Ernährungslage des Deutschen Reiches

  • Hallo,

    in vielen militärgeschichtlichen Abhandlungen findet man eine äußerst schlechte Beurteilung der Ernährungslage des Deutschen Reiches in den 30er und, damals Prognosen, 40er Jahren. Dies gipfelt in der Behauptung, dass die Ernährung des deutschen Volkes in naher Zukunft zusammengebrochen und Hungersnöte ausgebrochen wären. Begründet wird dies mit der anwachsenden Bevölkerung, dem Zwang der zusätzlichen Versorgung der besetzten Gebiete und der englischen Blockade.

    Führende Nationalsozialisten und Wirtschaftsexperten prognostizierten, dass eine Katastrophe nur durch Mehrlieferung an Nahrungsmittel Seitens Russlands oder durch Angriff und daraus folgende landwirtschaftliche Ausbeutung selbiges ein Kollabieren der Ernährungslage verhindert werden könne.

    Inwiefern sind diese Bedenken und Prognosen begründet? Wie sah die Ernährungslage des Deutschen Reiches und seiner besetzten Gebiete Ende der 30er/Anfang 40er aus?

    An Literatur steht mir in diesem Zusammenhang nur der Teil aus "Der Angriff auf die Sowjetunion" von Boog, Förster, Hoffmann, Klink, Müller und Ueberschär zur Verfügung, die allerdings m.M. nach das WARUM nicht ausreichend klären.

    Gruß
    Tobias

    "Die Furcht trennt die, die folgen, von denen, welche selber führen."
    Kristian Eivind Espedal

    Edited 5 times, last by Tobias Giebel (July 7, 2008 at 10:11 PM).

  • Leider nicht greifbar aber helfen weiter!
    Eichholtz, Dietrich: Geschichte der deutschen Kriegswirtschaft 1939-1945, Bde I-III, Berlin (Ost) 1969 ff.
    Schmitz, Hubert: Die Bewirtschaftung der Nahrungsmittel und Verbrauchsgüter 1939-1950. Dargestellt am Beispiel der Stadt Essen, Essen 1956.

    Glück Auf!
    "Basil"

    "Ich bin ein Egoist und kümmere mich nicht um andere?. Sogar behinderte Delphine kommen zu mir, um mit mir zu schwimmen" (Stromberg)

  • Hallo Tobias,

    googel mal unter "fettlücke 1936" oder fettkrise.
    Die Rohstoffe wurden in großem Umfang eingeführt. Ab 1936 herrschte chronischer Devisenmangel, also ein "Autarkieproblem".

    Das war ein Dauerbrenner und Thema von "Vierjahresplan" bis zur Grünen Mappe.

    Die Problematik wird klar, wenn man sich die Importe des Deutschen Reiches 1920-1939 anschaut. Ab 1934 gab es dann die Konkurrenz zu den rüstungsrelevanten Importen.

    Hier wirkt das Sprichwort "Kanonen statt Butter" buchstäblich.

    Edited once, last by cpa95 (July 7, 2008 at 10:28 PM).

  • Hallo...
    die Versorgungslage in Deutschland führte zur Vorgabe, das die Wehrmacht sich im Russland-Feldzug aus dem Lande zu ernähren habe.
    ,,Der Krieg ist nur weiter zu führen, wenn die gesammte Wehrmacht im 3.Kriegsjahr aus Russland ernährt wird''
    Dies hatte entsprechende Folgen für die Bevölkerung, ganz besonders in den ,,Zuschußgebieten'' wie zB Weißrussland. Es gab einen Hungerplan...die Folgen waren Entsprechend.

    Vorräte an Brotgetreide in Großdeutschland ( am 1.8. in 1000t )
    1938: 3300
    1939: 6384
    1940: 6186
    1941: 1983
    1942: 1054
    1943: 1247

    Quelle:Gerlach,,Kalkulierte Morde'' Die deutsche Wirtschafts-und Vernichtungspolitik in Weißrussland 1941-1944

    Grüße

  • Noch etwas ergänzend:


    Die Nahrungsmittelimporte

    Getreide, Fisch (britische Importe!), Fleisch, Fette, usw. sind stets mit die wertmäßig größten und bedeutensten Importe für das Deutsche Reich gewesen. Das gilt für die Jahre 1920-bis in die Dreißiger, aber auch schon vor 1914. Das Deutsche Reich war nie Selbstversorger, wozu neben dem Aufbau der Volkswirtschaft (Arbeitskräfte, Industrialisierung, Verstädterung) der für die Landwirtschaft verfügbare Boden und das Bevölkerungswachstum beitrugen.

    Es handelt sich also um ein strukturelles Problem, bei dem man aus Sicht der Dreißiger viele Jahrzehnte zurückgehen kann und auf ähnliche Verhältnisse trifft.

    Diese Nahrungsimporte mußten bezahlt werden, waren also stets eine Geldfrage (wenn mit dem Ausland in Reichsmark abgerechnet werden konnte) - bzw. Devisenfrage (in Fremdwährungen). Die Deckung dieser Nahrungsmittelimporte konnte nur ein starker Export bewirken. Befindet sich das im Gleichgewicht, idealerweise bei Handelsbilanzüberschüssen, ist das kein Problem.

    Die Handelsbilanzen des Reiches wiesen allerdings schon vor 1933 überwiegend Defizite auf, Exportsteigerungen waren daher notwendig und auch immer eine politische Frage in der Weimarer Republik. Auf diese Problematik trifft nun eine gewaltige Rüstungsausdehung (plus infrastruktur, Industrie etc.) wie im Dritten Reich in zweierlei Hinsicht:

    - zum einen fehlen Exportkapazitäten, die in großem Umfang in die Rüstungsindustrie umgelenkt werden (etwas platt: der Stahl oder die Werkzeugmaschinen für die Rüstung können nicht mehr exportiert werden: fehlende Geldzuflüsse!);
    - der zusätzliche Import von rüstungsrelevanten Rohstoffen frißt Devisen, die eigentlich für Nahrungsmittelimporte benötigt würden.


    Neben dem Getreide - Beresina hat die abnehmenden Bestände dargestellt - war die Fettversorgung ein Dauer-Problem. Auch hier versuchte man zu synthetisieren, als die Lage sich verschärfte, soll sogar ein Schiffsbauprogramm für die Fischerei erwogen worden sein, bis hin zu Walfang. (Quelle fehlt mir leider).


    Tobias,
    brauchst Du das für eine Ausarbeitung? Dann kann ich Dir Statistiken 1900-1939 liefern.

    Edited 2 times, last by cpa95 (July 8, 2008 at 7:37 PM).

  • Hallo Thomas,

    an eine Ausarbeitung habe ich nicht gedacht, lediglich wollte ich mich genauer über diesen Bereich informieren. Die Statistiken sind aber trotzdem herzlich willkommen! ;)

    Gruß
    Tobias

    "Die Furcht trennt die, die folgen, von denen, welche selber führen."
    Kristian Eivind Espedal

  • Für den Anfang:

    Versorgungslücke in der deutschen Ernährungswirtschaft, Stand 1928-1929, vor Devisenproblemen.

    Bedarfsdeckung an der Eigenerzeugung, rd.
    Getreide 82%
    Kartoffeln 99%
    Zucker 100%
    Fleisch 95%
    Milch 100%
    Butter 75%
    Käse 53%
    Eier 64%

    Die Aufstellung läßt wichtige Bereiche außen vor, Reis, Mais, Südfrüchte, Pflanzenöle, Fette, die ganz überwiegend eingeführt wurden.

    Daneben ist die Darstellung problematisch, da die Viehzucht Futtermittelbeistellungen benötigte: Ölkuchen, Fischmehl und andere eiweißhaltige Futtermittel.

    Die 1934 eingeführte Futtermittelmenge (550.000 to. Eiweißgehalt) entsprach der Erzeugung von 11 Mrd. Litern Milch, etwa dem Frischmilchverbrauch eines Jahres entsprechend.

    Federau, Von Versailles bis Moskau Politik und Wirtschaft 1919-1970.

  • Hallo
    Ich möchte mal dazu einen Veteranen und Zeitzeugen aus meiner Nachbarschaft zitiren:

    "wenn es nur um Lebensmittel gegangen wäre, hätte der Krieg noch 10 Jahre lang gehen können, die Lager waren voll. In Deutschland wäre niemand verhungert"

    Meine Meinung ist dazu"niemand verhungert"sagt ja nicht, dass es alles im Überfluss gab,
    ich erinnere an die Versorgungslage in der DDR, da lebten wir gut auch mit Versorgungsengpässen.
    vile Grüsse Michael

  • Quote

    Original von alterpapa
    "wenn es nur um Lebensmittel gegangen wäre, hätte der Krieg noch 10 Jahre lang gehen können, die Lager waren voll. In Deutschland wäre niemand verhungert"


    Da sollte man sich mal einige der wichtigsten Importländer anschauen,
    und die daraus bezogenen Lieferungen ab 1940 ...

    Dänemark, Niederlande, etc :D


    Fisch/Fischmehl fiel allerdings aus, jedenfalls aus Großbritannien

  • Hallo
    Das sind alles Fakten aus Statistiken,Berichten also Zahlen.
    Ich Habe aus dem Erlebten eines Zeitzeugen zitiert.
    Ich habe schon von viele alten Leuten gehört,dass es ihnen (Nahrungsmittel)nicht schlecht ging-
    ich wohne "ländlich" und hier gab es Landwirtschaft.
    Ich habe in Gesprächen mehr wie einmal gehört:
    "uns gings nicht schlecht,wir hatten ja alle Landwirtschaft."
    Ich wollte hier keine Zahlen oder Statistiken anzweifeln,bei der Thematik kann man aber nicht alles verallgemeinern.
    Viele Grüsse Michael

  • Das war ja keine Kritik,


    ... sondern eine glatte Bestätigung der Aussage, indem man den Ursachen nachgeht. ;) .

    Und das nicht auf irgendwelche Selbstversorger-Gebiete bezogen, sondern auch auf die Städte. Eine andere Frage ist, wie es in den zwangsexportierenden Gebieten aussah, und ob das insgesamt reichte.

    Edited 2 times, last by cpa95 (July 9, 2008 at 11:44 PM).

  • Statistik für 1927, als "Normaljahr":


    Die deutsche Einfuhr betraf (in Klammer Werte RM und die Hauptbezugsländer):

    140.286 Rinder (113 Mio., Dänemark, Polen, ca. 45.000 Tonnen)
    Summe der inländischen Fleischerzeugung: 3,16 Mio. Tonnen, Verbrauch Bevölkerung pro Kopf und Jahr: 1924-1927 zwischen 39,5 und 49,8kg, 1913: 49,5 kg) aber: Futtermitteleinfuhr zu beachten.

    2,6 Mio. Tonnen Weizen (674,4 Mio., Argentinien, Kanada, USA, Australien)
    0,8 Mio. Tonnen Roggen (162,4 Mio., Kanada, Argentinien, USA, Rußland)
    2,0 Mio. Tonnen Gerste (391,6 Mio., Rumänien, USa, Kanada, Argentinien, Rußland)
    2,1 Mio. Tonnen Mais (304,6 Mio., Argentinien, Rumänien)
    0,6 Mio. Tonnen Kartoffeln (63,3 Mio., Niederlande, Italien)
    0,3 Mio. Tonnen Fisch (130,4 Mio., Großbritannien, Norwegen, Niederlande)

    108.266 Tonnen Butter (365,6 Mio., Dänemark, Niederlande)
    162.750 Tonnen Eier (275,8 Mio., Niederlande, Rußland, Dänemark, Polen)
    112.699 Tonnen Schmalz, Oleomargarin (145,2 Mio., USA, Dänemark)
    91.374 Tonnen Pflanzliche Öle und Fette (75,4 Mio., Niederlande, China)
    206.960 Tonnen Fleich etc. (222,5 Mio., Argentinien, Niederlande, Dänemark)

    1.957.021 Tonnen Ölfrüchte und Ölsaaten (673,18 Mio., Britisch Westafrika, Indien, China, Niederländ. Indien, Argentinien)
    823.034 Tonnen Futtermittel (108,3 Mio., Polen, ArgentinienUSA, Indien)
    558.378 Tonnen Ölkuchen (96,1 Mio., Italien, Niederlande, Rußland, Indien, USA)


    ergänzend, weil von der Herkunft interessant:
    6.518.507 Tonnen Holz (453,0 Mio, Polen, CSR)
    Reiner Warenverkehr:
    Einfuhr: 14.142,9 Mio., Ausfuhr: 10.797,1 Mio. RM

    Edited once, last by cpa95 (July 10, 2008 at 7:20 PM).

  • Hallo...
    wenn man diese Zahlen so sieht und dann mal über die propagierte ,,Eroberung von Lebensraum'' in Verbindung mit dem Ostfeldzug nachdenkt...besteht da vielleicht ein Zusammenhang?
    Den Abschnitt in ,,Mein Kampf'' dazu, darf ich ja nicht lesen, sagt der,,große Bruder'' der für mich denkt.
    Gruß

  • Quote

    Original von Beresina
    Den Abschnitt in ,,Mein Kampf'' dazu, darf ich ja nicht lesen, sagt der,,große Bruder'' der für mich denkt.
    Gruß

    Was in den anderen 15 Bundesländern erlaubt ist, wird in Brandenburg wohl nicht verboten sein...

  • Quote

    Original von Beresina
    wenn man diese Zahlen so sieht und dann mal über die propagierte ,,Eroberung von Lebensraum'' in Verbindung mit dem Ostfeldzug nachdenkt...besteht da vielleicht ein Zusammenhang?

    Hallo beresina,

    darüber kann man nachdenken, und das kann man auch in einen größeren zeitlichen und sachlichen Zusammenjhang stellen.

    Das DR war nach 1870-1914 geprägt durch einen rasanten Bevölkerungszuwachs, dem die Fortschritte in der Nahrungsmittelproduktion nicht vergleichbar waren.

    Die "Lebensraum"-Debatten waren populär, massenweise Literatur über das "Volk ohne Raum", Auswanderungsdruck etc. Über den wilden Osten und Lebensraum spekulierte mE schon 1917 die Oberste Heeresleitung, gepägt durch das zusätzliche Trauma der Wirkungen der britischen Blockade. Das DR erwies sich als ein Land, dass 1916 für längere neuzeitliche (industrielle) Kriege kaum geeignet war und immer erpreßbar schien.

    Entsprechend reichlich Literatur und Debatten vom Stammtisch bis inden Reichstag nach 1918: stets ging es um den Bevölkerungszuwachs und die teuren Nahrungsimporte. Nun trat noch hinzu, dass land- und forstwirtschaftlich bedeutende Ostgebiete verloren waren - dagegen erscheinen die "Kohlediskusisonen", die zunächst im Vordergrund standen, künstlich.

    Hitlers Ziele/Äußerungen dazu sind in den Kontext der heftigen und langjährigen zeitgenössischen Diskussionen zu stellen, er ist nicht der "Erfinder".

    Edited once, last by cpa95 (July 12, 2008 at 2:00 PM).

  • So, zum Vergleich jetzt 1938:

    Einfuhr insgesamt: 6.051,7 Mio. RM, davon 2.393,3 Mio. Bereich "Ernährungswirtschaft" (Ausfuhr in dem gleichen Bereich: 66,7 Mio. RM), Indizierung zu 1928 rund Faktor 2, also Verdoppelung der Werte 1938 im Vergleich zu 1928.

    Butter: 92.300 To.
    Käse: 32.510 To.
    Fleisch: 137.500 To.
    Fisch: 229.300 To.
    Walöl: 120.170 To.
    Schmalz: 42.020 To.

    Weizen: 1.267.670 To,
    Gerste: 456.400 To.
    Mais: 1.895.420 To.
    Reis: 2.756.600 To.

    Ölfrüchte zur Ernährung: 1.675.110 To.
    Ölkuchen: 192.310 To.

    Nachtrag:
    die sowjetischen Lieferungen an Getreide und Hülsenfrüchte:
    Dez39-Dez40: 978.080 Tonnen
    Jan41-Junn41: 1.763.660. Tonnen
    Anteile 40/41 der Einfuhr SU: Brotgetreide 42%, Futtergetreide 43%

    Japan und China, Lieferungen über Transit SU: Soja, Öle und Fette:
    Jan40-Jun41: 378.600 Tonnen; davon Fetteinfuhr: 136.000 Tonnen (>30%) von insgesamt 381.000 Tonnen Einfuhr.

    Edited once, last by cpa95 (July 14, 2008 at 12:36 PM).

  • Hallo...
    ...Christian: Soweit ich weiß, wehrt sich der Staat Bayern aus Gründen die vielleicht nur ,,er'' nachvollziehen kann, gegen eine Veröffentlichung bei uns und im Ausland. Das meinte ich mit meiner Aussage. Das man es lesen kann, wenn Oma es aufgehoben hat, bzw man die entsprechenden Preise zahlen kann, ist schon klar.
    ...cpa95: Danke für deine Ausführungen. Das es schon vor Hitler ein Thema war, ist mir bisher so noch nicht bewußt gewesen.
    Grüße

  • Hallo,

    Da das Thema sehr umfassend ist, will ich mich hier auf einen kurzen Überblick beschränken. Sollten ganz konkrete Fragen offen bleiben, so will ich sie gerne versuchen zu beantworten. Für eine eingehende Auseinandersetzung mit diesem schwierigen Komplex fehlt in einem Forum aber schlichtweg der Raum. Sollte daher der Wunsch bestehen, sich in die Materie vertiefen zu wollen, empfehle ich entsprechende Literatur zu bemühen. Gerade die Agrar- und Ernährungspolitik, Säulen nationalsozialistischer Strukturpolitik, sind Thema zahlreicher wissenschaftlicher Publikationen.

    Wie auf allen Wirtschaftssektoren war man auch in der Landwirtschaft bemüht die bestehende Abhängigkeit von Drittländern auszugleichen. Daher wurden im Laufe der 1930er Jahre verschiedene Maßnahmen (Marktordnung etc.) initialisiert deren Ziel es war, die ernährungswirtschaftliche Autarkie des Landes sicherzustellen. Durch eine gezielte Anbaupolitik gelang es in weiterer Folge dann auch – im Durchschnitt - die realen Erträge zwischen 1933 und 39 über diejenigen der Jahre 1928-32 zu heben. Rekordernten mit Steigerungsraten von bis zu 20% gegenüber herkömmlichen Jahren wurden 1938 und 39 auch aufgrund von günstigen Witterungsbedingungen eingefahren. Als Folge dessen stieg der Grad der Selbstversorgung von ca. 75% im Jahre 1932/33 auf 83% 1938/39 an. Eine Autarkie konnte dagegen nicht erreicht werden. Eine Schwachstelle blieb weiterhin die Gewinnung von Fetten, bei denen die hohe Einfuhrabhängigkeit nicht wesentlich gedrosselt werden konnte. Diese Defizite waren jedoch durch dementsprechende (Friedens-)Importe kompensierbar. Für die Zeit bis zum Vorabend des Zweiten Weltkrieges bestand daher keine Versorgungskrise mit Nahrungsmitteln innerhalb des deutschen Machtbereichs.

    Zu Kriegsbeginn konnte man zunächst noch zusätzlich auf die im Rahmen der Vorratsbewirtschaftung gehorteten Bestände zurückgreifen, deren Reichweite 1941/42 betrug. Als Folge dessen waren die Kontingentierungen verschiedener Lebensmittel zunächst, vor allem für die Arbeiterklasse, nicht spürbar. Die kontinentaleuropäische ernährungswirtschaftliche Bilanz gestaltete sich im weiteren Kriegsverlauf dagegen lediglich für den nationalsozialistischen Aggressor günstig, konnte doch die deutsche Bevölkerung bis zum Zusammenbruch den physiologischen Bedürfnissen entsprechend versorgt werden. Dieses Ergebnis wurde allerdings nur durch eine rigorose Ausbeutungs-, Hunger- und Vernichtungspolitik erreicht, die auch außerhalb der besetzten Gebiete der Sowjetunion hunderttausende Hungertote forderten und zu einer unaufhaltsamen Verelendung derjenigen Bevölkerungsteile führten, die dem deutschen Machtbereich unterlagen (vgl. u.a. DRZW Bd.5).

    Der Angriff auf die Sowjetunion, unter besonderer Berücksichtigung agrarökonomischer Zwänge, muss als völlig abwegig eingeschätzt werden. Zu diesem Ergebnis kamen noch vor Feldzugsbeginn auch namhafte politische und wirtschaftliche Vertreter wie v. Krosigk und v. Hassell. Eine einfache Kosten-Nutzen Rechnung auf mittelfristiger Basis hätte gereicht, um den ökonomischen Unfung eines Angriffes aufzudecken. Wie wenig das Ergebnis des Gremiums der Ost-Organisation hinsichtlich der Ernährungsfrage mit der Realität zu tun hatte, beweist die Tatsache, dass die Wehrmacht selbst 1941 – also im anvisierten dritten Kriegsjahr und vermeintlich ertragreichsten Zeitraum – nur partiell aus dem (Ost-)Lande versorgt werden konnte. Die Einfuhren ins Reich lagen dagegen, sofern sie überhaupt erfolgen konnten, weit unter jenen Werten, die noch Wochen und Monate zuvor auf diplomatischem Wege der Sowjetunion zu entlocken waren. Dementsprechend desaströs nahm sich dann auch das Fazit der Wirtschaftselite bezüglich des ökonomischen Nutzens des Unternehmens "Barbarossa" aus. Freilich verschlechterte sich die Produktivitätssituation im Osten fortlaufend aufgrund fehlender Arbeitskräfte, ungenügender Versorgung der arbeitenden Bevölkerung und fehlenden landwirtschaftlichen Geräts. Ab 1943 sah sich das Reich gar gezwungen die Versorgung der Wehrmacht mit Nahrungs- und Futtermitteln durch erhebliche Lieferungen aus der Heimat sicherzustellen. Ein ernährungskritischer Einbruch in der Versorgungssituation des Reiches war dadurch aber nicht feststellbar, obwohl die Wehrmacht seit nunmehr 2 Kriegsjahren partiell und nunmehr signifikant aus der Heimat mitversorgt werden musste. Letztendlich sollte die Okkupation der "Kornkammer Europas" kurz- und mittelfristig lediglich dazu dienen die Rationen in der Heimat zu erhöhen und begrenzte Vorräte für weitere Auseinandersetzungen anzulegen. Im Zuge dessen sollte dann auch in Russland ökonomisch die Struktur von 1900/1902 wieder hergestellt werden um damit langfristig dem Reich die viel beschworene wirtschaftliche Unabhängigkeit zu ermöglichen. Die Argumentation, es hätte keine Alternative zu "Barbarossa" gegeben, läuft daher ins Leere.

    Neben Eichholtz, "Kriegswirtschaft", der hier schon genannt wurde und vor allem durch umfangreiches statistisches Material besticht, möchte ich noch auf Volkmann, "Ökonomie und Expansion", hinweisen, der Grundzüge der NS-Wirtschaftspolitik analysiert und sich dabei u.a. auch der Ernährungssituation des deutschen Machtbereichs widmet.


    MfG

    Whoever saves one life, saves the world entire.
    Talmud Jeruschalmi