Fragen zur WAST-Auskunft bezüglich meines Urgroßvaters

  • Hallo zusammen,

    vor einiger Zeit erhielt ich die WAST-Auskunft bezüglich meines Urgroßvaters. Nun haben sich bei mir einige einige Fragen ergeben, die ich mit meinem Wissen nicht vollständig beantworten kann.

    Hier zuerst die WAST-Auskunft:

    geb. 1907 im Sudetenland

    Erstmeldung:

    02.06.1940: 1./Le.Art.Er.Abt.8, Standort Bielitz

    15.07.1940: Abgang zu Ldsch.Batl.560

    17.07.1940: Zugang zu 4./Lds.Schtz.Btl.z.b.V.560

    15.12.1943: Abgang zu Gren.Ers.u.Ausb.Btl. 317

    18.12.1943: Zugang zu Stammbattr.le.Art.Ers.Abt. 6, Standort Osnabrück

    04.01.1944: Abgang zu Umschul.Battr.le.A.E.A. 6

    ?: 1.le.Feldh.Battr.Ost Lehrgang Birke

    05.06.1944: 1./Art.Reg.371

    09.05.1945: Gefangennahme in Nowoje Mesto/Sudetenland

    Er kam bereits 1946 aus der sowjetischen Kriegsgefangenschaft.

    zudem gab es 1970 bei der Staatsanwaltschaft Würzburg ein Gerichtsverfahren


    Nun zu meinen Fragen:

    1. Wie kann es dazu kommen, dass mein Urgroßvater die Grundausbildung bei der Artillerie absolviert hat, aber dennoch dann zu einem Landesschützen-Bataillon kam? Müssten die Truppen im Hinterland, im Vergleich zu den den Fronttruppen, nicht eher aus älteren bzw. eher "ausgemusterten" Soldaten bestehen, obwohl mein Urgroßvater erst Mitte 30 war und keine bekannten körperlichen "Probleme" besaß. Zudem war er über 3 Jahre bei diesem Landesschützen-Bataillon.

    2. Was waren die genauen Aufgaben eines solchen Landesschützen-Bataillons? Ich nehme an, dass Partisanenbekämpfung eine wesentliche Rolle gespielt hat. Wahrscheinlich ist das Gerichtverfahren auch in diesem Kontext gewesen? Falls ja, warum fiel die Kriegsgefangenschaft so kurz aus?

    3. Was war 1.le.Feldh.Battr.Ost Lehrgang Birke? War dies, wie der Name schon sagt, ein Lehrgang. Falls ja, kann dieser vom 04.01.1944 bis zum 05.06.1944 stattgefunden haben. Mir erscheint das ziemlich lang. Zudem bestand schon eine Ausbildung bei der Artillerie.

    Ich hoffe, dass ihr mir bei diesen teilweise sehr spezifischen Fragen weiterhelfen könnt.

    Mit freundlichen Grüßen

    Tobias

  • Hallo!

    Zuerst einmal herzlich Willkommen hier im Forum!

    Wie kann es dazu kommen, dass mein Urgroßvater die Grundausbildung bei der Artillerie absolviert hat, aber dennoch dann zu einem Landesschützen-Bataillon kam?

    ... das kann folgende Gründe haben: Alter, Erkrankung/Verwundung, Stammkraft oder Lehrgänge (hier vermutlich Artillerie)

    Was waren die genauen Aufgaben eines solchen Landesschützen-Bataillons?

    ... das kam u.a. auf den Standort drauf an: Sicherung, Bewachung, Streifengänge (in der Not auch Partisanenbekämpfung) und sonstige einfache und "altersgerechte" Aufgaben.

    Grüße

    Sven

    Suche alles über die 91. Luftlandedivision und 77.Infanterie-Division

  • Hallo,

    der militärische Werdegang deines Urgroßvaters war in der Tat m. E. etwas abenteuerlich und auch etwas ungewöhnlich.

    Nach der Ausbildung bei der Artillerie-Ersatz-Abteilung 8 wurde er zum Landesschützen-Bataillon 560 versetzt. Für diese Versetzung habe ich, aufgrund deiner Ausführungen zu deinem Urgroßvater, nur die Erklärung bezüglich des Alters und meiner Spekulation, dass dort Personalmangel herrschte.

    Nach der Versetzung und einem offensichtlich eher kurzen Aufenthalt bei dem Grenadier-Ersatz- und Ausbildungs-Bataillon 317 wurde er zu der Artillerie-Ersatz-Abteilung 6 versetzt. Dafür habe ich keine Erklärung.

    Im Anschluss daran erfolgte die Versetzung zu dem Artillerie-Regiment 371, was einigermaßen logisch erscheint, davon abgesehen, dass die A.E.A 6, nach den Eintragungen im Lexikon der Wehrmacht, nicht für die Ersatzgestellung des AR 371 zuständig war.

    Zum Schluss noch eine schematische Gliederung eines Artillerie-Regiments aus dem Lexikon der Wehrmacht:

    http://www.lexikon-der-wehrmacht.de/Zusatz/Heer/Ar…ie-Regiment.htm.

    Viele Grüße

    Nicco

    Edited 3 times, last by Nicco (January 31, 2021 at 1:56 PM).

  • Servus Tobias,

    Du fragst in Deinem Beitrag nach, warum die Kriegsgefangenschaft Deines Urgroßvaters in Russland so kurz war.

    Hierfür gibt es eine allgemeine Erklärung. Für die Sowjets war es wichtig, dass sie einen Nutzen von den Kriegsgefangenn hatten, d.h. sie waren zur Arbeit eingesetzt und hatten auch Normen zu erfüllen. Die Kriegsgefangenen sollten helfen das ruinierte Land wieder mit aufzubauen. Da waren sie auch zu besonderen Projekten, wie Autobahnbauten, Errichtung und Wiedererrichtung von Schienenstrecken oder im Bergbau eingesetzt..

    Wenn von den Lagerleitungen erkannt wurde, dass der Gefangene die geforderte Arbeitsleistung absolut nicht bringen konnte und keine Besserung wegen Krankheit oder Gebrechen nicht erwartet werden konnte, dann war er nur eine Last. Konsequenz war, er wurde entlassen. Deswegen dürfte Dein Urgroßvater in irgendeiner Form krank und damit nicht arbeitsfähig gewesen sein! Also hier mal nachforschen!

    Außerdem kann es zeigen, dass er nach den Ermittlungen der Sowjets nicht besonders belastet war in Sachen Kriegsverbrechen von ihm selbst oder seiner Einheit!

    Was da bei der Statsanwltschaft Würzburg anstand, ist natürlich eine andere Frage. Hier könntest Du mal im Staatsarchiv Würzburg nach Unterlagen über den Fall fragen. Die Trefferwahrscheinlichkeit ist nach meinem Wissen ziemlich hoch!

    Gruß

    Hans

  • Hallo Tobias,

    falls noch nicht geschehen: Frag doch mal beim DRK-Suchdienst, ob die eine Akte zu Deinem Großvater haben. Vielleicht findet sich dort noch ein kleines Detail.

    Viele Grüße

    Hannes

  • Hallo zusammen,

    zudem gab es 1970 bei der Staatsanwaltschaft Würzburg ein Gerichtsverfahren

    heute habe ich bereits eine Rückmeldung vom Staatsarchiv Würzburg bekommen. Das Gerichtsverfahren bezog sich auf eine Verbindung meines Urgroßvaters zum SD-Sonderkommando Plath. Es gibt leider so viele Akten dazu, sodass eine gezielte Durchsuchung dieser nur durch mich an Ort und Stelle erfolgen kann.

    Wie kann es sein, dass er dort auch betroffen war, da er bei der Wehrmacht war und das SD-Sonderkommando nach meinen Recherchen hauptsächlich aus SS-Angehörigen sowie Angehörigen der geheimen Feldpolizei bestand?

    Falls jemand von euch weitere Informationen zu dem SD-Sonderkommando Plath hat, würde ich mich freuen diese zu empfangen.

    Mit freundlichen Grüßen

    Tobias

  • Servus Tobias,

    das ist doch gut und sei froh, dass Akten da sind und Du die einsehen kannst. Leider kannst Du z.Zt. nicht ins Staatsarchiv wegen Corona.

    Aber, wenn s wieder geht, lass Dir Akten zu dem Fall ausheben, max. 10 pro Besuch, Dir einen Termin geben und studiere das Geschehen, es wird sicherlich interessant.

    Du musst Dich halt öfter anmelden zum Studium. Zu einer Recherche gehört immer Zeit!!!

    Gruß

    Hans

  • Guten Tag ans Forum und an den Anfragenden,

    immer schön ruhig bleiben, was die "Vernehmung" betrifft. Es kommt entscheidend auf den Status des Vernommenen an. Wurde er als Beschuldigter vernommen oder als Zeuge? Tobias, wenn Sie heutzutage als Unbeteiligter einen Verkehrsunfall sehen, werden Sie ggf. als Zeuge vernommen und nicht als Beschuldigter, da Sie ja kein Unfallverursachen waren, sondern nur zufälliger Beobachter.

    Warum soll es das bei Ihrem Urgroßvater nicht auch so oder ähnlich gewesen sein? Oder meinen Sie zu wissen, dass Ihr Urgroßvater selbst an Kriegsverbrecher beteiligt war? Nur dann wäre er letztlich vom Beschuldigten zum von der Staatsanwaltschaft Angeschuldigten und dann vor Gericht zum Angeklagten geworden. Es sei denn, ein Verfahren gegen den Urgroßvater wäre von der Staatsanwaltschaft vor Eröffnung des Gerichtsverfahrens eingestellt worden und es wäre so nicht zu einem Gerichtsverfahren gegen ihn gekommen. Ich vermute eher, dass ihr Urgroßvater einer der zahlreichen Zeugen gewesen sein kann, die nach dem Krieg von Staatsanwaltschaften oder im Auftrag von ihnen durch die Polizei vernommen worden sind. Ihre Aussage, dass sich das Gerichtsverfahren auf eine Verbindung Ihres Urgroßvaters zum SD-Sonderkommando Plath bezogen habe, beinhaltet keine konkrete Angabe zum rechtlichen Status Ihres Uropas innerhalb des Gerichtsverfahrens und schließt den Zeugenstatus nicht aus.

    Also wie bereits durch Hans gesagt, wird Archivarbeit angesagt sein.

    Mit freundlichen Grüßen aus der Normandie

    Peter

    (PH)