Hallo OB,
Deine vorherigen Anmerkungen zur Eugenik / Rassentheorie sollten bitte soweit relativiert werden, dass sie immer eine, zudem noch uneinheitliche, Lehrmeinung unter anderen war, allerdings weit verbreitet. Das besondere Problem der Eugenik liegt darin, dass unterstellt wurde / wird, jeweils aktuelle soziale, ökonomische und psychosoziale gesellschaftliche Fehlentwicklungen einzig auf ererbte individuelle Defekte zurückzuführen sind. Und diese Defekte progressiv zunehmen, bis hin zur apokalyptischen Vorstellung einer völligen Degeneration und Zerstörung des Volkes. Es somit und unbedingt geboten ist, einzugreifen und die Vererbungskette zu unterbrechen. Wobei die angewandten Methoden von Sterilisation bis Vergasung (Aktion T-4) reichten.
Ausgeprägte Armut ab der zweiten Hälfte des 19. Jh. sowie eine unterentwickelte medizinische und soziale Versorgung fand ihren Niederschlag in vielen chronischen Krankheiten, körperlichen und geistigen Missbildungen unübersehbaren Ausmaßes, für jeden täglich wahrnehmbar und scheinbar mit zunehmender Tendenz. Inwieweit biologische oder soziale Determinanten für die unterstellte gesellschaftliche Fehl- bzw. bestehende Unterentwicklung verantwortlich waren, war unentschieden und auch die Frage mit welchen Mitteln dagegen vorgegangenen werden sollte ebenso. Tendenziell waren linke Kreise (SPD, Arbeiterbewegung) eher der sozialen Komponente als Mittel zugeneigt, zogen aber auch die Eugenik in ihre Modelle mit ein. Auf der bürgerlichen und völkischen Seite neigte man eher dem gegenteiligen Modell zu. Diese Konstellation lässt sich im Grunde in allen sich damals modernisierenden und industrialisierenden Länder mit überwiegend "weißer" Bevölkerung nachweisen und hielt tlw. bis weit nach dem 2. Weltkrieg an. Festzuhalten ist jedoch, dass die entwickelten Programme (hauptsächlich Sterilisation) zur Abhilfe, niemals im Mittelpunkt der Gesellschaftspolitik der einzelnen Länder standen. Sie dienten nur begrenzt, wenn überhaupt, als ideologische Basis für den Machtanspruch und Herrschaft.
Einzig das NS-Regime in Deutschland (und Europa) erhob die Eugenik, den Rassismus und Sozial-Darwinismus zur Basis und Handlungsmaxime ihres Regimes, mit den allen bekannten schrecklichen Folgen.
Die Themen Vererbung von Ethnizität und Vererbung von Intelligenz sind zwar in den öffentlich-medialen Diskursen der westlichen Welt politisch völlig unkorrekt, jedoch an den Spitzenuniversitäten dieser Welt mit großem Aufwand und viel Forschung bedachte Themen, welche ganz ernsthaft diskutiert werden. Dies auch Dank der molekulargenetischen Methoden der heutigen Zeit auf einem ganz anderen Niveau. Siehe hier z.B. die Arbeitsgruppe von David Reich an der Harvard Universität.
Diese Forschung findet vor einem gänzlichen anderen Hintergrund statt oder wie Du schreibst "auf einem ganz anderen Niveau". Die Gefahr jedoch, dass auch hier politischer Missbrauch stattfindet ist latent vorhanden, ein kritische Öffentlichkeit ist auch hier angesagt.
Beste Grüße
Paul