Elektrifizierung in Russland 1941-44

  • Hallo zusammen,

    vielen Dank für Euere Beiträge, toll was alles zusammenkommt.

    z.T wirkliche Spezialthemen aus dem Bereich Elektrifizierung !

    Wie schon eingangs und zwischendurch gesagt, bin ich auf diese Fragestellung gekommen,

    durch die über Jahrzehnte andauernde Beschäftigiung mit Bildmatierial auch im Zusammenhang mit Erlebnisberichten.

    Und da werdet Ihr feststellen, dass es wahrscheinlich sehr sehr selten ist Bildmaterial von russischen Dorfhäusern, Blockhäusern usw.

    mit installiertem elektrichen Licht aufzufinden, was im Umkehrschluss bei mir dazu führte, dass ich fast nur Tagesbeleuchtung,

    Kerzenbeleuchtung (z.B. die Hindenburglichter) und Petroleum/Öllampen aller Art als Beleuchtung auf Bildern von deutschen Soldaten finden konnte.


    Selten hängte mal eine Glühbirne von der Decke, die ich am oberen Bildrand gerade noch erkennen konnte.

    Und das immer in Steinbauten, vielleicht den Dorfschulen oder sowas.

    Also solltet Ihr in Eueren Sammlungen auf sowas stoßen, wäre es bestimmt interessant zu sehen.

    Viele Dank nochmals

    Grüße, ZAG

  • Und da werdet Ihr feststellen, dass es wahrscheinlich sehr sehr selten ist Bildmaterial von russischen Dorfhäusern, Blockhäusern usw.

    mit installiertem elektrichen Licht aufzufinden, was im Umkehrschluss bei mir dazu führte, dass ich fast nur Tagesbeleuchtung,

    Kerzenbeleuchtung (z.B. die Hindenburglichter) und Petroleum/Öllampen aller Art als Beleuchtung auf Bildern von deutschen Soldaten finden konnte.

    Hallo ZAG,

    ich denke, du unterliegst einem Irrtum. Zum einen gab es eine Weisung, alles, was nicht mitgenommen werden kann, sollte vernichtet werden. Die Kraftwerke zerstörte man eben deswegen, damit die Deutschen es zu bequem hätten. Zum anderen, bevor man die Lampe in der Stube benutzen konnte, musste man die Leitungen instandsetzen. Das war mit muss nicht die erste große Sorge.

    Gruß Viktor

  • Hallo Viktor,

    mag sein, aber alles was ich in 30 Jahren gesehen und gehört und gelesen habe, deutet darauf hin,

    dass es in den ländlichen Unterkünften Russlands im Regelfall kein elektrisches Licht gab.

    Grüße, ZAG

  • Hallo Viktor,

    ich muss ZAG beipflichten, in ländlichen Gebieten - und das war damals alles außerhalb der industriellen Ballungszentren oder in unmittelbarer Nähe (30 km Radius) von Großkraftwerken (Donbas-Region, Kiew, Moskau, Petersburg/Leningrad, Saratow, Gorki, Stalingrad, Baku, usw.) und außerhalb der Verbundnetz-Endpunkte (Umspannwerke), hatte keinen Niederspannungs-Netzanschluss in die Wohnhäuser. Das war aber in den Westeuropäischen Länder bis in die 50er Jahre nicht anders, und das hatte vor allem technische Gründe.

    Die teuerste und edelste Form der Energieversorgung und -übertragung war für die Industrieproduktion und Teile des öffentlichen Sektors (Krankenhäuser, U-Bahn, Eisenbahn, Straßenbahn, usw.) notwendig und sinnvoll (Primär-Aluminiumproduktion, Stahlverarbeitung und Walzwerke, Chemie- und Pharma (Pumpen, Rüchrwerke), alle Arten von Metallverarbeitung (Drehen, Fräsen, Bohren, Elektroschweißen, etc.), Fahrzeugbau (Traktoren, LKW), usw.) und natürlich die Rüstungsindustrie. Wobei die Industriezentren ebenfalls Verwaltungszentren waren - mit Straßenbeleuchtung und öffentlichem Nahverkehr (Metro).

    Die ganz großen Staudämme in der westlichen UdSSR (Don, Dnjepr, Wolga) wurden auch erst nach dem Krieg gebaut - wie im Westen z.B. die Kraftwerke am Oberrhein. Wobei ich mit "groß" die Stau- und Laufwasser-KW im Leistungsbereich 100 MW (Megawatt) bis 3 GW meine. Weil das weiträumige, vermaschte Verbundnetz (Freileitungen > 300 km) noch nicht ausgebaut waren, das kam erst mit der Spannungsebene > 300 kV, lieferte ein KW im Ural, Sibiren oder bei Baku auch keinen Strom in Dörfer in Belarus, Estland oder in der Westukraine. Die 380 kV Spannungseben wurde hier in Deutschland auch erst in den 50er Jahren eingeführt.

    Ich habe ja in Beitrag #21 diverse Karten verlinkt, die das damalige Stromnetz der SU zeigen. Darin sind auch die Netze - Leitungen und Umspannwerke - bis hinunter in die Mittelspannungsebene (10 bis 30 kV) dargestellt. Die technisch sinnvolle Reichweite der Niederspannungsnetze (400 Volt Drehstrom) liegt wegen der Übertragungsverluste im Bereich < 5 km (Wirkungsgrad besser als 90% - und das wäre schon gut !) um das nächste MS-Umspannwerk, für die Mittelspannungsebene bis zur Hochspannungs-Station (110 kV) max. 25 km. .

    Die gesamte Kraftwerksleistung der UdSSR in 1940 (ca. 20 GW = 20000 MW) entspricht etwa der Spitzenlast im heutige Nordrhein-Westfalen. Die gesamte installierte elektrische Leistung (Kraftwerkspark, einschl. EE) liegt heute in DE bei etwa 205 GW (Stand April 2020 BNA-Monitoringbericht). Nur so zum Vergleich.

    Und: die Wasserkraftwerke (Stauwasser) liefern zum großen Teil keinen Strom im Januar-März (Vereisung), die Nennleistung der Flusskraftwerke (Staustufen) steht nur während der Schneeschmelze zur Verfügung!

    Ansonsten sind nur Inselnetze (Dieselgeneratoren bis 400 kW, kleinere Wasserkraftwerke im Leistungsbereich < 100 kW) möglich - wieder mit Reichweiten 2 bis 25 km. Diese gab es natürlich in der SU auch in Kolchosen zum zeitweiligen Betrieb von landwirtschaftlichen Maschinen (Getreidemühlen, Saft- und Weinpressen, Zuckerrüben-Zerhacker, usw.) - oder auch für die Glühlampen im Versammlungsraum. Aber eben noch nicht bis in die ländlichen Häuser.

    Auch Stalingrad/Wolgograd war ein Inselnetz und hatte keinen Anschluss an die Kraftwerke aufwärts oder abwärts der Wolga, oder in den Donbas.

    Für Hintergrundwissen / Basis-Know-How:

    - https://de.wikipedia.org/wiki/Hochspannungsleitung

    - https://de.wikipedia.org/wiki/Stromnetz

    - https://de.wikipedia.org/wiki/Elektrische_Energietechnik

    Für Viktor: Die jeweils russischen Versionen der o.a. Internetseiten haben mehr lokale Infos zu den Stromnetzen in der ehemaligen SU.

    Beste Grüße, Uwe K.

    "Was sprechen die Diesel, Johann? - Die Diesel sind zufrieden, Herr Kaleu."

  • Hallo Uwe,

    vielen Dank für Deine fundierte Ausarbeitung, sehr nachvollziehbar und bestätigt meine Vermutung.

    Falls aber jemand noch was Interesantes dazu aus seiner Sammlung beitragen möchte - gerne!

    Danke nochmals

    Grüße, ZAG

  • Für Viktor: Die jeweils russischen Versionen der o.a. Internetseiten haben mehr lokale Infos zu den Stromnetzen in der ehemaligen SU.

    Hallo Uwe,

    ich verwende Wikipedia aus den bekannten Gründen nur sehr selten bis garnicht, Ebenso sind für mich Bilder oder Zeugenberichte nur ergänzende Sekundärquellen. Diese sind naturgemäß subjektiv gefärbt und von den Wunschvorstellungen geprägt. Die deutschen Touristen erkennt man in Russland sofort daran, wenn sie freudestrahlend die Kameras herausholen, um einen Aufputzschalter oder einen Schlagloch im Strassenbelag zu fotografieren. Aber jeder wird nach seinen Facon glücklich.

    Um dem Anspruch, den ZAG im Themenüberschift formuliert hat gerecht zu werden, würde ich schon etwas fundiertes als Quelle empfehlen, z.B. so wie das hier:

    https://www.dissercat.com/content/osushc…promyshlennosti

    http://diss.seluk.ru/di-energetika/

    https://www.booksite.ru/elektr/1977/1977_12.pdf

    https://lib.kgeu.ru/irbis64r_15/scan/4835.pdf

    https://www.proektant.org/books/0008-ELE-1989.pdf

    um nur wenige zu nennen.

    Gruß Viktor

  • Hallo,

    etwas fundierteres als Zeitzeugenberichte und ihre Bilder kenne ich nicht, denn die waren dabei.

    Grau ist alle Theorie, aber lassen wir das.

    Danke

    Grüße,ZAG

  • Hallo Viktor,

    > Die deutschen Touristen erkennt man in Russland sofort daran, wenn sie freudestrahlend die Kameras herausholen,
    > um einen Aufputzschalter oder einen Schlagloch im Strassenbelag

    Das hat mit dem Thema nichts zu tun.

    Bei meinem letzten Besuch in Protvino (Протвино / Институт физики высоких энергий) - nicht als Tourist, das ist leider schon ein paar Jahre her - sind mir keine "Schlaglöcher" aufgefallen.

    > ich verwende Wikipedia aus den bekannten Gründen nur sehr selten bis garnicht

    Ich habe diese Wiki-Links nur deshalb gesetzt, weil:

    - die breite Leserschaft darin das fürs Thema notwendige technisch/physikalische Basiswissen (Elektrizät allgemein, elektrische Energieübertragung, Technikgeschichte) findet

    - ohne dieses physikalisch/technische Basiswissen ist die weitere Diskussion zum vorliegenden Thema zwecklos

    - die Artikel in den gängigsten Sprachen vorliegen (!!!!!!)

    - jeder (!) hier darauf zugreifen kann - in der Sprache die er/sie/es versteht

    - denn nicht jeder FdW-Teilnehmer auf wissenschaftliche, lizensierte Fachartikel- und Fachbuch-Datenbasen oder -Bibliotheken digital und rund um die Uhr zugreifen kann (ich kann das! z.B IEEE-Explore, Springer-Links, Elsevier Science-Direct, ..., usw.)

    Was sollen die von dir verlinkten Fachartikel in Russisch der breiten Leserschaft hier im Forum bringen?

    Mir brauchst Du die Links nicht schicken - das ist für mich berufliches Präsenzwissen.

    Und: Normalerweise schreibe ich hier im Forum nicht zu Themen die direkt mit meiner Profession zu tun haben - im augenblicklichen Thema habe ich eine Ausnahme gemacht, bevor hier zu viele "alternative facts" verbreitet werden.

    Zum Thema, mein Informationsstand:

    - Einführung und Ausbau der Elektrischen Energienetze als Rückgrat der industriellen Entwicklung hatte (auch!) in der frühen UdSSR (1919-1941) hohe Priorität

    - die SU hatte dabei absolutes Weltniveau (übrigens bis heute) - wie auch andere Industrienationen während dieser Epoche

    - wie auch z.B. in Deutschland hatte dabei aber die industrielle Nutzung absolute Priorität. Der Nutzen für den privaten Bereich und das Volks-Wohlbefinden (Komfort, Bequemlichkeit, Luxus) der breiten Masse war dabei sekundär - wie auch in anderen Diktaturen. Die industriell-militärische Macht nutze die technische Entwicklung in ihrem Interesse.

    - Einzige Ausnahme in dieser Epoche waren die USA - dort spielte der private "Luxus" (Haushaltsmaschinen, individuelle Mobilität, Unterhaltung/Radio) als Treiber für den technischen Fortschritt die entscheidende Rolle. Allerdings auch nur in den Ballungsgebieten und industriellen Zentren, wo der Fortschritt am schnellsten war. Der große Schritt kam dann nach dem 2.WK. In den Haushalten: Waschmaschinen, Elektroherd, TV, überall elektrisches Licht ... bis zu Computer und Internet; im öffentlichen Bereich: Elektrifizierung der Eisenbahnen, Ausbau der U-Bahn-Netze (ohne Strom undenkbar), usw..

    - nur mit (viel!) Energie konnte der Hunger besiegt werden (Bau von landwirtschaftlichen Maschinen - Traktoren und Mähdrescher, Bewässerung, Kunstdünger und Pflanzenschutz-Chemie)

    Over and out.

    Hochachtungsvoll, Uwe K.

    "Was sprechen die Diesel, Johann? - Die Diesel sind zufrieden, Herr Kaleu."

  • Die ganz großen Staudämme in der westlichen UdSSR (Don, Dnjepr, Wolga) wurden auch erst nach dem Krieg gebaut

    Hallo Uwe,

    deine Aufregung kann ich nur partiell nachvollziehen. Ich bin der Auffassung, dass es nicht legitim ist, anhand der subjektiven Erfahrungen verallgemeinernde Schlussfolgerungen auf das gesamte Land zu ziehen. Mein Hinweis auf die Grösse des Landes war ein indirekter Hinweis darauf, dass es dort solche und solche Gegenden mit dem unterschiedlichen Erschliessungsgrad gab, gibt und geben wird.

    Deine Frage nach den russischen Quellen bezieht sich mitunter darauf, dass deine Ausführungen fehlerhaft sind. DneproGÄS in Zaporozhje ist nach wie vor eines der größten Kraftwerke, und das obwohl sowohl RKKA 1941, als auch die Wehrmacht 1943 dieses gesprengt hatten. Demnach konnte dieses nicht nach dem Krieg errichtet werden.

    Das Problem der Elektrifizierung des Landes ist einfach mit der Grösse des Landes, nicht aber mit der Führung oder Wohlstand/Armut des Volkes zu verstehen und zu umschreiben. Man setzte konzeptionell auf die Masse der kleineren Wasser- und Wärmekraftwerke. Vor dem Krieg gab es ca. 270 davon. Genau deswegen versuchte ich auf die ernt zu nehmende Quellen zu verweisen. In diesem Fall könnte man die Zahlen und die Namen der Kraftwerke überprüfen:

    http://energetika.in.ua/ru/books/book-3/part-2/section-1/1-2

    Bei dem bereits erwähnten Plan Goelro gab es einen Begriff, der heute noch gern verwendet wird - "лампочка Ильича" - (Lenins Lampe) - eine einfache Glühbirne. Das Ziel war - in jeder Hütte des Landes sollte eine Birne glühen, egal wo. Wenn man sich die damalige Ausstattung der Haushalte vor Augen führt, war alles andere völlig uninteressant, den es gab weder TV, noch Geräte, noch internet. Und das ist auch das, was ich in jedem sonst so entlegenen Haus immer gesehen hatte - Licht und einen "Volksempfänger".

    Natürlich muss man auch hier die längerfristige Überzeugungen anderer akzeptieren und resprektieren...

    Gruß Viktor

  • Guten Abend Viktor,

    mit dem DneproGÄS bzw. DnjeproHES (Saporoshje) lieferst du mir das Stichwort. Und ich muss noch mal technisch argumentieren.

    Der Staudamm und das Kraftwerk (KW) war damals (1940) das erste "größere" und vor allem das EINZIGE Hydro-KW am Dnjepr. Damals waren im DnjeproHES 585 MW installiert, nach dem Krieg wurde das auf 1,3 GW (1300 MW) Wasserkraft (WK) ausgebaut. Das entspricht etwa dem (heutigen) Strombedarf einer Stadt wie Jaroslawl (ca 608 TEinw.)

    Die anderen 5 großen Stauwerke am Dnjepr (Kachowka, Kamjansk, Kaniw, Kiew, Krementschuk) kamen erst nach dem Krieg dazu, die meisten in den 60er Jahren, das Letzte 1978. Die heute installierte Wasserkraft-Leistung an den großen 6 Stauseen beträgt rund 3,6 GW (3600 MW). Und das Land entlang des Dnjepr sieht heute ganz anders aus als noch 1940. Nichts anderes habe ich behauptet, die meisten Projekte wurden erst nach dem Krieg realisiert. Die Region ist eine Seenlandschaft geworden.

    Die damaligen 585 MW (+ thermische KW) reichten zwar aus um den Strombedarf der Industrie (Stahlverarbeitung/-walzwerke, Aluminium, ...) in den Städten (Dnjepro.'sk, Kriwoj-Rog, Nikolajew, Saporoschje) zu decken und stützte über die 220 kV Verbundleitung das Stromnetz im Donbas - aber reichte nicht für die Dörfer. Zum Vergleich die heute installierten Leistungen an anderen Stausee-/Kraftwerksprojekten (die ich "groß" nenne):

    - 3-Dämme-Stausee (am Jangtse, VR China): 22,5 GW (22500 MW)

    - Itaipu (am Parana, Brasilien/Paraguay): 14 GW (14000 MW)

    das sind ganz andere Dimensionen.

    Aber ... die Frage von ZAG lautete doch ganz anders: "Gab es in den von der Wehrmacht eroberten Gebiet der Sowjetunion 1941-44 ein flächendeckendes Stromnetz?"

    Darunter verstehe ich: Stromanschluss bis ins letzte Dorf und bis ins letzte Wohnhaus. Und zwar nicht erst 1960 oder 1977 (dein Foto) - gemeint ist der 21. Juni 1941 (= der Tag vor Barbarossa).

    Meine Antwort lautet: NEIN

    - denn das war technisch gar nicht möglich

    - in den Städten (+10000 Einwohner) ja, wenn Industrie vorhanden. Aber dann auf jeden Fall. Denn ohne Strom, keine moderne Industrie

    - in den Kleinstädten (+1000 Einwohner) manchmal - falls ein thermisches (Kohle, Öl) Kraftwerk vorhanden war (das erforderte Eisenbahnanschluss! Weil: Transport des notwendigen Brennstoffes)

    - in Kolchosen in den zentralen Wirtschaftsgebäuden ja, mit Dieselgenerator, nur bei landwirtschaftlichem Bedarf in Betrieb (Melkmaschinen, Erntezeit)

    - in sonstigen Dörfern und Ansiedlungen: in den meisten Fällen NEIN

    Beispiel: der Ort 'Chervona Cirka' (51.214062° Nord, 29.431983° Ost) in der Ukraine. Ich glaube nicht, dass das Dorf schon 1941 elektrifiziert war.

    Warum?

    Weil dazu neben den Kraftwerken und Generatoren ein Elektrisches Verbundnetz - d.h. Hochspannungsleitungen (+ 60 kV (Kilovolt)) nötig ist, mit Umspannwerken in die Mittelspannung (10-35 kV), die wiederum in Ortsnetz-Trafostationen in die Niederspannung (Spannungsebene bis 1 kV) umgespannt werden. Das nennt man Verteilnetz. Ab 220 kV (Höchstspannung) nennt man das Übertragungsnetz (siehe Karte des Stromnetzes Ukraine unten).

    Diese notwendige Infrastruktur war aber 1941 außerhalb der Industriestädte und Mittelzentren noch nicht verfügbar.

    Nicht in der SU und auch nicht woanders auf der Welt.

    Selbst wenn in jeder Kate eine Glühlampe (mit Schalter) installiert gewesen wäre:

    - bei gleichzeitigem Einschalten aller Glühlampen wäre das Netz sofort zusammengebrochen ("black out") - dafür reichte die installierte Leistung aller Kraftwerke nicht aus. Auch wenn dafür gleichzeitig alle Maschinen in den Industriebetrieben ausgeschaltet worden wären.

    - und noch ein Fakt: auch das heutige Stromnetz in Deutschland ist auf eine maximale geichzeitige Belastung von 1 kW (1000 Watt) pro Netzanschluss ausgelegt. Wenn wir alle gleichzeitig unsere Elektroherde einschalten, haben wir einen sofortigen black-out. Theoretisch gehen hier in DE pro normalem Haushaltsanschluss (16 A pro Phase) rund 10,5 kW - ganz ohne Industrie (50 % des Stromverbrauchs) und Gewerbe + Öffentlicher Sektor (25%) - Haushalte "nur" 25% des Stromverbrauchs in DE. Die theoretischen 10,5 kW entsprächen bei 40 Mio Haushaltsanschlüssen rund 600 Gigawatt (GW). Max. verfügbar sind aber nur ca. 85 GW (Netzauslegung - nicht Kraftwerksleistung!)

    Das sind alles technische Fakten - hier (versuchsweise) simpel dargestellt für Nicht-Fachleute.

    Und ich ärgere mich, weil:

    - du nicht auf technische Argumente eingehst

    - weil du die ursprüngliche Fragestellung in die Richtung "war die UdSSR (bzw. deren Bewohner) vor Kriegsbeginn rückständig" verbiegen möchtest (mein Eindruck).

    - die Technik ist absolut Werte-neutral.

    - mich die Übersetzung der Artikel (Russisch) zu viel Zeit kostet - und Werbeeinblendungen hat

    Meine Antwort: nein, Sie (Bewohner UdSSR) waren nicht rückständig. Nicht in der Technik, zumindest nicht in der Elektrischen Energietechnik.

    - In der elektrischen Nachrichtentechnik (Radar, Fernsehen) war die UdSSR 1940 (noch) nicht in der Spitzenliga.

    V. Grüße - Uwe K.

  • Ich glaube nicht, dass das Dorf schon 1941 elektrifiziert war.

    Hallo Uwe,

    ich glaube, alles reduziert sich nur auf die "Glaubensfrage" - in dem Fall glaubst du nicht. ZAG ist sich seiner Sichtweise ohne Zweifel sicher. Wenn ein Mensch nicht glaubt, dann kannst ihn aufs Scheiterhaufen führen, er rückt von seiner Überzeugung nicht ab. Daher bringt jeder Versuch deine Argumente mit den eigenen zu begegnen gar nichts, ausser Ärger. Daher halte ich es für sinnvoll, mich aus der Diskussion zu verabschieden, und jeder glaubt daran, was er für richtig hält. Wobei ich den Ansatz, dieses Thema mit der Überzeugung "ich rücke von meiner Sichtweise nach 30 Jahre Betrachtung der Bilder nicht ab" zu starten, für fragwürdig halte.

    Man kann sich gegenseitig mit den "Bettlaken" von Zahlen und Fakten zuschütten, oder für fachlich minderbemittelt erklären, das alles ändert nichts an eigenen Lebenserfahrung- Ich sage nur abschliessend, dass auf dem Foto in meinem Thema "Bilder eines Nachlasses" das Haus meiner Großeltern in einem Dorf in Baschkirien mit einem Lichtmast davor zu sehen ist. Meine Oma, als alleinerziehende Witwe mit 7 Kindern gehörte zu den ärmsten im Dorf, und dennoch hatten sie Strom und Licht, ebenso, wie die Molkerei im Nachbardorf, obwohl nichts größeres an Stromquellen in der Nähe war. Auch das kann man mit einem "Ich glaube nicht" begegnen, aber darauf hab ich nun keinerlei Einfluß...

    Gruß Viktor

  • Lieber Viktor,

    aha!

    Jetzt kommen wir dem entscheidenden Punkt näher. Was die Elektrifizierung betrifft, hängt alles von Zeit und Ort ab.

    1. ICH glaube dir - auch wenn ich es ansonsten mit dem Glauben nicht so sehr habe.

    2. Wenn du mir den Ort nennst, dann kann ich dir (berufsbedingt!) erklären, WARUM deine Oma Strom und Licht hatte.

    Baschkirien (Hauptstadt Ufa ?) mag für Einwohner von Petersburg oder Moskau am "Ende der Welt" liegen - aus Sicht eines Elektroingenieurs (= mein erlernter und ausgeübter Beruf) war die gesamte Ural-Region aber damals der "Nabel der Welt". Das ist ja das Schöne an der Energieform STROM. Man benötigt kein Kraftwerk in der direkten Umgebung - es ist nur eine Leitung dorthin nötig, wo er produziert wird. Das funktioniert auch über viele 100 km Distanz.

    Ort: Wie weit war denn das Dorf deiner Oma von Ufa entfernt?

    Zeit: Wurde das Foto schon 1940 aufgenommen - oder vielleicht erst 1950 oder noch später? Dazwischen lagen damals ganze Epochen.

    Denn die gesamte Wirtschaftskraft ALLER Länder, die bis Kriegsende in der Kriegswirtschaft und der "Kämpferei" gebunden war, wurde nun in den Ausbau (oder Wiederaufbau) der Infrastruktur gesteckt. Von 1945 bis 1950 (jetzt 70 Jahre her!) hat sich das sehr viel getan.

    Schon 1940 gab es ein gut ausgebautes Stromnetz in der Uralregion, siehe die unten angehängte Karte der Strom-Infrastruktur (gezeichnet 1944 - aber tatsächlicher Wissensstand 1940).

    Darin ist eine 110 kV Übertragungsstrecke von Magnitogorsk bis Ufa eingezeichnet. Und von Ufa, oder den anderen eingezeichneten Standorten, geht es in die Dörfer.

    Und die erwähnte Molkerei (Nachbardorf) hatte bestimmt einen Generator (Plan B, falls die Übertragungsleitung gestört ist). Und wenn die Kühe mal nicht gemolken werden - was die meiste Zeit der Fall war - konnte damit die Lichtanlage betrieben werden. Den Kühen war das egal.

    Dies beantwortet das "warum".

    Also: Druschba !

    Gruß, Uwe K.

  • Hallo Uwe,

    ich habe jetzt aus der Verleihungsurkunde meines Vaters einfach herauskopiert: "Башкирская АССР, Хайбуллинский р-н, с. Архангельское". Eigentlich heißt das Dorf Nowo-Archangel'skoe, ich finde aber weder so oder so auf der Karte. Damals war es Kreis Matraewo.

    https://www.google.de/maps/place/Матрай+ауылы,+Baschkortostan,+Russland,+453694/@52.2505256,56.905189,8z/data=!4m5!3m4!1s0x43d5e8fa8d9a0f51:0xd52f62a4fbe97b13!8m2!3d52.2505868!4d58.0275381

    Die Werke, wo mein Vater das Zeug hinbringen musste, waren Bajmak und Buribaj. Warum auch immer, Ende der 20-er hatten sie schon Licht in der Stube.

    Unweit von dem Dorf sehe ich auf der Karte ein Stausee und ein Ort, Namens Energetik, was auf ein Kraftwerk schliessen lässt...

    In Ufa lebt noch mein Cousin samt seiner Nachkommen, der dort zur Welt kam. Mich hat es noch nie dorthin verschlagen, so das ich nur die Erzählungen meines Vaters weiter geben kann.

    Das besagte Foto wurde Ende der 40-er aufgenommen, die Berichte meines Vaters über Elektrizität im Dorf waren aus der Zeit von Anfang der 30-er..

    Ein schönes Wochenende

    Gruß Viktor

  • Hallo ZAG,

    Danke für dieses Thema. Ich habe eine langjährige Frage, aber das kommt später.

    Ich bin durch mein Archiv gegangen und habe diese Fotos gefunden. Dies sind die Städte und Dörfer in Russland 1941. Man kann überall Säulen für elektrische Leitungen sehen.

    Bild 5: in der UdSSR 1941 gab es Strohdächer, aber es gab bereits Strom.

    (Bild 5: Sie können den Karren und das Pferd auch sehen. Aber das industrialisierte Deutschland kam mit denselben Wagen und Pferden in die UdSSR im Jahr 1941. Für mich ist das eine Frage. :?:)

    Quelle: https://www.ebay.com/usr/mister.kite

  • Hallo Dmitry,

    danke für die Bilder, ja, das habe ich ja auch in meiner Sammlung gefunden, siehe meine Zusammenstellung.

    Aber auf den Dorfern in den Hütten konnte ich fast nie elektrisches Licht feststellen.

    Darf man das nicht sagen?

    Darf man das nicht fragen?

    Es kommt mir bald so vor als ob meine Fragestellung in eine ideologische Richtung abgleitet.

    Das habe ich nicht gefragt und beabsichtigt und wünsche Euch einen schönen Sonntag.

    Grüße, ZAG

  • Wie schon gesagt, ist der Ausgangspunkt meiner Frage:

    Eine Wehrmachtseinheit wird in irgendein russiches Dorf einquartiert,

    geht in die Stube und knips den Lichtschalter an, wie daheim......


    Das konnte ich mir bei dem Riesenland und bei der Armut der Zivilisten nicht recht vorstellen.

    Ein Riesenofen, eine Petroleumfunzel, Samovar und draussen der Ziehbrunnen ist mir geläufig.

    Es kommt mir bald so vor als ob meine Fragestellung in eine ideologische Richtung abgleitet.

    Hallo,

    die Ideologie bringst du ins Spiel! Ich stelle lediglich deine unsachliche und entwertende Gegenüberstellung eines mit dem Lichtschalter, "wie daheim" verwöhnten Wehrmachtssoldaten und der von Armut geplagten Zivilisten Russlands. Daher auch mein Verweis auf die "Bastschlappen" oder Schlaglöcher, die auch heute gern von den Touris dokumentiert werden, um daheim den Lieben zu zeigen. Wie auch heute, so auch damals, es gab solche, die es sich leisten wollten und konnten, und solche, die andere Prioritäten hatten. Wenn deine Welt der Russen sich auf "Ofen, Funzel, Samowar und Ziehbrunnen" beschränkt, und du darauf mit Verweis auf 30 Jahre Bilder angucken beharrst, dann ist das dein gutes Recht.

    Gruß Viktor

  • Guten Morgen,


    ich möchte hier gerne moderierend eingreifen.

    Jeder darf hier im Forum Fragen zur Diskussion stellen, die sich im engen oder weiteren Sinne mit militärischer Geschichte beschäftigen. Das hat ZAG eindeutig getan.


    Das ist die Ausgangsfrage:

    Quote

    Gab es in den von der Wehrmacht eroberten Gebiet der Sowjetunion 1941-44 ein flächendeckendes Stromnetz,

    das dann auch während der Besetzung betrieben werden konnte?


    Wie von ihm erhofft, kamen sachdienliche Hinweise.

    Unsachliche Bemerkungen oder eine von ZAG natürlich nicht erwünschte Ausweitung des Themas konnten hier mit einem bemerkenswerten Einsatz von Fachwissen wieder in die Bahnen gelenkt werden. Dafür meinen Respekt und Dank!

    Ich würde mir wünschen, dass ein so „technisches“ Thema weiterhin technisch geprägt bleibt und mehr in den Zeilen als dazwischen gelesen wird.
    Natürlich ist es ein Widerspruch in sich, dieses zwei Kontinente umfassende Megareich Russland, kennen und verstehen zu wollen und gleichzeitig verallgemeinernde Statements abzugeben.

    Solche Bemerkungen in Richtung des Themenstarters (und quasi „Gastgeber“ der Diskussion)

    Quote

    Wenn deine Welt der Russen sich auf "Ofen, Funzel, Samowar und Ziehbrunnen" beschränkt, und du darauf mit Verweis auf 30 Jahre Bilder angucken beharrst, dann ist das dein gutes Recht.

    fasse ich vor diesem Hintergrund als mindestens unfreundlich, definitiv aber als völlig unnötig auf.


    Viele Grüße,

    Justus

  • Guten Morgen ZAG,

    Interessante Diskussion, die sich hier entwickelt. Zu den Fakten kann ich nur einige Einzelheiten aus den Feldpostbriefen meines Onkels aus Südrussland beitragen.

    Er schreibt am 18.10.1942 aus Giaginskaja (nördlich von Maikop):

    "In Giaginskaja fand sich fast in jedem Haus ein Lautsprecher, die alle von einem Zentralempfänger betrieben wurden und natürlich das Reichseinheitsprogramm boten."

    Dass die Lautsprecher in den Häusern nur über Akkus funktionierten, erscheint mir unwahrscheinlich. Die Häuser im Ort müssten elektrifiziert gewesen sein. Aber wenn Strom zugänglich war, hieß das offenbar nicht, dass er auch genutzt wurde.

    Denn er schreibt im gleichen Brief:

    "Die Herde werden noch einmal angeheizt. Die Sonnenblumenstängel lassen die Flammen hell flackern, im Dunkel des Abends ein wunderbares Bild. Das leichte Blau des aufsteigenden Rauch es geht in das Blau der Dämmerung über, eines verstärkt das andere und das lodernde Rot des Feuers sowie das ruhige Violet des Abendhimmels lassen die Farbstimmung tief erleben.

    Später sitzt die ganze Familie im Dunkeln oder bei trüber, gemütlicher Petroleumlampe und knackt Sonnenblumenkerne..."

    Er schreibt am 09.12.1942 aus Paschkowskaja (östlich von Krasnodar):

    "Wir sitzen heute Abend wieder bei Kerzenlicht. Mein Kamerad B. hat zum Glück einige richtig lange Wachskerzen; meine Adventskerzen halten nicht lange und sind nur Luxus. Die Russen sitzen im Dunkeln (Kerosin = Petroleum ist alle) und spielen Laute, eine ganz weihnachtliche Stimmung.“

    und am 10.12.1942:

    "Licht ist eigentlich das größte Problem. Die kümmerliche Funzel reicht höchstens zum Lesen und Schreiben, nicht dazu, die Sachen in Ordnung zu bringen, die das wegen des vielen Schmutzes hier dringend nötig haben.“

    Es bleibt unklar, ob mit der Funzel eine Glühbirne gemeint ist, aber das gibt der Zusammenhang eigentlich nicht her.

    Für mich ergibt sich daraus die Erkenntnis, dass eine Elektrifizierung auch in abgelegenen Gebieten von Russland häufig vorhanden war. Die Nutzung des Stroms im Privathaushalt war an diesen Orten aber aus vielen Gründen durchaus nicht selbstverständlich.

    Gruß Christa

  • Hallo Christa

    Eine kleine Anmerkung.

    Zum Betrieb eines Lautsprechers ist nicht zwingend eine Batterie oder Stromanschluss nötig

    Er kann ohne Probleme über die Zuleitung gespeist werden.

    Da wird eine viel kleiner Spannung als 220 Volt benötigt und ist deswegen auch ein bisschen ungefâhrlicher.

    Gruß Arnd