Die beabsichtigte Untergrundarmee des Albert Schneez (Oberst a.D. der Wehrmacht, später Generalleutnant der BW)

  • Tag allerseits,

    Nach dem Zweiten Weltkrieg haben einem „Spiegel“-Bericht zufolge rund 2000 ehemalige Offiziere der deutschen Wehrmacht und der Waffen-SS den Aufbau einer geheimen Armee von rund 40.000 Mann betrieben. Die Aktion habe ab 1949 hinter dem Rücken von Bundesregierung und Öffentlichkeit stattgefunden, berichtete das Magazin am Sonntag unter Berufung auf freigegebene Unterlagen des Bundesnachrichtendiensts (BND). Hauptorganisator sei der spätere Bundeswehr-Heeresinspekteur Albert Schnez gewesen.

    Waffen sollten dem Bericht zufolge im Ernstfall aus Beständen der Bereitschaftspolizei kommen. Das Netzwerk von Schnez warb demnach etwa Spenden bei Unternehmen ein und besprach mit Speditionen, welche Fahrzeuge diese zur Verfügung stellen konnten. Es habe auch einen sogenannten Abwehrapparat betrieben, der angeblich oder tatsächlich linksorientierte Bürger und Politiker wie den späteren SPD-Fraktionschef Fritz Erler bespitzelte.

    Die konspirative Schnez-Truppe wollte sich laut „Spiegel“

    bei einem sowjetischen Angriff zunächst ins Ausland absetzen und dann von dort aus die Bundesrepublik „freikämpfen“. Zugleich habe sie sich auf einen Einsatz im Inland gegen Kommunisten vorbereitet, für den Fall eines Bürgerkriegs. Der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) habe spätestens 1951 von der Schnez-Truppe erfahren und die Organisation Gehlen - den Vorläufer des Bundesnachrichtendienstes (BND) - mit der „Betreuung und Überwachung“ der Schattenarmee beauftragt. Es sei unklar, warum Adenauer nicht schärfer reagiert habe.

    Der „Spiegel“ beruft sich auf freigegebene Unterlagen des Bundesnachrichtendienstes, die der Historiker Agilolf Keßelring eingesehen habe. Keßelring ist Mitarbeiter der unabhängigen Historikerkommission, die die Frühgeschichte des BND erforscht.

    Quelle: Handelsblatt 11.5.2014

    Grüße

    Bert

  • Guten Abend,

    diese Studie von Agilolf Keßelring kann auf der Website der Unabhängigen Historikerkommission zur Erforschung der Geschichte des Bundesnachrichtendienstes 1945 - 1968 heruntergeladen werden (Agilolf Keßelring: Die Organisation Gehlen und die Verteidigung Westdeutschlands. Alte Elitedivisionen und neue Militärstrukturen, 1949-1953, Marburg 2014) :

    http://www.uhk-bnd.de/wp-content/upl…_Bd3_online.pdf


    Grüße
    Jörg

  • Tag allerseits,

    in der Jetztzeit würde man Schnez ein nicht rechtsstaatliches Verhalten unterstellen und ihn wahrscheinlich als rechtslastig bezeichnen wegen

    seiner Aktivitäten i.S. Untergrundarmee. Damals ging man großzügig zur Tagesordnung über und beförderte Schneez bis zum 3-Sterne-General.

    Das war die Zeit, als ein Bundesinnenminister Höcherl die Wertung von sich gab, er könne nicht den ganzen Tag mit dem Grundgesetz unterm Arm durch die Gegend laufen,,,,,,,

    Grüße

    Bert

    Edited once, last by Jahrgang39 (June 4, 2022 at 5:17 PM).

  • Hallo,

    anbei eine Kurzbiographie von Albert Schneez.

    Schnez schreibt sich nur mit einem "e". Die ziterte Kurzbiographie geht leider kaum auf die Tätigkeit von Schnez bei der Bundeswehr ein. Ich empfehle hier die Lektüre des Eintrags bei Wikipedia.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Albert_Schnez

    Vor allem das gestörte Verhältnis von Schnez zu den Grundsätzen der Inneren Führung wird hier zumindest angerissen, auch gibt es einige Verweise zu weiterführender Literatur. Die ihm immer wieder zu geschriebene "Schnez-Studie" („Gedanken zur Verbesserung der inneren Ordnung des Heeres“) von 1969 stammt allerdings wahrscheinlich von Heinz Karst, der trotz seiner offenkundigen Ablehnung der Inneren Führung sowohl Lehrgruppenkommandeur an der Schule Innere Führung wie auch später General des Erziehungs- und Bildungswesens im Heer wurde.

    Grüße
    Jörg

  • Tag allerseits,

    interessant ist vor allem, dass Bundeskanzler Adenauer seit 1951 von den Aktivitäten des Schnez wusste und den BND mit der "Betreuung und Überwachung" der Schattenarmee beauftragte. Er hätte eigentlich

    schärfer reagieren müssen, so die heutige Wertung. Der "Alte aus Rhöndorf" reagierte eben aus der damaligen Situation heraus, die der Lage des Kalten Krieges entsprach. Deutschland hatte damals noch

    keine Streitkräfte, selbst der Bundesgrenzschutz wurde erst im März 1951 gegründet. Die Furcht vor einem Angriff der Sowjets war damals in Deutschland ausgeprägt. Und im Falle eines Angriffs aus dem Osten

    hatte man dann vielleicht wenigstens diese Schattenarmee. Das dürften die damaligen Gedankengänge gewesen sein. Und in den Folgejahren ließ man die Sache irgendwie einschlafen.

    Grüße

    Bert

  • Hauptorganisator sei der spätere Bundeswehr-Heeresinspekteur Albert Schnez gewesen.

    in der Jetztzeit würde man Schnez ein nicht rechtsstaatliches Verhalten unterstellen und ihn wahrscheinlich als rechtslastig bezeichnen wegen

    seiner Aktivitäten i.S. Untergrundarmee. Damals ging man großzügig zur Tagesordnung über und beförderte Schneez bis zum 3-Sterne-General.

    Hallo,

    nun um diese wieder einmal sehr simplistischen Aussagen etwas mit Substanz zu unterfüttern. Jeder der in diesen Handlungen zumindest staatsferne bzw. -blindheit zu erkennen glaubt, beschäftige sich einmal mit dem Phänomen GLADIO und dessen Vorläufern. Sofern dies quellenmäßig überhaupt noch möglich ist. Dies relativiert zumindest die Denke, dass der Aufbau solcher Organisationen völlig staats- bzw. dienstfern, hauptsächlich durch irgendwelche ewiggestrigen Wirrköpfe geschehen ist. Dies soll der Beitrag ja wieder einmal insinuieren. Sowohl amerikanische, als auch deutsche Dienste waren beim Aufbau solcher

    "Schattenarmeen" feste mit dabei. Inwieweit die Politik hier Bescheid wusste ist schon schwieriger zu bewerten, aber sicherlich gab es auch hier Wissen zum Thema.

    Dass dies natürlich schwierig mit dem, was der einfache Mann auf der Straße unter Rechtsstaat versteht zu vereinen ist, ist denke ich redundant. Eingedenk der Bewertungen der damaligen politischen Lagen, aus damaliger Sicht, jedoch sicherlich etwas weniger relevant, als man dies heute einschätzen mag. Jeder der in Kategorien seriöser Geschichtsschreibung denkt, weiss, dass Betrachtungen der "Jetztzeit" nicht notwendigerweise immer hilfreich sind bzw. den Kern der Sache erfassen.

    Beste Grüße

    OB

  • Guten Morgen,
    als Ergänzung zu dieser Problematik ist sehr empfehlenswert:

    Agilof Keßelring: Die Organisation Gehlen und die Neuformierung des Militärs in der Bundesrepublik, (Band 6 der Veröffentlichungen der Unabhängigen Historikerkommission zur Erforschung der Geschichte des Bundesnachrichtendienstes 1945-1968), Ch. Links Verlag: Berlin 2017

    Keßelring zeigt z.B. auf, das die "Organisation Gehlen" als Vorläufer des BND bis 1956 durchaus auch als eine Art Ersatz-Generalstab zur Vorbereitung der Aufstellung der Bundeswehr wirkte.

    Inhaltsverzeichnis gibt es hier:

    https://d-nb.info/1131576705/04

    eine Rezension:
    https://www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-26306


    Grüße
    Jörg

  • Hallo,

    man darf nicht vergessen, dass so manches in den Anfangsjahren der Bundesrepublik anders betrachtet wurde als heute.Es krähte kein Hahn danach, dass bei uns MG-Gehäuse noch ein Hakenhreuz hatten.

    Gruss

    Rainer

    Suum cuique

  • Hallo zusamme,

    Eine Erklärung findet sich in o. a. Studie:

    "Agilolf Keßelring
    Die Organisation Gehlen
    und die Verteidigung Westdeutschlands Alte Elitedivisionen und neue Militärstrukturen, 1949–1953"auf Seite 17:

    "Noch bevor Schwerin im April 1950 zum Sicherheitsberater Adenauers avancierte, hatte er bereits die Idee aufgegriffen und begonnen, sie mit „seiner“ ehemaligen Division in die Tat umzusetzen. Erklärbar ist dies durch die Verbindungen Schwerins zur CIA. Nach März 1950 finden sich allerdings keine Medienberichte über diese Art von Unternehmen. Offensichtlich wollte die Regierung Adenauer nicht mit solchen Projekten in Verbindung gebracht werden."

    Gruß Karl

  • man darf nicht vergessen, dass so manches in den Anfangsjahren der Bundesrepublik anders betrachtet wurde als heute.

    Tag allerseits,

    da kann man Rainer nur zustimmen! Da sich damals, anfangs der 50er- Jahre, der Kalte Krieg immer mehr hochschaukelte, war die politische Linke aus der Sicht der damals Regierenden dubios. Man hatte keine

    Bedenken, Oppositionspolitiker abhören zu lassen und das mit Billigung höchster Stellen. Andererseits war es keine Seltenheit, dass ehemalige Nationalsozialisten auf Spitzenstellen des öffentlichen Dienstes anzutreffen waren. Aber fast ähnliche Situationen gab es damals auch in der SBZ, das war in der 50er und 60er-Jahren der von der Bundesregierung gewünschte und von Behörden verwendet Begriff für die DDR. Natürlich machten auch einige Nationalsozialisten in der SBZ tolle Karrieren. Was Adenauer betraf, er kannte sehr wohl diese Problematik und nahm dazu auch Stellung. Er versuchte der Bevölkerung diese Vorgehensweise zu erklären

    mit dem Hinweis, dass man fähige Menschen, die bei der NSDAP waren, nicht in allen Fällen in der Bundesrepublik vom öffentlichen Dienst ausschließen könne. Es ging Adenauer in gewisser Weise auch um eine

    Aussöhnung, so die Wertung des verstorbenen Herausgebers des SPIEGELS.

    Grüße

    Bert

    Edited once, last by Jahrgang39 (June 6, 2022 at 4:02 PM).

  • Hallo,

    anzumerken wäre eben auch daß nicht nur eine Mitgliedschaft in dieser ehemaligen Partei nicht als ehrenrührig angesehen wurde, sondern, noch weiter gehend, auch Mitarbeiter der Geheimorgane des untergegangenen Staatsgebildes, mit blutbefleckten Händen und Westen, gern wieder in neue Staatsdienste integriert wurden. Die geschah nicht nur auf unterster Ebene, sondern, mit Billigung und Wohlwollen höchster staatlicher Stellen, bis in höchste Regierungs- und Behördenämter mit leider negativen Folgen für Opfer und die Strafverfolgung.

    Grüße Fred

    Halle/Saale: Heeres- und Luftnachrichtenschule // Siebel Flugzeugwerke

  • Hallo,

    ganz entscheidend beim Neubeginn der Bundesrepublik war der "Kalte Krieg" und der Wunsch ( oder die Notwendigkeit?) der Alliierten den Westen verteidigungsfähig zu machen.

    Dadurch wurde manches unter den Tisch gekehrt.

    Ein weiteres Beispiel ist in den damaligen Bemühungen Churchills zu sehen, dt. Kriegsgefangene als "Reserve" für den Angriffsfall zu sehen und bis zum Einspruch zu halten.


    Gruß Karl