Karriere in der Wehrmacht als Promovierter?

  • Hallo Vormeister,

    dein Beitrag macht mich auf ein Problem dieses Threads aufmerksam: der Begriff Promotion.

    Heutzutage ist das Promotionsstudium ein weiterführender Studiengang, ob altmodisch nach dem ersten Universitären Abschluss (Magister) oder gemäß Bolognaprozess nach dem zweiten (Master), der gemäß praktisch aller Promotionsordnungen mindestens eine besondere Eignung für das Fach voraussetzt, oft an eine Note gekoppelt.
    Das war nicht immer so. Noch bis zur Kultusministerkonferenz 1957 war der erste Abschluss in den Geisteswissenschaften immer der Doktor, erst nach der Konferenz wurden die Magister eingeführt, die alten Promotionsstudiengänge hielten sich noch bis in die 70er. Die Anforderungen einen solchen Studienganges sind mit der heutigen Promotion nur beschränkt zu vergleichen. Vor allem waren die damaligen Dissertationen keine Produkte jahrelanger Forschung, sondern vom Umfang und Anspruch weit darunter. Am Rande: Guido Knopp hat z.B. einen solchen Abschluss (und die Professur hat er an einer Privathochschule für Fernsehjournalismus – nix mit Geschichtsprofessor).

    Ich würde bei den oben genannten Generalen Rendulic und Hubicki nicht von Akademikern sprechen. Sie wollten Offiziere werden und dort ihre Karriere machen. Sicher, sie haben einen universitären Abschluss, wie alle Offiziere der Bw im Truppendienst auch, aber keine akademische Karriere angestrebt, die über das erste Studium hinausgeht.

  • Das ist prinzipiell richtig.

    Rendulic hat aber erst nach abgeschlossenem Studium die Offizierslaufbahn eingeschlagen. Ob er tatsächlich jemals als Jurist gearbeitet hat, kann ich nicht eruiren. Vermutlich eher nicht, da er bereits 1910, also mit 23 Jahren, in die Österreichische Armee eingetreten ist.

    Hubicki hat jedenfalls sein Studium während seiner Offizierstätigkeit absolviert und abgeschlossen.

    lg aus Wien

    Vormeister

  • Quote

    Original von AugustdieterDas Beispiel sei hier angeführt das bis 1938, bis auf Ausnahmen, nur Adelige Offizier werden konnten.

    Hallo,

    da muß ich etwas widersprechen. Was für die kaiserliche Armee wohl noch fast uneingeschränkt zutrifft, läßt sich so spätestens für die Zeit der Weimarer Republik nicht mehr aufrechterhalten. Es gab seit dem I. WK einen deutlichen Trend zur "Verbürgerlichung des Militärs" bzw. zur "Militarisierung des Bürgertums". Wenn ich mir allein die Stellenbesetzungslisten der Kavallerie aus der Mitte der 30er Jahre ansehe, sind die dort verzeichneten Offiziere nur noch etwa zur Hälfte adeliger Herkunft.

    Gruß Falk

    Suche alles über Aufkl.Abt. 161 (61. ID), Kavallerie-Regiment 4 Allenstein und Reiter-Regiment 2 Allenstein.

  • Hallo Falk,

    Kai hatte das einige Beiträge vorher auch schon angemerkt.

    In der absoluten Form stimmt das nicht aber was ich damit ausdrücken wollte das man einen "Intellektuellen Hintergrund" haben musste und eine
    Durchgängigkeit vom Mannschaft bzw. Unteroffiziersstand nicht häufig vor kam.

    Quote

    Wenn ich mir allein die Stellenbesetzungslisten der Kavallerie aus der Mitte der 30er Jahre ansehe, sind die dort verzeichneten Offiziere nur noch etwa zur Hälfte adeliger Herkunft.

    Wobei das auch von Regiment zu Regiment stark schwankte. Ein Beispiel
    ist hier das Infanterie-Regiment 9

    Gruss Dieter

  • Hallo miteinander !

    Sehr interessant die Meinunngen hier zu lesen. Manchmal fing aber die sog "Karriereleiter" ganz unten an und der Name wurde nicht benutzt um diese Leiter hinauf zu klettern.
    Das waren aber die rühmlichen Ausnahmen.
    Diese Leute absolvierten ihren Militärdienst - mehr nicht.
    Hier ein Foto eines einfachen Arbeitsmannes der RAD-Abteilung 5/235 aus dem Jahr 1936. Diese Mann gehörte dem deutschen Hochadel an.
    Das einzige Privileg, daß mein Vater ihm zugestanden hatte, war die Genehmigung seine eigenen Stiefel zu tragen.
    Der Mann hatte Schuhgröße 52 !! dafür gab es keine Knobelbecher.
    So nun gebe ich Euch über die Feiertage das Rätsel auf, den Namen des Mannes herauszufinden. Einziger Hinweis, er lebte nach dem Krieg bis zu seinem Tod in Süd - Afrika.

    Frdl. Gruß
    Dieter (W)

    [Blocked Image: http://img22.myimg.de/vArnim44c0d_thumb.jpg]

  • Quote

    Original von Rainer
    Hallo,
    hier ist noch ein Promovierter:
    http://www.lexikon-der-wehrmacht.de/Personenregister/MaussK.htm
    Gruss
    Rainer

    Der übrigens in Zahnmedizin (Dr. med. dent.) promoviert hat. [EDIT sehr wahrscheinlich diese: Zahnanomalien bei Idioten und Imbezillen, Mauss, Karl. - Berlin, Dissertation 1928]

    Bei den Promotionen sollte man übrigens nach Fachrichtungen differenzieren, da gab es schon damals beachtliche Unterschiede. Das hier:

    Quote

    Original von Kai G.
    Die Anforderungen einen solchen Studienganges sind mit der heutigen Promotion nur beschränkt zu vergleichen. Vor allem waren die damaligen Dissertationen keine Produkte jahrelanger Forschung, sondern vom Umfang und Anspruch weit darunter.


    würde ich auch für die Jahre vor 1945 nicht generalisieren.
    (bei Bedarf: einige Beispiele)

    Grüße cpa95

    EDIT 2:

    zu den beiden zuletzt Genannten würde übrigens Folgendes passen:
    Dr. iur. Friedrich Günther: Der Verzicht des Bürgerlichen Gesetzbuches auf eine Klage aus nützlicher Verwendung und seine Folgen, Diss. Göttingen 1926
    Dr. Heinz Dührkop: Anisotropie der Lichtabsorption gelöster Moleküle im elektrischen Feld, Diss. Kiel 1940
    (aus der Deutschen Nationalbibliothek)

    Edited 3 times, last by cpa95 (December 28, 2009 at 9:31 PM).

  • Hallo cpa95,

    den Hinweis der Differenzierung nach Fachrichtung nehme ich an, die technischen Studiengänge z.B. kannten i.d.R. keine grundständige Promotion, aber für die der Philosophischen Fakultäten (Geschichte, Philosophie, Philologie, Archäologie usw.) möchte ich meine Aussage voll und ganz gelten lassen. Allein der Umfang der Diss. spricht gegen jahrelange Arbeit.

    Nun bin ich zwar weder Mediziner, noch Naturwissenschaftler, noch Rechtswissenschaftler, aber auch deren Diss.-Umfang scheint mir nicht nach jahrelanger Forschung auszusehen. Die drei Beispiele deines Posts:

    Mauss, Zahnanomalien – 31 Seiten (Oktav, d.h. deutlich kleiner als DIN A4)
    Günther, Verzicht – 84 Seiten (Oktav)
    Dührkop, Anisotropie – 34 Seiten mit Abb. (Oktav)

    Das sind auch keineswegs Ausnahmen nach unten hin, zweistellige Seitenzahlen waren für damalige Diss. eher die Regel. Der Umfang allein ist freilich nicht qualitätsentscheidend, aber was soll sich denn großartig auf so wenig Raum ausarbeiten lassen? Das entzieht sich mir dann doch.

    Das ganze hängt auch eher mit dem anderen Stellenwert einer Promotion zusammen. Damals war sie wenig mehr als der Nachweis wissenschaftlich arbeiten zu können und wurde in sehr viel jüngeren Jahren erreicht – eben weil der Dr. ein i.d.R. grundständiger Abschluss war. Th. Mommsen war nach gerade 5 Jahren Studium 26 als er promovierte (1843), F. Meineke war 24 nach 4 Jahren Studium (1886), H. Berve war 25 nach 6 Jahren Studium (1921) – um nur ein paar der größten Historiker dieser Zeit zu nennen.
    Heutzutage dagegen ist die Diss. ein sehr viel wichtigerer Benchmark für eine akademische Karriere, was auch mit der zunehmenden Internationalisierung zusammenhängt. Im englischen Raum nämlich ist die Promotion Zugangsvoraussetzung für die Professur und einen Stuhl; das war in Deutschland lange die Habil.

    Nicht dass wir uns falsch verstehen. Ich sage nicht, dass grundständig Promovierte komplette Vollidioten sind. Die Promotion sagt aber eben nicht aus, dass man eine akademische Karriere hatte, sondern sie bescheinigte selten mehr die grundlegende Befähigung zum wissenschaftlichen Arbeiten. Zwischen dieser Befähigung und der tatsächlichen Forschung als Akademiker mit entsprechender Karriere an Universitäten oder Akademien liegen ganze Welten, damals wie heute.


    @ Andre,

    sehe ich ebenso. Im Fall von Dührkop war sicher eine wissenschaftliche Laufbahn geplant, immerhin war er Assistent. Bei Günther als Bankdirekot würde ich das wiederum ausschließen.


    Grüße,
    Kai

  • Quote

    Original von Kai G.
    Die drei Beispiele deines Posts:
    Mauss, Zahnanomalien – 31 Seiten (Oktav, d.h. deutlich kleiner als DIN A4)
    Günther, Verzicht – 84 Seiten (Oktav)
    Dührkop, Anisotropie – 34 Seiten mit Abb. (Oktav)

    Das sind auch keineswegs Ausnahmen nach unten hin, zweistellige Seitenzahlen waren für damalige Diss. eher die Regel. Der Umfang allein ist freilich nicht qualitätsentscheidend, aber was soll sich denn großartig auf so wenig Raum ausarbeiten lassen? Das entzieht sich mir dann doch.

    Hallo Kai,

    da hast Du mich mißverstanden. Die drei von Dir zitierten Beispiele habe ich lediglich nebenbei und spaßeshalber herausgesucht, weil sie namentlich oben genannt wurden. Nichts anderes war der Hintergrund. Das sollte eigentlich schon an Maussens "Zahnanomalien bei Idioten" deutlich werden.

    Es gibt - wie angeführt - andere Dissertationen, die das wissenschaftliche Arbeiten belegen (auf meinetwegen 30 oder auch auf >100 Seiten, wobei der Umfang im zeitlichen Kontext eben kein Ausdruck der Qualität sein sollte). Nur zwecks Verdeutlichung zwei Beispiele aus Geschichte und Ökonomie:
    Metz, Ilse: Die deutsche Flotte in der englischen Presse - der Navy Scare vom Winter 1904/05, Dissertation 1936, 125 Seiten (jedenfalls in meiner Ausgabe ;) )
    Rietz, Arnold: Englands Staatsanleihen nach dem Kriege, 98 Seiten, 1932

    Wir sollten den damaligen Erkenntnisstand berücksichtigen. Mir schwebten eher naturwissenschaftliche und ökonomische Arbeiten vor, die gemessen am Erkenntnisstand beachtliche Fortschritte brachten. Der "Fortschritt" ist nach meiner Kenntnis diverser Promotionsordnungen Maß aller Dinge, nicht der Umfang.

    Umgekehrt zu damals ist die Lage heute: zahlreiche Dissertationen mit 300 oder 500 Seiten könnte man als eine reine Reproduktion positivem Wissens bezeichnen, etwas despektierlich als "Wiederholung" oder auch unnötige Vertiefung.

    Viele Grüße
    cpa95