vgl. Frieser, Blitzkrieglegende, Oldenburg 1996, S. 136).

    Dennoch kam es zu keinem planmäßigen Truppenversuch (wenngleich der Verbrauch gegenüber dem Polenfeldzug natürlich deutlich anstieg).

    Die Einnahme (und Ausgabe) durfte nämlich nur auf Anordnung eines Sanitätsoffiziers erfolgen. In der maßgeblichen Weisung des Heeressanitätsinspekteurs über den Einsatz sogenannter "Weckmittel" wird explizit auf die gesundheitsgefährdenden Folgen einer wahllosen Einnahme hingewiesen und deshalb der Einsatz dieser Arznei nur in Sonderfällen - wenn ohne Anwendung ein menschlicher Schaden zu erwarten sei - gestattet (vgl. Steinkamp, 2006, S. 65). Da statistische Angaben über den tatsächlichen Verbrauch fehlen bzw. nicht erhoben wurden, lässt sich über die letztendliche Größenordnung nicht gesichert urteilen. Aus den Quellen geht lediglich hervor, dass Pervitin im Kriege verabreicht wurde und welche Folgen das mitunter haben konnte.

    Trotz aller Probleme, die Norman Ohlers Darstellung umgeben, finden sich dort zahlreiche Fundstellen dazu: So kann man beispielsweise nachlesen, dass ein Oberst der 12. Panzerdivision, von dem bekannt war, dass er viel Pervitin nahm, beim Baden im Atlantik an einem Herzschlag verstarb. Fahrer der Panzertruppe Kleist sollen zeitweise zwischen zwei und fünf Pervitin-Tabletten pro Tag verbraucht haben. Und gerade bei Stabsoffizieren erfreute sich das Mittel großer Beliebtheit, die der hohen Arbeitsbelastung sonst nicht Herr zu werden glaubten. Als Nachweise dienen häufig die Erfahrungsberichte der Armee- und Korps-Ärzte oder anderer damit befasster Persönlichkeiten und Institutionen (vgl. Der totale Rausch: Drogen im Dritten Reich, Köln 2015).

    Wie Steinkamp feststellt, markierte der Westfeldzug allerdings bereits den Höhepunkt des Pervitin-Einsatzes. Noch vor dem Ostfeldzug fiel das Mittel unter das Opiumgesetz und war im freien Verkauf nicht mehr erhältlich. Man erkannte neben der hohen Suchtgefahr, dass die kurzfristige Leistungssteigerung mit einem folgenden Leistungsausfall erkauft werden musste, wodurch sich eine flächendeckende, vor allem aber langfristige Verabfolgung dieses Wirkstoffs als kontraproduktiv erwiesen hätte. Dessen ungeachtet blieb das Weckamin den gesamten Krieg über im Einsatz.

    Folgendes Beispiel vermittelt einen guten Eindruck von der Wirkung und den Einsatzmöglichkeiten des Mittels:

    "In einem 14-stündigen Fußmarsch ohne Feindberührung wurden etwa 25 km durch teilweise tiefen Schnee zurückgelegt. […] Temperatur 30° unter Null […] Die psychische Erregung bedingte auf der ersten Wegstrecke […] wo der Schnee teilweise hüfthoch lag, eine zu hohe und ungleichmäßige Marschgeschwindigkeit. Als das Eis des Ilmensees […] erreicht wurde, zeigten schon viele Kameraden den Zustand stärkster Erschöpfung: Taumelnder Gang, völlige Interessen- und Willenlosigkeit, Schmerzen und Krämpfe in der Muskulatur der Beine, besonders der Waden und Leisten, Herzklopfen, Brustschmerzen und Übelkeit. Etwa ab 24 Uhr [6 Stunden nach Beginn der Flucht] wollten immer wieder Mannschaften im Schnee liegen bleiben, ihre Willensstärke war trotz energischen Zuspruchs nicht wieder zu wecken. An solche Leute wurden dann je 2 Tabletten Pervitin ausgegeben. Nach einer halben Stunde bestätigten die ersten Männer spontan ihr besseres Befinden. Sie marschierten wieder ordentlich, blieben in der Reihe, waren besseren Mutes und nahmen am Geschehen Anteil. Die Muskelschmerzen wurden leichter ertragen. Bei manchen zeigte sich eine leicht euphorische Stimmung. Da nur 180 Tabletten vorhanden waren, konnte das Mittel nur an stark Erschöpfte ausgegeben werden. […] Ein Mann wurde beobachtet, der 2 mal 2 Tabletten P. erhielt, trotzdem aber nicht weiterkam. Er wurde in der letzten Stunde des Marsches auf einen Schlitten gelegt […]. (In Uschin) [später] wurden schwere Erfrierungen an den Füssen festgestellt." (zit n. Steinkamp, 2006, S. 68 f.).

    Zweifelsfrei hat die kontrollierte Einnahme von Pervitin die (militärische) Leistungsfähigkeit begünstigt, in mancher Situation sicherlich auch den Ausschlag gegeben. Die hohen Marschleistungen (der Fahrer) sind ein Indiz dafür. Keinesfalls aber war die Wehrmacht auf ihrem Eroberungs- und Vernichtungskrieg "high", wie immer wieder zu lesen ist, noch hatte die Verwendung von psychotropen Substanzen einen kriegsentscheidenden Einfluss.


    MfG

    Hallo Byron!

    Herzlichen Glückwunsch zur Veröffentlichung!

    Hast du daran gedacht ein Inhaltsverzeichnis oder vielleicht sogar eine Leseprobe einzustellen? So etwas erleichtert womöglich auch anderen die Kaufentscheidung.

    Handelt es sich hierbei in erster Linie um ein Personenverzeichnis oder steht die Schilderung geheimdienstlicher bzw. sicherheitspolizeilicher Aktivitäten im Vordergrund?

    Du schreibst, dass deine Erkenntnisse überwiegend aus amerikanischen Verhörprotokollen stammen und betonst in diesem Zusammenhang ihre Zuverlässigkeit. Kannst darauf näher eingehen? Warum sind sie zuverlässig? Hast du sie deutschen Primärquellen gegenübergestellt?


    MfG

    Hallo zusammen

    @Bert

    Quote

    Befestigungsanlagen waren im 20. Jahrhundert einfach nicht mehr in vollem Umfang militärisch sinnvoll.

    Ich hatte das versucht zu erklären. An der Wirksamkeit von Befestigungsanlagen zweifelte in den 1930er Jahren niemand. Dies gründete sich auf den umfangreichen Erfahrungen des gerade erst beendeten Ersten Weltkrieges. Darüber hinaus waren sie dazu konzipiert Personal zu sparen! Dass dies nicht in dem gewünschten Umfange geschah (wenngleich die Masse der französischen Truppen natürlich nicht in und hinter den Anlagen stand), ändert daran nichts. Noch Ende der 1930er Jahre ging die Wehrmachtsführung von einem Festungskrieg aus, der von demjenigen entschieden wird, der über mehr Menschen und Material verfügen würde (vgl. Frieser, 1995, S.13). Also genau von dem, was die Maginot-Linie verkörperte.

    Nun kann man sich heute hinstellen und sagen, dass das alles Unsinn war. Dass man auf alles hätte vorbereitet sein müssen. Dass man das alles hätte kommen sehen müssen. Aber welchen Zweck hat das? Im Nachhinein ist man immer schlauer…

    Das gilt übrigens auch für die "veraltete Taktik". Da meine Hinweise darauf bislang offenbar nicht durchgedrungen sind, helfen vielleicht ein paar Urteile aus den "eigenen Reihen".

    Der Generalstabschef des Heeres wusste beispielsweise folgendes zu berichten: "Polnisches Angriffsverfahren [ist] kein Rezept für den Westen. Gegen festgefügte Armee nicht zu [ge]brauchen" (ebd., S. 22). Der OB der Heeresgruppe C urteilte: "[…]Ein Angriff gegen Frankreich wird nicht wie der Angriff gegen Polen geführt werden können, sondern langwierig und äußerst verlustreich sein" (ebd., S.23). Die Lagebeurteilung des Chefs des Generalstabes der Heeresgruppe A hielt fest: "Bei aller Würdigung der Panzererfolge in Polen muss doch festgestellt werden, dass ihr gegenüber einer solchen Verteidigung [im Westen] wenig oder gar keine Aussicht auf Erfolg zugesprochen werden kann." (ebd., S. 23).

    Angesichts dieser Einschätzungen kann es nicht verwundern, wenn die französische Seite zu einem ähnlichen Urteil kam. Oder hätte sie es besser wissen müssen, als die Deutschen selbst?


    @Thomas

    Quote

    ist das nicht schon ein Widerspruch?

    Natürlich! Darauf wollte Frieser ja hinaus. Man bereitete sich bestens auf den "normalen" Krieg vor, wenn selbiger (von allen ungeahnt) gar nicht mehr existierte.

    Quote

    Kann man in diesem Falle, wenn man das Bollwerk Maginot-Linie hernimmt, von "Ausrüstung" sprechen?

    Darüber lässt sich sicher streiten. In jedem Fall unterstützt es die eigenen Truppen.

    Quote

    Wenn ich sorgfältig ausgerüstet und ausgebildet werde, dann berücksichtigt man a l l e Eventualitäten, oder nicht?

    Ich kann keine Eventualitäten berücksichtigen, die ich nicht kenne. Und der von Deutschland praktizierte Bewegungskrieg war genau das: unbekannt. Und zwar nicht nur den Franzosen. Nun kann ich auch hier das Versagen der Franzosen herausstellen, nicht selbst auf den Bewegungskrieg gekommen zu sein, aber mach das Sinn? Den Franzosen kann man sicher einiges anlasten, aber die Revolution des Krieges nicht erkannt zu haben? Und selbst wenn, wie hätte Frankreich noch darauf reagieren können? Heere stellen sich materiell und doktrinell nicht von heute auf morgen auf.

    Quote

    für mich hört sich das nicht nach "vorbereitet" an, was meinst du?

    Im Falle der militärischen Bewertung der Ardennen/Maas durch die französische Generalität kann man tatsächlich eine vermeidbare Fehleinschätzung feststellen. Insbesondere da eigene Untersuchungen die These des panzerungünstigen Geländes eindeutig widerlegt hatten, jedoch von der Generalität als "Schwarzmalerei" abgetan wurden (ebd. S. 167).

    Quote


    Generell, wenn ich jemanden den Krieg erkläre, dann erwarte ich zumindest einen Offensivgedanken,
    kein "Verschanzen" hinter einer Bunkerlinie und erwarte einen Angriff von denen, denen ich gerade den Krieg erklärt habe



    Die französische Armee ist doch kurz nach der Kriegserklärung an Deutschland angetreten (Saar-Offensive). Das Problem war hier eine Kombination aus dem schnellen Zusammenbruch des polnischen Heeres (und der damit einhergehenden Verlegung deutscher Truppen gen Westen) auf der einen Seite und der zeitaufwändigen Mobilisierung und Bereitstellung der französischen Armee auf der anderen. Das Zeitfenster war einfach zu kurz. Man kalkulierte mit der polnischen Widerstandsfähigkeit in ganz anderen zeitlichen Dimensionen. Nach dem Zusammenbruch Polens gab es dann keine Veranlassung mehr auf deutsches Gebiet vorzustoßen.

    Daran änderte sich auch 1940 nichts.

    Tatsächlich sahen die alliierten Pläne eine Offensive frühestens für 1942/43 vor. Davor glaubte man sich dazu außerstande. Die damaligen Erfahrungswerte forderten für den Angreifer wenigstens eine Überlegenheit von 3:1. Und obwohl die vorhandenen Kräfte für eine Verteidigung ausreichend bemessen schienen, waren sie das für den Angriff nicht. Es war daher völlig logisch, zunächst defensiv zu agieren. Einzelheiten hier: http://www.port.ac.uk/special/france…ad,20686,en.pdf

    Literatur:

    Frieser, Karl-Heinz: Blitzkrieg-Legende, Oldenburg 1995

    MfG

    Hallo zusammen!

    Die von Bert eingebrachte Beurteilung eines Schweizer Offiziers beinhaltet leider einige schwerwiegende Ungenauigkeiten und darauf aufbauende Fehleinschätzungen. Da der Autor darüber hinaus auch noch auf einen Nachweis seiner Angaben verzichtet, möchte ich nicht näher darauf eingehen und mich auf diese Warnung beschränken.

    Mittlerweile wurden ja bereits einige Hinweise in den Thread getragen. Ich will mich daher auf ein paar Eckpunkte konzentrieren.

    Die Auffassung, wonach die französische Armee 1940 veraltet gewesen wäre, lässt sich nicht erhärten. Der bereits zitierte Frieser geht auf das Thema ausführlicher ein. Wem das Buch nicht zur Verfügung steht, kann auch im Internet interessante Fundstellen dazu finden:

    Zur Luftwaffe: http://www.au.af.mil/au/afri/aspj/a…t/kirkland.html

    Zum Rüstungsstand der französischen Armee: http://conflictuel.pagesperso-orange.fr/LGGtemp/1940 FRENCH ARMAMENT.pdf

    Tatsächlich lässt sich festhalten, dass selten eine Armee sorgfältiger für den nächsten Krieg ausgerüstet und ausgebildet wurde, wie die französische. Das Problem war, wie Frieser richtig konstatiert, dass die Deutschen dann nicht den Krieg führten, auf den sich die Franzosen vorbereitet hatten.

    Zur französischen "Blauäugigkeit" sei auf deren Ausgangslage zu Feldzugsbeginn hingewiesen:

    Die rechte Flanke war durch die Maginot-Linie, das stärkste Festungssystem der damaligen Welt, gedeckt. Die Brauchbarkeit derartiger Anlagen war im vorherigen Krieg klar erwiesen worden.
    In der Mitte bildeten natürliche Hindernisse (Maas und Ardennen) gleich einen doppelten Sperrriegel, sodass man den Schwerpunkt bequem auf den linken Flügel legen konnte.

    Man war der Wehrmacht in quantitativer Hinsicht sowohl personell als auch materiell zum Teil deutlich überlegen. Dabei sind die belgischen, holländischen und englischen Kräfte noch gar nicht berücksichtigt. Dazu genoss man in zahlreichen Teilbereichen auch qualitative Vorteile.

    Darüber hinaus verfügte man über einen bestens einstudierten und - aus französischer Sicht - völlig richtig und logisch erscheinenden Plan im Falle eines als wahrscheinlich angesehenen (und ursprünglich deutscherseits auch geplanten) Angriffs der Wehrmacht über Flandern. Die letzte Modifikation, nur wenige Wochen vor dem deutschen Vorstoß hinzugefügt, wog zwar letzten Endes folgenschwer, allerdings nur aufgrund der gänzlich unerwarteten Stoßrichtung der deutschen Truppen. Letztere konnte sich übrigens erst relativ spät gegen den erheblichen Widerstand in Teilen der Generalität durchsetzen.

    Die französische Zuversicht, die sich aus all dem ergab, machte daher durchaus Sinn. Ebenso wie die (auf Zeit spielende) defensive Grundausrichtung, die die Aktivierung der rüstungswirtschaftlichen und militärischen Potenziale der Alliierten ermöglichen sollte.

    Welche realistischen Chancen boten sich Frankreich also zur Optimierung der eigenen Überlegungen?

    Der Polenfeldzug. Doch obwohl die Nützlichkeit eigenständiger Panzerverbände und anderer Neuerungen dort durchaus demonstriert wurden, war man sich selbst auf deutscher Seite unsicher, ob sich diese Erkenntnisse auf einen Waffengang gegen Frankreich übertragen ließen (siehe die zahlreichen Zweifel hinsichtlich der Erfolgsaussichten des deutschen operativen Gedankens). Das tradierte Kriegsbild lies sich nicht so ohne weiteres von Erfolgen gegen einen schwachen Gegner verrücken. Diese neuartigen Konzepte mussten sich erst noch auf dem Felde beweisen. Auch an dieser Stelle wird sichtbar, warum der Frankreichfeldzug - obwohl konzeptionell kühn - letztlich eben nicht als Blitzkrieg geplant wurde.

    Die Gedankenlage war damals eben eine ganz andere: Frankreichs Armee galt als die stärkste der Welt. Selbst musste man dagegen, unter großem Risiko, den "Krieg des armen Mannes" führen.

    Letztendlich jedoch war Frankreich zur falschen Zeit am falschen Ort. Als man sich im Laufe des zweiten Feldzugsabschnitts ("Rot") auf den deutschen Bewegungskrieg eingestellt hatte, war es schon zu spät. Den Luxus, den England hatte, sich den Neuheiten anpassen zu können, blieb den Franzosen aufgrund ihrer geographischen Lage verwehrt.

    Nun kann man den Franzosen natürlich Versagen vorwerfen, und muss dies in einigen militärischen Bereichen auch zweifelsfrei tun, aber man sollte dabei nicht vergessen, dass Deutschland in den 1930er Jahren nichts weniger gelang, als den Krieg zu revolutionieren. Und Frankreich fungierte dabei als erster richtiger Prüfstein für diese neuartigen Theorien.


    MfG

    Hallo Michate!


    Bin vor ein paar Tagen durch Zufall darauf gestoßen und habe es mir als E-Buch geholt. Bin aber noch nicht zum Lesen gekommen.

    Wenn du es gelesen hast, wäre ich an deiner Meinung interessiert. Es steht nämlich auch auf meiner Liste.

    MfG

    Hallo zusammen!


    Zu Loos liegt im Institut für Zeitgeschichte München ein umfangreiches Konvolut vor, das interessante Details zu seiner polizeilichen Tätigkeit während des Krieges und auch einige biografische Einzelheiten enthält. Es wurde mittlerweile digitalisiert und ist über folgenden Link erreichbar: http://www.ifz-muenchen.de/archiv/zs/zs-1178.pdf

    Womöglich ist das ja für den ein oder anderen von Interesse.

    @byron

    Dein neues Buchprojekt klingt spannend! Viel Erfolg!

    MfG

    Hallo Stefan!

    Ich kenne zwar nur das deutlich umfangreichere und durchaus empfehlenswerte Hauptwerk des Autors, aber die Neuveröffentlichung wurde in der Luftwaffen-Revue rezensiert. Demnach liegt der Mehrwert der Arbeit in der ausführlichen Darstellung der Farbgebung, Beschriftung, Verpackung, des Transports und der Wirkung deutscher Bombenkörper begründet: http://killeit.de/lwr-hefte/3-2015/index.html (Seite 32)

    Im Zweifelsfalle lässt sich mit dem Autor sicherlich auch Kontakt über den Verlag herstellen.

    Solltest du da dran bleiben, wäre ich jedenfalls am Ergebnis interessiert!

    MfG

    Hallo zusammen!

    Ich lese gerade "The Italian Navy in World War II" von James Sadkovich.

    Das Buch geht detailliert auf das Leistungsvermögen der italienischen Marine (RMI) während des Zweiten Weltkrieges ein.

    Wie alle Aufsätze des Autors, die sich mit der militärischen Rolle des deutschen Achsenpartners befassen, ist auch seine Einzeldarstellung lesenswert. Warum sie ohne Sachkenntnis und textkritischen Zugang dennoch nur eingeschränkten Wert hat, versuche ich im Folgenden zu erörtern.

    Zunächst allerdings zum Kontext, in dem diese Arbeit entstanden ist. Seit rund zwei Jahrzehnten ist im englischen Sprachraum eine militärische Neubewertung Italiens zu beobachten, die in erster Linie durch den erstmaligen Rückgriff auf italienische Quellen angetrieben wird (Interessenten finden eine Literatur-Auswahl am Ende des Beitrags). Das ist immerhin ein deutlicher Fortschritt zur bis dahin gängigen Praxis, auf übersetztes deutsches Material (z.B. Rommel Papers) oder die alliierte Seekriegsgeschichte (z.B. Roskill) zurückzugreifen, denen man ohne weiteres eine einseitige Sichtweise attestieren kann. Die daraus resultierenden Stereotype wurden ja auch in der deutschen Sekundärliteratur zuverlässig reproduziert.

    Wenn der Autor also in der Einleitung die unausgewogene und durch (italienische) Quellen kaum haltbare Kritik an der Leistungsfähigkeit der RMI bemängelt, dann tut er das zu Recht. Umso bedauerlicher ist es dann, wenn er selbst eine klare Agenda verfolgt: Die Rehabilitation der Italiener um jeden Preis. Ein roter Faden, der sich leider durch alle Arbeiten des Autors zieht und umso ärgerlicher ist, weil er gar nicht nötig gewesen wäre, um zu beweisen, dass die RMI eben nicht feige und unfähig war.

    Wenn ich nun im weiteren Verlauf immer wieder italienische Versäumnisse herausstelle, dann dient das der Illustration der Parteilichkeit des Autors und nicht als Beweis für die Inkompetenz der RMI. In der Tat hat die italienische Marine, gerade auch angesichts ihrer unbestreitbaren technischen und materiellen Unzulänglichkeiten, die in sie gestellten Aufgaben oftmals erfüllt!

    Nun aber zum eigentlichen Kern:

    Während Sadkovich z.B. bei Tarent (erfolgreicher britischer Luftangriff auf die italienische Schlachtflotte) durchaus auf einige Schwächen in der Hafenverteidigung hinweist (bspw. war nur ein Teil der vorgesehenen Torpedonetze ausgelegt), verliert er in seinen Ausführungen kein Wort über die eigentliche Ursache für den Erfolg des Unternehmens: Die RMI war über den Stand der Torpedotechnik und den sich daraus ergebenden Einsatzmöglichkeiten schlicht nicht im Bilde. Siehe neuerdings Caravaggio, Angelo N.: The Attack at Taranto: Tactical Success, Operational Failure, in: Naval War College Review (2006): pp. 103-127

    Eine Nachlässigkeit, die der italienische Marine in den ersten Monaten des Krieges teuer zu stehen kommt. Und obwohl Sadkovich diese Verluste minutiös auflistet, steht für ihn vor allem die Feststellung im Vordergrund, dass nach Tarent kein italienisches Schiff mehr in einem Hafen durch Torpedoflugzeuge versenkt werden konnte.

    Ein weiteres Beispiel für die voreingenommene Argumentationsführung des Autors ist die Darstellung der Ereignisse im Rahmen der Beschießung Genuas durch die RN (Operation Grog) Anfang 1941. Obwohl es sich dabei um einen kühnen Vorstoß der britischen Flotte tief in den italienisch beherrschten Raum hinein handelte, ein Unterfangen das die RMI den gesamten Krieg über nicht wagte, ist er für Sadkovich lediglich der Beweis, dass die RN das von Italien (eigentlich den deutschen Fliegerkräften) kontrollierte zentrale Mittelmeer meiden wollte. Die Beschädigung von "nur" 32 der 55 Handelsschiffe im Hafen wertet der Autor schließlich als "sehr geringen Erfolg", als Propaganda-Coup.

    Warum es einer feindlichen Flotte gelang, unbemerkt (!) rund 1.200 KM zurückzulegen um schließlich völlig unbehelligt (!) einen der wichtigsten italienischen Häfen bei Tage (!) rund eineinhalb Stunden zu beschießen, um danach genauso unbehelligt wieder zurückzukehren, wird vom Autor nicht thematisiert. Dabei wären die in diesem Zusammenhang stehenden Schwächen der italienischen Luftaufklärung und des luft-, land- und seebasierten Objektschutzes einen Blick allemal wert gewesen.

    Zu dieser argumentativen Befangenheit gesellen sich leider auch ein paar inhaltliche Schnitzer: Die konzeptionellen Schwächen der italienischen Schiffskonstruktionen versucht der Autor etwa dadurch zu erklären, dass lediglich Frankreich eine Rolle in der italienischen Strategie gespielt habe, wenn tatsächlich das Gegenteil der Fall ist. Vergleiche hierzu wie im Folgenden die quellengesättigte Darstellung von Robert Mallet: The Italian Navy and Fascist Expansionism, 1935-1940, London 1998

    Immer wieder weist der Autor zudem auf das folgenreiche Fehlen von Trägern für die Kampfführung der RMI hin. Offenbar in der Annahme, dass es sich dabei um eine politische Entscheidung gehandelt habe, wenn es in Wahrheit die RMI selbst war, die noch zu einem Zeitpunkt Träger abgelehnt hat, als selbst eine Kontinentalmacht wie Deutschland welche im Bau hatte.

    Problematisch wird es allerdings erst, wenn es um die Bewertung deutscher Vorgänge geht. Hier leistet sich der Autor einige außerordentliche Fehleinschätzungen. Ein Blick in die Bibliografie ist dabei erhellend. Obwohl auch deutsche Quellen Eingang gefunden haben, ist ihre Auswahl nicht breit und aktuell, ihre Deutung nicht kenntnisreich genug. Der Einfluss der Marineführung auf die Formulierung der deutschen Kriegsziele wird beispielsweise vom Autor konsequent überschätzt und gründet sich in erster Linie auf einen (falschverstandenen) Beitrag Schreibers aus den 1980er Jahren. Dabei hat gerade Schreiber - vom Autor offenbar unbemerkt - die deutsche Mittelmeerstrategie ausführlich vorgestellt. Siehe dazu u.a. derselbe et al.: Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, Band 3, Der Mittelmeerraum und Südosteuropa. Von der "non belligeranza" Italiens bis zum Kriegseintritt der Vereinigten Staaten, Stuttgart 1984

    Und wenn Sadkovich schon gegenüber den ehemaligen Gegnern Italiens tendenziös argumentiert, dann gibt es für ihn beim einstigen Bündnispartner kein Halten mehr. Wenn die RMI erst nach der Seeschlacht von Matapan davon Kenntnis erhielt, dass Radaranlagen nunmehr auch auf Schiffen zu finden waren, dann war das vor allem die Schuld der Kriegsmarine, die sie - in der Annahme, derartiges wäre den Italienern ohnehin bekannt - nicht darüber in Kenntnis setzte. Und das, obwohl der Autor selbst festhält, dass den Italienern bereits lange davor Aufnahmen von Schiffen mit Radaranlagen vorlagen, offenbar aber nicht den entsprechenden Stellen zugegangen waren.

    Überhaupt war Matapan, die deutlichste Niederlage der RMI, in erster Linie ein deutsches Verschulden. Das fängt beim Drängen der deutschen Marineführung nach einer derartigen Operation an, obwohl - auch das hält der Autor fest - der italienische Flottenchef den Admiralstab in dieser Frage genauso bedrängte und letzterer in seiner Entschlussfassung immerhin eigenständig war. Weiter geht es mit einer fehlerhaften Meldung deutscher Fliegerverbände, die darauf schließen ließ, dass die RN nur noch über ein einsatzbereites Schlachtschiff im östlichen Mittelmeer verfügen würde, wenn es derer drei waren. In der Tat ein Problem, wenn die Richtigstellung nicht noch rechtzeitig den italienischen Stellen zugegangen wäre. Letztere waren jedoch nicht in der Lage diese Information dem Flottenchef zeitnah zur Kenntnis zu bringen. Und schließlich passte auch der Jagdschutz nicht, weil die Luftwaffe ihre Jagdflugzeuge in den Abendstunden nicht riskieren wollte, wenn das eigentliche Problem die Entscheidung des italienischen Flottenchefs war, kehrtzumachen und die Nacht über de facto bewegungslos in feindlichen Gewässern zu verbringen.

    Der militärische und wirtschaftliche Beitrag Deutschlands wird dagegen an jeder erdenklichen Stelle marginalisiert. Dabei war es im weiteren Kriegsverlauf z.B. die KM, die u.a. unter Aufgabe ihrer Fähigkeit zur Atlantikkriegführung mit schweren Überwasserstreitkräften, die RMI mit so viel Öl versorgte, dass sie wenigstens ihre dringendsten Aufgaben erfüllen konnte.

    Warum ist das Buch also dennoch lesenswert?

    Einerseits muss man festhalten, dass der Autor in der Beschreibung dieser Vorgänge durchaus dazu in der Lage ist der Argumentation gegensätzliches anzuführen. Meist geschieht dies in Fußnoten, immer wieder aber auch im Text (dort allerdings oftmals relativierend), sodass sich der aufmerksame Leser ein eigenes Bild machen kann. Der Autor rezipiert in diesem Zusammenhang praktisch die gesamte italienisch- und englischsprachige Literatur zum Thema und ermöglicht damit einem fremdsprachigen Publikum erstmals einen Einblick in die unterschiedlichen Auffassungen und den Stand der (RMI-)Forschung zu Beginn der 1990er Jahre. Darüber hinaus gibt es auch heute noch keine englischsprachige Darstellung, die über umfangreicheres statistisches Material zur RMI verfügt, als "The Italian Navy". In über 40 Tabellen wird auf eine Fülle von aufschlussreichen Einzelheiten eingegangen. Und schließlich gelingt dem Autor, trotz argumentativer Schlagseite, trotzdem der überzeugende Nachweis, dass die RMI weder feige noch ineffektiv oder inkompetent war. Und das ist gerade auch für das deutsche Publikum, dessen Wahrnehmung des italienischen Kriegsbeitrags gerne mal verzerrt ist, allemal lesenswert.

    Weiterführende Literatur:

    Battistelli, Pier et al.: Italian Medium Tanks, 1939-45, Oxford 2012
    Carrier, Richard: Some Reflections on the Fighting Power of the Italian Army in North Africa, 1940-1943, in: War in History (2015): pp. 503-528
    Ceva, Lucio: The North African Campaign, 1940-43: A Reconsideration, in: Journal of Strategic Studies XIII (1990): pp. 84-104
    Griffith, Paddy: World War II Desert Tactics, Oxford 2008
    Palermo, Michele: North Africa Air Battles, November-December, 1941, Rome 2011
    Sadkovich, James: Of Myth and Men: Rommel and the Italians in North Africa, 1940-1942, in: International History Review XIII (1991): pp. 284-313
    Sullivan, Brian: The Italian Soldier in Combat, June 1940-September 1943: Myths, Realities and Explanations, in: Time to Kill: The Soldier’s Experience of War in the West, London 1997

    MfG

    Hallo zusammen!


    Dass er eine (weitere) Monographie zum Thema schreibt, wäre mir neu, da er sich (leider) anderen Themen zugewandt hat. Sollte es doch so sein, wäre ich aber gespannt.

    Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass Töppels Einzeldarstellung nun veröffentlicht wurde:

    Das Inhaltsverzeichnis: https://www.schoeningh.de/uploads/tx_mbo…06781871_iv.pdf

    Eine Leseprobe: https://www.schoeningh.de/uploads/tx_mbo…1_leseprobe.pdf


    MfG

    Hallo zusammen!

    @Aders

    Quote

    Wieviele Jagdflieger mag es bei Kriegsende gegeben haben, die keinen Abschuss erzielt haben - oder anders ausgedrückt, gab es viele? Damit meine ich nicht die ganz jungen Piloten, die frisch von den Schulen gekommen waren und kaum Einsätze geflogen haben, weil es an Sprit mangelte.Angesichts der Ist-Stärke der Jagdwaffe Ende 44/Anfang 45 und angesichts der geringen Abschusszahlen muss es doch eine große Anzahl von erfolglosen Jägern gegeben haben (die aber in den 50er/60er Jahren wohl nie an einem Jägertreffen teilgenommen haben, da sie nicht mit hohen Zahlen prunken konnten).

    Die Mehrheit hat nichts abgeschossen, schon gar nicht zu Kriegsende.

    Darf man Obermeier glauben, waren für rund 51.400 der etwa 70.000 Abschussmeldungen der deutschen Tag- und Nachtjagd nur 963 Piloten verantwortlich! Weitere 1.537 Jagdflieger konnten zwischen 5-20 Abschüsse verzeichnen (vgl. Obermeier, 1989, S. 241). Nimmt man für diese Gruppe den Mittelwert an, wären das weitere 15.000 Abschüsse. Damit hätten gerade einmal 2.500 Jagdflieger 95% (!) aller Abschüsse beansprucht. Ob das nun im Detail stimmen mag oder nicht. Die Richtung ist sicherlich korrekt.

    Das lässt sich durch Stichproben leicht erhärten: Die III./JG 54 kam beispielsweise zwischen dem 7.6. und 21.7. 1944 (sechs Wochen) auf 90 Abschüsse. In diesem Zeitraum waren lediglich drei Flugzeugführer für 46 % dieser Feindverluste verantwortlich (vgl. Weal, 2001, S. 92f.). Zu einem ähnlichen Ergebnis kommst ja auch du für die Nachtjäger, wenn ich da deine Arbeit richtig in Erinnerung habe.

    Der eklatante Ausbildungsmangel zu Kriegsende hat diese Situation noch verschärft. Zu diesem Zeitpunkt war der Nachwuchs oftmals schon mit der sachgemäßen Bedienung des Fluggeräts ohne Feindeinwirkung überfordert, wie die horrenden Verluste durch Unfälle aller Art belegen.

    Quote

    Was geschah mit Piloten, die über längeren Zeitraum ohne Abschuss zurückkamen? Wurden die als "unproduktiv" oder als charakterlich zum Jagdflieger ungeeignet beurteilt und abgelöst?Wohin kamen die dann? (Von erfahrenen, aber erfolglosen Nachtjägern weiß ich, dass sie zu Schulverbänden kamen).

    Bis ins Jahr 1943 hinein hat sich Göring, offenbar im Einvernehmen mit Galland, für die Versetzung unproduktiver Jagdflieger in Schlachtflieger- und Nahaufklärerverbände eingesetzt (vgl. Stilla, 2005, S. 248). Inwieweit das dann tatsächlich umgesetzt wurde, entzieht sich meiner Kenntnis. Angesichts der schwierigen Personallage, mit der die deutsche Jagdwaffe schon 1943 konfrontiert wurde, scheint eine gängige Praxis - wenigstens ab diesem Jahr - höchst zweifelhaft. Trotz höherer Überlebenswahrscheinlichkeit waren erfahrene Piloten Anfang 1944 eine Rarität in der deutschen Jagdwaffe - zumindest im Westen. Da sie die Korsettstangen der Jagdgeschwader bildeten, war eine Ablösung aus "Erfolgslosigkeit" nicht zu verantworten.

    Darüber hinaus stellt sich die Frage, ab wann man als erfahren galt. Bereits Anfang 1944 überlebte jeder zweite (neue) Jagdflugzeugführer keine 10 Feindflüge. Dabei wurden mindestens 10 Einsätze als notwendig angesehen, um überhaupt eine gewisse Wirksamkeit entwickeln zu können (vgl. ebd., S. 225ff.). Offenbar war es im JG 301 üblich erst dann hochwertige Fliegeruhren an den personellen Nachschub auszugeben, wenn selbiger ein paar Feindflüge überlebt hatte (vgl. ebd., S. 228). An eine ernsthafte Evaluierung der Piloten war unter diesen Umständen also nicht mehr zu denken.

    Quote

    Was geschah mit den erfahrenen Kaczmareks, die ihrem Rotten- oder Schwarmführer den Rücken freihielten.

    Sie fielen häufig der auf Abschusserfolge abzielenden Personalpolitik zum Opfer und stagnierten auf niederen Rängen.

    Literatur:

    Obermaier, Ernst: Die Ritterkreuzträger der Luftwaffe 1939 – 1945, Band 1, Mainz 1989

    Stilla, Ernst: Die Luftwaffe im Kampf um die Luftherrschaft, Bonn 2005

    Weal, John: Jagdgeschwader 54 "Grünherz", Oxford 2001

    MfG

    Hallo zusammen!

    Ich lese gerade "Die deutsche Marine-Funkaufklärung 1914–1945" von Heinz Bonatz.

    Der B(eobachtungs)-Dienst, wie diese Abteilung des Marinenachrichtendienstes noch genannt wurde, befasste sich in erster Linie mit dem Abhören, der Entzifferung und Entschlüsselung des feindlichen (Marine-)Funkverkehrs. Der Autor war im Zweiten Weltkrieg Leiter dieser Dienststelle und gibt Aufschluss über ihre Entstehung, ihre Organisation und ihr Wirken.

    Der Abschnitt 1939-45 leidet dabei unter der schwierigen Quellenlage, der sich Bonatz ausgesetzt sah. Vieles basiert daher auf den kurz nach Kriegsende (verschriftlichten) Erinnerungen des Autors. Seiner großen, berufsbedingten Sachkenntnis ist es schließlich zu verdanken, dass sich dem Leser dennoch ein guter Einblick in die Arbeitswelt dieses Referats erschließt.

    Der wahre Wert der Arbeit liegt allerdings an anderer, völlig unerwarteter Stelle. In Unkenntnis der Realität, erst vier Jahre nach dieser Veröffentlichung wird das Geheimnis um "Ultra" gelüftet werden, referiert Bonatz über die hohe Schlüsselsicherheit der deutschen Verfahren. Insbesondere der Funkschlüssel M, das komplexeste Verschlüsselungsverfahren der Wehrmacht, sei nicht zu knacken gewesen. Noch heute zitiert die Fachliteratur diese Aussagen als Beleg für die deutsche Hybris auf dem Gebiete der Kyrptographie. Nichts verdeutlicht die fatale deutsche Selbsteinschätzung mehr, als die noch Jahrzehnte nach Kriegsende ungebrochene Überzeugung des Leiters des leistungsfähigsten Funkaufklärungsdienstes des Dritten Reiches in die eigene Unbesiegbarkeit.

    Dabei kommt man als Leser aus dem Staunen eigentlich nicht heraus. Im Kapitel über den Ersten Weltkrieg moniert Bonatz den laschen, geradezu sorglosen Umgang der entsprechenden Stellen wenn es um die eigene Schlüsselsicherheit ging. Völlig zurecht kritisiert er die ausbleibenden Schlussfolgerungen auf deutscher Seite, die sich aus dem Aufschlagen britischer Verschlüsselungsverfahren eigentlich hätten ergeben müssen: Wenn man in die Chiffrierung der Gegenseite eindringen kann, dann darf diese Möglichkeit für die eigenen Verfahren nicht ausgeschlossen werden. Im Gegenteil, die weitere Tätigkeit sollte unter dieser Annahme stattfinden.

    Als es recht bald im Zweiten Weltkrieg dann zu ersten Erfolgen des B-Dienstes kam, später sogar der Zugriff auf Hauptverfahren gelang, wurde daraus nicht etwa geschlussfolgert, dass die Gegenseite vice versa dazu ebenfalls in der Lage war, sondern es wurde an der Überzeugung festgehalten, dass die eigenen Methoden sicher seien.

    Man hielt sich offenbar schlicht für klüger als der Gegner.

    Immer wieder fragt man sich, weshalb Warnsignale so ohne weiteres in den Wind geschlagen wurden. Ein Beispiel: Dem B-Dienst gelang die Entschlüsselung eines Verfahrens, das Geleitzüge steuerte. Man konnte also immer wieder deren Kurs vorhersagen. Der daraufhin erfolgte Ansatz von U-Booten brachte selbigen dann allerdings des Öfteren keine Feindberührung. Wie war das möglich, wenn aus den abgefangenen Meldungen die Position und Richtung der Schiffe doch klar erkennbar waren? Natürlich hatte die Gegenseite zwischenzeitlich (funkgestützte) Kenntnis von der Aufstellung der U-Boote bekommen und entsprechende Maßnahmen eingeleitet. So weit dachte man beim B-Dienst aber offenbar nicht. Dort hatte man nämlich stets andere Antworten parat. Einmal glaubte man, dass die Kursänderung auf eine persönliche - quasi nicht vorhersehbare - Entscheidung des Geleitzugführers zurückging. Ein andermal hielt man es für möglich, dass "versehentlich" ein Einzelfahrer im Seegebiet versenkt wurde und damit die Anwesenheit von U-Booten verraten worden wäre.

    Ein Mitlesen der eigenen Nachrichten kam dagegen nicht in Frage, weil selbiges im Funkbild sichtbar geworden wäre, wie Bonatz (erschreckend orientierungslos) mehrfach zu berichten weiß. Es ist angesichts dessen wenig verwunderlich, wenn auch nicht ohne Peinlichkeit für den Autor, dass er in einer Auflistung, die Aufschluss darüber geben soll weshalb kein dauerhafter Einbruch in die deutschen Schlüsselmittel gelang, an erster Stelle die Tatsache reihte, dass ihm in persönlichen Gesprächen nach Kriegsende von britischer Stelle glaubhaft versichert worden wäre, dass die deutschen Schlüsselsysteme einbruchssicher waren!

    In diesem Zusammenhang soll nicht unerwähnt bleiben, dass Bonatz ein paar Jahre nach der Enthüllung von "Ultra" noch eine zweite Darstellung veröffentlichte, um angesichts der spektakulären Erfolge der alliierten Funkaufklärung die eigenen Leistungen nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Diesmal standen ihm die mittlerweile zurückgegeben Akten des B-Dienstes zur Verfügung. Es ist der Verdienst des Autors, anhand dieser umfangreichen Archivalien (insgesamt 55 Bände), den Seekrieg der Jahre 1939-45 aus Sicht der deutschen Marine-Funkaufklärung umfassend nachzuzeichnen. Nach Kriegsschauplätzen und Themengebieten gegliedert, schildert Bonatz die Erkenntnisse des B-Dienstes in chronologischer Reihenfolge. Dies geschieht ohne Kommentar und ohne einen Abgleich mit alliiertem Material, das Aufschluss über die Richtigkeit der nachrichtendienstlichen Feststellungen hätte liefern können. Damit ist das Buch eine Quellenedition, die den zeitgenössischen Kenntnisstand der deutschen Marinefunkaufklärung abbildet - und als solche durchaus zu empfehlen ist. Vor allem gelingt dem Autor damit der - in der Erstveröffentlichung stets behauptete, mangels Unterlagen jedoch nicht erbrachte - Nachweis der hohen Wirksamkeit des Dienstes in der Aufklärung feindlicher Funkbilder. Gerne hätte ich noch gelesen, was Bonatz zu "Ultra" zu sagen gehabt hätte. Vor allem, da er - nicht ohne Grund - die schweren nachrichtendienstlichen Versäumnisse, wie sie (auch) im Ersten Weltkrieg zu konstatieren waren, besonders kritisch beurteilt hat. Wohl auch deshalb hat er letztlich davon Abstand genommen.

    So bleibt es eine bemerkenswerte historische Tatsache, dass es den Gegnern Deutschlands in beiden (!) Weltkriegen gelang, die Schlüsselmittel nicht nur restlos aufzuschlagen sondern sogar vielfach zeitnah mitzulesen.

    Weiterführende Literatur:

    Bonatz, H.: Seekrieg im Äther - Die Leistungen der Marine-Funkaufklärung 1939 - 1945, Herford 1981

    MfG

    Hallo zusammen!

    Ich kann mich noch gut an meine ersten "Gehversuche" im Vorgängerforum erinnern. Zum ersten Mal war es mir möglich meine Fragen an ein militärhistorisch interessiertes Publikum zu stellen. Aus den sich anschließenden Diskussionen konnte ich dann eine Menge mitnehmen, vor allem, dass ich noch viel zu lernen und lesen hatte, würde ich mich konstruktiv einbringen wollen.

    Als das Forum schließlich einen Neustart wagte, konnte man aus der reichhaltigen Erfahrung eines langjährigen "Forumsbetriebs" schöpfen und viele Fehler, die sich im Laufe der Zeit zwangsläufig ergaben, vermeiden. Ein Beispiel dafür ist das Fehlen jeglicher Tagespolitik in diesem Forum. Diese und viele andere Maßnahmen haben das Klima und damit letztendlich auch die Qualität des Forums entscheidend verbessert. Das alles wäre ohne die Administration, die ehrenamtlich einen Teil ihrer Freizeit opfert um uns hier ein weitgehend reibungsloses Miteinander zu ermöglichen, nicht vorstellbar. Dazu zählt natürlich auch Andreas, der als Betreiber diese Plattform kosten- und werbefrei zur Verfügung stellt.

    In den zehn Jahren seines Bestehens hat sich das Forum stark verändert. Die Schwerpunkte sind heute andere, als noch zu Beginn. Mitglieder kamen, Mitglieder gingen. Letztendlich ist es damit ein Spiegelbild unser aller Realität. Denn nicht nur das Forum hat sich verändert, sondern auch wir und die Welt in der wir leben.

    Für mich persönlich ist das Forum ein Ort, an dem man jeden Tag etwas Neues lernen kann. An dem sich Freundschaften und spannende Diskussionen entwickeln können. Ein Raum, um gemeinsame Interessen zu teilen.

    Dafür (und allen die dies ermöglichen) bin ich dankbar.

    Beste Grüße Alexander

    Hallo zusammen!

    Ich lese gerade "Fire in the Sky: The Air War In The South Pacific" von Eric Bergerud.

    Ursprünglich als Triologie konzipiert, befasst sich der zweite Teil mit den Kampfhandlungen der alliierten und japanischen Luftstreitkräfte in Südostasien zwischen 1942 und Anfang 1944.

    Warum die Darstellung meine Erwartungen nicht erfüllen kann, möchte ich im Folgenden kurz erklären:

    Obwohl nach Inhalt, Aufbau und auch Umfang erkennbar als Studie konzipiert, erfüllt sie keine wissenschaftlichen Standards. Schon diese Tatsache setzt den Erkenntnisgewinn herab. Die daraus resultierenden methodischen Schwächen und inhaltlichen Unzulänglichkeiten ziehen sich durch die gesamte Darstellung.
    Das fängt beim Aufbau an, der nicht chronologisch sondern thematisch gegliedert ist. Eine Vorgehensweise, die zu vermeidbaren Wiederholungen führt. So wird etwa der Militärgeographie ein eigenes Kapitel gewidmet, nur um sie im Abschnitt über Luftkampftaktiken erneut zu besprechen.

    Die Misere setzt sich in regelmäßigen, nicht nachvollziehbaren Ausflügen in thematische Randgebiete fort. So nimmt der Autor z.B. die Gegenüberstellung der beteiligten Flugzeugtypen zum Anlass in eine Abhandlung über die Flugzeugentwicklung seit Anfang des 20. Jahrhunderts auszuholen.

    Besonders auffällig und schwerwiegend sind jedoch die zahlreichen methodischen Schwächen. Spätestens wenn Bergerund fundierte Arbeiten kritisiert, ist seine Argumentation nicht mehr belastbar. So zitiert er beispielsweise eine US-Studie, die die psychologischen Auswirkungen des Kriegsgeschehens zum Gegenstand hat. Mit bestimmten Ergebnissen erklärt er sich nicht einverstanden, da seine Untersuchungen andere Erkenntnisse erbracht hätten. Leider verzichtet der Autor dabei aber nicht nur auf die Offenlegung seiner Quellen, sondern auch gleich auf die Darlegung seiner eigenen Überlegungen. Jede Seminararbeit fällt da sorgfältiger aus.

    Der Umgang mit quantitativen Informationen ist bestenfalls unzureichend. Die vom Autor gewonnen Erkenntnisse aus dem ihm vorliegenden Zahlenwerk werden dem Leser nicht etwa nachvollziehbar (etwa durch eine Tabelle) vermittelt, sondern ohne jede Ordnung und noch dazu unvollständig in den Fließtext eingewoben. Eine Auswertung der empirischen Daten besteht dann aus wenigen Allgemeinplätzen, die den Gegenstand kaum beleuchten können. Überhaupt ist das Thema Quantifizierung eine einzige Enttäuschung. Eine Studie mit derart rudimentärem Zahlenmaterial vorzulegen, ist eigentlich kaum zu glauben. Gerade wenn man beispielsweise an die akribischen Analysen Lundstroms ("First Team") denkt.

    Und, und, und…

    Wer sich mit dem Thema bereits näher befasst hat, wird schnell feststellen, dass ihn hier kein Erkenntnisgewinn erwartet. Weite Themengebiete fanden bereits in anderen Darstellungen gebührend (und auch weit ausführlicher) Beachtung. Der Mehrwert der Arbeit liegt damit in den Zeitzeugenberichten, von denen der Autor ausführlichen Gebrauch macht. Sie vermitteln durchaus ein plastisches Bild vom Kriegsgeschehen und decken eine bunte Fülle an Themen ab (wenngleich auch hier der alliierten Seite spürbar mehr Raum gegeben wird - diese inhaltliche Imbalance ist ein weiteres Problem der Arbeit, die immerhin als Vergleichsstudie ausgelegt ist).

    Wer das sucht, der kann einen Blick riskieren. Wer dagegen an einer tiefgreifenden Aufarbeitung des Themas interessiert ist, muß sich woanders bedienen.


    MfG

    Hallo zusammen!


    @Stefan


    Ich muss leider feststellen, dass es dir nicht gelingt deine Vorwürfe und Behauptungen zu belegen. Damit wird jede sachliche Diskussion unmöglich.

    Dein wiederholter Hinweis auf die offensive Ausrichtung der Roten Armee ignoriert fortwährend die Tatsache, dass dies der sowjetischen Militärdoktrin entsprach. Da letztere eine Vorwärtsverteidigung vorsah, kann eine dementsprechende Verteilung der Truppenkontingente logischerweise kein Beweis für eine sowjetische Aggression sein.

    Sich in diesem Zusammenhang dann in Mutmaßungen über nicht zugängliche Aktenbestände zu flüchten, ist kein konstruktiver Diskussionsbeitrag.

    Ich fasse daher noch einmal zusammen:

    Fakt ist, dass es keine Belege für ein Bedrohungsgefühl (vor einem sowjetischen Angriff) innerhalb des deutschen Führungszirkels gibt.

    Fakt ist, dass es keine Belege für konkrete sowjetische Angriffsabsichten auf Hitler-Deutschland gibt.

    Alle Ausführungen, die darüber hinausgehen, sind daher reine Spekulation. Das kann man gerne am Stammtisch diskutieren, aber in keinem wissenschaftlichen Umfeld. In letzterem ist das Thema ohnehin längst durch, weshalb die Debatte hier völlig antiquiert wirkt. Und mangels neuer Erkenntnisse - woher auch immer - nicht sinnvoll fortgesetzt werden kann.

    Freilich steht es jedem frei hier weiter seine Meinung zu äußern. Mir lag lediglich daran auf den aktuellen Forschungsstand hinzuweisen.

    Ich hoffe, dass man diese Ergebnisse völlig wertfrei festhalten kann ohne den Forumssegen zu gefährden.

    MfG

    Hallo zusammen!

    @Paul

    Quote

    didaktisch war mein Beitrag vielleicht nicht sonderlich gelungen, obwohl, zunächst ein Negativbeispiel vorführen (willkürlich ausgewählt) und dann zu empfehlen seriöse Autoren zu lesen, was ist falsch an der Vorgehensweise?

    Ich hätte mir eine klare Abgrenzung zum verlinkten Inhalt gewünscht! Für mich war deine Intention so nur zu erahnen.


    @stefan

    Quote

    In Rußland zb. wird sie heiß diskutiert. Logisch ist das dies in Deutschland gerne ignoriert wird.

    Welche wissenschaftliche Debatte in Russland wird von der deutschen Geschichtswissenschaft ignoriert? Welche substanzielle Neubewertung der Ereignisse hat die russische Forschung zu Tage gefördert? Welche Werke liegen hierzu vor?

    Quote

    …die Doktrin der Roten Armee war eine reine Angriffsdoktrin und die Aufstellung war natürlich absolut offensiv.

    Für die Feststellung, dass die sowjetische Massierung den Prinzipien der Verteidigungsstrategie entsprach, ist es völlig unerheblich, ob die Aufstellung offensiv oder defensiv interpretiert werden kann. Fakt ist, dass der Aufmarsch kein Beweis für einen deutschen Präventivschlag - bewusst oder unbewusst - ist, genauso wenig wie er ein Beweis für einen Präventivschlag der Roten Armee sein kann.

    Entgegen deiner Implikation gab es im deutschen Sprachraum durchaus eine kritische Auseinandersetzung mit diesem Thema, die nicht nur alle Parteien und deren unterschiedliche Sichtweisen inkludierte, sondern auch ausländische - vor allem russische - Darstellungen berücksichtigte. Dennoch konnte diese Frage eindeutig beantwortet werden. Das lag vor allem daran, dass die revisionistischen Positionen mehrheitlich von Fehldeutungen, methodischen Defiziten und einer Unkenntnis des Forschungsstandes durchzogen waren und daher nicht verhindern konnten, grundlegend widerlegt zu werden. Dies traf insbesondere auch auf die Arbeiten der russischen Historiker zu, die bisweilen nicht einmal vor Zitatfälschungen zurückschreckten und damit in ihrer Arbeitsethik ihre deutschen Kollegen noch unterboten.

    Dass derart offene Debatten in Russland möglich wären, ist mir nicht bekannt. In einem Land, in dem der Zugang zu Archivmaterial immer schwieriger wird, in dem Kritik an der Roten Armee mittlerweile unter Strafe steht oder die Werke von Historikern, die nicht auf Linie sind, in eine (Verbots-)Liste extremistischer Schriften eingetragen werden.

    Und nun sind also gerade von dort fruchtbare Ergebnisse zu erwarten, die von der deutschen Geschichtswissenschaft nicht beachtetet werden, weil sie nicht in das Konzept passen? Ich bin gespannt!

    MfG

    Hallo zusammen!


    @Paul

    Quote

    das Internet ist voll von Informationen und Desinformationen zu diesem Thema, so z.B. guckst Du hier (von Altnickel)



    Aus welchem Grund stellst du einen derartigen Link hier ein?

    Unabhängig davon, dass ich der Meinung bin, dass das nicht einmal als Negativbeispiel zu gebrauchen ist, ist die kommentarlose Zur­ver­fü­gung­stel­lung solcher Inhalte höchst problematisch!

    Die in diesem Thread vorgestellten "logischen Erklärungen" und Deutungen zur Vorgeschichte des deutsch-russischen Krieges sind mehrheitlich dem Geschichtsrevisionismus zuzuordnen!

    Die Präventivkriegsthese wird von der Geschichtswissenschaft abgelehnt.

    Die Dislokation der Roten Armee entsprach der sowjetischen (Verteidigungs-)Doktrin.

    Wer sich zum Komplex einlesen möchte, kann das u.a. bei Bianka Petrow-Ennker tun: Präventivkrieg? Der deutsche Angriff auf die Sowjetunion. Frankfurt/M. 2000.

    MfG

    Hallo zusammen!


    @Karl

    Das von dir verlinkte Werk ist eine Auszugsveröffentlichung, Eberhard hatte das ja schon vermutet. Darüber hinaus sind noch zwei weitere Ausgaben, einmal in französischer und einmal in italienischer Sprache, erschienen. Weitere Veröffentlichungen sind mir hierzu nicht bekannt.
    Persönlich würde ich dir natürlich das (umfangreichere) Hauptwerk empfehlen.

    MfG