Hallo Marc,
Du willst doch wohl nicht ernsthaft behaupten, dass Saul Friedländer nur den "Sauerteig des besseren Deutschen" bereitet (was immer diese Formulierung besagen soll)? Wobei er natürlich bei weitem nicht der einzige ist, der sich damit beschäftigt und zu sehr ähnlichen Befunden kommt. Gerade Friedländers Werk wird nicht ohne Grund als eines DER Standardwerke zum Thema Holocaust bezeichnet.
um Gottes Willen, nichts sei gegen Saul Friedländer gesagt, der erst vor wenigen Wochen im Bundestag gesprochen hat. Natürlich gebührt ihm allergrößte Ehre für sein Standardwerk, dass mit seinen vielen Einzelschicksalen neue Maßstäbe in der Geschichtsschreibung gesetzt hat . Da sieht man doch gerne über eine fehlende Repräsentanz der Fundstücke hinweg und schweigt. Mein Groll gilt eher den verbissenen Alt'68er Soziologen, die auf Teufel komm raus in jeden noch so kleinen Stimmungsbericht oder Abhörprotokoll den Stein der Weisen gefunden haben, um doch noch ihren Beweis der 99%igen Mitwisserschaft unters Volk zu bringen. Meist noch arrogant mit polemischen Titeln versehen (u.a. "Opa war kein Nazi", "Niemand war dabei und keiner hat's gewusst"). Mit Grauen wende ich mich von diesen Pamphleten ab und flüchte zu den ausländischen Historikern (u.a. Kershaw, Longerich, Stargardt), wenn es um die letzten großen Geheimnisse der NS-Herrschaft geht. Denen fehlt diese deutsche Obsession völlig und dank zusätzlichen Semestern Philosophie besitzen sie meist auch die intellektuelle Demut eines Sokrates ("Ich weiß, dass ich nichts weiß.).
Und du ignorierst ja wohl auch standhaft jene gar nicht so wenigen Zeitzeugen (von denen einige auch hier zitiert wurden, tw. aus dem familiären Umfeld) die sehr wohl etwas gewusst hatten - ohne dass sie an besonders privilegierter Stelle saßen um Zugang zu bekommen.
Ich habe nie behauptet, dass der Aussage- und Umfragenstand von Reichsbürgern aus dem Mai 1945 noch heute Gültigkeit besitzt. Aber wie Helmut Schmidt bin ich sehr skeptisch, wenn gerade der moderne Historiker oder Soziologe sich als "besserer Deutscher" inszenieren will und in Richtung "Alle wussten alles" tendiert. Dazu noch gezwungen ist, im Sinne seiner Institution ("Wes Brot ich ess, des Lied ich sing") erzieherisch und wohlwollend moralisierend zu "forschen". Und energisch protestiert, wenn ein Historiker unverschämt auf die vielen tausend Aussagen von Juden hinweist, die bis zum Umkleideraum vor der Gaskammer von all dem nichts wussten, wo sie doch eigentlich besorgter als Deutsche hätten sein müssen? (Deutsche Schuld 1933 – 1945? Die ignorierten Antworten der Zeitzeugen, Konrad Löw)
Dank vollem Portemonnaie fällt dieser Tatbestand bei o.g. ausländischen Historikern zumeist weg, da wären wir wieder bei der neutralen Sichtweise ohne erzieherischen "Ehrgeiz".
Ich möchte hier kein Wettposten auf hohem AfD-Niveau veranstalten, wer mit welchem aufgefunden Feldpostbrief, Zeugenaussage oder Einzelfall am Besten pauschalisieren kann oder darf. Sokrates wußte schon damals, daß allzu viele eifernde Forscher nicht wissen, daß sie nichts wissen.
Aber zum Thema zurück - "Strich darunter ziehen". Das hat man Gott sei Dank mit der Lebensgeschichte von Maria "Mitzi" Gabrielsen nicht getan,
diese wurde jetzt ins Deutsche übersetzt unter dem Titel "Angezeigt von Mama".
Ein nahezu unglaublicher Zufallsfund in der letzten Woche, niemals hätte diese Mutter doch fünf Jahre Kerkerhaft in Deutschland bekommen?
Hat Österreich besser verurteilt?
https://www.giessener-anzeiger…s-schicksal-vor_19204714#
MfG
Tac