Hallo Gemeinde,
aus dem Fundus eines befreundeten Kriegsteilnehmers aus dem Nachbardorf habe ich folgenden Bericht erhalten. Leider auf Durchschlagspapier getippt ist er inzwischen nur mehr sehr schwer lesbar, daher habe ich mich entschlossen, diesen hier abzutippen.
Bei der Brücke handelt es sich um die wohl schon 1346 erbaute, steinerne Brücke über die Tauber, die im Zuge der alten Handelsstraße von (Schwäbisch) Hall über Mergentheim nach Würzburg errichtet wurde. Die aus drei Gewölbebögen bestehende Brücke wurde 1925 deutlich verbreitert. Den Namen bekam die Brücke nach dem heilig gesprochenen St. Wolfgang, einem Bischof aus Regensburg. Auf der Nordseite der Brücke befindet sich seit 1510 in unmittelbarer Nachbarschaft die "Wolfgangskapelle".
Doch nun zum Text.. Viel Vergnügen.
Bericht über die Verhütung der Zerstörung der Wolfgangsbrücke in Bad Mergentheim im April 1945.
Am Spätnachmittag des 6. April 1945 erhielt ich von Bürgermeister Fimpel durch Elektromeister Brünner den mündlichen Auftrag, nachzuprüfen, ob auf der Wolfgangsbrücke tatsächlich - wie gemeldet - Sprengstoff lagere und gegebenenfalls denselben zu beseitigen.
Nichts gutes ahnend setzte ich mich sofort auf ein Fahrrad und fuhr zur Wolfgangsbrücke. Unterwegs traf ich noch einige Männer, denen ich den Auftrag gab, sich eiligst zur Wolfgangsbrücke zu begeben und im Tankstellenhäuschen von Walz aufzuhalten, Von dort aus konnte man beobachten, was auf der Brücke vorging.
Links der Brücke stellte ich mein Fahrrad ab, dann überprüfte ich die Lage und bemerkte ein SS-Kommando , das auf der Brückenmitte 3 Fliegerbomben von je über 2 Meter Länge ausgelegt hatte. Was damit geschehen soll war mir klar. Nun ging ich auf den Kommandoführer zu - es war ein Hauptscharführer - und fragte ihn, was er mit den Bomben im Sinn habe. Kurz entschlossen antwortete er, die Brücke werde spätestens in einer Stunde gesprengt und zwar als die letzte und wichtigste Verbindung zur Stadt Bad Mergentheim. Die Brücken in den Nachbarorten seien bereits zerstört. Ich wies auf die Nachteile für die Stadt hin, die bei einer Sprengung der Brücke entstehen würden, und gleichzeitig auf die beträchtlichen Schäden an allen Gebäuden, die im Wirkungsbereich der Detonation von 750 kg Bomben ( 3 x 250 kg ) liegen. Ausserdem erklärte ich, bilde die gesprengte Brücke für den Feind kein nennenswertes Hindernis, da die Böschungen am Tauberfluss sehr flach seien und die Wassertiefe nur ca. 50 bis 60 cm betrage. Jetzt wurde der Hauptscharführer sehr energisch und schrie mich an, was mir als Zivilist einfalle, ihm als Soldat Vorschriften darüber machen zu wollen, was er zu tun und zu lassen habe. Die Sprengung sei von SS-Kommandeur Dürnagel befohlen und den Befehl werde er durchführen. Und wenn ich jetzt nicht mache, dass ich weiterkomme, werde er mir etwas anderes erzählen.
Trotz der nicht misszuverstehenden Gebärden auch des weiteren SS-Mannes liess ich mich nicht abschrecken, die Männer von der Ausführung ihres militär. Befehls abzubringen. Auf den Hinweis, ich sei selbst von 1914 - 1918 als Pionier im Felde gestanden und spreche als alter Kamerad zu ihnen, hörte mich das Sprengkommando nochmals an. Ich erzählte, dass ich als Kreisbaumeister mit der Brückenkonstruktion vertraut sei und setzte ihnen auseinander, dass durch diese militärisch wertlose Brückensprengung zahlreiche Mergentheimer Familien sowie die bei diesen untergebrachten Evakuierten auf viele Monate hinaus ihr Obdach verlieren, weil viele Gebäude an der Edelfinger Straße und auch diesseits der Brücke bei einer solchen Sprengung unbewohnbar würden.
Meine Männer in der Tankstelle beobachteten meine schon über 20 Minuten dauernde Auseinandersetzung mit den SS-Männern. Wie mag das enden, dachte ich im stillen, aber ich gab den für mich gefährlichen Kampf nicht auf. Die SS-Männer machten absolut keine Miene, ihre Vorhaben aufzugeben. Im Gegenteil, der eine arbeitete an der Vorbereitung der Sprengung intensiv weiter.
Nun versuchte ich es mit einer List. Da gerade Abendessenszeit war, bat ich sie, sich doch zuerst ihre Abendkost an der Feldküche zu holen und über meinen Vorschlag nochmals nachzudenken. ehe sie an die endgültige Sprengung der Brücke herangingen. Nach längerem Zögern entfernten sich die beiden mit überaus kritischen Blicken.
Kaum waren die SS-Männer ausser Sicht, winkte ich meinen Männern und im Nu waren alle zur Stelle. Es wurde fieberhaft gearbeitet. Ich löste die Zündvorrichtungen, einige Männer packten jede der 3 Bomben in eine noch bereitliegende Transportkiste , während andere eiligst einen zweirädrigen Karren aus der Fabrik Bembé holten, um die Bomben abzuführen. Ich befahl, die Bomben in den Unterkanal der Firma Bembé zu werfen, was aber nicht möglich war, weil dort eine Gruppe Soldaten der Wehrmacht mit einem leichten MG in Stellung lag, die meine Kameraden nicht durchfahren liess. Es blieb nichts anderes übrig, als die Bomben auf dem sogenannten Dammweg abzufahren und die dortige Böschung hinabzuwerfen. Nach anstrengender, hastiger Arbeit war nach 10 - 12 Minuten die ganze Bombenlasst beseitigt. Da die SS-Männer noch nicht in Sicht waren, liess ich auch die Brückenfahrbahn von den dort aufgestellten Autos Zugmaschinen usw. frei machen, um keinen Anlass zu einer Beschiessung der Brücke, besonders bei nächtlichem feindlichen Vormarsch zu geben. Nachdem die Bomben noch mit Tannenreisig abgedeckt waren, machte ich mich mit meinen treuen Helfern schleunigst aus dem Wege.
Die Brücke war, wie sich später zeigte, als die einzige im ganzen Kreis Mergentheim vor der sinnlosen Vernichtung gerettet und am anderen Morgen fuhren die ersten amerik. Panzer darüber in die Stadt ein. Werte von mindestens 100.000 RM blieben für die Stadt und Kreis Mergentheim erhalten.
Was mir geschehen wäre, wenn die SS auch nur wenige Stunden nochmals Fuss in Mergentheim gefasst hätte, darüber geben genug andere Beispiele Aufschluss.
Oberstabsarzt Dr. Mattes war Zeuge eines grossen Teils des vorstehend geschilderten Vorganges. Er selbst hat bei der Tarnung der abzutransportierenden Bomben noch mitgeholfen. Anschliessend machte er den Vorschlag, wir beide könnten dem Amerikaner die Mitteilung überbringen, dass die Stadt von deutschen Truppen frei sei, um einen weiteren Artill. Beschuss in der Nacht vom 6./7. April zu verhindern. Da wir aber nicht mit Sicherheit erfahren konnten, wann die Gruppe deutscher Soldaten im Gelände bei Walz zurückgezogen würde, liess sich unser Vorhaben nicht verwirklichen.
Dr. Mattes hatte noch erfahren, dass einige Duisburger Oberschüler Waffen besitzen sollen. Infolge der damals sehr regen "Werwolf"-Propaganda musste damit gerechnet werden, dass diese Jungens beim Einmarsch der amerik. Truppen zum Teil von Waffen Gebrauch machen würden. Die Folgen einer solchen unüberlegten Handlung waren uns Alten klar. es galt nun dafür zu sorgen, dass den Jungens etwaige Waffen raschmöglichst abgenommen und entsprechendes Verhalten beigebracht wurde. Dr. Mattes und ich gingen zum Schulvorstand der Duisburger Schüler und unterrichteten ihn über diese Dinge. Infolge Erkrankung konnte er die Angelegenheit nicht selbst in die Hand nehmen und bat uns, mit Stud.Rat Zahn in dieser Sache zu verhandeln. Diese Aktion war von Erfolg, denn trotz umfänglichem Leugnen konnten Waffen festgestellt und abgenommen werden. Eingehende Belehrung der Schüler durch ihre Lehrer unter Androhung empfindlicher Strafe haben dann dazu beigetragen, dass keine Zwischenfälle beim Einmarsch der Amerik. Truppen und auch später zu verzeichnen waren.
Als Zeugen bestätigen den vorstehenden Bericht:
1.) Oberstabsarzt Dr. Mattes ( gez. Philipp Mattes )
2.) Stud.Rat Zahn ( gez. A, Zahn )
Bad Mergentheim im Juli 1945 gez. E. Mack "
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Den vorstehenden Bericht habe ich wortgetreu abgeschrieben, auch die Namensschreibweisen so übemommen.
Die richtige Schreibweise des Namens Dirnagel konnte ich auf die Schnelle nicht mit Sicherheit herausfinden, selbst im Forum sind mehrere Schreibweisen zu finden..
Der Verfasser des Berichtes ist höchstwahrscheinlich der damalige Stadtbaumeister gewesen. Diese Auskunft habe ich von einer hochbetagten Einwohnerin erhalten. Da das Stadtarchiv heute nicht besetzt war, konnte ich das dort nicht ermitteln.
Quelle: Sammlung Patriz Herrmann (+), Archiv MunaLisa
Herzliche Grüße
Uwe