Lieber Paul, meiner Erfahrung nach ist das derzeit noch ein aussichtsloses Unterfangen: Schon die Behandlung der Geschichte des 20. Jahrhunderts ist praktisch unmöglich, ohne Ideologeme und Emotionen ins Spiel zu bringen; ein heikles Thema wie Kriegesverbrechen an Deutschen wird eigentlich nur noch von den Spitzentabuthemen Kriegsschuld und Holocaust übertroffen. Dabei ist die Sachlage klar:
1. Kriegsverbrechen jeder Art und von welcher Seite auch immer sind zu verurteilen!
2. Jede am Krieg beteiligte Nation beging Kriegsverbrechen, das liegt in der Natur des Krieges!
3. Es gibt keinen moralischen Anspruch auf Selbstjustiz und Revanche für erlittenes Unrecht!
4. Jedes Kriegsverbrechen hat seinen Kontext, den man nicht außer Acht lassen darf; selbst Malmedy oder Lidice stehen in einem solchen, die Taten der Russen oder Tschechen auch.
5. Die jahrzehntelange Vertuschung der Vergehen an Deutschen war unrecht!
6. Die tschechische Problematik weist weit zurück in die Geschichte, streift das prinzipielle Verhältnis zwischen Deutschen und Böhmen seit Jahrhunderten und kulminiert in den absurden Bestimmungen des Versailler Vertrages.
7. Die Tschechen waren schon vor dem Krieg keine "unschuldigen Opfer", sondern aktive Komponenten von Politik!
8. Die deutschen Minderheiten wurden tatsächlich vor dem Krieg drangsaliert, angefeindet und missachtet und bekamen nicht den Status, der ihnen rein zahlenmäßig zustand.
9. Die Tschechen wurden während des Krieges Opfer der Deutschen!
10. Die Deutschen wurden nach dem Krieg Opfer der Tschechen!
11. Wer Leute aus ihren Häusern treibt, sie binnen weniger Tage nur mit dem Notwenigsten versehen aus ihrer Heimat verjagt; sie schlägt, vergewaltigt und tötet; begeht Verbrechen wider die Menschlichkeit; er sei Tscheche oder Deutscher!
12. Die Klärung formaljuristischer Fragen wie denen nach Eigentum und Entschädigung steht bis heute aus!