Wie hat sich wohl die Fahnenflucht meines Opas (GR 220) 1945 zugetragen?

  • Hallo zusammen,

    ich würde mich freuen, wenn ihr mir mit Eurem Hintergrundwissen helfen würdet, etwas mehr Licht in die folgende Geschichte zu bringen.

    Mein Opa hat den Krieg überlebt, aber ich habe ihn zu Lebzeiten nie zu seinen Erlebnissen befragt. Aus mündlicher Überlieferung weiß ich aber, dass er kurz vor Kriegsende desertiert ist. Mein Opa war zum besagten Zeitpunkt beim Stab I. Bataillon Grenadier-Regiment 220 und zwar Krad-Fahrer, also vermutlich Melder und Kundschafter. Irgendwie hat er sich mit seinem Krad im Frühjahr 1945 von der Ostfront nach Hause (bei Lüneburg) durchgeschlagen und wurde dort von seinen Eltern bis nach Kriegsende versteckt. Die genauen Umstände seiner Fahnenflucht sind unklar.

    Vor Kurzem habe ich vom Bundesarchiv die Auskunft zu meinem Großvater erhalten (nach weniger als zwei Monaten Bearbeitungszeit!). Darin heißt es, dass mein Opa ab dem 17.04.1945 bei einem Ort namens Petersfelde vermisst wurde.

    Vier Fragen dazu:

    1. Wo befand sich das Grenadier-Regiment 220 im April 1945? Welcher Division/AK und Armee war es unterstellt?
    2. Kann das Datum 17.04.1945 stimmen? Ich habe große Zweifel!
    3. Welcher Ort „Petersfelde“ könnte gemeint sein?
    4. Wie könnte die Fahnenflucht abgelaufen sein? (Spekulieren ist hier ausnahmsweise erlaubt und erwünscht.;))

    Hier mein eigener Kenntnisstand und meine eigenen Schlussfolgerungen und Vermutungen:

    Zu Frage 1 (GR 200): Laut Eintrag im Lexikon der Wehrmacht kämpfte das GR 220 Anfang 1945 bei Memel, dann in Ostpreußen/Samland und zog sich zuletzt nach Hela zurück, wo die Reste des Regimentes von der Roten Armee festgesetzt wurden.

    Das GR220 war bis Anfang 1944 der 58. Infanterie-Division unterstellt, dann kurzzeitig der 170. ID, danach „diente [das Regiment] verschiedenen Divisionen als Reserve-Einheit“.

    Zu Frage 2 (Datum): Zum genannten Zeitpunkt 17. April 1945 war nach meinem Kenntnisstand das GR220 bereits auf Hela, und beide u.g. in Frage kommende Orte „Petersfelde“ waren bereits seit längerer Zeit von der Roten Armee eingenommen und lagen weit hinter der Front. Ich kann mir kaum vorstellen, dass hier noch ein deutscher Kradfahrer im Einsatz gewesen sein sollte und dass er von hier durch die sowjetische Frontlinien entkommen konnte.

    Hinzu kommt, dass der 17.04.45 ziemlich genau der Tag war, an dem das Heimatdorf meines Opas bei Lüneburg von den Briten eingenommen wurde. Mein Opa wäre also wohl den Briten quasi in die Arme gelaufen. Das Datum passt auch nicht mit der Erzählung zusammen, wonach mein Opa von meinen Urgroßeltern über mehrere Wochen vor der deutschen Strafverfolgung versteckt wurde, bevor er sich nach der Kapitulation den Briten gestellt hat.

    Könnt Ihr Euch einen Reim daraus machen? Liegt beim Datum vielleicht einfach ein Schreibfehler in der WASt-Kartei vor? Oder wurde die Meldung in den Wirren des Kriegsendes erst verspätet weitergegeben, so dass auch das Datum des Meldeeintrags verspätet ist?

    Zu Frage 3 (Ort): Meines Erachtens kommen zwei Orte mit diesem deutschen Namen grundsätzlich in Frage, da sie zumindest grob in der Nähe des Einsatzgebietes des GR 220 im Jahr 1945 lagen:

    • Option A: Petersfelde (russisch Petrowo) bei Tilsit in Ostpreußen. Tilsit fiel bereits Mitte Januar 1945; das GR 220 verteidigte zu dieser Zeit die Stadt Memel, etwa 100 km nordwestlich. Wenn also Petersfelde in Ostpreußen gemein ist, dann wäre nur Datum 17. Januar 1945 plausibel.
    • Option B: Petersfelde (polnisch Poradz) in Hinterpommern, ein Dorf etwa 30 km südlich von Kolberg. Diese Region wurde im Februar/März 1945 von der Roten Armee eingenommen.
      https://m.bpb.de/cache/images/2/204452-st-galerie.jpg?BF014
      Das GR 220 stand meines Wissens zu dieser Zeit ca. 200 km weiter östlich, an der Danziger Bucht, entweder in der Weichselniederung oder bereits auf Hela. Wenn also Petersfelde in Hinterpommern gemein ist, dann wäre das Datum 17. Februar oder vielleicht auch noch März 1945 möglich.

    Was meint ihr? Welcher Ort ist wahrscheinlicher? Kennt ihr noch eine dritte Option?

    Zu Frage 4 (Ablauf): Ich tendiere beim Ort zu Option B, also Petersfelde in Hinterpommern, und damit beim Zeitpunkt wahrscheinlich 17. Februar 1945. Zu dieser Zeit war wohl jedem deutschen Soldaten bereits klar, dass der Krieg verloren war, und die Angst, kurz vor Kriegsende zu fallen oder in sowjetische Kriegsgefangenschaft zu geraten, war sehr groß. Vielleicht wurde mein Großvater mit seinem Krad auf einen Kundschafter- oder Meldeeinsatz Richtung nach Westen geschickt und hat die Gelegenheit ausgenutzt, um noch schnell nach Vorpommern zu entkommen, bevor die Rote Armee den Fluchtkorridor entlang der Ostseeküste abschneiden und so die deutschen Einheiten an der Danziger Bucht einkesseln konnte.
    Was denkt ihr, wie die Geschichte abgelaufen sein könnte?


    Ich bedanke mich vorab für alle Hinweise und neue Informationen zum GR220 und zur Lage an der Nordostfront im April 1945!

    Viele Grüße

    Harm (Tetris L)

    Suche alles zu: ● 22. Inf.-Div. (insbes. Sanitätsdienste) ● 58. Inf. Div. (insbes. Inf./Gren.Reg. 220) ●




  • Hallo Tetris L,

    ich möchte die Geschichte nicht schmälern, jedoch wenn 58.ID / 220 GR, dann ist im Samland / Pillau im April 45 die Reise beendet gewesen.

    Wenn überhaupt, hätte zu den "ganz" wenigen gehören können, denen mittels Schiff die Flucht Richtung Westen gelang...

    Eher möglich ist, das er vor Ende zu einem Lehrgang oder ähnlichem versetzt wurde und er somit vorzeitig aus dem Gebiet abreisen konnte.

    (Mein Großvater entkam aufgrund eines Waffenlehrgangs in Stralsund der Gefangennahme in Budapest). Ich würde Dir empfehlen, die Daten zu

    Deinem Großvater bei der WAST zu erfragen. Ich denke das man aufgrund dieser Daten dann mehr sagen könnte.

    BG Taiko

  • Hallo Harm,

    nun bin ich doch etwas neugierig geworden.

    Mein Großvater diente in der 170.ID und wurde Anfang 1945 verwundet.

    Den Rücktransport möchte ich dir anhand des Krankenblattes schildern.

    Am 5.2.1945 in Döbern/Ostpreußen verwundet.

    HVP Bornitt

    Von dort nach Karlsberg über Pillau mit Lazarett-Schiff nach Danzig.

    Hier 14 Tage im Ortslazarett Narvik-Lager III.

    Von dort mit Lazarett-Zug über Hannoversch-Münden nach Lüneburg.

    Aufnahme am 2.3.1945 Reserve-Lazarett II Lüneburg.

    17.4.1945 Aufgrund unerlaubter Entfernung aus dem Lazarett erfolgt Entlassung.

    24.4.1945 In englische Kriegsgefangenschaft geraten (Dachtmissen)

    Ich denke, dass kurz vor Ende des Krieges vieles möglich gewesen ist.

    Gruß

    Christian

    Suche Informationen über die 170. Infanteriedivision

  • Hallo Harm,

    das IR 220 bzw. GR 220 war hier im FdW schon einmal Thema, sofern noch nicht bekannt.

    Möglicherweise gibt es in diesem Beiträgen Hinweise oder Ansätze hinsichtlich den KTB's dieses Regiments, die bezüglich der eingangs gestellten Fragen weiterhelfen könnten:

    Infanterie-Regiment 220.

    Viele Grüße

    Nicco

  • Gudde Christian,

    nur für das Verständnis

    Von dort nach Karlsberg über Pillau mit Lazarett-Schiff nach Danzig.

    Hier 14 Tage im Ortslazarett Narvik-Lager III.

    Von dort mit Lazarett-Zug über Hannoversch-Münden nach Lüneburg.

    Nach Danzig und anschließend 14 Tage im Ortslazarett Narvik-Lager III.

    Gab es in Danzig ein Ortslazarett Narvik ???

    Gruß

    Lothar

  • Ich würde Dir empfehlen, die Daten zu Deinem Großvater bei der WAST zu erfragen. Ich denke das man aufgrund dieser Daten dann mehr sagen könnte.

    Hallo Taiko,

    die ehemalige WASt ist ja inzwischen eine Abteilung des Bundesarchivs. Dort habe ich angefragt, und die Informationen aus der Antwort sind der Ausgangspunkt für meine Fragen in diesem Thread.

    Laut BA/WASt-Auskunft war mein Opa mit letzter Meldung 1944 beim GR220. Danach folgt nur noch die Vermisstmeldung vom 17.4.45. Ich hatte auch schon vermutet, dass er ganz zum Ende des Krieges, nachdem das GR220 fast vollständig aufgerieben worden war, zu einer anderen Einheit versetzt wurde, aber bei der WASt ist nichts dazu vermerkt, deshalb gehe ich inzwischen wieder davon aus, dass GR220 der letze Stand ist.

    Möglicherweise gibt es in diesem Beiträgen Hinweise oder Ansätze hinsichtlich den KTB's dieses Regiments, die bezüglich der eingangs gestellten Fragen weiterhelfen könnten:

    Hallo Nicco,

    Danke für den Hinweis. Auf den Thread war ich vor einiger Zeit auch schon bei einer Forum-Suche gestoßen. Ich denke, ich werde tatsächlich mal versuchen, mir das KTB des GR220 für 1945 zu besorgen.

    Der Thread listet auch einige Quellen zur 58.I.D. auf; zu dieser Division findet man wesentlich mehr als zum GR220. Wenn ich allerdings die Informationen richtig lese, dass war das GR220 1945 gar nicht mehr der 58.ID unterstellt. Daher auch der zweite Teil meiner Frage Nr. 1. Da hoffe ich auf Hilfe von jemandem, der Zugriff auf die richtigen Quellen hat.

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  • Mein Großvater diente in der 170.ID und wurde Anfang 1945 verwundet. [...] Ich denke, dass kurz vor Ende des Krieges vieles möglich gewesen ist.

    Hallo Christian,

    Grüße aus dem Rheinland in meine alte Heimat Lüneburg! ich bin in der Ostheide aufgewachsen und in Lüneburg zur Schule gegangen.

    Mein Großvater wurde zwar im Laufe des Krieges auch mindestens 1x verwundet, aber nicht ganz am Ende. Es war also nicht ein Lazarett-/Genesungsaufenthalt, den er genutzt hat, um sich abzusetzen, und auch nicht ein Lehrgang o.ä., wie von Taiko vermutet. Wenn meine Vermutungen zur Lage des Ortes Petersfelde stimmen, dann bestätigt die WASt/BA-Informationen ja, dass er im Kampfgebiet im Osten als vermisst gemeldet wurde.

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  • Hallo Tetris,

    Danke für die Info. Aufgrund der dir vorliegenden Unterlagen gilt somit....

    Vermisstenmeldung 17.04.1945

    Diese erfolgt in der Regel bei Abgleich der Tagesstärkemeldung oder ähnlicher Meldeabläufe

    innerhalb der Divisionsabteilungen. Sie kann Rückwirkend erstellt worden sein. Basis ist natürlich

    die Stärkemeldungen auf Gruppe / Zug und Kompanieebene. Somit kann man im wesentlichen den Zeitraum

    auf 2-3 Tage verringern, also frühestens 14.4.45.

    Der Seeweg...

    Der Soldat hätte somit rund 600 km Weg vor sich,... fiktiv... Seetransport (mgl. ohne Registratur)

    von Danzig (mgl), Jeder Seetransport hätte min. bis Stralsund / Rostock oder Wismar führen müssen,

    denn die sowjetische Armee stand Ende Mrz bereits entlang der Oder Linie. Ab Ankunft in diesen Häfen wäre er

    einer Erfassung / Registratur / Sammelstelle wohl nicht entkommen. Nehmen wir als beste Möglichkeit eine

    Sammelstelle z.B. in Stralsund. Er schafft es bis nach Stralsund (wie gesagt er ist frühestens seit dem 14.4. abgängig),

    binnen 2 Tage 400km Seeweg... direkt von Danzig. In der Sammelstelle würde er erfasst, namentlich, Truppenteil

    etc... er hat Glück, wird zur Fronttruppe eingeteilt, Beispiel Wittenberge an der Elbe.

    Die Allierten erreichten um den 12.4 den Verteidungsbereich, Übergabe 3.5.45. Die Elbbrücken waren gesprengt, er würde also

    ca. 16-17.4, spätestens um den 20.4 Wittenberge erreichen, dann in der Nacht über die Elbe schwimmen (wie viele Kameraden),

    dann den Allierten entkommen, dann ein Krad finden / klauen und ab in die Heimat nach Lüneburg, also nochmals entweder

    hinter oder vor den Linien sich bewegen...

    Sorry an dieser Stelle... es gibt Zufälle, es gibt die schier verrücktesten Geschichten etc... aber die zeitlichen Zusammenhänge passen

    so nicht.

    Nehmen wir den Landweg... Poradz / Petersfelde guter Platz... nächste Strecke Poradz / Petersfelde -> Stettin -> Umgehung der russischen Front bei Swinemünde

    dann noch 280km bis Lüneburg. Auf dieser Strecke befinden sich "zahlreiche" Sammelstellen / Kettenhunde etc... inkl. einer noch immer funktionierenden

    formalen Struktur mit Dienststellen etc... deutsche Knotenpunkte / SS / Polizei und was weiß ich noch alles ... Greifswald / Rostock / Schwerin / Waren (Müritz) (um nur ein

    paar zu nennen), dann bis ca. Lauenburg, Elbübergang zwischen Lauenburg und Hitzacker, also Beweggung zwischen deutschen und Allierten Linien.

    Eher nachvollziehbar, eher möglich aber nicht bis zum 17.4...

    Zudem erschwerend... er hat keine Frontlageninformation. Beim Landweg (weg von der russischen Frontlinie) muss er durch zahlreiche Gebiete

    wo er weder Strassen noch sonstiges nutzen kann. Er kann weder auf Solidarität noch Verständnis der Einwohner zählen und "Fremde" würde gemeldet werden.

    Er bräuchte eine riesen Menge Glück... Er muss min. 2 Frontlinien queren, er muss durch die deutschen Linien, durch die Allierten hin und zurück...

    Daher vermute ich eine Ankunft erst im Mai 45 in Lüneburg, mit nur einer Frontquerung (russische Linien) und selbst das wäre mehr als Glücklich...

    Eher wahrscheinlich...

    Petersfelde ... Bewegung >Richtung Stettin / Swinemünde, Frontquerung Richtung Greifswald, dann grobe Richtung Güstrow...

    dann in Frontsammelstelle, Frontnahe Verfrachtung, wenn dann dort Flucht, entlang der Elbe Richtung Wittenberge, Lenzen, Dömitz, dann eigener Elbübergang (Schwimmen etc...),

    dann Dannenberg -> Lüneburg. (Rückkehr ca. Ende April / Anfang Mai 45)

    (Somit hätte ich die "Fahnenflucht" eingebaut, an die ich aber "nicht" glaube) ich persönlich denke eher, das er mit einer großen Menge deutscher Soldaten irgendwo zwischen

    der Ostsee und Hamburg durch die allierten Festgesetzt wurde und er vor der Gefangenenregistration diesem Lager entkommen ist. Dann hätte er sich bereits hinter den

    Linien befunden und eine Rückkehr / Durchschlagen nach Lüneburg ist immer möglich. "Aber" wie er unentdeckt über die Elbe kam wird immer sein Geheimnis bleiben.

    Alles andere halte ich zwar für möglich aber alleine schon zeitlich für Unwahrscheinlich.

    BG Taiko

  • Zunächst mal Danke Dir, Taiko, für Deine Hilfe bei dem Versuch, das Rätsel zu lösen!

    Vermisstenmeldung 17.04.1945

    Diese erfolgt in der Regel bei Abgleich der Tagesstärkemeldung oder ähnlicher Meldeabläufe innerhalb der Divisionsabteilungen. Sie kann Rückwirkend erstellt worden sein. Basis ist natürlich die Stärkemeldungen auf Gruppe / Zug und Kompanieebene. Somit kann man im wesentlichen den Zeitraum auf 2-3 Tage verringern, also frühestens 14.4.45.

    Angenommen das Datum stimmt, wie erklärst Du Dir dann, dass als Ort Petersfelde angegeben ist, obwohl das Gebiet um Petersfelde seit mindestens Anfang März 45 unter sowjetischer Kontrolle war und obwohl das Regiment meines Opas Mitte April laut Aufzeichnungen an einem weit entfernten Ort stand?

    Nehmen wir den Landweg... Poradz / Petersfelde guter Platz... nächste Strecke Poradz / Petersfelde -> Stettin -> Umgehung der russischen Front bei Swinemünde dann noch 280km bis Lüneburg. Auf dieser Strecke befinden sich "zahlreiche" Sammelstellen / Kettenhunde etc... inkl. einer noch immer funktionierenden formalen Struktur mit Dienststellen etc... deutsche Knotenpunkte / SS / Polizei und was weiß ich noch alles ... Greifswald / Rostock / Schwerin / Waren (Müritz) (um nur ein paar zu nennen), dann bis ca. Lauenburg, Elbübergang zwischen Lauenburg und Hitzacker, also Beweggung zwischen deutschen und Allierten Linien.

    Eher nachvollziehbar, eher möglich aber nicht bis zum 17.4...

    Zudem erschwerend... er hat keine Frontlageninformation. Beim Landweg (weg von der russischen Frontlinie) muss er durch zahlreiche Gebiete wo er weder Strassen noch sonstiges nutzen kann. Er kann weder auf Solidarität noch Verständnis der Einwohner zählen und "Fremde" würde gemeldet werden.

    Er bräuchte eine riesen Menge Glück... Er muss min. 2 Frontlinien queren, er muss durch die deutschen Linien, durch die Allierten hin und zurück...

    Daher vermute ich eine Ankunft erst im Mai 45 in Lüneburg, mit nur einer Frontquerung (russische Linien) und selbst das wäre mehr als Glücklich...

    Ich stimme Dir 100%ig zu, sowohl der Seeweg als auch der Landweg ist schwer vorstellbar, wenn man das Datum 17.4. als richtig voraussetzt, Wenn aber das Datum falsch notiert wurde und stattdessen z.B. der 17.2. richtig wäre (was besser zum Frontverlauf Petersfelde passen würde), dann kann ich mir ein Durchkommen auf dem Landweg - mit viel Glück! - vielleicht vorstellen. Zu der Zeit hatte die russische Front noch nicht die Ostseeküste von Vor-/Westpommern erreicht erreicht, und die Briten waren auch noch weit weg von Lüneburg. Zu dieser Zeit hätte mein Opa sich also nicht durch zwei alliierte Fronten, sondern "nur" durch deutsch kontrolliertes Gebiet durchmogeln müssen. Als Kradmelder- und -kundschafter hatte er das geeignete Fahrzeug dafür und wahrscheinlich auch das nötige Kartenmaterial. Deutsche Kontrollposten könnte er vielleicht mit einem gefälschten Einsatzbefehl oder einem anderen Vorwand getäuscht haben - oder gar einem echten?! Für einen Kradmelder war es ja nicht ungewöhnlich, dass er bei Boten- und Kundschafteraufträgen zeitweise relativ weit entfernt von seiner eigenen Einheit operierte. Das erregte vielleicht nicht sofort Verdacht?

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  • Hi Tetris,

    wie gesagt alles Spekulation. Die Organisation der 58 ID war bis April 45 intakt. Ich habe mir die Daten des Quartiermeisters der 58 ID angeschaut

    und man findet hier zahlreiche Unterlagen und Hinweise auf Bezug von Desertationen - bzw festgenommene Wehrmachtsangehörige die die hier anzuwendenden

    Maßnahmen. Basis Deiner Angaben ist die Vermisstenmeldung vom 17.4. nicht vom 17.2.45. Du kannst Dir gerne hier ansehen, wie präzise die Erfassung von Abläufen etc.

    selbst gegen Ende des Krieges funktionierte...

    https://wwii.germandocsinrussia.org/de/nodes/7838-akte-453-unterlagen-der-quartiermeisterabteilung-der-58-infanteriedivision-befehle-und-sonderbefehle-sowie-tagesbefehle-zu-personalfragen-des-divisions-versorgungsregiments-158-u-a#page/17/mode/inspect/zoom/5https://wwii.germandocsinrussia.org/de/nodes/7838-akte-453-unterlagen-der-quartiermeisterabteilung-der-58-infanteriedivision-befehle-und-sonderbefehle-sowie-tagesbefehle-zu-personalfragen-des-divisions-versorgungsregiments-158-u-a#page/17/mode/inspect/zoom/5

    Unabhängig davon welche Einträge im Lexikon der Wehrmacht hinterlegt singt, kann man in den o.g. Link erkennen, das oftmals Truppenteile mit anderen Verbänden zusammengefasst wurden und in Frontbereiche eingeschoben wurden. Ich zweifel nicht an Petersfelde, jedoch sehe ich hier keine Möglichkeit zu diesem Zeitpunkt bis Pillau / Hela durch zukommen, einzig Swinemünde scheint erreichbar. Bei Abtrennung von Teilen der Division z.B. der Einkesselung etc.. wurde oftmals der Tag der letzten Standortmeldung verwendet, um ein Fixdatum zu melden. Ob dies hier der Fall war weiss ich allerdings nicht. Petersfelde klingt für mich zumindest insofern logisch, das die Wehrmacht so lange wie möglich die Küstenstrasse Richtung Stettin offen halten wollte. Sollte also dieser Standort richtig sein, so bleibt nur der Landweg überig. Woher das Krad kam, keine Ahnung, zumindest in Stettin und Swinemünde hätte er ggf. schwimmen müssen. Er hätte auch Tanken müssen, er wäre mit Sicherheit durch zig Strassensperren gekommen. Daher glaube ich nicht so ganz an die Geschichte, zu kompliziert, zu viel wenn und aber... Aber unabhängig aller Spekulationen, er war ja schliesslich in Lüneburg und nicht in Russland in Gefangenschaft, also irgendeinen Weg hat er genommen.

    Vielleicht kannst Du uns ja die Beschreibung des BA/WAST mal einstellen, vielleicht kommen wir so darauf. Namen kannste gerne schwärzen.

    BG Taiko

    Karte_Petersfelde.JPG Petersfelde ( Nahe Bialogard / Ostsee)

    Edited once, last by Taiko (August 18, 2021 at 1:41 PM).

  • Taiko : Dank Dir noch mal für Deine wertvollen Hinweise und Deine Einschätzung, auch und gerade weil Du meine Theorie kritisch hinterfragst!

    Danke auch für den Link zu den Quartiermeister-Unterlagen der 58. ID. Ich bin immer noch auf der Suche nach öffentlich zugänglichen Dokumenten (KTB, Karten, Literatur, ...) zum IR/GR220; leider habe ich im Internet bisher so gut wie nichts gefunden.

    Deine Antwort mit Bezug auf die 58. ID wirft bei mir erneut die Frage auf: War das GR220 im April 1945 überhaupt noch der 58. ID unterstellt?? In der Gliederung 1944 im LdW ist das GR220 nicht aufgeführt. Kam das GR220 irgendwann wieder zur 58. ID zurück? Wo könnte man das nachschauen?

    Anbei die WASt/BA-Karteikarte meines Opas mit der Vermisstmeldung. Bundesarchiv Karteikarte HKA Dohrmann.pdf

    Könnt ihr daraus etwas mehr herauslesen? Ich fand es u.a. etwas seltsam, dass die Meldung erst 1948 in der Kartei eingetragen wurde.

    Und ich bin auch nicht ganz sicher, wie der Text der Meldung genau lautet. Ich lese: "17.4.45 vermißt bei Petersfelde, L[au]t. Vorl.[äufiger] Meld[un]g. Vordr.-(?)ste Nr. 126, Truppe". Was bedeutet das Wort "Vordr...." über den Zeilenumbruch?

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  • Hallo Harm,

    ich würde meinen, dass "Vordr..." für "Vordruck" und "lfd." für "laufende" steht.

    Die Meldung würde dann lauten: "14.04.45 vermißt bei Petersfelde, laut vorläufiger Meldung, Vordruck laufende Nr. 126, Truppe

    Viele Grüße

    Nicco

  • Hallo Zusammen,

    eine Bitte an die Handschriftspezialisten, ich entziffere im Bereich Truppenteil 2. Grenadier Kompanie Wehr... U. (Unteroffizier) Lehrgang X

    Wenn dem so stimmt, würde das erklären warum er zu dieser Zeit nicht im Raum der 58 ID sich bewegt, denn er scheint auf einem Lehrgang gewesen zu

    sein, bzw. "Fortbildung" Frontnah wenn man das so sagen darf. Vielleicht kann jmd mehr zur Einheit mitteilen.

    Die Karteikarte wurde 1948 aufgrund der Unterlagen der Meldung vom 14.4.45 ausgefertigt. Bitte beachte das er somit auch um dieses Datum erst abwesend

    war, also all Deine zeitlichen Abläufe müssen zur Ausgangslage passen.

    Übrigens muss ich wohl den Ort Petersfelde neu auslegen, denn das 2. Petersfelde Oblast Kaliningrad, nahe Königsberg passt deutlich besser und würde auch

    eine Flucht über Pillau ermöglichen. Dann wie bereits beschrieben, per Schiff und dann der ganze Rest... (ich schaue mir das nochmals auf den entsprechenden

    Landkarten an.)

    BG Taiko.

  • Hallo zusammen,

    ein Gedanke in Bezug auf den Begriff Fahnenflucht.

    Unter Umständen ist von der Truppe ein Gerichtsverfahren wg. Fahnenflucht eingeleitet worden.

    Hierzu hat das BA Freiburg etliche Unterlagen.

    Eine Nachfrage dort kann nicht schaden.

    Grüße von

    Pummel

  • Hallo und Danke noch mal an alle, die sich beteiligen.

    ich entziffere im Bereich Truppenteil 2. Grenadier Kompanie Wehr... U. (Unteroffizier) Lehrgang X

    Wenn dem so stimmt, würde das erklären warum er zu dieser Zeit nicht im Raum der 58 ID sich bewegt, denn er scheint auf einem Lehrgang gewesen zu

    sein, bzw. "Fortbildung" Frontnah wenn man das so sagen darf. Vielleicht kann jmd mehr zur Einheit mitteilen.

    Frage: Ist es so, dass der Truppenteil auf der WASt-Karteikarte immer dem Datum der ersten eingetragenen Meldung entspricht? Wird also eine Karteikarte angelegt, wenn die erste Meldung eingeht?

    Wenn das "Wehr..." mit dem "X" am Ende zusammengehört, könnte hier der Wehrkreis X (Hamburg) gemeint sein? Das würde zur 58. ID passen.

    Wenn der besagte Lehrgang nicht frontnah, sondern in der Heimat, in Hamburg oder Umgebung, stattfand, dann wäre die Flucht bis nach Hause nicht sehr weit gewesen.

    Übrigens muss ich wohl den Ort Petersfelde neu auslegen, denn das 2. Petersfelde Oblast Kaliningrad, nahe Königsberg passt deutlich besser

    Wie kommst Du zu der Einschätzung, dass dieser Ort besser passt? Der war doch im April 1945 bereits seit etwa drei Monaten in sowjetischer Hand?!

    Unter Umständen ist von der Truppe ein Gerichtsverfahren wg. Fahnenflucht eingeleitet worden.

    Wäre dann nicht auf der WASt-Karteikarte etwas vermerkt? Die Meldung "Vermißt..." klingt nicht danach als ob Verdacht auf Fahnenflucht bestand.

    ___

    @alle: Ich wiederhole noch einmal meine Frage: Hat jemand eine Quelle, aus der hervorgeht, welcher Einheit das GR220 bei Kriegsende unterstellt war? War es das 58. ID?

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  • Hallo zusammen,

    Hallo Tetris L,

    wenn der Soldat z.B. aus dem Urlaub nicht zurück zur Einheit gelangte oder er bei Gefechten nicht zur Einheit zurück kehrte, wurde er zunächst als vermisst gemeldet.

    Konnte sein "Verschwinden" nicht ausreichend geklärt werden, wurde oft durch das zuständige Wehrmachtsgericht (der Div.) ein Verfahren wegen unerlaubte Entfernung/Fahnenflucht eröffnet.

    Quasi "von Amts wegen".

    Ist das "Verschwinden" nach einiger Zeit (manchmal mehrere Monate) immer noch nicht geklärt, wurde der Soldat i.d.R. in ein Ersatz-Truppenteil versetzt, damit seine ursprüngliche Planstelle wieder mit einer realen Person besetzt werden konnte.

    Diese "Vermisst" Meldung hat die WAST i.d.R. auf der Karteikarte.

    So geschehen bei meinem Opa. Er kam nach Heimaturlaub nicht bei seiner Einheit an.

    Diese meldete ihn als vermisst. Auch auf seiner Karte stand nur "vermisst".

    So wurde er auch jahrelang bei WAST und beim DRK geführt.

    Durch einige Unterstützung und Ideen hier aus dem Forum, bekam ich genau diesen Hinweis (Anfrage beim BA Freiburg). Ich fragte telefonisch in Freiburg nach und der (wirklich nette) Mitarbeiter konnte innerhalb weniger Minuten ein Ergebnis feststellen.

    Und siehe da, es gab ein Gerichtsverfahren von dem wohl beide Stellen (WAST und DRK) nichts wussten.

    Die Akte habe ich mir kopieren lassen und ist nun in meinem Besitz.

    Grüße von

    Pummel

  • Hallo Pummel,

    Danke für die Erläuterung, vielleicht frage ich dann auch mal in Freiburg nach!

    @alle: Im Fall meines Opas lagen zwischen dem Datum der Vermisstmeldung und der deutschen Kapitulation weniger als drei Wochen, und in dieser Zeit besetzten die Alliierten bereits große Teile des Reichsgebietes. Da zeigte die Organisation und Bürokratie der Wehrmacht doch bestimmt erste Zerfallserscheinungen?! Wurden auch so kurz vor Kriegsende alle Fälle von unerlaubte Entfernung/Fahnenflucht noch konsequent verfolgt?

    Dank und Grüße

    Harm

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  • Konnte sein "Verschwinden" nicht ausreichend geklärt werden, wurde oft durch das zuständige Wehrmachtsgericht (der Div.) ein Verfahren wegen unerlaubte Entfernung/Fahnenflucht eröffnet. [...]

    Durch einige Unterstützung und Ideen hier aus dem Forum, bekam ich genau diesen Hinweis (Anfrage beim BA Freiburg). Ich fragte telefonisch in Freiburg nach und der (wirklich nette) Mitarbeiter konnte innerhalb weniger Minuten ein Ergebnis feststellen. Und siehe da, es gab ein Gerichtsverfahren von dem wohl beide Stellen (WAST und DRK) nichts wussten. Die Akte habe ich mir kopieren lassen und ist nun in meinem Besitz.

    Ich habe per Mail beim BA Freiburg angefragt. Heute ist die sehr freundliche Antwort gekommen:

    Quote

    Die im Bundesarchiv, Abteilung Militärarchiv, verwahrten wehrmachtgerichtlichen Unterlagen habe ich geprüft.

    Leider konnten keine Unterlagen zu ... {Name} ... ermittelt werden.

    Ich bedauere, Ihnen keine positive Antwort geben zu können. Aufgrund der großen Schriftgutverluste durch Kriegseinwirkungen ist es aber leider nicht ungewöhnlich, dass sich zu einzelnen Soldaten keine oder nur wenige Hinweise ermitteln lassen.

    Wegen Geringfügigkeit verzichte ich auf die Erhebung von Gebühren für Recherchen und Auskünfte aus Archivgut gemäß der Bundesarchiv-Kostenverordnung.

    Da komme ich leider nicht weiter. :(

    Immerhin hat's kein Geld gekostet, nur Zeit - meine und die des BA-Mitarbeiters. ;)

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