Posts by MarcBartuschka

    Weiß jemand wie das Motto/der Wahlspruch der 8. SS-Kavallerie-Division "Florian Geyer" lautete? Ich habe die Behauptung gehört, dass das Motto der Division.

    Geschlagen ziehen wir nach Haus

    unsere Enkel fechten's besser aus

    gewesen sein soll. Ich bin wegen der Behauptung aber etwas skeptisch und habe bisher keine Bestätigung finden können. Als Motto erscheint es mir zudem ein wenig lang und spätestens in der zweiten Kriegshälfte (die 8. SS-Kavallerie-Division erhielt den Namen "Florian Geyer" off. erst 1944) hätte so ein Motto doch recht defätistisch geklungen...

    Diese Zeilen stammen anscheinend aus dem bündischen Lied "Wir sind des Geyers schwarzer Haufen" aus den 1920ern, dass den Bauernführer Florian Geyer verherrlicht. Das Lied wurde (und wird) sowohl von "Rechts" wie auch "Links" gesungen und adaptiert (und auch völlig unpolitisch eben als Lied über den Bauernkrieg).

    Ich habe das Lied zwar als Marschlied der Division gefunden, aber keinen weiteren Hinweis, dass genau diese Liedzeilen das Motto der Division waren. Ein paar Mal tauchten im Zusammenhang mit der 8. SS-Kavallerie-Division eine andere Zeile aus dem Lied auf:

    Trotz Acht und Bann

    (etwa als Titel eines Buches über die Division).

    Weiß jemand vielleicht Genaueres?

    Hallo TAC

    Du willst doch wohl nicht ernsthaft behaupten, dass Saul Friedländer nur den "Sauerteig des besseren Deutschen" bereitet (was immer diese Formulierung besagen soll)? Wobei er natürlich bei weitem nicht der einzige ist, der sich damit beschäftigt und zu sehr ähnlichen Befunden kommt. Gerade Friedländers Werk wird nicht ohne Grund als eines DER Standardwerke zum Thema Holocaust bezeichnet.

    Dass man erste Gerüchte nicht unbedingt wahrhaben wollte, bedeutet nicht, dass man nicht die Wahrheit doch erkennen kann. Es hat ja niemand behauptet, dass die Hörer beim ersten Mal gleich alles erkennen mussten. Es blieb ja wohl auch nicht unbedingt bei diesem einen Male. Der Judenmord begann ja bereits in Polen 1939 - noch nicht als systematische Ermordung wie dann 1941, aber Gruppenerschießungen und Massensterben in Ghettos gingen keineswegs erst nach dem Überfall auf die UdSSR los. Und sogar davor gab es erste warnende Hinweise wie die massenhaften Verhaftungen im November 1938. Das war noch nicht der Holocaust (obwohl auch da schon in beträchtlicher Zahl gemordet wurde), aber es war ein erstes Indiz wohin es gehen konnte - zu dem sich dann leicht weitere gesellten.

    Sicher waren die öffentlichen Reden Hitlers und Konsorten nicht SO offen wie Himmlers Geheimreden. Die man im übrigen auch so interpretieren kann, dass er zumindest ein gewisses Mitwissen/allgemeinen Grundkonsens postuliert, nur eben nicht die "Entschlossenheit", die er seinen Massenmördern attestiert. Sagte er nicht in etwa:„Ich meine jetzt die Judenevakuierung, die Ausrottung des jüdischen Volkes. Es gehört zu den Dingen, die man leicht ausspricht. – ‚Das jüdische Volk wird ausgerottet‘, sagt ein jeder Parteigenosse‚ ‚ganz klar, steht in unserem Programm, Ausschaltung der Juden, Ausrottung, machen wir.‘" - nur mit der Umsetzung hätten die Leute Probleme, da kämen ihnen (anders als seinen Schlächtern) eben Einzelbedenken. Freilich spricht er ja wohl auch vom nicht darüber reden (aber das wurde eben nicht so eingehalten).

    Aber der Terminus "Ende der jüdischen Rasse" oder dergleichen kam denn doch bei weitem zu oft vor, auch in den öffentlichen Reden.

    Außer natürlich du willst unterstellen, dass alle Deutschen ihren "Führer" nur für jemanden hielten, der ins Blaue hineinrede und niemals etwas von dem umsetzen würde, was er so von sich gibt. Scheint mir nicht so plausibel.

    Und ich widerspreche zumindest partiell der Behauptung, der Völkermord sei "das Unvorstellbare" gewesen. SO unvorstellbar war massenhaftes Morden ja nun wieder auch nicht, dass nicht offenkundig darüber geredet wurde. Die Wehrmachtssoldaten die in Gefangenschaft darüber reden verfallen nach dem was ich bei Neitzel gelesen habe beim Thema Massenmord ja gerade eben eher nicht in Schockstarre nach dem Motto das kann ja gar nicht wahr sein, wie konnten unsere Leute das nur tun. Häufiger ist es - wenn sie es angelegentlich thematisiert haben - ein "na und?". Moltkes Behauptung ist ja wohl eher seine Behauptung als eine eherne, auf umfassende Faktenbasis gestützte Wahrheit (mal abgesehen von der Frage, wie viele Deutschen hinterher denn zugegeben haben, dass sie was wussten). Und selbst wenn sie stimmen würde - was ich bezweifle - würde das eine Mitwisserschaft von Millionen bedeuten.

    Ein Geheimnis aus etwas zu machen, an dem nicht tausende, nicht ein paar zehntausende sondern deutlich mehr Personen direkt oder als wissende Helfer beteiligt waren (Personal in den Konzentrations- und Vernichtungslagern, Wachmannschaften im Umfeld der Ghettos bzw. bei den "Auflösungen", Beteiligte und Hilfspersonal bei den Grubenerschießungen in Polen und der UdSSR sowie den Deportationen in anderen Teilen des deutschen Machtbereichs, Personal in den Werken in denen massenhaft jüdische KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter eingesetzt wurden, im Reich wie in den besetzten Gebieten), war eben nicht so einfach. Zumal es ja auch noch andere Kommunikationskanäle gab. Die Reichsbahnleute, die Züge zusammenstellten, die "Ghetto-Touristen", jene die entsprechende Meldungen in ausländischen Nachrichtensendern hörten und so weiter, und so weiter. Und natürlich all jene, die von einem der oben Genannten Näheres hörten. Selbst in einer Diktatur wurde geredet.

    Ein gutes Beispiel ist, wie relativ schnell sich das Morden im Rahmen der T4-Aktion herumsprach. Dabei war an der Aktion deutlich weniger Personal beteiligt, und die Zahl der als Opfer betroffenen Deutschen war natürlich einiges kleiner - und Hitler sprach wohl weitaus weniger häufig in seinen Reden über den angeblichen "Gnadentod", als über das "Ende der jüdischen Rasse" (das ist jetzt freilich eher geraten). Dies scheint mir doch eher dafür zu sprechen, dass selbst eine von vorneherein klandestin aufgezogene Massenmordaktion so perfekt geheim nicht bleiben kann und recht schnell ein relativ weit verbreitetes Wissen - wenn auch natürlich nicht über alle Details - hergestellt war. Für den Holocaust galt dies natürlich noch viel mehr.

    Die Behauptung, die deutsche Geschichtswissenschaft würde vehement zunehmend behaupten, alle wüssten alles und zwar schon ab Ende 1941, ist in meinen Augen einfach falsch.

    Nun will ich nicht sagen, dass es nicht Einzelstimmen gibt, die so weit gehen (ich würde dem zu diesem frühen Zeitpunkt widersprechen, ohne freilich in solch hochgestochene volkspsychologischen Sphären aufzusteigen, wie du es anscheinend immer wieder mal tust). Aber daraus einen dominierenden Trend zu machen ist wirklichkeitsfern. Eine merkwürdige Diskussionskultur scheint mir das, dem Gegenüber (ob anwesend oder nicht) Dinge zu unterstellen, damit er sich gegen etwas rechtfertige, was so nicht behauptet wurde.

    Du hast eine interessante Haltung, hier immer eine "ausgewogene" Sichtweise zu propagieren, zugleich aber kein Problem damit, die deutsche Geschichtsschreibung nahezu schon in Bausch und Bogen zu verdammen, so lange sie deiner Sicht der Dinge zu widersprechen scheint. Das Postulat "neutrale ausländische Historiker" ist in meinen Augen eher ein Scheinargument indem du dabei nur das herauspickst was deine Sicht der Dinge stützt. Wer in Inland und Ausland anderer Ansicht ist (egal mit welch guten Argumenten) - ist der dann "nicht neutral"? In deinen Augen anscheinend schon.

    Die Argumente der Gegenseite als befangen zu erklären scheint mir einer Diskussion aber schwerlich zuträglich - und schwächt auch eher die eigene Position, denn dass es sie stärkt.

    Und du ignorierst ja wohl auch standhaft jene gar nicht so wenigen Zeitzeugen (von denen einige auch hier zitiert wurden, tw. aus dem familiären Umfeld) die sehr wohl etwas gewusst hatten - ohne dass sie an besonders privilegierter Stelle saßen um Zugang zu bekommen.

    Das Argument, die Geschichtsschreibung sei nach 1990 moralisierender geworden, kann ich in dieser Art und Weise nur als Fehlwahrnehmung betrachten, und ich nehme an, das erkennst du auch. Es würde ja postulieren, früher sei man "neutraler" gewesen. Dies zu behaupten gerade für eine Geschichtsschreibung, die ja auch angelegentlich - mitunter gar ganz massiv - durch den Systemkonflikt des Kalten Krieges mit beeinflusst bzw. durch ihn wegen mangelnder Zugänge zu den Quellen gehandicapt war, scheint mir schon sehr gewagt, vorsichtig ausgedrückt.

    Die genannten "Mahnungen" sind wohl eher Meinungen, die nicht selten überspitzt sind, wenn nicht gar ganz und gar falsch.

    Dass der Zeitzeuge der Todfeind des deutschen Historikers sei ist natürlich schon eine absurde Behauptung, die man sich selbst als ironische Zuspitzung ja wohl eher verkneifen sollte.

    Gewiss muss man beim Umgang mit Zeitzeugenaussagen immer mit Vorsicht agieren (aber das muss man bei Dokumenten aus der Zeit selbstverständlich auch). Der Zeitzeuge darf für eine seriöse Geschichtsschreibung nicht als der ultimative Born der Weisheit betrachtet werden, der die reine, ungefilterte und unmittelbare Wahrheit verkündet. Seine Erinnerung ist Überformungen ausgesetzt, er entscheidet nicht selten bewusst was er weitergibt oder hat sich unbewusst eine Erzählung zurechtgelegt.

    Aber das heißt nicht, dass seine Aussagen in Bausch und Bogen verworfen werden (eher im Gegenteil), gar dass eine systematische Feindschaft gegenüber Zeitzeugen bei den Historikern vorherrsche. Eher scheint mir, dass in den letzten gut zwei Jahrzehnten der Oral Historie ein erhebliches Gewicht beigemessen wurde, mit bemerkenswerten Ergebnissen. Und auch ich habe da sehr gute Erfahrungen gemacht.

    Ich finde es deshalb wirklich schwer verständlich, wie man zu solchen Sichtweisen wie der deinen kommen kann. Das muss schon eine merkwürdige Subkultur sein auf die du dich beziehst (wenn sie denn existiert), der ich sonderbarerweise bei allen Kollegen mit denen ich zu tun hatte, niemals begegnet bin (und ich müsste schon sehr nachdenken, um sie in einem Buch zu finden, von denen hunderten, die man so eben liest). Da muss ich ja wohl blind und taub durchs Leben gegangen sein bisher, dass ich diesen angeblich zentralen Trend der deutschen Geschichtsschreibung, die vehemente Ablehnung des Zeitzeugen, so wenig erlebt habe. Tja, Sachen gibt es...

    Hallo Wolfgang

    Ich denke, hier sollte man zwischen der Diskussion der Schuld und einem juristischen Schuldspruch unterscheiden. Es gibt auch auch so etwas wie moralische Mitverantwortung, jenseits des formal juristischen. Man kann nicht der Justiz die GANZE Schuld/Verantwortungsdebatte überlassen - denn ihre Aufgabe ist eine andere als die der Soziologen/Historiker. Juristen sollen Tatbestände feststellen - nicht erklären, wie es generell zum Massenmord kam, wie weit er einem antisemitischen Grundkonsens entgegenkam etc. Juristen haben ja auch gar nicht das Werkzeug, um - sagen wir mal - so etwas wie eine Gesamtuntersuchung zum System der Konzentrationslager (wie Wachmanns "KL") oder des Holocaust (wie Friedländers "Jahre der Vernichtung") zu verfassen. Ich denke nicht, dass das Nicht-Juristsein dabei ein unüberwindbares Hindernis ist.

    Ich stimme zu, dass man mit klaren Verdickten dem oder jenem hätte diese oder jene Strafe gebührt als Nichtjurist vorsichtig sein muss - aber dergleichen wird in der Zunft auch eher selten praktiziert. Doch hätte man allein der Justiz die Diskussion überlassen, wo wären wir dann jetzt? Hat die Justiz nicht auch aus der Geschichtsschreibung Anregungen und Hinweise erhalten?

    Ich bin kein überzeugter Freund des Arguments, man müsse darüber reden, um eine Wiederholung zu verhindern, weil ich nicht recht glaube, dass sich Geschichte wirklich wiederholt. Allerdings ist es schon lehrreich, sich ausführlich mit den Spielräumen, über die der einzelne auch in einer Diktatur verfügt, mit alternativen Handlungsweisen etc. zu befassen. Sie lassen eine Annäherung an die Frage zu, wie es möglich war und sind zwar nicht als Abziehfolie, aber doch als Vergleichsraster auch für andere Vorgänge/Strukturen/Tendenzen anwendbar. Natürlich darf das nicht ins simple Gleichsetzen abgleiten.

    Mit freundlichen Grüßen

    Marc

    Hallo Wolfgang

    Also da erlaube ich mir anderer Meinung zu sein. Einige Hauptschuldige wurden gehängt. Aber es sind viele, die sich schwerster Verbrechen schuldig gemacht haben, mit Gefängnis oder ganz straflos davongekommen. Nur wenige wurden später noch vor den Kadi gezerrt.

    Ich glaube nicht, dass man mit einer Diskussion über Schuld die UNSCHULDIGEN in die partielle Amnesie treibt. Wenn überhaupt jemanden, dann die "kleinen" und "großen" Schuldigen und jene aus ihrem Umfeld, denn die haben dann einen Grund mehr sich "an nichts zu erinnern". Aber das haben sie in vielen Fällen ja wohl schon vor vielen, vielen Jahren absolviert.

    Aber ehrlich gesagt, ich denke nicht, dass man sich geschichtlich-moralische Diskussionen ausschließlich von deren Befindlichkeiten diktieren lassen sollte. Sippenhaftung wäre natürlich Blödsinn, aber die will/praktiziert ja keiner. Die Diskussion um Schuld und Verantwortung generell einzustellen scheint mir auch nicht der richtige Weg.

    Und ich denke weiterhin, die Frage nach Verantwortlichkeit/Schuld ist eine, die aus gutem Grund nicht schon lange abgehakt wurde. Wäre sie es, und hätten nicht verdienstvolle Personen da weiter gebohrt und geforscht, dann wären wir ja wohl nie über den Stand der später 1940er, frühen 1950er hinausgegangen (wobei es da ja in Ost und West unterschiedliche Sichtweisen gab - wiewohl einiges auch wieder frappierend ähnlich war). In meinen Augen wäre das ein Unding und ich bin heilfroh, dass dem nicht so war.

    Wenn die Schuldigen gehängt worden wären - ja dann hätten ja Leute wie Fritz Bauer getrost die Hände in den Schoß legen können - was sie glücklicherweise nicht taten.

    Gerade in Fragen wer was gewusst und welche Personenkreise zumindest partiell an was beteiligt waren in welchem Maße, dazu haben die letzten gut 25 Jahre durchaus wichtige und auch neue Erkenntnisse gebracht. Und ich würde meine Hand nicht ins Feuer legen, dass nicht noch die eine oder andere interessante Teilerkenntnis zu Tage gefördert werden kann.

    Mit freundlichen Grüßen

    Marc

    Hallo Adam

    Mir ist so gut wie nie (schon gar nicht in historischen Texten) irgendetwas von einer Schuld aufgefallen, sei es im Gespräch, in einem Buch oder sonstwie, die irgendjemand einem heutigen Deutschen angeblich einreden wollte - mal abgesehen von denen, die unbegreiflicherweise den Holocaust verleugnen oder verharmlosen (und die laden ja auch Schuld auf sich, würde ich sagen).

    Verantwortung ist die eine Sache (nämlich das als Teil der Geschichte zu akzeptieren und Verharmlosungen und Schlimmeren eindeutig zu widersprechen), aber "Schuld"? Richtige Schuld? Die will nun wirklich kaum jemand "den Deutschen" einreden - und ganz bestimmt auch nicht wir uns selber. Dass freilich viele der damals Erwachsenen sich schuldig gemacht haben (juristisch bzw. moralisch) - durch Mitmachen und Wegsehen (wenn auch in unterschiedlichem Maße), tja, also dass würde ich schon so sagen.

    Und jene, die sich dem Antisemitismus verweigerten, die gar aktiv was dagegen taten - waren das etwa (im positiven Sinne) "Übermenschen"? Waren es Männer und Frauen, die aus un- oder schwer begreiflichen Gründen ein besonderes Wissen, eine herausragende Moral besaßen? Wohl kaum. Sehr oft waren es Menschen, die sich von den Wegschauern und Mitmachern gar nicht SO sehr unterschieden was die Sozialisierung und das Umfeld angeht. Wohlgemerkt, das macht ihre richtige Entscheidung in meinen Augen kein Stückchen weniger bewundernswert - aber ich bin entschieden dagegen aus ihnen etwas so Außergewöhnliches zu machen nach dem Motto, der "normale Mensch" hätte ja gar nicht so handeln können wie sie, hätte gar nichts so erkennen können wie sie. Denn bis auf das was sie wirklich TATEN waren sie gar nicht so ungewöhnliche Menschen.

    Im Schlechten ist das ähnlich. Die Schinder, Mörder und so weiter, die waren auch nicht in der Mehrheit irgendwie "abnorm". Ihre Sozialisierung zeichnete ihnen den Weg nicht zwingend vor, den sie gegangen sind.

    Und ich kann nicht so zustimmen, dass die Frage "oft" nur an die Deutschen gehe. Die Rolle ihrer einheimischen Helfer wird seit Jahren laut und engagiert diskutiert - in Polen spätestens seit der Jedwabne-Debatte, in Frankreich auch schon seit etlichen Jahren. Ja, nationalistische Kreise sperren sich dagegen (in Polen gerade in den letzten Jahren, im Baltikum und der Ukraine tw. auch). Aber daran wird schon seit langem geforscht und auch offen darüber geredet. Nur darf man natürlich nie vergessen werden, dass die einheimischen Antisemiten durch die Deutschen inspiriert, oft auch direkt angeleitet und befehligt wurden. Sprich, Antisemiten gab es selbstverständlich auch ohne die Deutschen, Aber erst der NS-Massenmord ließ den (durchaus mitunter gewalttätigen) lokalen Antisemitismus zu einem Rad im Getriebe des systematischen Völkermordes werden. Ohne das hätten die lokalen Antisemiten Juden angefeindet, sie ausgegrenzt, in etlichen Fällen wohl auch angegriffen und eine Anzahl getötet. Aber sich beteiligt sie systematisch zu ermorden? Jeden Mann, jede Frau jedes Kind, das greifbar war? Wohl eher nicht.

    Theresienstadt war nun auch nicht gerade ein "Vorzeige-KZ" (lassen wir die Diskussion beiseite, ob Theresienstadt ein KZ/KL im eigentlichen Sinne und nicht eher ein Ghetto war), gestorben wurde in jedem Fall dort auch noch in großer Zahl, und viele Insassen hatten zumindest eine ungefähre Vorstellung welches Schicksal die "auf Transport geschickten" Insassen erwartete. Briefwechsel gab es auch mit anderen Ghettos in den besetzten Gebieten wie etwa Izbica. Und das Wissen vom Massenmord (weniger in den Vernichtungslagern - aber auch darüber gab es Gerüchte - als vom Massentod in Ghettos und Erschießungsgruben) kam auf vielen Wegen unters Volk.

    Hallo Arnd
    Hm, soweit ich weiß ist die Aussage, dass Polen sich am Mord an den Juden beteiligt haben, NICHT strafbar (noch nicht zumindest). Zwar geht es schon einiges in Richtung Maulkorb, aber ich würde jetzt die Gesetzeslage in Polen im Moment auch nicht überspitzt darstellen. Nicht, dass ich die PIS-Regierung nicht für ein Unglück für Polen (und die polnische Geschichtsforschung schon mal erst Recht) halte, aber die Erwähnung der Beteiligung polnischer Staatsbürger ist im Rahmen der historischen Forschung soweit ich dies beurteilen kann nicht strafbar (Im Moment noch).

    Mit freundlichen Grüßen

    Marc

    Hallo

    Also wenn ich die Wehrmachtsunterlagen auf der Webseite des DHI Moskau so sehe, dann war dort mit Überlaufen der freiwillige Frontwechsel gemeint - egal in welche Richtung. Auf eine direkte Tätigkeit wird da nicht verwiesen (die noch erfolgen kann oder nicht). Sprich, Überläufer war für die Wehrmacht wohl ein deutscher Soldat der freiwillig zur sowjetischen Seite überlief, oder ein sowjetischer Soldat der sagen wir bei einem Stoßtrupp sich absetze und mit einem Flugblatt in der Hand bei den Deutschen meldete. Gefangener ist man vermutlich eher, wenn man eingekreist ist und die Hände hebt (oder so). Selbstverständlich sind die Grenzen gerade wenn die Front in Bewegung ist fließend...

    Ich stimme aber zu, das Absetzen ins Hinterland ist von der Terminologie her wohl etwas anderes. Freilich, wenn man sich zu einer bewaffneten Formation im Hinterland begibt - also zu Partisanen - und sich ihnen freiwillig ergibt (egal ob man bereit ist aktiv zu kämpfen oder nicht), wäre wohl auch von Überlaufen zu sprechen.

    Mit freundlichen Grüßen

    Marc

    Hallo

    Ich denke, das freizügige Plaudern über deutsche Verbrechen gab es sehr wohl, auch nach 1941. Wenn man liest wie offen die Soldaten über individuelle Verbrechen in der Kriegsgefangenschaft reden, damit zum Teil vor Kameraden angeben, wie in der Tat Neitzels "Soldaten" an Beispielen belegt (Verbrechen gegen ganz unterschiedliche Gruppen), dann deutet dies darauf hin, dass es da keine sonderlich große Scheu gab. Und die Verbrechen endeten ja auch nicht 1941, obwohl ein Großteil - aber eben nicht alle - sowjetischen Juden relativ zügig ermordet wurden. Sicher war der Judenmord kein zentrales Thema für sie. Aber er war eben auch kein Tabu.

    Die später gezogenen Soldaten brauchten auch gar nicht auf dem Weg zur Front oder beim Einsatz im Hinterland Zeugen von Verbrechen zu werden. Sie brachten ihr Wissen ja oftmals schon aus dem Reichsgebiet mit. Ich denke, der Einschätzung Saul Friedländers in "die Jahre der Vernichtung" (ein wie ich finde sehr gutes Buch zum Thema), dass sowohl in Osteuropa als auch im Deutschen Reich selber die Kenntnis vom Massenmord an sich recht verbreitet war, lässt sich argumentativ wenig entgegensetzen. Friedländer hat sich gerade mit der Frage des Wissens recht gründlich beschäftigt, und ich sehe da keinen Grund, kein schlüssiges Argument, ihm irgendwie zu widersprechen.

    Und was das Lügner oder nicht angeht - einige Zeitzeugen die behaupten nichts gewusst zu haben lügen sicherlich, aber bei weitem nicht alle, die genau das behaupten, müssen absichtlich lügen. Nach so vielen Jahren ist es vollkommen denkbar, dass sie sich selber im Laufe der Zeit eingeredet haben, sie hätten nichts gewusst. Solche Modifikationen der Erinnerung sind Phänomene, die nur zu bekannt sind.

    Das Gewusst-Haben ist ja wohl kaum eine Meistererzählung, mit der man sonderlich komfortabel lebt. Oder die man gar weitererzählen kann. Es ist nicht die "richtige" Erzählung, eine, mit der man eigenes Erleben oder auch Leiden (das natürlich nicht annähernd an das der Opfer heranreicht) in die eigene Geschichte einordnen und weitergeben kann. Es ist "besser" nichts gewusst zu haben, für den eigenen Seelenfrieden, um die eigene Lebensgeschichte aufzuwerten oder zu beschützen. Und so erinnert man nicht das "falsche" (wahre), sondern das "richtige" (falsche). Ein "richtiges", das ja auch medial über lange Jahre durchaus als repräsentativ hingestellt wurde. In den 1950ern und nicht selten auch danach - und zum Teil bis heute - wird das Nicht-wissen ja als Faktum dargestellt. Sehr wahrscheinlich, dass etliche dies für ihre eigene Erinnerung "übernahmen", ja sich in den gelegentlichen Treffen mit anderen Zeitzeugen es einredeten.

    Andere werden bewusst Augen und Ohren versperrt haben - also ahnten genug, um möglichst nicht mehr wissen zu wollen. Und ja, es gab wohl auch einige, die nichts wussten. Aber ich zweifle daran, dass das so viele waren. Ich meine, Hitlers Liebäugeln mit seiner "Prophezeiung" vom "Untergang der jüdischen Rasse", die er mehrfach in seinen Reden wiederkäute - da muss man nicht Insiderwissen haben, um zumindest eine Ahnung zu bekommen, wie es den jüdischen Einwohnern in den den von Deutschland kontrollierten Gebieten ergeht. Selbst wenn man aus dem kleinsten Dorf der tiefsten Provinz kam, niemals einen "Feindsender" einstellte - las man dann keine Zeitung? Hörte man kein deutsches Radio? Dachte man NIE darüber nach, was all der lautstark und durchaus mit dem Terminus der Vernichtung artikulierte Hass auf "die Juden" wirklich bedeutete und wozu er führte? Dass wahnsinnige Gegeifer gegen "Alljuda" war ja nicht auf den Stürmer-Kasten beschränkt - das wurde auch noch im Einsatzgebiet von Wehrmachtsseite angestimmt.

    Die Argumente von einzelnen ausländischer Historikern oder sonstigen Autoren gegen die deutsche Geschichtsforschung als Ganzes finde ich wenig aussagekräftig. Sie implizieren nämlich nicht selten Zerrbilder, die mit der Realität wenig zu tun haben.

    Weder ist die deutsche Geschichtsforschung stromlinienförmig auf eine Ideologie und Analyse der Vergangenheit festgelegt. Noch viel weniger sind gegen die "Lehrmeinung" gerichtete Stimmen aus dem Ausland irgendwie "mehr wert" weil sie von Ausländern stammen. Ausländische Autoren können selbstverständlich brillant sein, und etliche sind es (und nicht wenige haben einen Schreibstil, den man nur bewundern kann) - oder aber das genaue Gegenteil, wie nicht nur ein David Irving beweist. Nicht die nationale Herkunft gibt (oder verwehrt) jemanden das Zeug zum ausgewogenen urteilen, vielmehr spielen da zahlreiche Faktoren eine Rolle.

    Mit freundlichen Grüßen

    Marc

    Hallo

    Ich schließe mich der Einschätzung zu großen Teilen an. Es gibt da ja auch begriffliche Übereinstimmungen - wurden die Kampfeinsätze etwa der britischen Luftwaffe gegen Aufständische in der Zwischenkriegszeit nicht als "Air/Aerial Policing" bezeichnet? (https://www.bbc.com/news/magazine-29441383). Selbst die Weimarer Republik setzte Flugzeuge im Rahmen von "Polizeiflügen" etc. in den Kämpfen nach Ende des Ersten Weltkriegs ein. Ich halte es deshalb für möglich, dass der Terminus dann einfach übernommen wurde. Die deutsche Terminologie wechselte ja verschiedentlich zwischen "Partisanenbekämpfung", "Bandenbekämpfung" und sicher auch "Polizeiflügen".

    Möglicherweise (ich habe die Bücher ja nicht vor Augen), kann die selbe Art von Einsatz sogar unterschiedlich bezeichnet werden - mal als Polizeiflug, mal als "Bandenbekämpfung". Wird da explizit unterschieden? Gibt es Bücher von derselben Einheit wo Einsätze am selben Tag unterschiedlich bezeichnet sind?

    Ich gehe aber davon aus, dass die Einsätze gegen Partisanen (anders als die zur Überwachung der Bevölkerung) mehrheitlich doch Kampfeinsätze waren und nicht nur der Aufklärung dienten (wobei es sicher oft Überschneidungen gab).

    Klingt auf jeden Fall wie eine sehr interessante Quelle.

    Ach ja, das zum Nachtrag - es würde mich auch nicht überraschen, wenn die Überwachungsflüge der Bevölkerung zumindest indirekt ebenfalls mit den Partisanen zusammenhängen. Entweder sie dienten der Sicherung von verbündeten Gruppen (sagen wir dem Familienanhang von Kollaborateuren), die zum Ziel von Angriffen werden könnten. Oder es aber es ging darum zu verhindern, dass die Zivilisten sich in die Wälder absetzen um sich von der Front überrollen zu lassen - die Besatzer waren ja daran interessiert die Bevölkerung als Arbeitskraft weiter ausbeuten zu können, in jedem Fall aber zu verhindern, dass sie von sowjetischer Seite mobilisiert werden könnten. Das Untertauchen von Zivilisten vor der von deutscher Seite forcierten Zwangsevakuierung wurde von den Partisanen teilweise unterstützt, und es war vor allem die Präsenz der Partisanen, welche den deutschen Kontrollmöglichkeiten enge Grenzen anlegte.

    Sind viele solcher Einsätze verzeichnet?

    Mit freundlichen Grüßen

    Marc

    Hallo

    In den laufenden Meldungen der Heeresgruppe Mitte die man über das DHI Moskau einsehen kann (namentlich vorhanden für 1942, tw. 1943), werden mitunter Überläufer erwähnt (teilweise in den Fernschreibesprüchen der Armeen etc., das ist also oft nicht leicht zu finden). Soweit ich weiß taucht das auch sporadisch in Abwehrunterlagen und möglicherweise auch Ic-Berichten auf, meistens in Monatsberichten. Meistens handelte es sich um Einzelfälle, vielleicht mal eine kleine Gruppe, aber sie summieren sich über die Zeit. Mitunter waren das ehemalige polnische Staatsbürger (diese werden teilweise gezielt erwähnt - ich persönlich vermute, sie galten der Wehrmachtsführung als begrenzt "verlässlich").

    In den so genannten "Bandenmeldungen" gerade des Jahres 1943 oder 1944 ist meines Wissens relativ oft von Überläufern die Rede, wenn einheimische Kollaborateure einzeln und in Gruppen zu den Widerstandskämpfern übergingen, auch die mitgenommenen Waffen werden mitunter genannt. Teilweise haben sie vorher Kollaborateure die nicht überlaufen wollten oder das deutsche Rahmenpersonal/Offiziere unschädlich gemacht. Allerdings dürfte es schwer sein, die Überlebensrate dieser Männer verlässlich abzuschätzen. Wurden sie von den Deutschen gefasst war ihre Überlebenschance wohl extrem niedrig, und auch wenn sie es zu den Partisanen schafften, drohten natürlich die deutschen Angriffe. Wie viele nach dem Krieg von sowjetischen Gerichten wegen ihrer früheren Kollaboration abgeurteilt wurden, lässt sich ebenfalls nur schwer einschätzen.

    Mit freundlichen Grüßen

    Marc

    Hallo

    In den digitalisierten Unterlagen der russischen Archive, die das DHI Moskau ins Netzt stellt, tauchen solche Geschichten an der Ostfront in frontnahem Gebiet verstreut auf (leider habe ich mir nicht die genauen Akten gemerkt, da es mir um andere Dinge ging). Da war es u. a. angeblich Munition, Feuerzeuge (glaube ich), Trinkflaschen etc., die von sowjetischen Flugzeugen abgeworfen worden sein sollten und bei Verwendung/Öffnen etc. explodierten. Ob das einen wahren Kern hat, kann ich natürlich nicht beurteilen. Ein wenig klingt es wie Spinnereien, denn anstatt solcher Spielereien kann man ja auch direkt Bomben abwerfen als darauf zu hoffen, dass jemand das Ding aufhebt und benutzt, zumal der angerichtete Schaden offenkundig gering war...

    Und natürlich könnten solche einfachen Sprengfallen auch auf anderem Weg in die Hände der Besatzer gefallen sein, wenn jemand vom lokalen Widerstand sie ausgelegt hatte. Allerdings haben alle beteiligten Seiten während des Krieges die skurrilsten Pläne erwogen und zum Teil auch ausprobiert, also ist es denkbar, dass von sowjetischer Seite zeitweilig solche Geschenke abgeworfen wurden.

    Mit freundlichen Grüßen

    Marc

    Hallo Joseph

    Ich denke ja, das kann man so nicht sagen. Der latente Antisemitismus bei einigen Teilen der AK (und mehr noch bei der NSZ) rührte nicht unbedingt ursächlich von der Kooperation jüdischer Flüchtlinge mit sowjetischen Partisanen her, als dass er auch ihre Ursache war. Jüdische Flüchtlinge waren immer in Gefahr wenn sie auf Bewaffnete stießen (egal welcher Nationalität und Zuordnung), doch die Chancen Hilfe zu bekommen und zumindest nicht angegriffen zu werden, war wohl bei sowjetischen Partisanen einiges geringer als bei anderen Gruppen. Es gab auch Anweisungen von der sowjetischen Führung, gegen Antisemitismus vorzugehen (mit begrenztem Erfolg, aber es gab sie), so dass sich die zunehmende Kontrolle über die Widerstandskämpfer positiv auswirkte. Es ist daher nur logisch, dass man sich eher den sowjetischen Einheiten anschloss - und damit in die wechselhaften Beziehungen zu polnischen Gruppen hineingezogen wurde.

    Einige Polen betrachteten die (zumeist aus der Not erfolgenden) Requirierungen jüdischer Gruppen einfach als Raub, weil man gegen eine Gruppe von "anderen" weniger tolerant war als gegenüber den eigenen Aktionen.

    Bei aller Abscheu gegen die gegenwärtige polnische Regierung kann ich aber auch die polnische Verstimmung über besagten Dreiteiler und die Art, wie darin die polnischen Widerstandskämpfer dargestellt werden, nachvollziehen. Wie das im Film nun mal oft so ist (vor allem, wenn man sich nicht sehr viel Mühe gibt), verkürzt das Gezeigte ein komplexes Gesamtbild radikal und lässt damit einen Fehleindruck von der Haltung der AK entstehen - es kam nämlich durchaus auch vor, dass diese mit jüdischen Flüchtlingen kooperierte bzw. ihnen half. Das war vielfach eine Frage der konkreten Situation und Abteilung. Wenn nun ein relativ negatives Bild der polnischen Widerstandsbewegung gerade von deutscher Seite als bestimmend und repräsentativ gemalt wird, ist schon verständlich, dass Polen das nicht gerade gut finden.

    Justus

    Na ja, zumindest was den Russlandfeldzug Napoleons angeht, so sind die Übereinstimmungen wohl geographischer Natur. Und das ist ja auch logisch, schließlich war die Wehrmacht an dieselbe Geographie gebunden und zu erheblichen Teilen immer noch eine marschierende/auf von Pferden gezogenen Fahrzeugen vorrückende Armee. Die taktischen Möglichkeiten und das Ausmaß der Operationen hatte sich geändert (wie auch die totalen Unterwerfungs- und Massenmordziele, die für Napoleon natürlich nicht festgestellt werden können), aber Wetter und Geographie diktierten ein ähnliches Vorgehen. Auch die russisch/sowjetischen Bevölkerungs- und Regierungszentren waren ja noch dieselben (relativ).

    Mit freundlichen Grüßen

    Marc

    Hallo

    Hm, auch wenn die Wehrmachtsverbände gewiss nicht an Massengräber vorbeidefilierten, es gab meiner Ansicht nach genug Möglichkeiten etwas zu erfahren. Polizei- und andere beteiligte Verbände agierten und lebten ja nicht im luftleeren Raum, da wurde sicher schon darüber gesprochen. Die Wehrmacht war vielfach in Absperreinsätzen und als Hilfspersonal beim Massenmord eingespannt - und dabei dürfte sehr wohl klar gewesen sein, wobei man hilft. Spätestens wenn die eigentlichen Mörder dann davon erzählten. Von Einheiten die aktiv selber mordeten wie die 707. ID mal ganz abgesehen. Über Gerede von den unmittelbar als Mordkomplizen oder Mörder Beteiligten, deren Versetzungen oder die von Mitwissern aus zweiter Hand zu anderen Einheiten, Gesprächen an Knotenpunkten bei Urlaubsfahrten und zurück zur Front und so weiter dürfte der Verbreitungseffekt wenn schon nicht der genauen Details so doch einer gewissen groben Vorstellung erheblich gewesen sein. Von "Randverbrechen" des Holocaust wie dem Massenmord an jüdischen Kriegsgefangenen und Massenerschießungen der jüdischen Bevölkerung bei der "Partisanenbekämpfung" mal ganz abgesehen, der weiteres Wissen generierte, wenn schon nicht vom Gesamtbild, so doch von Aspekten. Nur zur Klarstellung, mit Randverbrechen meine ich jetzt nicht, dass die nicht zum Holocaust dazugehörten, sie überschneiden sich aber mit anderen Verbrechenskomplexen (Massenmord als Teil der Bekämpfung von Partisanen bzw. der unmenschlichen Behandlung gefangener Rotarmisten).

    Sicher kann man nicht felsenfest behaupten ALLE wussten (alles). Aber mit Nachkriegserinnerungen ist es auch nicht so einfach, gerade wenn sie lange nachher erzählt wurden, als auch eine gewisse Motivation vorhanden war "niemals nicht etwas gewusst zu haben". Noch nicht einmal, was man NICHT wissen WOLLTE.

    Das war ja nicht nur juristisch Schutzbehauptung, es ging vielleicht auch zum Teil darum das eigene Selbstbild wissentlich oder intuitiv aufzupolieren. Inzwischen war ja klar, was "erinnerungswert" war, und wovon es für die eigene Meistererzählung besser war, (angeblich) nichts gewusst zu haben.

    Das eine oder andere dürfte wiederum aus auch dem Reichsgebiet und tieferen Hinterland an die Front gesickert sein.

    Städte wie Warschau etc. mit den großen Ghettos und dem Massensterben darin hatten natürlich auch eine erhebliche Wehrmachtspräsenz, und dieses Personal war ja wohl auch nicht statisch, erzählte tw. bei Versetzungen oder im Gespräch mit anderen von den Zuständen. Ich gehe da schon von von einem mal mehr, mal weniger klaren Mitwissen bei einer sehr großen Zahl an der Ostfront eingesetzten Personen aus, gerade was die Grubenerschießungen betrifft, etwas weniger (aber auch durchaus vorhanden) von den Vernichtungslagern. Aber das in Prozentzahlen zu gießen...schwierig.

    Was das Hinterfragen von Tatsachen und die Aktualität des Themas angeht, so sind mir persönlich durchaus schwer verständliche Gleichsetzungen des Holocaust oder Verbrechen aus dessen Randbereichen (etwa mörderische Zwangsarbeit von jüdischen Männern und Frauen) mit anderen Dingen/Verharmlosungen etc. gerade aus dem Mund älterer Jahrgänge begegnet. Man sollte das nach so vielen Jahren, so vielen Büchern und soviel vermitteltem Wissen eigentlich nicht meinen, aber manchmal wird man dann doch überrascht. Und nicht auf gute Art und Weise.

    Mit freundlichen Grüßen

    Marc

    Hallo Diana

    Bezüglich der DDR wollte ich wie gesagt einen Vergleich heranziehen, was Fragen des Gedenkens angeht - als unmittelbare Zeitgeschichte bietet sie sich meiner Ansicht nach besonders gut an. Ich persönlich meine das ist - so lange man Vergleiche nicht für Gleichsetzungen verwendet und alles unreflektiert über den Kamm schwert - durchaus eine Möglichkeit, die man verwenden kann (und es wird ja auch vielfach gemacht, auch hier im Forum).

    Ich hatte eigentlich den Eindruck, dass bereits mehrfach persönliche und juristische Wertungen eingebracht worden waren - denn was anderes ist es, wenn die Frage nach dem Gedenken zu den Hingerichteten etc. angesprochen wird? Zumindest fasse ich Äußerungen wie "Aber aus jedem Todesurteil ein Verbrechen zu machen nur weil dieses Regime ein Unrechts Regime war, halte ich doch für sehr überzogen." so auf.

    Darunter waren auch solche (wie die eben genannte), denen ich nicht zustimme. Von daher dachte ich, es wäre statthaft, wenn ich meine eigene Meinung dazu gebe - ohne beleidigend zu werden, versteht sich. Um so mehr, als ich an einem Projekt mitwirken durfte, bei dem es unter anderem auch um genau diese Opfergruppe ging (Opfer der Militärjustiz).

    Nun ist "es hat aber jemand anders zuerst" die wohl schlechteste Rechtfertigung, die es gibt. Andererseits hinterlässt es auch einen ein wenig schalen Nachgeschmack wenn man auf Äußerungen, denen man nicht zustimmt, gar nicht reagiert, nur um bloß keinen Meinungsstreit loszutreten - denn dann steht ja besagte Äußerung unwidersprochen. Und, wie ein zugegebenermaßen nicht sehr gutes Sprichwort sagt, wer schweigt bejaht.

    Aber ich verstehe vollkommen deine Bedenken, also sage ich an dieser Stelle nichts mehr.

    Mit freundlichen Grüßen

    Marc

    Hallo

    Ich verstehe sehr wohl das Unbehagen bei einer wie auch immer gearteten "Verständnis" gegenüber den Urteilen des NS-Regimes (was nicht heißen soll, dass ich irgendjemanden hier Sympathie für dieses Regime unterstelle).

    Meiner Meinung nach war es (und nicht nur aus heutiger Sicht), ja wohl am besten wenn "gar nichts mehr lief". Der möglichst schnelle, möglichst totale Zusammenbruch der Wehrmacht war das einzige, was den von deutscher Seite begonnenen Krieg realistisch beenden konnte (Ideen eines Umsturzes mal außer Acht gelassen, die natürlich nach den Gesetzen des Regimes erst Recht "Verrat" waren und wohl nur begrenzte Aussichten auf Erfolg hatten).

    Selbstverständlich konnte nicht jeder Soldat im vollen Umfang erkennen wie verbrecherisch der Staat war, dem er diente und wie bedenken- und erbarmungslos dieser Staat in erster Linie die Leben der "anderen", aber auch die der eigenen Zivilbevölkerung und Soldaten behandelte (zumal wenn sie irgendwie nicht wunschgemäß "funktionierten"). Aber viel wissen und ahnen, das konnte er schon - schließlich war der angewandte Terror ab 1933 kein Staatsgeheimnis, ebenso wenig die massenhaften Kriegsverbrechen namentlich in den besetzen Gebieten in Polen, der UdSSR und Jugoslawien.

    Von daher habe ich vollstes Verständnis für jeden, der von diesem verbrecherischen Krieg genug hatte (auch wenn es ihm "nur" um das eigene Leben ging), und noch viel höheren Respekt vor denen, die tatsächlich etwas unternahmen um aktiv der Kriegsmaschinerie zu schaden, der sich ihre Kameraden aus irregeleiteten Loyalität weiterhin verpflichtet glaubten. Denn klar ist, dass in diesem Regime zu desertieren (sagen wir sich im Hinterland zu verstecken) oder gar direkt überzulaufen (sei es zu Partisanen oder zur anderen Frontseite) keineswegs eine "bequeme" oder leichte Sache war, sondern zumeist ein hohes Risiko bedeutete - nicht nur für einen selber (Konsequenzen für die Familie/Helfer waren ja nicht auszuschließen).

    Dehnen wir diese Frage doch einmal auf andere Beispiele aus. Wie würde man wohl (zu Recht) auf die Behauptung reagieren, die DDR sei durchaus verständlich verfahren mit dem Schießbefehl an der Grenze oder generell dem repressiven Vorgehen gegen alle, die "aus der Reihe tanzten"? Ich kann mir nicht vorstellen, dass so eine Haltung irgendwie konsens- und mehrheitsfähig ist, und das aus gutem Grund.

    Wie viel weniger gilt das dann wohl für das NS-Regime, dessen Armee (als Institution wie auch in der Gestalt von einer großen Anzahl Einzelpersonen mit ihren Handlungen) ganz erheblichen Anteil an bei weitem schwereren Verbrechen hatte, als die Regierung der DDR sie jemals verübte?

    Und da überzeugt auch nicht im Geringsten, wenn jemand sagen sollte, das sei ja Krieg gewesen, in der DDR aber nicht. Mal ganz abgesehen davon, dass besagter Krieg gezielt vorbereitet und angezettelt wurde (die "Notlage" also von deutscher Seite gezielt herbeigeführt war und nicht etwa der Verteidigung sondern der Durchsetzung ihrer verbrecherischen Neuordnungspläne diente) - die DDR-Führung sah sich zweifellos ebenfalls ein einem totalen wenngleich nicht militärisch geführten Konflikt mit dem ideologisch-politischen (real oder imaginierten) "Gegner" im Inneren und Äußeren.

    Man gedenkt den Opfern des DDR-Grenzregimes und denen von politischer Verfolgung in der DDR.

    Von daher habe ich nicht das geringste Problem, ja halte es für eher überfällig (es hat ja teilweise eine ganze Weile gedauert), wenn man Deserteuren der Wehrmacht zumindest als Opfer gedenkt, Denkmäler für jene errichtet, die aktiv gegen das Regime arbeiteten.

    Und verzeih mir die Kritik, Manfred, aber ich bin mir nicht sicher ob, wenn man die Aussage eines anderen als "sehr einfältig" bezeichnet - auch wenn man ihr wie du offenbar in keiner Weise zustimmen sollte, was natürlich Sache des persönlichen Standpunkts ist - dies höflich ausgedrückt ist. Vielleicht wäre eine andere Wortwahl, nun, höflich gewesen.

    Mit freundlichen Grüßen

    Marc

    Hallo Joseph

    Nun, das mit den Unbelehrbaren ist kaum eine Überraschung, auch in den baltischen Staaten ist man nach meiner persönlichen Erfahrung mitunter sehr unkritisch bei der Erinnerung an die nationalistischen Kräfte. Die Rolle die sie im Umgang mit den jüdischen Einwohnern, aber (etwa in Litauen) auch gegenüber den Polen gespielt haben, wird da teilweise ignoriert (allerdings, wir haben auch Jahrzehnte gebraucht um die eigene Geschichte zumindest in großen Teilen aufzuarbeiten, das ist eben ein evolutionärer Prozess, und Unbelehrbare gibt es wie du sagst überall). Das sieht man auch andernorts, nicht umsonst wird die OUN-B/UPA bes. in der Westukraine von einigen in den Himmel gelobt (und die vermutlich über 100.000 ermordeten polnischen Zivilisten plus tausende andere Opfer ignoriert, während sich gerade die gegenwärtige polnische Regierung mit dem Eingeständnis zum Gegenterror der AK gegen Ukrainer schwertut).

    Könnte der Eintrag in der Karte auch das Datum der Feststellung sein? Die Gruppen änderten ja mitunter ihr Operationsgebiet bzw. waren nicht immer in den Ortschaften, auch zu diesem relativ späten Zeitpunkt - ev. wurden an diesem Tag Partisanen in einer der Ortschaften gemeldet - für mich hat es den Eindruck, als ob im Gebiet der AK die Ortschaften eingekreist sind. Das könnte sich darauf beziehen, dass an diesen Tagen dort Partisanen gemeldet wurden (oder sie Lebensmittel requirierten), und die Wehrmacht meldete das weiter - in anderen Fällen waren solche Meldungen Auslöser für Luftangriffe, aber hier verhinderte ev. der fragile Waffenstillstand (oder mangelndes Material) so etwas. Ein deutsch-polnisches Stillhalteabkommen (ev. informeller Art) ist denkbar, oder die Deutschen konzentrierten sich auf die aus ihrer Sicht wesentlich gefährlicheren sowjetischen Partisanen, die ja die Verkehrswege deutlich intensiver angriffen.

    Mit freundlichen Grüßen

    Marc

    Hallo Joseph

    Mit deinem Hinweis hast du natürlich Recht, das erwähnte Buch behandelt die Geschichte der AK viel umfangreicher - in dem von mir zitierten geht es vor allem generell um das Leben in den besetzten Gebieten (für den Kontext ist es aber sehr aufschlussreich, zumindest fand ich es sehr hilfreich).

    Die Haltung der AK zu den sowjetischen Partisanen ist nach allem was ich gelesen habe eine sehr komplexe - es gab durchaus (auch bis kurz vor Besatzungsende) Ansätze von Kooperation - gegen die Deutschen wie (glaube ich) gegen litauische Nationalisten/Kollaborateure - aber auch wie du erwähnst blutige Gefechte. Ähnlich wie in den Gebieten wo die UPA aktiv warwar dies eine Konfliktlage mit mindestens vier, wenn nicht mehr Akteuren - die AK (und andere Polnische Verbände wie NSZ etc.), Sowjetische Partisanen, die Deutschen als potentiell stärkste Macht, und dann die litauischen respektive ukrainischen Nationalisten (teils mit den Deutschen verbündet, teils unabhängig), die eigene Ziele verfolgen, nicht nur gegen die sowjetischen Partisanen, sondern auch gegen die polnische Bevölkerung. Dazu kommen bewaffnete Einwohner, vermutlich kleine Gruppen die gar keiner Seite fest zugehören, die flüchtigen einheimischen Juden werden mitunter von Partisanen verschiedener Gruppen, besonders aber von den Deutschen angegriffen (Hilfe erhalten sie noch am ehesten von den sowjetischen Partisanen, seltener von den polnischen Kämpfern - doch gab es unter den Partisanen auch Antisemiten, unter den Polen wohl einiges mehr als unter den sowjetischen)...

    Die Zusammenarbeit mit den Deutschen von Seiten der Polen kam , wenn ich mich recht an Chiaris Texte erinnere nur zustande, weil deren Niederlage bereits abzusehen war. Die Deutschen waren auf dem Rückzug, die Rote Armee klar auf dem Vormarsch - aber diese Absprachen mit dem Feind waren eher die Sache lokaler Kommandeure.

    Mit freundlichen Grüßen

    Marc

    Hallo Joseph

    Nach dem, was ich von Partisanen weiß, trugen diese nicht selten ein buntes Mischmasch von Uniformen und zivilen Kleidungsstücken - je nachdem was man erbeuten oder auf andere Weise erhalten konnte. Die AK erhielt ja keine geregelte Versorgung in dem Ausmaß wie teilweise die sowjetischen Partisanen auf dem Luftweg. Da wohl nicht einmal für die sowjetischen Partisanen die Versorgung für eine einheitliche Einkleidung reichte, dürften die Polen alles getragen haben, was sie bekommen konnten - Vorkriegsuniformen polnischer und litauscher Herkunft, von den Deutschen und anderen Verbänden erbeutete Uniformen, Material das durch Schwarzmarktgeschäfte beschafft wurde (sicher gab es Deutsche/mit deutscher Uniform ausgestattete lokale Kollaborateure, die mitunter Kleidungsstücke versetzten) und so weiter.

    Ausführlicher zu der Kooperation polnischer Verbände mit SS und Wehrmacht hat glaube ich

    Chiari, Bernhard: Alltag hinter der Front

    geschrieben (das Buch ist schon ein paar Jahre alt, aber nach meiner Meinung sehr lesenswert).

    Mit freundlichen Grüßen

    Marc

    Hallo

    Hm, also ich denke ja, die Anfrage bei der WASt (aber die hast du sicher schon gestellt?) dürfte am ehesten Klärung zur Einheit bringen. Die Fotos aus Frankreich wären wie bereits von Ingo angemerkt ein Hinweis (eine Versetzung ist aber natürlich auch nicht auszuschließen). Alte Briefe mit Feldpostnummern/Absendeadressen o. Zieladressen hast du sicher nicht...

    Mit freundlichen Grüßen

    Marc

    Hallo

    Nach meiner Erfahrung kann es zum einen nicht schaden, falls du in einem eher öffentlichen Auftrag (etwa als Teil eines lokalhistorischen Projektes etc.) nachfragst. Das soll nicht heißen, dass individuelle Anfragen nicht beantwortet werden, die anderen scheinen nur bessere Chancen zu haben schneller beantwortet zu werden. Viel Höflichkeit und Verständnis falls es mit einer Antwort länger dauern sollte verstehen sich von selbst (und das sollte man nach meiner Erfahrung durchaus auch schon im ersten Anschreiben so sagen).

    Was die Kosten angeht, so werden diese in der Tat leider im Normalfall berechnet. Deshalb ist meistens ein Besuch billiger (selbst mit Fahrt- und ggf. Hotelkosten). Wofür zumindest nach meiner Erfahrung nicht unbedingt Geld berechnet wird (das hängt aber sicher davon ab, an wen man gerät) sind vorbereitende E-Mail Fragen, bei denen man herausfinden will welche Akten in welchem Bestand interessant werden - damit man diese dann über invenio vorbestellen kann. Eine Anmeldung dort und Vorrecherchen sind ohnehin meiner Ansicht nach sehr ratsam. Die Benutzerfreundlichkeit des Systems ist akzeptabel, wenngleich ich eine gewisse Einarbeitungszeit für nötig halte.

    Ich habe im Zweifelsfall auch einfach angerufen und um Hilfe bei der Suche/Auskunft zu Beständen gebeten. Das ist auch wegen Schutzfristen etc. immer ratsam vor einem Besuch, sonst kommt man an und erfährt, dass man die bestellten Akten gar nicht einsehen kann (man kann zwar vor Ort einen entsprechenden Schutzfristenverkürzungsantrag stellen, aber man muss Glück haben, dass der schnell bearbeitet wird und man ggf. schon vorher in die interessanten Akten schauen kann). Das gilt natürlich besonders für personengebundene Akten.

    Alles in allem ist das Bundesarchiv oft leider gerade monetär nicht ganz so entgegenkommend wie sagen wir viele Staatsarchive auf Landesebene, mit denen ich zusammengearbeitet habe (wo die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mitunter erst mal selber nachschauen auf eine höfliche und ausführlich formulierte und gründliche Anfrage, anstatt gelcih dafür Geld zu berechnen).

    Was nicht heißen soll, dass sich die Mitarbeiter des BArch nicht oft große Mühe geben zu helfen, aber die Bestimmungen werden dort nach meiner Erfahrung gerade in den letzten Jahren recht strikt gehandhabt, so dass gerade bei mehreren Anfragen eine Vorbereitung und dann Eigenbesuch sehr wahrscheinlich kostengünstiger sind.

    Mit freundlichen Grüßen

    Marc Bartuschka