Selbstmord in einer Kaserne

  • Hallo in die Runde,

    ich bin auf der Suche nach Informationen über einen Soldaten aus unserer Gemeinde. Dieser hat sich am 08.06.1944 in der Kaserne Weimar erschossen.

    Wurden in solchen Fällen Ermittlungen gestartet, so dass ggf noch Akten zu diesem Fall vorhanden sein könnten?

    In der ehemaligen WAST sind ja nur die militärischen Lebensläufe zu erfahren.

    Habt ihr ggf weitere Ideen?

    Vielen Dank,

    LG

    MM

  • Ja,

    Du meinst sicher H. Frese, die standesamtlichen Unterlagen habe ich natürlich.

    Leider verliert sich die Spur der Familie.

    Daher hoffe ich auf andere Recherche-Möglichkeiten.

    So ein Selbstmord ist ja für die Vorgesetzten sehr "unschön" - da wurde doch sicher ermittelt...

    LG

  • Guten Tag ans Forum,

    zum Selbstmord von Soldaten, so die Überschrift, wird hier im FdW schon seit 2008 diskutiert.

    Das jetzige Thema unter dem Titel "Selbstmord in einer Kaserne" ist also nichts wirklich Neues.

    Es gibt themenbezogene Bücher, die auch im Netz angesprochen werden, so das von Christian Goeschel mit dem Titel: Selbstmord im Dritten Reich.

    Hier steht sinngemäß, dass die Selbstmordrate innerhalb der Wehrmacht von Kriegsjahr zu Kriegsjahr wegen des immer weniger zu erwartenden Sieges zugenommen habe. Die seelische Belastung der Soldaten sei entsprechend gestiegen.

    So soll es in der Wehrmacht zwischen April 1939 bis September 1941, insgesamt 1.196 Selbstmorde in gut zweieinhalb Jahren gegeben haben.

    Zwischen April 1943 bis September 1943, also in nur einem halben Jahr, seien es dann bereits 6.898 Selbstmorde bei der Wehrmacht gewesen.

    Soweit zu einem konkreten Zahlenvergleich eines meiner Einschätzung nach mehr und mehr alltäglichen Geschehens innerhalb der Wehrmacht.

    Im Mai 1944 wurde die Selbstmordrate bei den Streitkräften von der NS-Führung dann als "zu viele Selbstmorde" bezeichnet. Im Sinne des NS-Ideologie wurde der Selbstmord von Soldaten übrigens als soldatische Pflichtverletzung gegenüber dem Volke bezeichnet, besonders in der damaligen Kriegszeit. Eine andere soldatische Pflichtverletzung ist beispielsweise die Fahnenflucht gewesen oder anders ausgedrückt: der Soldat hatte gefälligst im Krieg zu fallen und sich nicht durch Selbstmord oder Fahnenflucht vorher in die Büsche zu schlagen.

    Theoretisch und zynisch betrachtet, lässt sich der Selbstmord in Kasernen dadurch verhindern, dass man Soldaten möglichst schnell von dort lebendig an die Front schickt.

    Die Selbstmordart des Erschießens dürfte unter Soldaten verbreitet gewesen sein, denn Suizid wird gerne mit verfügbaren Hilfsmitteln begangen, beim Militär halt mit der Schusswaffe.

    Ermittlungen bei Selbsttötungen, um diesen amtlichen Ausdruck mal zu gebrauchen, dienen letztlich der Klärung, ob Fremdverschulden vorliegen könnte, d.h. ist jemand "selbstgemordet" worden und hat er auch ein hinreichendes Motiv für seinen Suizid gehabt. Aber bei einem soldatischen Suizid ist ihm das Motiv durch die NS-Führung ja quasi schon geliefert worden: soldatische Pflichtverletzung.

    Die damalige Gedankenwelt passt halt nicht mehr zu unserer heutigen Betroffenheits-Gesellschaft.

    Amtliche Akten über einen Kasernen-Selbstmord im Jahre 1944 dürften heute schon länger nicht mehr vorhanden sein, denn so etwas wird "von Amts wegen" nicht dauerhaft archiviert.

    Mit freundlichen Grüßen aus der Normandie

    Peter

    (PH)

    Edited 2 times, last by Danuser: Jahreszahl berichtigt (July 12, 2021 at 9:17 AM).

  • ... So ein Selbstmord ist ja für die Vorgesetzten sehr "unschön" - da wurde doch sicher ermittelt ...

    Hallo,

    Ermittlungsunterlagen könnten bei der zuständigen Staatsanwaltschaft oder der Polizei bzw. in entsprechenden Archiven in Weimar zu finden sein, zum Thema Suizid von Soldaten siehe auch hier im Forum:

    Selbstmord von Soldaten

    Gruß, J.H.

  • Hallo MM,

    geht es um den Heinrich Frese, zu dem Ihr auf Eurer FB-Seite sucht? War seine Mutter geb. am 04.07.1903 in Duisburg, eine geb. Ostermann verh. Frese?

    Weitere Unterlagen dürfte die WASt haben, solche Ermittlungen waren Sache der Feldgendarmerie.

    Grüße

    Thilo

    Suche alles zur Lehrtruppe Fallingbostel und zum Einsatz des NSKK in der Ukraine 1941

  • Zwischen April 1943 bis September 1941, also in nur einem halben Jahr, seien es dann bereits 6.898 Selbstmorde bei der Wehrmacht gewesen.

    Hallo Peter.

    Meinst du hier September 1943?

    Ich finde es Interessant das schon ab Frühjahr 43 die Zahlen so angestiegen sind.

    Mit der Begründung " des immer weniger zu erwartenden Sieges " hätte ich erst ab Frühjahr 44 gerechnet.

    Grüßle Petzi

  • Guten Tag ans Forum und an den aufmerksamen Leser,

    habe meinen Schreibfehler in 1943 korrigiert.

    Mit freundlichen Grüßen aus der Normandie

    Peter

    (PH)

  • Hallo Thilo,

    ich bekomme die Tage endlich die Geburtsurkunde von HF. Dann kann ich mehr über die Mutter sagen.

    Die bisherigen Daten sind alle aus der Sterbeurkunde.

    Danke für die zahlreichen Rückmeldungen!

    LG

  • Ich finde es Interessant das schon ab Frühjahr 43 die Zahlen so angestiegen sind.

    Mit der Begründung " des immer weniger zu erwartenden Sieges " hätte ich erst ab Frühjahr 44 gerechnet.

    Hallo zusammen,


    auch wenn die Masse der Deutschen den Lügen der Nazis lange glaubte, gab es doch eine klar denkende, kritische Minderheit. Der aus der Sozialdemokratie stammende Justizinspektor Friedrich Kellner schrieb in sein Tagebuch schon am

    15.4.1940

    Die Menschheit würde aufatmen, wenn es keinen Hitler mehr gäbe. Ein aus Österreich eingewanderter Arbeitsloser (Adolf Hitler) will die Welt beherrschen. Es ist nicht möglich mit 5 gesunden Sinnen zu begreifen, wie sich das gesamte deutsche Volk willenlos zur Schlachtbank führen läßt.

    Jetzt nähern wir uns einem kritischen Stadium. Die täglichen "Siege" reichen nicht mehr aus, um die kommende Niederlage zu verschleiern. Wahnsinniger oder Verbrecher? Ich sage: wahnsinniger Verbrecher.


    Grüße

    Jockel

    Der Mensch ist böse von Jugend auf (Bibel 1. Mose 8, 21)

  • Hallo,

    Ermittlungsunterlagen könnten bei der zuständigen Staatsanwaltschaft oder der Polizei bzw. in entsprechenden Archiven in Weimar zu finden sein, zum Thema Suizid von Soldaten

    Die Untersuchung eines Selbsttötungsdeliktes erfolgte im Heimatland normalerweise unter kriminaltechnischen, medizinischen ( Obduktion) und juristischen Aspekten.

    Eine "eindeutige" Schußverletzung kann postmortal verursacht worden sein ( Verdeckungsmord), denn auch für Soldaten gab es außerhalb der militärischen möglicherweise auch private "Gründe" um aus dem Leben auszuscheiden.

    Gruß Karl.

    Edited once, last by Karl Grohmann (July 13, 2021 at 10:48 AM).

  • Hallo,

    ... ich bekomme die Tage endlich die Geburtsurkunde von HF. Dann kann ich mehr über die Mutter sagen.

    Die bisherigen Daten sind alle aus der Sterbeurkunde ...

    wenn Du jetzt hier im Forum diesen Thread ebenfalls als Personensuche weiterführen möchtest, dann wäre es für interessierte Helfer sehr nützlich, wenn Du bitte alle Dir bereits bekannten Personendaten einmal zusammengefasst hier einstellen könntest. Bisher wurde hier der Familiennamen des Gesuchten in den unterschiedlichen Schreibweisen Frese und Frehse genannt, zu den weiteren Personendaten gibt es lediglich Verweise und Links zu den Portalen von facebook und ancestry - und dort ist nicht jeder FdW-User angemeldet.

    Gruß, J.H.

  • Guten Tag ans Forum und an Karl,

    sehr interessante Arbeit, die Du uns zur Kenntnis gebracht hast. Da Ermittlungsakten zu Suiziden nicht unbegrenzt archiviert werden bleibt die Frage ob der Anfragende über seine angefragte Person noch solches Material in irgendeinem Archiv auffinden kann.

    Mit freundlichen Grüßen aus der Normandie

    Peter

    (PH)

  • Hallo Forumsfreunde,

    nach langen Recherchen habe ich einen lebenden Cousin gefunden.

    Interessanterweise sagt er, das es sich nicht um einen Selbstmord, sondern um eine Exekution gehandelt haben soll.

    Meine Fragen:

    - Ist es möglich, dass man solch eine Aktion öffentlich "verschleiert" hat, denn die Angaben in der Sterbeurkunde sprechen klar von "Selbstmord"

    (obwohl ich eher vermute, das man es sich so in der Familie eingeredet hat - aber man weiß es eben nicht)

    - Wenn es sich tatsächlich um eine Exekution gehandelt haben soll, müsste doch im Jahre 1944 im Reichsgebiet (Todesort Weimar) zumindest eine Verhandlung stattgefunden haben?

    LG
    MM

  • Guten Tag ans Forum und an den "MeisterMatz" (Kürzel MM),

    habe mal stichprobenartig Sterbeurkunden von Hingerichteten (Exekutierten) und Selbstmördern eingesehen.

    Also auf Sterbeurkunden von Hingerichteten stand die Hinrichtungsart, so "Erhängen", im Klartext und auf Sterbeurkunden von Selbstmördern stand die Todesart "Selbstmord", teilweise sogar mit näherer Erläuterung, z.B. "Fenstersprung".

    Es wurde also offensichtlich nichts "verschleiert".

    "MeisterMatz", was hat denn der Cousin an Einzelheiten für seine Behauptung von der "Exekution" mitgeteilt? Der Cousin wird kein Augenzeuge der Hinrichtung gewesen sein, sondern ist bestenfalls eine sogenannter Zeuge vom Hörensagen.

    Mit freundlichen Grüßen aus der Normandie

    Peter

    (PH)

  • Hallo MM,

    Quote

    (obwohl ich eher vermute, das man es sich so in der Familie eingeredet hat - aber man weiß es eben nicht)

    Legendierung innerhalb der Familie kommt bei Selbsttötungen öfters vor, um Fragen zu einer Mittschuld der Familie, egal ob aktiv, durch deren Verhalten gegenüber der Person, oder passiv, zum Beispiel durch Ignorieren von Anzeichen, nicht erst aufkommen zu lassen.

    Grüße

    Thilo

    Suche alles zur Lehrtruppe Fallingbostel und zum Einsatz des NSKK in der Ukraine 1941