Posts by Winter16

    Hallo Zusammen,

    durch das Buch von Klaus Kinski mit dem Namen „ich brauche Liebe“ bin ich auf seine Erzählung gestoßen die auch u.a. seine Dienstzeit im Krieg schildert. Auf abenteuerlicher weise geriet er alleine in Kriegsgefangenschaft. Es ist bekannt, und das hat er sogar zugegeben, sämtliche Inhalte seines Buches für das Publikum mit ordinären und unsittlichen Wortschatz ausgeschmückt zu haben. Unterm Strich kann man auch dazu „künstlerisches gestalten“ sagen.

    Der Grund meines Beitrags hier ist, dass ich einige sachliche Fragen habe, welche ich höflichst bitte mir zu beantworten:

    In welcher Einheit mag er wohl gedient haben? Können seine Erzählungen so tatsächlich stimmen?-Also ich meine vom sachlichen Ablauf her.

    Hierzu gebe ich den wesentlichen Inhalt seiner Dienstzeit wie folgt wider (nochmaliger Hinweis: die Ausdrucksweise stammt nicht von mir, sondern aus seinem Buch - Seite ab 29):

    ...Mit sechzehneinhalb muß ich zum Militär. Als ich den Stellungsbefehl lese, weine ich. Ich will niemanden töten und will auch nicht getötet werden.

    S-Bahnhof Westkreuz. Ich muß umsteigen, um zur Fallschirmjägerkaserne zu fahren. Ich mache mich von dem Mund meiner Mutter los und springe auf den Bahnsteig. Sie bleibt im Abteil

    und fährt bis Schöneberg weiter. Die automatischen Türen schließen sich. Sie sieht mich durch die verdreckten Scheiben an. Ihre Augen werden mit dem S-Bahnzug aus dem Bahnhof gefahren. »Mutti!!!!!!«

    Bei der Einheit treffe ich einen anderen Straßenjungen wieder: »Keule!« Wir liegen uns in den Armen. Wir nannten uns gegenseitig »Keule«. Das heißt Bruder.

    Oktober 1944. Die Tommies schlagen uns zusammen. Für Keule und mich ist das ganze Herumgeballere wie Silvesterfeuerwerk, bei dem wir nie genug Frösche, Schwärmer und Kanonenschläge hatten. Wir werfen uns überhaupt nicht hin, wenn wir die Granaten zwitschern hören und spielen mit abgezogenen Eierhandgranaten Murmeln.

    Als die Tommies endlich müde werden, finde ich Keule nicht wieder. Ich habe niemand mehr, der mit mir spielt, und habe mich verlaufen. Wie ein verlorenes Kind. Nicht wie früher im Strandbad Wannsee, wenn ein Kind im Gewühl seinen Bruder verloren hatte. Das Kind wurde dann über den Lautsprecher ausgerufen, und man konnte durchs Mikrofon sein Weinen hören. Nach einer Weile kam dann immer jemand und nahm es in Empfang.

    Es müßte jetzt also jemand über Lautsprecher rufen :

    »Sechzehnjähriger Junge, goldblonde Haare, veilchenblaue Augen, Mund wie eine Hure, will zu Keule zurück. Hört mit dem Geknalle auf, bis er euch den Arsch zukehrt!« Der Gedanke reizt mich zum Lachen. Aber hier führt mich niemand zu Keule zurück.

    »Wer freiwillig mit auf Patrouille geht, vortreten!«

    Ich gehe woanders hin. Leckt mich am Arsch.

    In den verlassenen Häusern, aus denen die Bewohner geflohen sind, finde ich alle möglichen Zivilklamotten. Ich werfe die Uniform in den Mülleimer und ziehe alles an. Auch ein grün und weiß kariertes Kinderhemd und ein paar viel zu große Frauenschlüpfer. Männerunterhosen finde ich nicht.

    Die Leute müssen von der Mahlzeit aufgesprungen sein. Die Teller sind halb abgegessen, die Gläser noch halb voll;alles ist mit Schimmel überzogen wie bei Dornröschen. In den Speisekammern dasselbe Bild.

    Ich schlage mich querfeldein in die Richtung, aus der die Granaten kommen, und lebe von zermatschten Pflaumen. Überall Pflaumen, die unter den Bäumen im Wasser liegen. Die ganze

    Gegend ist überschwemmt mit Wasser und Pflaumen. Ich habe solchen Dünnschiß, daß ich nur noch in der Hocke esse.

    Ich laufe nur nachts. Am Tage kann ich mich nicht mal zum Pinkeln aufrichten. Ich pisse im Liegen und friere mit der vollen Hose auf der Erde fest.

    Da ich keinen Kompaß habe, laufe ich immer im Kreis. Ich werde wieder eingefangen und zum Tode verurteilt.

    Der Herr Offizier will gar nicht wissen, daß ich mit seinem Scheißspiel nichts zu schaffen habe. Das Erschießungskommando und die Sanitäter sind eingeteilt. Morgen früh soll ich erschossen werden. Der Soldat, der mich bewachen muß, ist ein Homo und unheilbar geil.

    »Dir kann es ja wurscht sein«, sagt er.

    Es ist mir wurscht. Ich lasse mich von ihm in den Hintern ficken. Als er zum Orgasmus kommt, gebe ich ihm eins über den Schädel, um ihn zu betäuben. Diesmal türme ich in die richtige Richtung.

    Im Mondschein stoße ich auf die Patrouille, an der ich mich nicht beteiligen wollte. Die Kadaver der armen Jungen sind eisenhart und verrenkt wie Gliederpuppen.

    Trommelfeuer. Die Tommies bereiten einen Angriff vor. Ich liege in einer flachen Kuhle auf der einzigen Zugangsstraße, auf der sie angreifen können. Der Rest ist unter Wasser.

    »Bss ... bss ... bss ...« Die Maschinengewehrgarben fressen sich in Zickzackschlangen durch den Sand, der in winzigen Fontänen aufspritzt. Die können mich mal.

    Bodennebel. Man kann keine zehn Meter weit sehen. Ich muß endlich meine Knochen ausstrecken. Rrrrrrrrrrt... Die Salve aus einer Tommygun. Fünf Kugeln treffen mich. Der Kanadier, der plötzlich vor mir steht, hat nur vor Schreck geschossen.

    »Come on! Come on!« Sie spießen mich mit den Läufen ihrer Maschinenpistolen auf. Mindestens fünf zielen auf meinen Kopf. Andere aufs Herz. Auf den Bauch. Fehlt nur noch einer im After, denke ich. Als sie sehen, daß ich keine Waffen habe, schicken sie mich ohne Bewachung zu ihren eigenen Linien zurück.

    Immer mehr Boys tauchen aus dem dicken Nebel auf, während ich an ihnen vorbei in die Richtung torkle, aus der sie kommen.

    Mein rechter Unterarm schwillt in Sekundenschnelle an wie ein Oberschenkel. Ich blute am ganzen Körper und werfe die Jacke weg.

    »Go on! Go on!« sagt jeder, dem ich meine Wunden zeigen will. »Go on! Go back! Back! Back!« Es sind alles prima Kerle, aber sie haben einfach keine Zeit für mich. Sie haben genug mit sich selbst zu tun. Die Luft ist voll mit pfeifenden Kugeln und platzenden Schrapnells, und die deutschen Tiefflieger schwimmen wie Haifische darin herum.

    Trotzdem gehen die Burschen aufrecht. Den Helm lässig ins Genick geschoben. Manche haben eine Zigarette im Mundwinkel.

    Mir selbst rutscht die Hose runter. Meine Hosenträger sind kaputtgegangen, und mit den blutigen Armen kann ich die Hose nicht halten. Mein Bauch ist nackt. Das Kinderhemdchen geht mir nicht mal bis zum Nabel.

    Hinter ihren Linien werde ich menschlich aufgenommen. Ich werde es diesen Männern nie vergessen. Sie schieben mich in einem Kahn, während sie selbst bis zu den Hüften im Wasser waten. Ich fange vor Freude an zu singen, obwohl ich noch nicht weiß, wie ernsthaft ich verwundet bin. Langsam sinkt mir der Kopf auf die Brust.

    In einem Zelt holen sie mir die Kugeln raus. Als ich aus der Narkose aufwache, zwinkert- mir ein Feldkaplan zu und legt mir ein dünnes Täfelchen Schokolade auf die Brust.

    »He is still a child«, sagt er wie zu sich selbst. Dann zündet er sich eine Zigarette an und steckt sie mir zwischen die trockenen Lippen.Vierzehn Wochen Lazarett. Draußen fallen Schneeflocken. Man gibt mir eine Hose, eine Jacke, einen Mantel und ein Paar Schnürstiefel ohne Schnürsenkel. Kein Hemd, keine Unterwäsche, keine Socken, keine Handschuhe, keine Mütze. Sie brauchen ihr Zeug selber. »Take your hands out of your pockets or I'll whip your face!«

    Ein rothaariger, schottischer Offizier mit einem lächerlichen Seehundsbart fuchtelt mit der Reitgerte in der Luft herum, als er uns am Tor des Gefangenenlagers in Empfang nimmt. Ich bin so empört, daß ich zurückschreie :

    »Ich spiele nicht an den Eiern, du rote Ratte! Mir ist kalt!« Ein Mitgefangener zupft mich am Ärmel und flüstert : »Laß dich nicht provozieren. Nimm die Hände aus den Taschen.«

    Ich nehme die Hände widerwillig aus den Taschen. Als wir nach stundenlangem Abzählen blaugefroren in den Käfig trotten, sagt mein Kamerad :

    »Du wirst sehen, es sind nicht alle so. Im Durchschnitt sind es dufte Kerle.«

    Danke fürs lange lesen.

    Mit freundlichen Grüssen,

    euer Winter!

    Hallo Erich,

    liegt nun das Grab des russischen Offiziers im Garten deines Schwiegervaters? Mein Chef hatte mal einen Bauplatz gekauft um eine Werkshalle dort zu errichten. Dann wurden Gräber aus dem Mittelalter entdeckt. Dann kam ein Ausgrabungsteam was angeblich er vollständig bezahlen musste worüber er total sauer war und noch ist. Das ganze ist jetzt beim Rechtsanwalt.... Könnte das deinem Schwiegervater auch passieren wenn er es meldet?

    Grüsse Steffi.