Posts by TristramShandy

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    Original von Joseph O.
    Nachdem Du heute eine Erläuterung Deiner These, dass eine "seriöse Diskussion" Deiner Ansätze noch nicht möglich sei, nicht geben wolltest, mache ich mir gewisse Gedanken und - vor allem wegen des oben geäußerten Menschenbilds - auch Sorgen ...


    Lieber Joseph, du musst dir keine Sorgen machen; mein Menschenbild geht nur mich etwas an! Mein Bild von der Geschichte auch! Daher werde ich mich in diesem Forum nur zu militärhistorischen Aspekten äußern.

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    Original von ernesto
    Hallo Tristram,

    solche Allgemeinplätze sind schon ein wenig wohlfeil. Auf welche kausale oder gar schuldhafte Rolle insbesondere Polens und der Tschechoslowakei spielst du denn an?

    mfg
    ernesto


    Lieber ernesto, ich könnte dazu allerdings sehr viel ausführen, wie ich aber bereits erwähnte, werde ich das nicht tun. Und zwar aus der Erfahrung heraus, dass eine seriöse Diskussion hierzu noch nicht möglich ist. Und ich habe wie viele andere Berufshistoriker auch einfach keine Lust mehr, kritische Geschichtswissenschaft als Revisionismus, Apologie, Relativierung, Leugnung der Singularität und was dergleichen Possen mehr sind diskreditieren zu lassen.

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    Original von Joseph O.

    Das Va-Banque-Spiel des sog. "Führers" konnte nicht ewig so weiter gehen. Jetzt in der Retrospektive müsste man den Alliierten eigentlich vorwerfen, dass se nicht schon früher dieses Spielchen beendet hatten (z. B. schon 1936 nach der Rheinland-Besetzung) - mit wohl weit geringeren Opfern als 1939 - 1945.

    Lieber Joseph, ich halte diese Ansicht für veraltet und falsch! Die Politik in den 30er Jahren ist schon ein wenig komplexer und vor allem wurzelt sie tiefer, wenigstens bis 1919 oder 1871. Vor allem ist der Blickwinkel ein falscher - was man Briten und Franzosen jahrhundertlang als Hegemonialpolitik durchgehen ließ, nennt man bei Hitler va banque. So einfach ist das aber nicht, schon gar nicht, wenn man mit Versailles den Urgrund allen Übels hat! Es gibt kein monokausales Erklärungsmuster für den 2. Weltkrieg, der auf die eine oder andere Art ohnehin hätte kommen müssen, als Resultat einer bestimmten historischen Entwicklung und einer unglücklichen Mächtekonstellation. Aber ich werde das hier nicht weiterdiskutieren, das gibt immer böses Blut!

    Das ist natürlich total überzeichnet; aber Fakt bleibt, dass es wie vor dem 1. Weltkrieg auch vor dem 2. keine Unschuldslämmer in Europa und Übersee gab! Die Gewichtung der Anteile hin oder her; weder die Westmächte noch die so genannten kleineren Staaten wie Polen oder die Tschechoslowakei sind ohne Aktie am Ausbruch der europäischen und globalen Auseinandersetzung. Den Opferstatus können die östlichen Nachbarn des Reiches jedenfalls kaum für sich beanspruchen, sie waren genauso Objekt wie Subjekt der Politik. Ein Blick auf die Politik- und Diplomatiegeschichte der 20er und 30er Jahre macht dies deutlich. Aber das fürt hier zu weit!

    Biologie natürlich rassenideologisch ausgerichtet; Chemie und Physik eher unter technischem und militärischem Aspekt, um seine Feinde vernichten zu können. Die NS-Ideologie selbst muss man im Detail analysieren; manches ist Wahnsinn, anderes nichts Besonderes bzw. nur Übernahme. Sie ist ohnehin so heterogen, dass man von einer einheitlichen Anschauung gar nicht sprechen kann; die berühmten in der Schule gelehrten Grundpfeiler Rassentheorie, Führerprinzip, Volksgemeinschaft und Nationalismus sind wirklich nichts mehr als Pfeiler. Man hat hier von ganz normalen Auffassungen bis hin zu den grotesk-verschrobenen Ideen Himmlers so ziemlich alles an Bandbreite, was sich denken lässt. Aber das ist wirklich ein eigenes Thema und dazu muss man zunächst einmal die oben erwähnten "Klassiker" gelesen haben.

    Natürlich wurden bei der SS zum einen die "Klassiker" der NS-Weltanschauung für die jeweiligen Schulungen ausgeschlachtet:

    Julius Langbehn: Rembrandt als Erzieher, 1890
    Arthur de Gobineau: Versuch über die Ungleichheit der Menschenracen, 1898ff.
    Houston Stewart Chamberlain: Die Grundlagen des neunzehnten Jahrhunderts, 1899
    Adolf Hitler: Mein Kampf, 1925f.
    Alfred Rosenberg: Der Mythus des 20. Jahrhunderts et altera
    Karl Ludwig Schemann: Varia
    Otto Ammon: Varia
    Julius Streicher (hrsg.): Der Stürmer
    Das Schwarze Korps. Zeitung der Schutzstaffeln der NSDAP – Organ der Reichsführung SS, 1935ff.

    Zum anderen gab es SS-Offiziere mit besonderen Schulungsaufgaben, auch in den Divisionen der Waffen-SS; vergleichbar vielleicht den späteren NSFO der Wehrmacht, allerdings nicht so sehr den Politruks der Roten Armee. Der Schulungsoffizier der T.-Division Dr. Wilhelm Fuhrländer etwa kompilierte in seinem zweibändigen Handuch "Schwert und Pflug" vor allem Rosenberg. Themengebiete: (nach Syndor, T.-Division, S.122ff.)
    "Nationalität und Heimat" (eine art Landeskunde Deutschlands)
    "Geschichte und Geografie des deutschsprachigen Mitteleuropa"
    - Heinrich I. und das Erste Reich
    - Heinrich der Löwe und die Deutschordensritter
    - Die Wikinger und die Hanse
    - Der Bauernkrieg
    - Die Hohenzollern 1640-1780
    - Preußen - die Grundlage des Reichs
    - Die Befreiuungskriege und der Freiherr vom Stein
    - Bismarck und das Zweite Reich
    - Adolf Hitler und das Dritte Reich
    - Der Reichsbegriff seit dem 10. Jahrhundert
    - Die Geschichte und Mission der SS

    Man lehrte aber auch "Biologie", "Chemie" oder"Physik"!


    Eine interessante Frage wäre auch noch, inwieweit sich die ideologischen Schulungen wirklich auswirkten: Die Memoirenliteratur, die oft als tendenziös bezeichnet wird, spricht meist davon, dass die SS-Männer sich in der Masse dafür nicht interessierten; ein Befund, den ich aus meinen Schulungen zu DDR-Zeiten nur bestätigen kann. Es geht also letztlich darum, ob das Konzept des Politischen Soldaten, das sich ja tatsächlich in der Kriegführung offenbarte; wirklich mit allen Verästelungen weltanschaulicher Indoktrination zusammenhing? Syndor, der diese Frage aufwirft, kann das für die T.-Division nur vermuten, nicht aber belegen!

    Habe leider keinen Thread gefunden; könnte mir aber vorstellen; da gibt es sicher schon einen; ein Hinweis genügt. Mir ist wieder einmal, da ich den Weg der Totenkopf-Division innerhalb der Heeresgruppe Nord nachvollziehe, aufgefallen, wie schwer das ohne das entsprechende Kartenmaterial fällt und wie schwer detailliertes zu finden ist; sowohl allgemeine historische Karten vom Russland der Zeit als auch besonders natürlich solche mit den Bewegungen der deutschen und russischen Verbände, wie sie wohl von den Stäben seinerzeit verwendet wurden.

    Ich selbst besitze zum Beispiel:
    Atlas des Zweiten Weltkriegs Vom Polenfeldzug bis zur Schlacht um Berlin
    http://www.amazon.de/gp/product/385…2?ie=UTF8&psc=1

    Bildatlas Zweiter Weltkrieg. Mit mehr als 450 Bildern und Karten
    http://www.amazon.de/gp/product/362…1?ie=UTF8&psc=1

    Collins Atlas of World War II
    http://www.amazon.de/gp/product/006…0?ie=UTF8&psc=1

    Aber die sind natürlich viel zu allgemein und großmaschig, dazu fehlerhaft. Mir geht es schon um Karten, die nicht nur die Heeresgruppen mit ihren Armeen und Korps anzeigen, sondern bis wenigstens zur Divisionsebene gehen und in besonderen Fällen auch noch kleine Einheiten hervorheben.

    Die Rezension ist nicht korrekt; falls sie dazu dienen soll, das Buch zu diskreditieren, wäre das fatal. Ich bin angesichts des Autors und des unsäglich blöden deutschen Titels auch skeptisch herangegangen, habe aber die typischen ideologischen Sachen überlesen und dafür erheblichen Gewinn gehabt: Eine fakten- und quellengesättigte Darstellung, wie man sie bei einer Divisionsgeschichte selten hat. Ein wirklich gutes Buch, wenn man richtig zu lesen weiß. Sollte aber eher in einen Thread zur T-Division ... hier gehts ja um die HJ ...

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    Original von MHR
    Hallo TristamShandy:

    wo beklagt und anerkennt Manstein das - wir arbeiten hier im Regelfall mit nachvollziebaren und belastbaren Zitaten, wenn wir Behauptungen aufstellen?!

    Charles W. Sydnor: Soldaten des Todes. Die 3. SS-Division „Totenkopf“ 1933–1945. 4. Auflage. Schöningh, Paderborn 2001; S. 142 plus Fußnote 26 (S.142f.)- stammt alles aus den Originalakten im Bundesarchiv Koblenz, Akten der Totenkopfdivision und des LVI. Panzerkorps Mansteins ...

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    Original von Joseph O.
    Man sollte jedoch vielleicht noch die Unterscheidung zwischen

    1. Staatlich befohlener und fabrikmäßig organisierter Gewalt (Erklärung von anderen Völkern zu Untermenschen mit dem Ziel der physischen Auslöschung)

    und

    2. spontanen Gewalttaten (Racheakte - ggf. auch politisch geschürt) einzelner Personen bzw. Gruppen

    Lieber Joseph, ich sträube mich ein wenig gegen solche Unterscheidungen; weil sie letztlich nichts bringen und auf eine längst obsolete Singularitätsdebatte abzielen, mit der ich als Historiker nichts anfangen kann und auch nicht als ethisch und moralisch angesprochener Mensch. Aus der Sicht der Opfer nämlich ist eine solche Differenzierung völlig unerheblich; ja man könnte sogar sagen, ein langfristig Verfolgter hätte schon eher die Chance einzusehen, dass er möglichst weit weg fliehen sollte, um sich zu retten; als einer, der spontan zum Opfer wird. Mir leuchtet zum einen nicht ein, wo der Unterschied sein soll, ob ein SS-Mann einen Juden ins Gas schickt oder ein NKWD-Scherge eigene und fremde Leute im Gulag verhungern, erfrieren oder sich zu Tode schuften lässt - beides ist planmäßige Vernichtung und die Opfer sind am Ende tot. Zum anderen bezweifle ich die Spontaneität von Gewalttaten an sich; natürlich werden sie zuweilen unvermittelt ausgelöst; aber ohne das entsprechende geistige Klima geschieht so etwas nicht oder würde wenigstens eingedämmt.

    Lieber Paul, meiner Erfahrung nach ist das derzeit noch ein aussichtsloses Unterfangen: Schon die Behandlung der Geschichte des 20. Jahrhunderts ist praktisch unmöglich, ohne Ideologeme und Emotionen ins Spiel zu bringen; ein heikles Thema wie Kriegesverbrechen an Deutschen wird eigentlich nur noch von den Spitzentabuthemen Kriegsschuld und Holocaust übertroffen. Dabei ist die Sachlage klar:

    1. Kriegsverbrechen jeder Art und von welcher Seite auch immer sind zu verurteilen!

    2. Jede am Krieg beteiligte Nation beging Kriegsverbrechen, das liegt in der Natur des Krieges!

    3. Es gibt keinen moralischen Anspruch auf Selbstjustiz und Revanche für erlittenes Unrecht!

    4. Jedes Kriegsverbrechen hat seinen Kontext, den man nicht außer Acht lassen darf; selbst Malmedy oder Lidice stehen in einem solchen, die Taten der Russen oder Tschechen auch.

    5. Die jahrzehntelange Vertuschung der Vergehen an Deutschen war unrecht!

    6. Die tschechische Problematik weist weit zurück in die Geschichte, streift das prinzipielle Verhältnis zwischen Deutschen und Böhmen seit Jahrhunderten und kulminiert in den absurden Bestimmungen des Versailler Vertrages.

    7. Die Tschechen waren schon vor dem Krieg keine "unschuldigen Opfer", sondern aktive Komponenten von Politik!

    8. Die deutschen Minderheiten wurden tatsächlich vor dem Krieg drangsaliert, angefeindet und missachtet und bekamen nicht den Status, der ihnen rein zahlenmäßig zustand.

    9. Die Tschechen wurden während des Krieges Opfer der Deutschen!

    10. Die Deutschen wurden nach dem Krieg Opfer der Tschechen!

    11. Wer Leute aus ihren Häusern treibt, sie binnen weniger Tage nur mit dem Notwenigsten versehen aus ihrer Heimat verjagt; sie schlägt, vergewaltigt und tötet; begeht Verbrechen wider die Menschlichkeit; er sei Tscheche oder Deutscher!

    12. Die Klärung formaljuristischer Fragen wie denen nach Eigentum und Entschädigung steht bis heute aus!

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    Original von MHR
    Im Übrigen wurden die Waffen-SS Einheiten sowohl bei der Personalgestellung als auch bei der Ausrüstung systematisch bevorzugt - ebenso wie die Fallschirmjägertruppen unter der "Schirmherrschaft" von Hermann Göring. Dies erklärt natürlich auch den teilweise "höheren Kampfwert".


    Vielleicht später im Krieg, zu Beginn sicherlich nicht, da sich beispielsweise das Heeresamt lange Zeit weigerte, die Verbände der Waffen-SS zu beliefern; was sich erst besserte, als diese Einheiten im Kampfeinsatz der Wehrmacht unterstellt wurden. Ein Theodor Eicke etwa musste für seine T.Division geradezu zum Dieb werden, um sie angemessen auszurüsten.


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    Original von MHR
    Und dass bspw. Paul Hausser über große militärische Fähigkeiten verfügt hat, dürfte auch unbestritten sein. Stahlberg berichtet aber zum - negativen - Beispiel über den Kommandeur der Leibstandarte Sepp Dietrich, dass dieser taktische Zeichen auf der Lagekarte nicht haben lesen können. Und von Manstein habe große Mühe gehabt, Sepp Dietrich von einem Frontalangriff auf Charkow abzuhalten, der sicherlich wiederum große Verluste mit sich gebracht hätte.

    Auch hier muss man von Fall zu Fall unterscheiden: Neben Hausser hat sich auch Eicke zu einem guten Truppenführer entwickelt, überdies hatten beide genügend gute Leute in ihren Reihen, etwa den jeweiligen Ia. Die hohen Verluste hatten verschiedene Ursachen.

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    Original von MHR
    Und für die Invasionsfront Normandie gilt allgemein, dass die US-amerikanischen Generale schon früh zu der Beurteilung gekommen sind, dass ihre Streitkräfte ohne die Luftüberlegenheit und ohne die Unterstützung durch die Schiffsartillerie die deutsche Seite nicht hätte werfen können - und dies gilt einheitlich für Wehrmacht und Waffen-SS.

    Gut, aus ihrer Sicht verständlich, die eigenen Leute zu schonen, wenn man die Luftüberlegenheit hat. Die Wehrmacht hatte diese zu Beginn des Krieges auch und das trug nicht unwesentlich dazu bei, die schnellen Erfolge zu ermöglichen. Überdies darf man nicht vergessen, dass für die Amerikaner jeder richtige Gegner schon ein Problem war. Was hätten sie erst gesagt, wenn noch die halbe Heeresgruppe Mitte aus dem Osten an die Westfront hätte verlegt werden können, wenn dort Bagration gescheitert wäre? Es war vor allem ein psychologischer Aspekt: Die gestandenen Männer der Aliierten sahen in bartlose Jüngelchengesichter (The boys) und konnten gar nicht glauben, dass diese in der Lage waren, der Übermacht so lange standzuhalten.