Drahthindernisse im Stellungsbau

  • Hallo,

    die Sprengung oder der Beschuss von Drahthindernissen löst das Drahtproblem bzw. die Sperrwirkung nicht gänzlich. Da der Draht nachgibt verpufft ein erheblicher Teil der Sprengkraft, denn es fehlt die Verdämmung. Außerdem bleiben kürzere Stücke erhalten ggf. im Gelände verstreut. Zerschnittene Stiefel sind dann das kleinste Problem. Kriechen, Robben und gleiten erfordern hohe Aufmerksamkeit, will man sich nicht verletzen. Dies gilt auch bei einem Sturmlauf, wobei man da nicht ständig auf Bodenhindernisse schauen kann.

    Schwierigwird die Sache auch, wenn, wie ich es erlebt habe, man nachts unter einer Brücke die obere Donau durchschreitet und dabei auf ein Drahthindernis, unter Wasser verlegt, tritt und hängen bleibt. Von diesem Hindernis wusste niemand.

    Vielleicht kann Rainer von den Drahthindernissprengungen un dem erreichten Erfolg berichten.

    Nachtrag:

    Inwischen hat Thilo den BW Lehrfilm eingestellt.

    Man sieht und hört, dass man die Ladung möglichst an im Boden verankerten Pfählen/ Eisenstangen anbringen soll um durch diese die Sprengwirkung zu erhöhen ( Die Eisen -Holzteile reißen dann den daran befestigten oder durch deren Ösen gezogenen Draht mit.

    Dies soll die fehlende Dämmwirkung ersetzen.

    Übrigens. Ich will kein Klugsch.....er sein, aber wenn man den Zündzeitpunkt verlängert braucht man nach Anbringung der Ladung nicht wegspringen und bietet somit kein so großes Ziel indem man sich dann in der "niedrigsten Gangart" wieder zurückarbeitet. Ich finde die Rennerei für einen Lehrfilm schlecht.

    Gruß Karl

  • Hallo zusammen,

    Als aktiver Grenadier kann ich jedem hier versichern,dass S-Draht Sperren auch heute noch sehr häufig zum Einsatz kommen.
    Ob bei Übung im Gefechtsübungszentrum oder im Einsatz in Afghanistan.
    Hierbei spielt natürlich die Operationsart eine große Rolle.

    Bei Verteidigung oder dem Verzögern des Angriffs feindlicher Kräfte setzten wir IMMER S-Draht oder auch den NATO Draht ein. Dieser wird zum Beispiel vor den eigenen Stellungen oder flankierend zu diesen, auf Wegen und Straßen, oder auch (allerdings seltener) um den eigenen Platz der Gruppe verlegt.
    Im Einsatz in Afghanistan im Camp Pamir zb. haben wir S-Draht Rollen rund um die Mauern von unserem "Safe Heaven" verlegt, um feindlichen Kräften den direkten Zugang an die Mauerwände selbst zu erschweren.

    Nun habe ich verschiedene Möglichkeiten diese Sperren aufzubauen.
    Die simpelste und schnellste Form wäre eine "einfache" S-Draht Sperre, welche aus nur einer Rolle besteht. Hierbei können natürlich mehrere Rollen miteinander verbunden werden um die gewünschte Länge zu erreichen.
    In der Regel verwenden wir zusätzlich lange und kürzere Erdnägel aus Metall um die Rollen fest im Boden zu halten, oder binden sie z.B. an Bäumen oder anderen Objekten fest.
    Diese Sperren sind natürlich nicht unüberwindbar, aber sie sollen den Feind ja auch nur verlangsamen.
    Ich selbst habe in meiner gesamten Dienstzeit bisher noch nie eine solche Sperre mit einem Sprengrohr öffen dürfen und habe auch noch niemanden getroffen der überhaupt schon mal eines davon gesehen hat. In den Ausbildungen zum Thema "Kampf um Sperren" werden diese Sprengrohre immer wieder erwähnt, kommen aber durch die reguläre Truppe nicht zum Einsatz.
    Stattdessen kommen bei uns ganz einfache Methoden zum Einsatz. Kann ich eine solche Sperre mit dem Schützenpanzer erreichen, kann ich sie mit dem Panzer einfach per "Enterhaken" nach hinten weg reißen. Mit dem Panzer darüber zu fahren funktioniert leider nicht da sich gerade bei 3-fachen S-Draht Sperren der Draht in die Laufrollen und Ketten zieht und das Fahrzeug somit lahm legt. Abgesessen werden nach Möglichkeit Baumstämme oder im urbanen Umfeld Türen auf die Sperre gelegt um darüber Laufen zu können, oder ein Kamerad wirft sich mit einer Zeltbahn vor dem Körper in die Sperre und die Sturmtrupps laufen dann über diesen armen Kerl hinweg. Wenn der unwahrscheinliche Fall eintritt, das wir bei der Annäherung an eine Sperre nicht aufgeklärt wurden, kann ein Kamerad auch einfach die Sperre an einer Stelle mit dem Bolzenschneider öffnen.

    Ein deutlich größeres Problem stellen die 3-Fachen S-Draht Sperren dar, die aus zwei nebeneinander und einer oben darauf abgelegten Rolle bestehen.
    Solche Sperren sind bei uns die am häufigsten Eingesetzte Form, da es deutlich schwieriger ist sie zu öffnen oder auf zu reißen.
    Kann unser Panzer diese Sperre nicht weg reißen, müssen Pioniere ran um sie zu Sprengen, da wir als 0815 Truppe da leider keine anderen Möglichkeiten haben.
    Im Idealfall hat die eigene Artillerie im voraus den Sperrbereich eingeebnet und die Verteidiger vernichtet und die Sperre zerstört. Das habe ich allerdings auch noch nie erleben dürfen.

    Bei all diesen Vorgängen muss klar sein, dass durch das Aufschneiden, das Herunterdrücken durch Baumstämme o.ä. ,oder auch das Aufsprengen solcher Sperren nur sehr schmale Übergänge geschaffen werden die natürlich enorme Aufmerksamkeit durch den Feind auf sich ziehen und die Verluste beim Überwinden solcher Sperren enorm sind, da nach unseren Grundsätzen keine Sperre unbewacht ist. So kann das überwinden einer solchen Sperre schnell zur Aufgabe für eine ganze Kompanie werden.

    Stacheldraht oder NATO-Draht hat also heute immernoch eine enorme Bedeutung und ich habe tatsächlich an keiner Übung teilgenommen bei der nicht mindestens eine S-Draht rolle verlegt wurde.
    Ich hasse S-Draht xD

  • Hallo Karl,
    da bei öffnen einer solchen Sperre generell ein eigenes Deckungselement massiv Deckungsfeuer auf feindliche Stellungen hinter der Sperre schießt, ist es oft schon fast zwingend notwendig im Vollsprint nach vollbrachter Tat von der Sperre weg zu kommen da auch bei einem heutigen Grenadierszug mit 3-4 MGs irgendwann einmal die Munition verschossen ist und ich so nicht immer die Zeit habe um von der Sperre zurück in eine mögliche Deckung zu gleiten. Hierbei ist Geschwindigkeit immens wichtig.

    Gruß Marc

  • Hallo Marc,

    ich habe gelernt, dass sich der Soldat ( ich war nicht bei der BW, aber ausbildungsmäig damals ähnlich) nicht aufrecht oder quer auf/zum dem Gefechtsfeld bewegt und stets die niederste Gangart einzuschlagen hat. Im Sprengdienst wurde es stets so gemacht, dass man immer genügend Zeit hatte, bevor gezündet wurde oder man selbst gezündet hat ( längere Zündschnur, Zünder mit Verzögerung usw.).

    Lasse mich aber gerne belehren, allerdings hatten die meisten meiner Ausbilder WK II Erfahrung, teils sogar kriegsbeschädigt, so dass ich denke die wußten was sie ( mit uns) taten.

    Gruß Karl


  • Hallo,

    das Ding heisst Sprengrohr und die kann man unendlich zusammenschrauben.

    oder ein Kamerad wirft sich mit einer Zeltbahn vor dem Körper in die Sperre und die Sturmtrupps laufen dann über diesen armen Kerl hinweg.

    bei den LL-Pios gab es Lederbekleidung für die, die sich auf den Draht legen durften. Ein LLPio Kamerad durfte das machen. Nach ihm war es trotzt Schutz nicht angenehm(über 50 Jahre her).

    Gruss

    Rainer

    Suum cuique

  • Hallo Marc,

    ich habe gelernt, dass sich der Soldat ( ich war nicht bei der BW, aber ausbildungsmäig damals ähnlich) nicht aufrecht oder quer auf/zum dem Gefechtsfeld bewegt und stets die niederste Gangart einzuschlagen hat. Im Sprengdienst wurde es stets so gemacht, dass man immer genügend Zeit hatte, bevor gezündet wurde oder man selbst gezündet hat ( längere Zündschnur, Zünder mit Verzögerung usw.).

    Lasse mich aber gerne belehren, allerdings hatten die meisten meiner Ausbilder WK II Erfahrung, teils sogar kriegsbeschädigt, so dass ich denke die wußten was sie ( mit uns) taten.

    Gruß Karl


    Hallo Karl,

    natürlich haben deine Ausbilder damals recht gehabt mit ihren Aussagen zum Thema Gangarten im Gelände.
    Ich kann hier nur wiedergeben wie es heute in der Ausbildung der BW gang und gebe ist. Das Ausweichen des Sprengtrupps weg von der Sperre/Ladung erfolgt bei uns nicht wegen dem Zeitdruck der Zündung, da wir in einer Deckung von Hand zünden. Hierbei geht es lediglich um den Munitionsansatz der eingesetzten Deckungsgruppe. Wir haben teilweise nicht mehr als 2-3 Munitionskästen pro MG dabei was ein langes und effektives Deckungsfeuer sehr schwierig Gestaltet.
    Natürlich bewegt sich der Soldat nicht wie eine Schützenscheibe auf der Schiessbahn, aber gleiten wäre in diesem speziellen Fall zu langsam.

    Gruß Marc

  • Hallo zusammen,

    Um hier nochmal auf die Zeit des Zweiten Weltkrieges zurückzukommen, habe ich hier noch ein Bild von RAD-Männern beim Stellungsbau. Der eine haut den Hindernispfahl krumm, während ihn der andere mit einem dicken (Verlege-?) Handschuh festhält. Aber seht selbst:

    20200621_082920.jpg

    Schönen Gruß, Thomas

    "Lirum-larum Löffelstiel, wer nichts sagt, der weiß nicht viel - larum-lirum Gabelstiel, wer nichts weiß, muss schweigen viel!"

  • Hallo Thomas,

    Danke!

    Der Bericht zeigt deutlich die Notwendigkeit und den Erfolg eines überwachten Drahthindernisses, das den Gegner hinderte unbemerkt in die eigene Stellung zu gelangen und in diesem Fall zu seinem Verderben führte.

    Gruß Karl

  • Hallo Dieter,

    sehr interessant, aber was mich besonders erstaunt sind die vielen Biegungen im Graben. Habe selten so viele auf relativ kleinem Raum gesehen.

    Dabei muss man ja bedenken, dass jede Biegung des Grabens auch mehr Grabarbeiten erfordert, da sich die Gabenstrecke bzw.Grabenlänge erweitert vergrößert. In vorliegendem Beispiel hat sich dadurch die Gabenlänge mindestens verdoppelt. Das muss ja alles von Hand gegraben werden.

    Gruß Karl

  • Hallo Karl,

    ich bin da kein Fachmann, erinnere mich aber, daß ich einmal die (empfohlene) Streckenentfernung bis zur nächsten Richtungsänderun gelesen habe. Die

    Beschaffenheit des Bodens spielte sicherlich eine größe Rolle.

    Bei z.B. einen Volltreffer (Granate, Bombe ... Handgranate) im Graben sollten die Richtungsänderungen eine Verwundungsgefahr auf längerer Strecke mindern.

    Hierzu sind aber die "Pionere" im Forum gefragt.

    Gruß

    Dieter

  • Hallo Alle,

    gefunden im "Merkblatt 57/5 Bildheft Neuzeitlicher Stellungsbau", herausgegeben vom OKH am 01. Juni 1944:

    Teil A: Gräben, Kampfanlagen, B-Stellen und Unterstände

    Vorbemerkungen

    I. Gräben

    1. Begriffsbestimmungen

    ...

    2.Baugrundsätze

    ...

    c. Verbindungs- (Kampf-) und Annäherungsgräben sind gebrochen mit 10 - 15 Meter langen Schlägen anzulegen.

    ...

    Die Knickpunkte der Gräben sind zum besseren Verkehr mit Krankentragen usw. abzurunden.

    Gruß aus dem Norden

    Achim

    In Memoriam: Richard Möller *06.06.1907 MIA 16.01.1945 und Wolfgang Möller *04.02.1936 +11.05.2012

  • Hallo Dieter

    Bei z.B. einen Volltreffer (Granate, Bombe ... Handgranate) im Graben sollten die Richtungsänderungen eine Verwundungsgefahr auf längerer Strecke mindern.

    Dazu kommt, dass in einem Graben ohne Biegungen/Knicke der Länge nach durchschossen werden kann. Also der Graben insgesamt bestrichen werden konnte. Ergänzend möchte ich erwähnen, dass ich hier von einem Kampfgraben im Feldstellungsbau ausgehe. Es gab ja noch Verbindungsgräben, Annäherungsgräben, Panzerdeckungsgräben usw..

    In dem Merkblatt 57/5 "Bildheft Neuzeitlicher Stellungsbau" vom 1. 7. 44 ist die Entfernung von Kampfgrabenknick zu Kampfgrabenknick mit 10 - 15 m angegeben.

    Gruß Karl

  • Hallo,

    Stacheldraht macht auch hinter dem Graben, auf der vom Gegner abgewandten Seite Sinn. Ein Stoßtrupp zur gewaltsamen Aufklärung gegen ein Schützengrabensystem gliederte sich wie folgt:

    Stärke: ca. 80 Mann

    Stoßtruppführer/Führungstrupp

    Deckungstrupp mit MG, Auftrag: Über die Einbruchsstelle hinaus vorgehen und feindl. Gegenstoß abwehren.

    2x Stoßgruppe mit jeweils einem Kampftrupp-Graben zum Aufrollen des Grabens und Einbringen der Gefangenen, bestehend aus Flammenwerfertrupp und drei Mann mit Hgr. und Sturmgewehren sowie Kampftrupp-Grabenrand der auf dem feindseitigen Grabenrand entlang läuft und den Grabentrupp unterstützt.

    Trägertrupp: Transport der Verwundeten und Gefangenen

    Minentrupp: Verminen des Grabens beim Absetzen.

    Stacheldraht behindert hier insbesondere den Deckungstrupp und den Kampftrupp-Grabenrand.

    Grüße

    Thilo

    Suche alles zur Lehrtruppe Fallingbostel und zum Einsatz des NSKK in der Ukraine 1941

  • Hallo,

    Stacheldraht war auch benutzt worden, um in Verbindung mit Balken, Baumstämmen oder Schienen, welche teilweise eingegraben waren, Panzerhindernisse anzulegen. Damit war deren Beseitigung durch die Pioniere zusätzlich erschwert worden.

    Gruß Karl