Wilhelm Staehle (1877-1945)
1898 Sekondelieutnant, 1900-1902 als Freiwilliger im "Ostasiatischen Expeditionskorps" (Boxeraufstand in China); 1913 Hauptmann im Infanterie-Regiment von Horn (3. Rheinisches) Nr. 29. Im Ersten Weltkrieg zuletzt wegen seiner guten niederländischen Sprachkenntnisse (Mutter war Holländerin) Nachrichtenoffizier in Belgien. Nach Kriegsende in der Reichswehr, während des "Ruhrkampfes" im Reichswehrministerium, seit 1924 Leiter der Wehrstelle im Wehrkreis VI (Münster/Westf.). 1927 Oberstleutnant, 1929 ausgeschieden; 1931 Fürsorgereferent im Wehrkreis III (Berlin). 1934 zum Oberst befördert und wieder als aktiver Offizier eingestellt. 1935 zur Versorgungsabteilung des Wehrmachtsamtes kommandiert. Am 30. September 1937 mit der Beaufsichtigung der Verwaltung des Invalidenhauses betraut (das seit 1937 wieder dem Reichskriegsministerium unterstellt war). Nach der Verlegung in die neu angelegte Invalidensiedlung in Berlin-Frohnau ab 8. November 1939 Kommandant des Invalidenhauses. Staehle und seine Frau gehörten zum Helferkreis der Kirchlichen Hilfsstellen für evangelische Nichtarier und benutzten bis zuletzt die Möglichkeiten der Invalidensiedlung, um jüdischen und anderen Verfolgten mit Unterschlupf, Verpflegung und Papieren zu helfen. Seit etwa 1937 stand Staehle in Verbindung mit Carl Goerdeler, später kamen Kontakte zum Solf-Kreis, zu Oberst Oster von der Abwehr, zum ehemaligen Chef des Generalstabs des Heeres, Ludwig Beck, u.a.m. hinzu. Seit 1940 knüpfte Staehle Kontakte zu holländischen Widerstandskreisen; insbesondere führte er im Auftrag der Verschwörer des 20. Juli 1944 Verhandlungen, die für den Fall eines Waffenstillstandsangebotes einer neuen deutschen Regierung und für die geplante Rücknahme aller deutschen Streitkräfte bis zur Reichsgrenze ein Stillhalten des niederländischen Widerstandes sicherstellen sollten. Als die Gestapo 1944 sämtliche Kontakte des Solf-Kreises überprüfte, kam es nach längerer Bespitzelung am 11. Juni 1944 zur Verhaftung Staehles. Er wurde in verschiedenen Gefängnissen inhaftiert und schließlich in das Hausgefängnis der Gestapo in der Lehrter Straße überführt und in Verhören schwer misshandelt. Die für den 3. Februar 1945 angesetzte Verhandlung vor dem "Volksgerichtshof" wurde vertagt, weil an diesem Tag der berüchtigte Gerichtspräsident Roland Freisler bei einem Bombenangriff getötet wurde. Am 16. März 1945 wurde Staehle zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt, die Anklage wegen Hoch- und Landesverrats wurde fallengelassen, weil das Gericht anerkannte, dass das vorliegende "Geständnis" erpresst war. In der Nacht vom 22. zu. 23. April, als Teile der Roten Armee bereits in Berlin eindrangen, wurde Staehle mit einigen anderen Gestapo-Häftlingen unter der Vorspiegelung, sie würden freigelassen werden, einem SS-Kommando übergeben und am Lehrter Bahnhof hinterrücks ermordet. Frau Staehle konnte nach ihrer Befreiung aud der Haft die Leiche ihres Mannes ausfindig machen und ließ sie auf dem Invalidenfriedhof beisetzen. Der Staehleweg in Reinickendorf ist nach ihm benannt. Hier erinnert auch eine Gedenktafel an sein Leben und Wirken.
[] Feld A
Aus: Laurenz Demps, Christian Scheer, Hans-Jürgen Mende (Hrsg.),
Invalidenfriedhof - Ein Friedhofsführer, Edition Luisenstadt, Berlin 2003.
Quelle hinzugefügt. Kordula