Wehrerfassung gedienter Jahrgänge

  • Hallo,

    ein Zeitungsbericht von 17. August 1959 zur Wehrerfassung des Jahrgangs 1922. Das dürfte so manchem, der Krieg und Gefangenschaft mitgemacht hat, gewaltig gestunken haben. Mein Opa hat bei seiner "zweiten Musterung" angegeben, alle alten Unterlagen nach seiner Entlassung 1946 mit Genuss verbrannt zu haben.

    Grüße

    Thilo

  • Hallo Thilo,

    interessanter Artikel.

    Konnten die Betroffenen den erneuten Wehrdienst verweigern?

    Gab es sowas in der DDR auch? Das wäre mir neu.

    Aber die NVA brauchte ja auch Personal.

    Gruß Roland

    Als ich hätte fragen sollen, war ich zu jung.
    Als ich hätte fragen wollen, waren Sie zu alt.

  • Hallo Roland,

    die Bundeswehr wurde 1955 gegründet. Die ersten Einberufungen erfolgten bereits zum 1. April 1957. Somit dürfte die geschilderte Musterung im jahre 1959 nicht die Erste gewesen sein. [sorry, es ging ja um gediente Jahrgänge] Der Grundwehrdienst dauerte anfänglich 12 Monate. Ab dem 1. April 1961 bestand dann die Möglichkeit, einen zeitweise deutlich längeren zivilen Ersatzdienst zu leisten.

    Die NVA wurde zum 1. März 1956 als Freiwilligenarmee gegründet. Die ersten Einberufungen gab es zum 1. Mai 1962. Der Grundwehrdienst dauerte 18 Monate. In den 1964 geschaffenen Baueinheiten war ein waffenloser, wenn auch "militärischer" Wehrersatzdienst möglich, der ebenfalls 18 Monate dauerte ("Spatensoldaten").

    In beiden Staaten war eine Wehrdienstverweigerung ("Totalverweigerung") illegal und strafbar. Mit den jeweiligen Ersatzdiensten galt die Wehrpflicht als erfüllt.

    Westdeutsche hatte ab 1971 zudem die Möglichkeit, sich fast legal dem Wehrdienst durch Umzug nach Westberlin zu entziehen. In der DDR wurden Ende 1985 alle Totalverweigerer aus der Haft entlassen und dieser Personenkreis nicht mehr einberufen oder für Totalverweigerung bestraft. Die Totalverweigerung wurde zur Option.

    VG

    Silvio

  • Guten Tag,

    die grundsätzlichen Unterschiede bei Einführung der Bundeswehr (BW) in der BRD und der Nationalen Volksarmee (NVA) in der DDR, Silvio hat bereits darauf hingewiesen, sind meiner Einschätzung nach bei militärhistorischen Vergleichen auf alle Fälle zu beachten. Die BW ist als Wehrpflichtarmee eingeführt worden, die NVA als Freiwilligenarmee. Erst mit dem Wehrpflichtgesetzt vom 24.01.1962 ist in der DDR die allgemeine Wehrpflicht eingeführt worden. Für die allgemein Wehrpflichtigen in der BRD gab es das sogenannte Recht auf Kriegsdienstverweigerung, für diejenigen in der DDR gab es dieses Recht nicht. Wer zwischen 1962-1964 seinen Wehrdienst verweigerte, wurde so faktisch zum Straftäter, was sich wegen der Häufigkeit der Verweigerungen in der DDR zu einem Problem entwickelte. Diesem wurde 1964 mit der Schaffung des waffenlosen Wehrdienstes in Baueinheiten der NVA entgegen getreten. "Spatensoldat" konnte man z.B. aus religiösen Gründen werden.

    Im Gegensatz zur BRD gab es in der DDR von 1956 bis 1962 keine "Wehrerfassung bereits gedienter Jahrgänge" und somit auch keine entsprechenden Probleme. Im welchen Umfang diese Erfassung von bereits Gedienten in der BRD ein praktisches oder eher nur ein theoretisches Problem war, kann ich nicht beurteilen, da ich zu diesem Thema nicht belesen genug bin. Aber wer in der BRD letztlich nicht zum Bund wollte, der ist da ja wohl auch nicht hingekommen. Lust oder Unlust an der verpflichtenden Vaterlandsverteidigung sei mal dahingestellt.

    Freundliche Grüße

    Peter

    (PH)

  • Hallo,

    interessantes Thema. Ich habe aber noch nie davon gehört, daß bereits im Weltkrieg Gedienten noch ein "Grundwehrdienst" abgenötigt wurde, wäre der Hammer gewesen.

    Eine Erfassung für einen Krieg läge dagegen nahe, muß ja nicht immer gleich eine Musterung gewesen sein.

    VG

    Silvio

  • Hallo Silvio, ich wurde im Mai 1956 nach dem Abi an der August-Herrmann-Francke-Oberschule in Halle/S. vor Antritt meines Elektrotechnik-Studiums an der Techn. Hochschule Dresden von der Volkspolizei vorgeladen. Erstaunt im Bewusstsein meines guten Gewissens befragte ich einen Erzieher des Internats. Er gab mir zu verstehen, dass gemunkelt würde, dass "E-Technik-Studenten für die neue Armee gemustert werden".

    Da ich keine Lust verspürte, in Uniform zu studieren, überwies ich mein Stipendium an die Oberschule und ging über Westberlin in die Bundesrepublik.

    Ein Freund hatte bereits 1955 als freiwilliger Kampf-Piloten-Schüler bei der Kasernierten Volkspolizei angefangen.

    Quote from silvio

    Die NVA wurde zum 1. März 1956 als Freiwilligenarmee gegründet. Die ersten Einberufungen gab es zum 1. Mai 1962.

    Wie von mir geschildert gab es bereits vor dem 1. Mai 1962 informelle Einberufungen zur NVA.

    Oder wie würdest Du meine "Vorladung zur Musterung bei der Volkspolizei im Mai 1956" nennen?

    Gruss jostdieter.

  • Hallo mjostdieter,

    pfff, keine Ahnung, es war offiziell so, wie geschildert. Ich hatte im ersten Moment gestutzt und gemeint, Du hättest vorher schon gedient.

    Du wirst diese "Vorladung zur Musterung bei der Volkspolizei im Mai 1956" sicher nicht mehr haben, wegen der Wortwahl als Zeitdokument. Ein "freiwillger Zwang" ist zudem noch heute nicht unbekannt. Zumal Dein Erzieher im Internat nur was "munkeln" gehört hat. Nebenbei: Mußtest Du das Abi im Westen in geeigneter Weise nachholen?

    Eine freiwillige Verpflichtung zur KVP oder bis 1962 zur NVA erfolgte regelmäßig über einen "ehrenvollen Verbandsauftrag" der FDJ ... den man naheliegend ablehnen und "schlimmstenfalls" aus der Jugendorganisation austreten konnte. Mein Vater kam so zur NVA und später zur VP. Andere Länder, andere Sitten.

    Und ja, es gab Vorläuferorganisationen, von den "Dienstgruppen" der Westmächte über den BGS auf der einen Seite und der KVP auf der anderen Seite. Jedoch, "Musterungen" und "Einberufungen" im Wortsinne gab es erst, wie geschildert.

    VG

    Silvio

  • Hallo zusammen,

    Ich kann es nur aus den Erinnerungen durch die Erzählungen meines Großvaters wiedergeben. Als er aus der KGF wieder Richtung Nordhausen kam, ist er schnurstracks zu der ausgewiesenen Meldestelle in Nordhausen gegangen und hat sich freiwillig zum Aufbau der Polizei und der KVP gemeldet. Irgendwann gab es dann den „Übergang“ zur NVA. Insgesamt 25 Jahre mit Abgang als Oberstleutnant. Erst danach ging er in die zivile Wirtschaft bis zur Rente. Die Zeiten decken sich akkurat . Er muss Anfang 1949 in Nordhausen bei der Polizei angefangen haben.

    Viele Grüße Sten

    2.FlaRakGrp.38 VersStff 38 in der Truppenküche.

  • Hallo Interessiert,

    zum Thema "gediente Jahrgänge" habe ich die Debatte im Bundestag zur Einführung der Wehrpflicht gefunden:

    https://dserver.bundestag.de/btp/02/02143.pdf

    Dort steht u.a.: Es gibt "die Bestimmung, daß Wehrpflichtige, die bereits früher Soldat waren, in der Bundeswehr nur noch zu Wehrübungen, nicht aber zum Grundwehrdienst herangezogen werden sollen." Sowie: "Nach einer weiteren Übergangsvorschrift wird allen Wehrpflichtigen, die früher schon Soldat waren, für den Fall der Einberufung zur Bundeswehr der in der früheren Wehrmacht erhaltene Dienstgrad zugesichert."

    Ich schließe daraus, mit der Erfassung / Musterung wurde sich die Möglichkeit zur Einberufung gedienter Jahrgänge offen gehalten.

    VG

    Silvio

  • Tag allerseits,

    der Jahrgang 1922 hatte bei der Wehrmacht hohe Verlustzahlen, Mit Einführung der Wehrpflicht in der Bundesrepublik diesen Jahrgang zu mustern, dieser Unsinn stammt wohl von einem unbedarften ministeriellen Bürokraten der damaligen Zeit. Die zahlenmäßig starken Jahrgänge 1937 ff wurden zwar gemustert, aber nur beschränkt zum Grundwehrdienst eingezogen, weil man sie in der Aufbauphase der BW einfach nicht unterbringen und

    brauchen konnte. Es bestand also keine dringende Notwendigkeit, die über Dreißigjährigen des Jahrgangs 1922 nochmals zu mustern, aber wenn sich Bürokraten so etwas ausdenken, dann wird es eben umgesetzt in dieser

    unserer Republik, damals genauso wie heute.

    Grüße

    Bert

  • Guten Abend ,

    hab da mal ne Frage....

    betraf das nur den Jahrgang 1922, oder wurden die nachfolgenden Jahrgänge 23 24 usw, auch erfasst ...??

    Servus Eumex

    Vivat Bavaria

  • Hallo Sylvio, Du fragtest, ob ich das Abi in geeigneter Form im Westen nachholen musste ?

    Meine Antwort ist eine Abweichung vom Thread, aber war für uns "Zonis" (so wurden DDR-Bürger im Westen genannt) ein Teil unserer Lebensgeschichte.

    Im Westen mussten die DDR - Abiturienten mit Studienabsicht eine DDR-Abi- Anerkennungsprüfung in Dauer des 13. Schuljahres über sich ergehen lassen. Im Oktober 1956 rückten die in Niedersachen wohnenden Ost-Abiturienten ein entweder in eine ehemalige Kaserne in Adelheide bei Delmenhorst oder in eine Schule in Göttingen. Bis zum Oktober arbeitete ich als Kranführer auf einer Ölbohrstelle bei Hannover. Der Lehrstoff in Adelheide bestand aus einer Wiederholung des naturwissenschaftlichen DDR - Lehrstoffes und Deutscher Geschichte bis zu den Stein'schen Reformen. Nach diesem Abi "ohne DDR- Wappen" bekam ich vom Niedersächsischen Kultus-Ministerium eine Bescheinigung zur Immatrikulation , aber nur an einer Niedersächsischen Hochschule. Wir schrieben uns zum Schein reihenweise an der Tierärztlichen Hochschule Hannover ein und exmatrikulierten uns sofort, nachdem wir das Abi-Zertifikat bei einem griesgrämigen Ministerial-Beamten abgeholt hatten.

    An der Technischen Universität Berlin fragte niemand nach der Niedersächsischen Abi-Anerkennung. Dagegen verlangte man das DDR- Abi- Zeugnis und als Bedingung für die Einschreibung mindestens befriedigende DDR- Abi-Noten in Deutsch, Mathematik, einer Fremdsprache und einem naturwissenschaftlichen Fach wie Physik, Chemie oder Biologie. Noch eine Ergänzung: Ehemalige FDJ-Mitglieder durften angeblich nicht in die USA einreisen. Hat aber zwei ehemalige FDJ-ler aus Nordhausen nicht daran gehindert, mit NATO-Flug-Berechtigung Jet-Fighter zu fliegen und in den Staaten ausgebildet zu werden.

    Gruss jostdieter.

  • Hallo Thilo,

    auch der Begriff "Weiße Jahrgänge" kam 1959 wieder ins Spiel.

    in der BT-Debatte heißt es dazu: "(...) die Bestimmung, daß Angehörige der sogenannten weißen Jahrgänge, also alle diejenigen, die zwar früher nicht mehr Soldat waren, aber inzwischen über das gewöhnliche Einberufungsalter hinausgewachsen sind, nicht mehr zum vollen achtzehnmonatigen, sondern nur noch zu einem verkürzten halbjährigen Grundwehrdienst einberufen werden können."

    Die Möglichkeit zur (verkürzten) Einberufung auch ohne Ernstfall hatte man sich offen gelassen.

    VG

    Silvio

  • Hallo zusammen,

    Quote

    .....verkürzten halbjährigen Grundwehrdienst einberufen werden können."

    und das kommt auch aus der 1939er Mottenkisten, nicht neu erfunden wir so vieles anderes aus der Zeit.

    Das da so "rumgeeiert" wurde war einmal den Ansprüche der Nato vs Personalressourcen geschuldet.

    Gruss Dieter

  • Hallo zusammen!

    Mein Vater war ein weißer Jahrgang (1937). Er hat nie etwas erwähnt in irgendeiner Form gemustert oder erfasst worden zu sein.

    Vielleicht spielte es auch eine Rolle, dass dieser Teil der Familie Mitte der 50er "rüber gemacht" hat.

    Gruß Stephan

    Suche alles zur Waffenschule des AOK 1

  • Hallo Stephan, hallo zusammen,

    mein Vater war ebenfalls ein weißer Jahrgang (1935) und wurde ebenfalls weder gemustert noch als Wehrpflichtiger erfasst. Auch war er nicht aus der "SBZ".

    Viele Grüße

    Nicco

  • Hallo Stephan , Bundeskanzler a.D. Helmut Kohl, geb. 1930 in der Pfalz , war ebenfalls weißer Jahrgang .

    Lt wikipedia.org....sind das Deutsche Staatsangehörige, die nach dem 31. Dezember 1926 und vor dem 1. Juli 1937 geboren worden waren („weiße Dekade“),

    Ich bin auch weißer Jahrgang, war aus der SBZ.und seit 1956 in In der Bundesrepublik. Ich bin in der Bundesrepublik nie gemustert oder als Wehrpflichtiger erfasst worden. Als ich mich nach einem Studium in den sechziger Jahren in Westberlin bei einem Flugzeugbauer um eine Stelle als Konstrukteur bewarb, musste ich gelbe Fragebögen mit allen Wohnadressen in Westberlin ausfüllen. Vermutlich wollte der Personaldienst wissen, ob ich in einer Wohnung der damals in Westberlin aufblühenden Ausser-Parlamentarischen-Opposition gewohnt habe. Außerdem musste ich ein Polizeiliches Führungszeugnis, meine Flieger-Lizenzen und meine Ausbildungsnachweise inclusive Abi-Zeugnis mit FDJ-Mitgliedschaft aus der DDR vorlegen. Habe dann doch ein anderes Angebot mit Neubauwohnung und Kindergartenplatz fürs Söhnchen angenommen.

    Gruss jostdieter

  • Hallo zusammen.

    Mein Vater, Jahrgang 1925, berichtete das ihn ein ehemaliger Kamerad angesprochen hätte, ob er nicht zur BW gehen wollte. Es werden dort erfahrene

    Soldaten gesucht. Mein Vater hat abgelehnt. Ob er einen Musterungsaufruf erhalten hat und wie er ggf. damit umgegangen ist, hat er mir nicht erzählt.

    Auch der Zeitpunkt ist mir nicht mehr geläufig. Das ganze scheint für mich auf freiwilliger Basis gewesen zu sein. Es ist mir aber auch klar das erfahrene,

    ältere Männer nötig waren. Mal schauen ob sich in der Familie noch ein Hinweis findet.

    Gruß, Wilfried

    Suche z. Zt. alles zur Aufklärungs Ersatzabteilung 5

  • Hallo Wilfried, die Wehrpflicht wurde 1956 in der Bundesrepublik eingeführt. Vorher war eine Musterung aus rechtlichen Gründen nicht möglich.

    Das Amt Blank (auch Dienststelle Blank genannt) war von Oktober 1950 bis Juni 1955 die Vorgängerinstitution des Bundesministeriums der Verteidigung der Bundesrepublik Deutschland. Inwieweit das Amt Blank vor 1956 ehemalige Wehrmachtsangehörige anwarb, ist mir nicht bekannt. Ich kannte jedoch zwei ehemalige Luftwaffen-Angehörige, die vor 1956 schon mit dem Aufbau einer deutschen Luftverteidigung beschäftigt waren. Wer sie angestellt hatte, bezahlte und beauftragte, weiss ich nicht. Ich weiss jedoch, dass die US-Air-Force vor 1956 deutsche Strahl-Jäger- Flieger auf US-Jet-Fightern auszubilden versuchte. 1960 nahm ein ehemaliger Luftwaffen-Offizier mit Deutschem Kreuz in Gold an einem Flugmedizinischen Lehrgang für Strahljäger-Flugzeug-Führer teil.

    Gruss jostdieter.