Hallo Robert,
durch Zufall bin ich heute auf diesen Thread gestossen.
Ich beschäftige mich schon lange mit den Ereignissen im Raum Crailsheim. Aufgrund Deiner sehr genauen Angaben zu Deinem Großvater (Waffengattung, Dienstgrad, Offizier-Anwärter, Todestag und Todesort) habe ich die Literatur und Dokumente durchgesehn, die sich bei mir im Laufe der Jahre angesammelt haben, und habe daraus versucht, zu rekonstruieren, was sich am letzten Tag im Leben Deines Großvaters dort ereignet hat.
Wie Du schreibst, sollte Dein Großvater Anfang 1945 die Ausbildung zum Offizier beginnen. Er wurde zur Pionierschule 2 nach Rosenheim abkommandiert. Dort wurden Offiziere der Pioniertruppe ausgebildet.
Im Rahmen der "Aktion Leuthen" (letzte Mobilisierung des Ersatzheeres Ende März 1945) sollten aus allen Lehr- und Ausbildungseinheiten, Truppenschulen, Ersatz- und Ausbildungseinheiten, Verwaltungs- und Nachschubtruppen Kampfeinheiten gebildet werden. Einige dieser Einheiten wurden in Raum Crailsheim eingesetzt, darunter auch die Offizieranwärter aus Rosenheim.
Aus der Pionierschule 2 wurde Ende März 1945 eine regimentsstarke Kampfgruppe mit 3 Bataillonen (Btl.) aufgestellt. Diese Kampfgruppe wurde von den Amerikanern dann später als "(Pionier-)Regiment Rosenheim" bezeichnet.
Regimentskommandeur: Oberstleutnant Ebeling (ab dem 11.04. Major Bohnstedt)
Kommandeur I. Btl.: unbek.
Kommandeur II. Btl.: Major Bohnstedt (ab 11.04. Hauptmann Weissbrodt)
Kommandeur III. Btl.: Major Dr. Dunker
Stärke des Regiments: 44 Offiziere und 1147 Unteroffiziere und Mannschaften.
Das Regiment war hauptsächlich aus Fahnenjunkern und Fahenjunker-Feldwebeln (Fähnrichen) gebildet.
Dein Großvater müsste im II. Btl. gewesen sein. Diese war ab dem 06.04. der 553. Volksgrenadier-Division (VGD) unterstellt und war im Raum Dörzbach-Hohebach in schwere Kämpfe verwickelt. Das Btl. hatte bei diesen Kämpfen schwere Verluste. Es zog sich kämpfend über Dörrenzimmern, Lipfersberg und Künzelsau in den Raum Bauersbach-Eschental zurück. Dort wurde es zum Stellungsbau eingesetzt. Ab dem 15.04. war es dem Grenandier-Regiment 1119 (Kdr. Oberst Bandelow) bei Rückertsbronn als Reserve unterstellt. Am Nachmittag des 15.04. kam es bei Einweiler zum Abriegeln eines Einbruchs der Amerikaner zu Einsatz. Am 16.04. war es bei Arnsdorf im Einsatz. In der Nacht zum 17.04. zog es sich in über Enslingen und Haagen nach Hohenberg, oberhalb Geislingen-Braunsbach, zurück. Am 17.04. zog es sich nach Wolpertshausen zurück und am 18.04. nach Reinsberg. Am 18.04. werden die Reste des Btl. in das GrenRegt 1119 eingegliedert. Weiter geht der Rückzug am 19.04. nach Großaltdorf und in der Nacht zum 20.04. nach Eckhardshausen.
Zu den Ereignissen in Eckhardshausen am 20. April 1945:
Die Reste des Btl. richten sich in Eckharshausen zur Verteidigung ein, 3. Kompanie verteidigt Richtung Westen, die 4. Kompanie Richtung Norden. Im Ort wird ein vorgeschobener Bataillons-Gefechtsstand eingerichtet.
Um 09 Uhr feuert das 862nd Field Artillery Battalion (FAB), unterstützt vom 933rd FAB, ca. 40 Minuten lang auf Eckhardshausen. Dann erfolgt der Angriff der K-Kompanie, 254th US-InfRegt, von Ilshofen her. Unterstützt wird die K-Kompanie von einem Zug des 753rd Tank Btl. und einem Zug des 822. Tank Destroyer Btl. Der Angriff wird im MG-Feuer der Pioniere abgeschlagen, die Amerikaner ziehen sich wieder zurück. Um etwa 10.30 Uhr setzen die Amerikaner zu einem weiteren Angriff an, diesmal mit greift auch die I-Kompanie mit an. Der Angriff erfolgt links umfassend über die Straße Großaltdorf-Eckhardshausen. Die beiden Artilleriebataillone legen schweres Feuer auf Eckhardshausen.
Der Kdr. des II. Btl. (Hauptmann Weissbrodt) gibt um 10.40 Uhr den Befehl zum Räumen von Eckhardshausen. Die beiden Kompanien ziehen sich im schweren Artilleriefeuer in den Wald südlich von Eckhardshausen zurück.
Eckhardshausen wird um 13.55 Uhr von den Amerikanern besetzt.
In Eckhardhausen sind 10 deutsche Soldaten gefallen, 17 gehen in Gefangenschaft. 2 Einwohner wurden ebenfalls getötet. 8 Wohnhäuser und 4 Scheune sind total zerstört.
Aber auch im Wald habe die deutschen Soldaten keine Ruhe. Massives Artilleriefeuer liegt auf dem Wald, vor allem am Waldrand. Das Feuer ist so heftig, dass ca. 70% der Bäume beschädigt sind. Auch dabei haben die Pioniere, die aus Eckhardhausen herausgekommen sind, nochmal Tote und Verwundete. Um etwa 17 Uhr gehen die Amerikaner auf den Wald vor. Die überlebenden Pioniere ziehen sich dann in der Nacht über Oberspeltach und Jagstzell nach Weiler bei Jagstzell zurück.
Soweit die Ereignisse um Eckhardshausen.
Quellen:
Blumenstock, Friedrich: "Der Einmarsch der Amerikaner und Franzosen im nördlichen Württemberg im April 1945"
Windisch, Erik: "Die Kämpfe um Schwäbisch Hall im April 1945" - in Jahrbuch 2000 Historischer Verein Württembergisch Franken.
Bundesarchiv Freibrung: "Behelfsmäßiges Kriegstagebuch PiSchule 2 Rosenheim 4. Kompanie (26.03.-07.05.1945)"
Unterlagen: Einsatzberichte 254th US-InfRgt, 753rd Tank Bn, 822 TD Bn, 862nd Field Artillery Bn, G-2 Bericht 63rd US Infantry Division
Ich hoffe, Dir und Deiner Mutter damit etwas geholfen zu haben.
Herzliche Grüße,
Andreas
PS. Beim Verfassen dieser Zeilen habe ich mir vorgestellt, wie Dein Großvater in diesen letzten Momenten seines Lebens an seine kleine Tochter gedacht hat und diesen sinnlosen Krieg verdammt hat. Besonders traurig macht mich, dass er so wenige Tage vor dem Ende noch sein Leben in einem solch nutzlosen und aussichtlosen Kampf lassen musste.