Was für mich auch sehr interessant ist, wie die Menschen in dieser Zeit gelebt haben. Was hat sie bewegt?
Tag allerseits,
dazu:
Hunger litt die Zivilbevölkerung während der Kriegszeit bis etwa Ende 1944 nicht; so erlebte ich es auch als kleiner Junge. Natürlich fehlte es an besonderen Lebensmitteln wie z.B. Südfrüchten und Reis. Insbesondere verschwanden bei Kriegsbeginn die sogenannten Importwaren (Kaffee, Kakao und natürlich alle exotischen Früchte) aus den Regalen; Fleisch und Molkereiprodukte waren knapp. Aber man kam durchaus über die Runden, zumal ab 1940 auch vom NS-Regime gezielt Lebensmittel in den besetzten Ländern requiriert wurden. Natürlich waren die Deutschen während des Krieges auch sehr einfallsreich. Jedes Fleckchen Erde wurde als Gartenland hergerichtet. Selbst Balkone und Fenstersimse waren mit Pflanzkübeln versehen, in denen man Tomaten und allerlei Gemüse anpflanzte. Eingeweckt wurde so ziemlich alles: vom Apfelmus, über Tomaten bis hin zu Bohnen. Selbst in noblen Wohngebieten der Städte wurden in den nun leeren Garagen (die PKWs waren ja beschlagnahmt worden) Hühner und Hasen gehalten. Erst ab 1942/43 entstand allmählich eine Verknappung der gängigen Lebensmittel. Das Jahr 1942 war ein kritisches Jahr hinsichtlich der Fettversorgung. Doch zu wirklich ernsthaften Ernährungsproblemen wie im Ersten Weltkrieg kommt es nicht.
Im Laufe der Kriegszeit wurden im Nahrungsmittelbereich vielfach Ersatz- und Zusatzstoffe eingeführt (Malzkaffee, Kunsthonig, Tartex-Brotaufstrich, Zichorie usw.). Typisch für die damalige Zeit waren die sog. "Kriegsrezepte". Man bereitete z. B. aus Kartoffelteig durchaus gut schmeckende Süßspeisen wie Apfelstrudel und ähnliche Gerichte. Über Tageszeitungen und Illustrierte wurden während der Kriegszeit ständig "Kriegsrezepte" in Umlauf gebracht. Dabei ging es nicht nur um das übliche Essen, sondern auch um Brotaufstriche, die man aus Zuckerrüben bereiten konnte und Beschreibungen, wie man aus Knochen, Pottasche und anderen Grundstoffen Kernseife herstellen konnte.
Zwangsläufig kam es während der Kriegsjahre auch zu einer Verknappung der Heizmittel (Holz, Kohle, auch teilweise Gas und Strom) und deshalb führte man wieder die sogenannten Kochkisten ein. Das waren gut isolierte Behälter, in denen gekochte Gerichte in Töpfen warm bzw. im Garzustand gehalten werden konnten. Während der letzten Kriegsjahre gab es dann sonderbare "Ersatzheizstoffe", nämlich gepresste Briketts aus Kohlenstaub, denen Ton beigemischt war. Solche Heizstoffe erzeugten natürlich wenig Wärme, aber man konnte über mehrere Stunden Öfen in Betrieb halten, vor allem wenn man diese Briketts noch mit Zeitungspapier umwickelte. In den letzten Kriegsjahren wurden die Heizmittel (Kohle, Holz) immer knapper und deshalb begann man damals in den Wäldern verwertbares Holz zu suchen. Bei Kriegsende und danach bis zur Währungsreform vermittelten die Wälder einen total "aufgeräumten" Eindruck, weil jedes Stückchen Holz aufgelesen wurde. Sogar Tannenzapfen wurden eingesammelt, getrocknet und dann als Heizmittel verwendet.
Die eigentlichen Hungerjahre begannen in den letzten Kriegsmonaten und endeten anfangs 1948.
Erst im Februar 1945 bricht die deutsche Ernährungswirtschaft zusammen; die letzten Lebensmittelmarken enthalten keine Mengenangaben mehr (siehe "100 Jahre Edeka", Seite 40, Erscheinungsjahr 2007).
Grüße
Bert