Hallo Bert,
dass den Politikern der Weimarer Republik das Volk egal gewesen wäre, halte ich mal für eine steile These. Kommt da der Wutbürger in Dir hoch? Ich würde mal dagegen halten, dass die Weimarer Republik eine ganze Reihe von vorbildlichen Kanzlern, Außenministern und sonstigen Politikern hervor gebracht hat - vielleicht sogar mehr als man erwarten durfte. Dass Leute wie der greise Hindenburg, Papen und Schleicher in der Spätphase kläglich versagt haben, ist allerdings wohl in der Tat kaum zu bestreiten.
Bei der Frage danach, wer im Gesamtkontext versagt und die Herrschaft der Nationalsozialisten ermöglicht hat, fallen mir eine ganze Reihe von Antworten ein:
Die Reichswehrführung mit Hindenburg und Ludendorff, die die eigene Verantwortung an der Niederlage schlau, aber letztlich in niederträchtiger Art an die (Sozial-)Demokraten weitergegeben haben!
Die alliierten Mächte, die dem Deutschen Reich die schweren Bedingungen des Versailler Vertrages aufgezwungen haben, anstatt eine langfristige Verständigung einzuleiten!
Die Sozialdemokraten, die die Chance der eigentlich gutmütigen Revolution 1918/19 nicht für einen Neuanfang genutzt und sich stattdessen mit der Gegenrevolution verbündet haben!
Die Konservativen, weil sie bis auf wenige Ausnahmen wie Ewald von Kleist-Schmenzin der Meinung waren, der Nationalsozialismus wäre das parate Gegenmittel gegen die Kommunisten und ein Weg Deutschland aus der Krise zu führen!
Die militärische Führung um Hammerstein und Beck, die trotz bestehender Möglichkeiten nicht gehandelt hat und es zuließ, dass Gestalten wie von Reichenau führende Positionen in der Reichswehr einnehmen konnten.
Die Kommunisten, weil sie ebenfalls gegen die Weimarer Republik agitiert haben, statt sie zu stützen - was zum Beispiel in Spanien im Bürgerkrieg und davor anders war.
Die katholische und meine evangelische Kirche, die nur in kleinen Teilen Beharrungskräfte gegen den totalitären Machtanspruch des Staates aufgeboten haben, während große Teile ernsthaft versucht haben, aus Jesus Christus einen Arier zu machen.
Und nicht zuletzt selbstverständlich die nicht ganz unbedeutende Gruppe der Völkischen, Antisemiten, Esoteriker, usw., die so ihre Schwierigkeiten mit der Moderne, der Aufklärung und der Freiheit (die ja auch immer mit Eigenverantwortung einhergeht) hatten und haben und für ihr eigenes Versagen bis heute gerne andere verantwortlich machen (psychologisch nennt man das "Selbsterhöhung durch Fremderniedrigung").
Nicht übersehen sollte man auch den Normalbürger, der auch nach der eigentlich im Abklingen befindlichen Krise zu Anfang der 1930er Jahre nicht erkannt hat, welchen Wert Rechtsstaat und Demokratie haben, und der sich einreden ließ und sich selbst eingeredet hat, dass eine demokratische Ordnung "undeutsch" - weil angelsächsisch - sei.
Diese Liste ließe sich - leider - wohl noch lange fortsetzen. Ich sehe da letztlich ein Versagen auf ganzer Linie und durch nahezu alle gesellschaftlichen Gruppen, für das es aber natürlich auch Erklärungen bzw. zumindest Erklärungsversuche gibt.
Horrido,
Marcus