Guten Morgen,
Fundmunition ist und war immer ein großes Thema - ganz besonders bei der Jugend. Schaut man sich die Zeitungsartikel der frühen Nachkriegszeit an, so wurde regelmäßig das eine oder andere Kind durch die überall herumliegenden Kampfmittel verletzt, getötet. Auch alte Leute waren nicht davor sicher.
In Morsbach sprengte sich 1947 ein 77-jähriger in die Luft, als er versuchte mit einer 3,7cm Granate einen Nagel in die Wand zu hämmern.
In der Nähe von Friesenhagen haben ein 16- und 17-Jähriger mit der Panzerfaust hantiert. Der 17-Jährige, aus Köln, "als Volkssturmangehöriger ausgebildet an der Panzerfaust" wollte dem Jüngeren den Umgang mit der Waffe demonstrieren, zur "Sicherheit" hat man den Gefechtskörper beseitigt. Natürlich kam es zur Zündung. Einer der beiden hatte das Rohr mit Mündung schräg Richtung Boden gehalten, abgefeuert, dem 17-Jährigen das Bein mit den immer noch im Rohr befindlichen Stabilisatoren zerfetzt, die Gasschwade der Rakete abbekommen. Ein Toter, ein Schwerstverletzter.
In Betzdorf gab es eine "nette Mutprobe". Ich zünde die Handgranate, werfe sie dir zu, du wirfst sie mir zu, ich werfe sie in die Sieg. Hat funktioniert, bis einem das Augenlicht und die rechte Hand fehlte.
Jemand aus Bad Marienberg erzählte mir in den 1990er Jahren, wie sie mittels zerlegten 20mm-Zündern und Besenstielen "Kabum-Raketen" bauten.
Die Generation ging mit Vorliebe dem Spielchen "Muni-Suche" nach. Das "Spiel" konnte man natürlich überall spielen, nicht nur in den ehemaligen Fronten. Die Wehrmacht hatte auf ihrem Rückzug, die Alliierten auf ihrem Vormarsch genügend zurückgelassen. Spreng- und Lagerplätze waren beliebte Anlaufpunkte. Der zuvor genannte Marienberger, damals 15 Jahre, hatte sich mit Wissen der Großmutter, ein Depot von mehreren Hundert Kilo Waffen und Munition zusammengesammelt, welches erst Ende 1947 Jahren durch Besatzungstruppe "aufgelöst" wurde. Die Oma hat immer nur gesagt: "Pass aber auf, das nix passiert!"
Bei Flammersfeld wurde ein Arbeiter des Sprengkommandos tödlich verletzt, während der eine Panzerfaust zum Sammelplatz verbringen wolle.
Das waren Beispiele aus dem Kreis Altenkirchen, bei Siegen wollten Jugendliche mit Hammer und Meißel die Kupferringe der Führungsbänder abgeschlagen. Ist natürlich nicht gut gegangen.
Bei Neuwied war es ein Feuerwerker, der sich beim Räumen von Munition die Hand wegsprengte. Ausgereicht hatte hier nur der Zünder eine Flak-Granate.
Als besonderes "Schmankerl": Am Hanfbach haben zwei Jugendliche eine Mine vergraben und wollten die Wirkung beobachten, wenn der für die beiden unbeliebte Milchmann mit seinem Fahrzeug drüber fährt. Da die Jungs in der Schule damit angegeben haben, konnte die Mine rechtzeitig gesichert und entsorgt werden. Grund für die Aktion: Der Milchmann hatte einen der beiden beim Milchdiebstahl erwischt und den Eltern den Diebstahl angezeigt.
Mein Namensvetter Hans Schäfer, einst Feuerwerker im Sprengkommando Forneberg, wusste leider viel zu viel zu berichten. Regelmäßig wurde in den Schulen nach dem Vorhandensein von Kampfmitteln gefragt und über die Gefahren unterrichtet, Flugblätter verteilt. Dennoch musste das Sprengkommando nahezu monatlich Gutachten erstellen. Zu den Unglücken und den tödlichen Abenteuern.
Das allerdings das Thema ja "Bergen und Entsorgen" lautet, muss ich hier besser Schluss machen. Wobei: Die damaligen Sprengplätze sind auch noch Heute und für viele weitere Jahre noch Arbeitsplatz der Kampfmittelräumdienste.
Gruß
Ralf Anton Schäfer