Hallo zusammen!
Zur hier kurz aufgeflammten rüstungswirtschaftlichen Produktivitätsdebatte und Speers Rolle darin empfehle ich als Einstieg den Aufsatz von Jonas Scherner und Jochen Streb: Das Ende eines Mythos? Albert Speer und das so genannte Rüstungswunder. VSWG: Vierteljahrschrift Für Sozial- Und Wirtschaftsgeschichte, 93(2), 2006, S. 172–196
Arnd
QuoteLeider funktioniert der Link nicht
Pardon! Dieser Link sollte zum Artikel führen: https://www.academia.edu/91729…us_Panzerj%C3%A4ger_2022_
Vielleicht möchte ein Moderator den Link ja in meinem Ausgangsbeitrag entsprechend anpassen.
QuoteVorsthender Bericht erscheint mir nun doch sachlicher, als der zuvor erwähnte der StuG Ersatz- und Ausbildungs - Abteilung.
Es geht in den von dir genannten Berichten ja um unterschiedliche Einsatzgebiete. Zweifellos war der Panzerkampfwagen für gepanzerte Verbände das geeignetere Kampfmittel. Die zeitgenössische Debatte drehte sich jedoch um die Frage, welches der titelgebenden Waffensysteme in der zweiten Kriegshälfte am zweckmäßigsten war.
Im Sommer 1943 bereisten mehrere Offiziere im Auftrag des OKH die Front im Osten. Die daraufhin entstandenen Berichte (auf die sich Roman Töppel u.a. in seinem Aufsatz bezieht) stammen nicht von Vertretern der Sturmartillerie, denen man Parteilichkeit vorwerfen könnte, und fußen auch nicht auf Erfahrungen einzelner Truppenkörper - wie etwa im Falle der leichten Panzerabteilung – sondern geben die Meinungsbilder ganzer Heeresgruppen wieder.
Die Frontreise zur Heeresgruppe Mitte erbrachte z.B. folgende Erkenntnisse: Das Sturmgeschütz war dort die "uneingeschränkt beliebteste Waffe" und zur Unterstützung der Infanterie “unentbehrlich”. Wo Sturmgeschütze eingesetzt wurden, habe die Infanterie gehalten. Die Steigerung der Sturmgeschützproduktion sei auch dann erstrebenswert, wenn sie auf Kosten der Panzerfertigung erfolgen müsste (vgl. BArch. RH 10/54, Bl. 87f.).
Bei der Heeresgruppe Süd sah man im Sturmgeschütz "das wirkungsvollste und allein als Ideal anzusprechende Kampfmittel der Panzerabwehr" und vertrat auch dort die Ansicht, die Panzerfertigung zugunsten der Sturmgeschützfertigung einzuschränken. Das Sturmgeschütz bilde zusammen mit der Artillerie das “Rückgrat der Infanterie” (vgl. ebd., Bl. 105ff.). Wenige Monate später erklärte der Id der Heeresgruppe Süd sogar: "Ein Sturmgeschütz ist uns lieber wie (sic!) 3 Panther" (ebd., Bl. 183).
Das einhellige Urteil der Front über die Bedeutung des Sturmgeschützes blieb auch dem deutschen Diktator nicht verborgen. Bereits im Sommer 1943 diskutierte man im Generalstab des Heeres, ob die Fertigung von Panzerkampfwagen IV nicht zugunsten von Sturmgeschützen eingestellt werden sollte. Dass es letztendlich nicht dazu kam, lag nicht an Hitler, sondern am Generalinspekteur der Panzertruppen. Immer wieder hob er die Vorteile der Panzerwaffe hervor, gänzlich unberüht davon, dass sich diese immer weniger auf dem Schlachtfeld auswirken konnte - wie Erfahrungsberichte nahelegen (vgl. ebd. Bl. 53). Doch Guderian war ein überzeugender Fürsprecher seiner Waffengattung und so kam es, dass noch Ende Juni 1944 über die Einstellung der Panzerkampfwagen IV-Fertigung diskutiert wurde. Letztlich folgte Hitler Guderians Vorschlag und ließ sie unangetastet (vgl. RH 10/90, Bl. 151).
Die aktenkundige Diskrepanz zwischen den Forderungen der Front und der rüstungswirtschaftlichen Realität halte ich durchaus nicht für belanglos. Sie sind auch kein Produkt eines nachträglichen Erkenntnisgewinns. Allen Beteiligten, auch Guderian, war klar, dass die Krisen der Ostfront ein Ergebnis der abgekämpften Infanteriedivisionen waren. Sie mussten sich oftmals ohne geeignete Panzerabwehrwaffen gegen weit überlegene sowjetische Panzerverbände verteidigen. Doch obwohl das Sturmgeschütz nach allgemeinem Urteil die geeignetste Panzerabwehrwaffe war, schlug sich dies nicht in den Produktionszahlen nieder.
Und Guderian ging sogar noch einen Schritt weiter. Die modernsten Waffenträger - ursprünglich als Sturmgeschütze neuer Art bezeichnet - wurden auf sein Betreiben hin nicht den in der Panzerbekämpfung und Infanterieunterstützung erfahrenen Verbänden der Sturmartillerie zugewiesen, sondern unerfahrenen Panzerjäger-Einheiten die seinem Befehlsbereich unterstanden. Damit schwächte er die Front aus reinem Ressortegoismus (vgl. Töppel, 2022, S. 15).
Die Aktenlage ist eindeutig. Der Ostfront hat es im Abwehrkampf in erster Linie nicht an Panzerkampfwagen, sondern an Sturmgeschützen gefehlt.
Quellen:
BArch, RH 10/54, Generalinspekteur der Panzertruppen, Panzeroffizier beim Chef des Generalstabs des Heeres, Reiseberichte, Februar 1943 bis Juni 1944
BArch, RH 10/90, Notizen für Vorträge des Generalinspekteurs der Panzertruppen/Chef des Stabes beim Führer insbesondere zur Panzerlage, Panzerplanung sowie zum Einsatz der Panzertruppe
MfG