Fahnenflucht - Zuständigkeiten ?

  • Grüß Gott die Runde!


    Für Angehörige der Wehrmacht war die Militär-Gerichtsbarkeit zuständig.


    Gibt es Fälle, dass für den Tatbestand der Fahnenflucht auch Organe des RSHA wie z.B. Gestapo zuständig waren?

    Welche Behörden waren für die Verweigerung zum Antritt der Wehrpflicht zuständig?

    Mussten Angehörige der Wehrmacht, unabhängig vom Delikt, zuerst durch Kriegsgerichtsverfahren Dienstenthoben werden um den "ordentlichen Behörden " übergeben werden zu können?


    Viele Grüße aus Salzburg

    Gernod Fuchs

  • Hallo Gernod,


    dies kommt sicherlich auch auf die Zeit an, zu der die Fahnenflucht geschah. Ein mir bekannter Fall der Fahnenflucht, Mitte April 45, wurde zuerst über die Stadtverwaltung des Wohnortes bearbeitet. Entsprechend erfolgte auch der Befehl sich zuerst dort zu melden.


    Grüße

    Alex

  • Besten Dank Alex.

    In den letzten Kriegsmonaten ist vieles anders geworden, da gilt manches Regelwerk nicht mehr, oder wird übergangen.

    Es wundert mich, dass auf meine Frage bisher keine Antwort gekommen ist.

    Das könnte ja darauf hindeuten, dass wirklich nur die Wehrmacht ihre eigenen Soldaten aburteilte (?!?)

    Viele Grüße aus Salzburg (noch ohne Schnee)

  • Hallo Sven,

    der erste Link von Dir funzt leider nicht und der zweite Link hört gerade da auf, wo es interessant wird. Schade.

    MfG Wirbelwind

  • Zur Strafe für meine Bemerkung werde ich nun ÜBERFÜTTERT.

    Danke !


    Auslöser für meine ursprüngliche Frage war ein Gestapo/W-SS/Gendarmerie-Einsatz mit HUNDERTEN Organen Mitte 1944 im Salzburger Gebirge gegen eine kleine Gruppe FAHNENFLÜCHTIGER. Diese Fahnenflüchtigen wurden durch einheimische Bevölkerung unterstützt.

    Dabei gab es an Ort und Stelle mehrere Exekutionen sowie mehr als zwei Dutzend Festnahmen, darunter auch Frauen. Jedenfalls hat die Hälfte der Festgenommenen das Kriegsende nicht mehr erlebt. Sie wurden durch Gerichte, Hinrichtung im KZ und andere KZ-Maßnahmen getötet.

    Nach dem Krieg wurde die Schuld an diesen Morden auch den Unterstützer-Familien der Fahnenflüchtigen zugeschrieben.

    Dieses Trauma spaltete die Bevölkerung und läßt eine ECHTE AUFARBEITUNG dieser Geschehnisse selbst heute schwer zu - TRAGISCH.


    Gernod aus Salzburg

  • Hallo Silvio,

    danke, nun hat es funktioniert. Die verlinkte Dissertation muss ich mir erst durchlesen. Aus den Erlass von Thierack vom 15.02.45 geht für mich hervor, dass der örtlich zuständige Reichsverteidigungskommisar die 3 Mitglieder des Standgerichts und den zuständigen Staatsanwalt ernannte. Vorsitzender war ein Strafrichter, die zwei anderen Mitglieder entweder ein Wehrmachtsoffizier, bzw. Offizier der Waffen-SS oder Offizier der Polizei sowie ein politischer Leiter oder Gebietsführer der NSDAP. Die Zuständigkeit erstreckte sich nicht nur auf Militärpersonen sondern auch auf Zivilisten.

    Möglicherweise hat der zuständige Reichsverteidigungskommissar für Salzburg Scheel das entsprechende Standgericht berufen, welches dann die Erschießungen im Salzburger Gebirge veranlasste.

    MfG Wirbelwind

  • Hallo Wirbelwind!


    Der Bezug auf den Gauleiter und Reichsverteidigungskommissar ist nicht unlogisch aber in unserem Fall nicht zutreffend. Auch ein Bezug auf ein Standgericht ist nicht nachweisbar.


    Den Bürgermeistern und Gendarmen der Gegend wurde vom Reichsstatthalter/Gauleiter in Salzburg, der auch federführender Reichsverteidigungskommissar für das ALPENLAND (Salzburg, Tirol/vorarlberg, Steiermark und Kärnten) war nicht viel Vertrauen entgegengebracht. Es ist zuvor sogar ein verhafteter Fahnenflüchtiger aus dem Gendarmerie-Gewahrsam befreit worden.

    Es wurde der Gendarm, der die NSDAP-Ortspartei mit aufgebaut hatte zwei Tage vor der beschriebenen Polizei-Aktion 100 Kilometer weit weg versetzt. Dies scheint ein einmaliger Vorgang gewesen zu sein - sonst war man nie so zimperlich. Ein Monat nach der beschriebenen Aktion wurde er an der neuen Inspektion im Dienst "aus politischen Gründen" festgenommen. Sein Verfahren vor dem SS- und Polizeigericht wurde allerdings eingestellt. Er sei zu weich gewesen, allerdings wurde der Bürgermeister, dem auch eine gewisse Schuld zugewiesen wurde, zur Wehrmacht einberufen.


    Auslöser der Aktion war Berlin. Der Zustand, dass die zuständigen Behörden der Fahnenflüchtigen nicht Herr wurden hatte sich bis ins RSHA herumgesprochen, sodaß der Chef des RSHA KALTENBRUNNER den Auftrag gab, diese große Aktion durchzuführen, was auch geschah.


    Gernod aus Salzburg.

  • Hallo Gernod,

    so, wie Du die Dinge beschreibst, hat das für mich den Charakter einer gemeinsamen Aktion der Polizei und des Reichssicherheitshauptamtes. Vielleicht existieren ja noch Unterlagen darüber. Normalerweise wären in meine Augen die Aufgegriffenen vor ein Standgericht zu stellen gewesen, nachdem das Standrecht proklamiert worden war. Aber gerade auch in den letzten Kriegswochen wurde unter Umständen oft selbst nach damals geltendem Recht nicht mehr verfahren, sondern wegen der beabsichtigten Abschreckung die Betreffenden befehlsgemäß einfach hingerichtet. Kaltenbrunner als Österreicher wird es unter Umständen besonders getroffen haben, dass sich viele Fahnenflüchtige sich der Wehrmacht entzogen und in bestimmten Gebieten Österreichs ,,herumtrieben".

    Ist denn etwas darüber bekannt, ob sich in anderen Landesteilen Österreichs Ähnliches zugetragen hat?

    MfG Wirbelwind

  • Hallo Wirbelwind !


    Diese Aktion dürfte die größte derartige Polizeiaktion im "Großdeutschen Reich" gewesen sein. Insgesamt könnten etwa 1.000 (eintausend) Angehörige der W-SS daran teilgenommen haben.


    In der weiteren Umgebung gab es einen Lehrer, der als SS-Offizier in Russland schwer verwundet wurde und nun als Beinamputierter zum Adjutanten des Gauleiters/Reichsstatthalters von Salzburg wurde. Spätere tauchte durch den Adjutanten des Gauleiters die bisher nicht bestätigte Geschichte auf, dass er gemeinsam mit dem Gauleiter eine bereits erteilte Weisung aus Berlin, die Ortschaft nach dem Osten AUSZUSIEDELN, gerade noch verhindert hätten. So wurde der Graben zwischen den Familien der Einheimischen Bewohner noch tiefer und die Aktion gegen die Fahnenflüchtigen wurde im Nachhinein noch als Rettung vor der Aussiedelung angesehen.


    Also eine insgesamt sehr verworrene, tragische Geschichte.


    Gernod

  • Hallo Gernod,

    Deinem letzten Satz pflichte ich voll bei. Gibt es denn einen Namen der Aktion, denn über 1000 Beteiligte zeigt schon, dass es keine kleine Operation war.

    MfG Wirbelwind