Entlassung aus brit. Gefangenschaft in die russische Zone

  • Hallo zusammen,

    als blutiger Neuling eine Frage in die Runde mit der Hoffnung auf Hilfe:

    Der Vater meiner Frau ist am 26.12.1945 aus britischer Gefangenschaft entlassen worden. Der D2-Entlassungsschein mit Daumenabdruck liegt vor. Aus welchem Lager er entlassen wurde, ist wegen schweren Wasserschadens leider nicht leserlich. Bekannt ist aber, dass er sich im Oktober 1945 in einem Lager in "Aurich-Upmole" in Ostfriesland aufhielt.

    Er ist dann aber nicht direkt in seinen Heimatort Rerik in Mecklenburg gefahren, sondern in Berlin gelandet. Von dort stammt eine Entlassungsbescheinigung aus russischer Gefangenschaft, ausgestellt am 3.1.1946 vom Bezirksbürgermeister des Verwaltungsbezirks Berlin-Tiergarten. Dieses Dokument ist in Deutsch, Englisch und Russisch abgefasst und entsprechend gestempelt.

    Am 5.1.1946 ist er dann tatsächlich in seinem Heimatort Rerik angekommen.

    Frage: Warum der Umweg über Berlin und die russischen Behörden dort?? War das grundsätzlich erforderlich, wenn man in die russische Zone wollte (bzw. musste) ??

    Gruß von der Insel

    schupo07

  • Hallo,

    etliche aus westlicher Kriegsgefangenschaft in die damalige SBZ entlassene, wurden von den Russen sofort wieder in Gewahrsam genommen und landeten in einem Kriegsgefangenlager in Russland.

    Gruss

    Rainer

    P.S.: Herzlich willkommen im Forum

    Hier im Forum gibt es einen Themenstrang dazu:

    Heinz Kurt Höfgen

    Suum cuique

    Edited once, last by Rainer (January 24, 2021 at 11:34 PM).

  • Hallo,

    Quote


    Warum der Umweg über Berlin und die russischen Behörden dort?

    der Bezirk Tiergarten gehörte zu den drei westallierten Sektoren von Berlin. Man muß bedenke, daß es nicht ohne weiteres Möglich war, zwischen den Besatzungszonen hin- und her zu reisen. Evtl. mußte er sich erst in Berlin Papiere besorgen, mit denen eine Einreise in die SBZ möglich war.

    Grüße

    Thilo

    Suche alles zur Lehrtruppe Fallingbostel und zum Einsatz des NSKK in der Ukraine 1941

  • Hallo,

    bei meinem Vater war es genau umgekehrt: 1949 wurde er aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft entlassen;

    die Entlassung aus der Wehrmacht erfolgte dann in der britischen Zone.

    Dort hatten sich meine Großeltern nach der Flucht aus Schlesien niedergelassen (Bielefeld gehörte zur britischen Besatzungszone).

    In den Weiten des Forums fand ich meinen Thread dazu.

    Gruß
    Gerd (der aus Bielefeld)

  • Hallo,

    mit unvollständigen oder fehlenden Papiern

    -war eine Anmeldung bei der Gemeinde-/ Stadtverwaltung nicht möglich

    -gab es kein Lebensmittelkarten

    -konnte man jederzeit bei einer Personenkontrolle festgenommen werden und rückte wieder in ein Lager ein

    -hatte man in der SBZ die Chance, als Pleni die Sowjetunion kennen zu lernen.

    Also besser erstmal alles geregelt.

    Grüße

    Thilo

    Suche alles zur Lehrtruppe Fallingbostel und zum Einsatz des NSKK in der Ukraine 1941

  • Dort hatten sich meine Großeltern nach der Flucht aus Schlesien niedergelassen

    Hallo Gerd,

    alle aus der sowj. Kriegsgefangenschaft Ankommenden wurden im Lager 69 in Frankfurt/O entlassen. Die aus den Schlesien oder Sudetenland Stammenden erhielten die Weisung und Passierscheine bis zu den Orten, wo die Züge mit den Vertriebenen aus dem Heimatort gelandet sind. Es war meisten eine reine Glückssache und oftmals nur Zufall, wo diese ankamen. Wünsche durften nicht geäußert werden.

    Als mein Schwiegervater 1949 im Lager Nr. 69 ankam, wusste er, dass sein gesamter schlesischer Ort nach Krs. Artern befohlen wurde. Er hatte sich dorthin zu begeben und bei den Behörden zu melden. Meines Erachtens funktionierte das System der Familienzusammenführung ziemlich reibungslos. An allen Orten wurden jeweils die Registrierung- und Meldelisten erfasst und an DRK weiter gemeldet.

    Gruß Viktor

  • mit unvollständigen oder fehlenden Papiern

    Moin Thilo,

    ich würde deine Aufzählung mit einem Punkt ergänzen. Die aus den Westzonen Ankommenden wurden meistens durch die NKWD dahingehend überprüft, ob es nicht um einen Spion oder desgleichen handelt. Mitunter dafür wurden auch die "Speziallager der NKWD" eingerichtet.

    Gruß Viktor

  • Moin in die Runde,

    ich freue mich über die Resonanz auf meine Anfrage und danke allen für ihre Beiträge.

    Trotzdem ist mir immer noch nicht ganz klar, warum der Betreffende Günter Wolf nicht direkt in seinen Heimatort Rerik i. Mecklenburg gefahren ist.

    Ich füge deshalb mal die vorhandenen Dokumente als Anhänge bei, vielleicht kann darin jemand etwas erkennen, was den Ablauf besser erklären könnte.

    Der D2-Entlassungsschein der Briten weist leider schwere Wasserschäden auf. Die Ursache dafür liegt in dem weiteren tragischen Schicksal des Günter Wolf. Er kam 9 Monate nach seiner Entlassung bei einen Schiffsunglück in der Ostsee ums Leben. Seine Leiche wurde erst 4 Wochen später an Land gespült.

    Gruß von der Insel

    schupo07

  • ... Trotzdem ist mir immer noch nicht ganz klar, warum der Betreffende Günter Wolf nicht direkt in seinen Heimatort Rerik i. Mecklenburg gefahren ist ...

    Hallo,

    das kann auch ganz andere Hintergründe haben. Es gab z.B. bei vielen Orten, die während des Krieges erhebliche Zerstörungen erlitten hatten, bei Kriegsende eine sogenannte "Zuzugsperre", da in diesen Orten oftmals nicht mehr ausreichende nutzbare Wohngebäude und Infrastruktur wie Trinkwasser, Brennholz usw. vorhanden waren oder die Städte bereits mit Flüchtlingen aus dem Osten derart überbelegt waren, dass eine Versorgung und medizinische Betreuung der Einwohner nicht mehr ausreichend möglich und der Zuzug weiterer Personen daher nicht mehr genehmigt wurde.

    Vielleicht lag der Umweg aber auch einfach an technischen Problemen, die meisten Brücken auf den Hauptstrecken der Reichsbahn (z.B. die Elbebrücken) dürften 1945 auf dem Rückzug der Wehrmacht noch gesprengt worden sein. Eine direkte Zugfahrt von A nach B war damals oft gar nicht mehr möglich.

    Noch ein anderes Beispiel für einen "Heimkehrerumweg" aus dem Familienumfeld: Ein Onkel von mir hatte während des Krieges mit einem Kameraden Freundschaft geschlossen. Beide hatten vereinbart, dass -wenn einer der beiden fallen sollte- der andere sobald wie möglich dessen Angehörige aufsucht und die Todesnachricht und die persönlichen Sachen (soweit vorhanden) übergibt. Mein Onkel war derjenige, der dann nach seiner Entlassung aus der Gefangenschaft 1946 diesen schlimmen Weg antreten musste...

    Gruß, J.H

    ... Aus welchem Lager er entlassen wurde, ist wegen schweren Wasserschadens leider nicht leserlich. Bekannt ist aber, dass er sich im Oktober 1945 in einem Lager in "Aurich-Upmole" in Ostfriesland aufhielt ...

    Zwei meiner Angehörigen, die sich in britischer Kriegsgefangenschaft befanden, sind nach Lageraufenthalten in Schleswig-Holstein über Munster-Lager entlassen worden - dass war damals das größte Entlassungslager der Alliierten: http://munsterlager.com/index2.html