Drahthindernisse im Stellungsbau

  • Hallo,

    Stellungen wurden, wenn das Material verfügbar war, auch verdrahtet. D.h. mit Drahthindernissen versehen.

    Das war schon in historischer Zeit so (damals spitze Pfähle u.a.).

    Der Stellungsbau mit Verdrahtungen hatte seinen höchsten Entwicklungsstand m. E. im I. WK erreicht.

    >War die Verdrahtung im II. Wk noch sinnvoll, wenn man berücksichtigt, dass der Frontverlauf vielen Änderungen unterworfen war und die Verdrahtungen im Stellungsbau meist oberflächlicher Natur ( Abgesehen von festen Verteidigungsstellungen) und die Wirkung begrenzt war?

    > Konnten Verdrahtungen Panzerketten behindern?

    > Konnte bei der beweglichen Kriegsführung und den teils riesigen Entfernungen überhaupt noch Draht zum Stellungsbau herangeführt werden oder waren z.B. andere Versorgungsgüter, auch nachrichtendienstlich verwendete Drähte, wichtiger?

    Gibt es Meinungen, Beispiele, Erfahrungsberichte dazu?

    Grüße von Karl

  • Hallo Karl,

    > Konnten Verdrahtungen Panzerketten behindern?

    bei der BW habe ich vor langer Zeit einen Pi-Ausbildungsfilm gesehen, wo ein T 34 in einem tiefen Drahthindernis stecken blieb.

    Konnte bei der beweglichen Kriegsführung und den teils riesigen Entfernungen überhaupt noch Draht zum Stellungsbau herangeführt werden oder waren z.B. andere Versorgungsgüter, auch nachrichtendienstlich verwendete Drähte, wichtiger?

    jede Pi-Einheit führte eine gewisse Menge an S-Drahtrollen und Stacheldraht mit sich.

    Bei uns(BW) wurde auch S-Drahtrollen in Manövern mitgeführt und es ist echt lustig S-Draht bei vollkommener Dunkelheit in Sumpfgebiet zu verlegen, zum Glück nur einmal machen müssen und auch noch ohne Handschuhe.

    Gruss

    Rainer

    Suum cuique

  • Hallo allerseits,

    Aus meiner Erfahrung aus der Beschäftigung mit dem deutschen Befestigungsbau des Zweiten Weltkriegs kann ich nur ausdrücklich bestätigen, dass Drahtverhaue standardmäßig zu einer Stellung gehörten und sowohl in ihrer Wirkung als auch als Markierung der vorderen Linie (wohl als psychologische Grenze für die eigene Truppe) hoch eingeschätzt wurden. Es gab einen ganzen Katalog von unterschiedlichen Infanterie-Hindernissen, der mindestens bis 1944 auch ständig überarbeitet wurde. Geländebegehungen zeigen immer wieder bis heute die Omnipräsenz der Hindernispfähle und des Festungs-Stacheldrahtes (der sogenannte Simplex-Draht). Auch werden an nahezu allen ehemaligen Fronten immer wieder die ortsfesten Abwehr-Flammenwerfer 42 der Wehrmacht gefunden.

    Gruß, Thomas!

    "Lirum-larum Löffelstiel, wer nichts sagt, der weiß nicht viel - larum-lirum Gabelstiel, wer nichts weiß, muss schweigen viel!"

  • Hallo zusammen,

    Quote

    .....die Briten entwickelten ein Spezialgerät, um solche Hindernisse überwinden zu können.

    primär waren die "Dreschpflegel" Panzer zur Räumung von Explosivstoffen die in/mit den Drahtverhauen

    verlegt waren. Das der Stachel bzw. S-Draht mit kurz und klein geschlagen wurde war ein angestrebter

    Nebendefekt.

    Die unter dem Nick "Hobart’s* Funnies" für den D-Day entwickelten Spezial-Fahrzeuge war der "Dreschpflegel" Panzer

    das was am nachhaltigsten war. Die letzte Ausführung diesen Prinzips war/ist der "Keiler" der BW https://www.youtube.com/watch?v=60IFLPBmdW0


    *https://de.wikipedia.org/wiki/Percy_Hobart

    Gruss Dieter

  • Hallo,

    danke für die Beiträge.

    ich finde man sieht in den Videos, dass Stacheldraht doch ein erhebliches Hindernis darstellt.

    In dem Merkblatt 57/5, "Bildheft neuzeitlicher Stellungsbau" vom 1.6.44 wird im Absatz "B" auf den Seiten 100 bis 109 auf die verschiedensten Drahthindernisse - meist aus dem I. WK übernommene Verwendungsarten - wie Stolperdraht, Koppelzäune, Flandernzaun ( verstärkt und doppelt verstärkt), Flächendrahthindernis, spanische Reiter, Drahtwalze und Drahtigel zur Sperrung von Gräben, Lapplandzaun u. a. eingegangen.

    Vielleicht sollte man auch noch darauf eingehen, dass Drahtverhaue oft durch Minen u. a. Sprengfallen gesichert waren, welche die Sperrwirkung entscheidend verbesserten.

    In unserer heutigen Zeit habe ich bei den US - Truppen beobachtet, dass die willkürlich Drahtrollen auf die Fahrzeuge aufladen, eben dort wo es möglich ist und Platz hat. Allerdings kann man den heutigen Natodraht nicht mit dem guten alten Stacheldraht vergleichen. So glaube ich, dass die Verwendung des sog. Natodrahtes heute seine Berechtigung hat, der übrigens in allen Streitkräften verwendet wird.

    Der Vorläufer des Natodrahtes hat dt. Wurzeln im I. WK durch die Verwendung von eingeschnittenen Stahlblechbändern zur Materialersparnis und einfacheren Herstellung.

    Nebenbei, liebe Moderatoren, sei die Anmerkung gestattet: Auf Pferdekoppeln darf heute Stacheldraht lt. Leitlinien nicht als alleiniges Einzäunungsmittel verwendet werden.Es muss in 50 cm Abstand eine Absperrung/ Band vorhanden sein. ( Es gibt Gerichtsurteile dazu)

    Interessant wäre auch, wenn jemand einen Einsatzbericht einstellen könnte....z. B. " Der Infanterieangriff blieb im Drahthindernis stecken...." oder so.

    Gruß Karl

    Anlage: " Signal Foto"

  • Hallo,

    hier etwas zum "Draht".

    Quelle:

    "Durch die weite Welt 1940"

    In dem Bericht sind Glöckchen als Alarmmittel am Draht erwähnt. Veteranen sagten leere Konservendosen. Allerdings sei das Mittel problematisch bei starkem Wind, dann nur geklapper. Vor allem habe man Bunker gerne mit dem sog. "Alarmdraht" versehen, denn es war ein beliebtes Mittel Handgranaten in den Ofenabzug/Ofenrohr zu werfen.

    Gruß Karl

  • Hallo zusammen,

    Den NATO-Draht kennt man, aber auch den Simplex-Draht der Wehrmacht? Er wurde schon vor dem Ersten Weltkrieg eingeführt und verwendet. Es handelt sich um einen 4 mm starken tordierten Vierkantdraht, der in Abständen von nur 25 mm (Teilung) je 4 Stachel trägt. Damit ist er deutlich stacheliger als der alliierte Draht (den Vergleich kann man gut im Museum Hill 62 in Flandern bei Ypern machen), der eher dem normalen Weidezaundraht entspricht. Die Tordierung macht den Draht zusätzlich steif. Transportiert wurde der Draht in Rollen zu 25 kg. Da das Standard-Hindernis das Flächendrahthindernis von ca. 10 m Tiefe war (ATI 16/16 a, 1944), stellte es ein ernst zu nehmendes Hindernis dar (vorausgesetzt, es wurde verteidigt!).

    Karl

    Als Alarmvorrichtungen waren das Almo (Alarmgerät Molt) und das Alarmschußgerät eingeführt. Beide konnten durch Zugdrähte ausgelöst werden; das Almo verschoss LP-Patronen, das Alarmschußgerät die Alarmschußpatrone, eine Leuchtpatrone (H.Dv. 409). Blatt 110 des Bildheftes zeigt eine behelfsmäßige Alarmanlage aus Dosen.

    Gruß, Thomas!

    "Lirum-larum Löffelstiel, wer nichts sagt, der weiß nicht viel - larum-lirum Gabelstiel, wer nichts weiß, muss schweigen viel!"

    Edited once, last by HiWi: Ergänzungen (June 13, 2020 at 4:54 PM).

  • Interessant wäre auch, wenn jemand einen Einsatzbericht einstellen könnte....z. B. " Der Infanterieangriff blieb im Drahthindernis stecken...." oder so.

    Hallo Karl,

    ich hab hier mal zwei Beispiele aus russischen Gefechtsberichten/ KTB's um vom 05.09.1943:

    "Die Aufklärungsgruppe der 9. Aufklärungskompanie, die in Richtung der Höhe 246,9 im Einsatz war, blieb erfolglos. Die Aufklärungsgruppe schlug Gassen in Minenfelder und in eine Drahtsperre des Feindes und erreichte dessen Schützengräben. Der rechte Sicherungstrupp bemerkte einen Soldaten im Graben und sprang hinein, um ihm den Weg abzuschneiden. Die Brustwehr erwies sich als vermint. Durch die Detonation starb ein Aufklärer, 6 wurden verwundet. Nach einem Schusswechsel mit dem Feind zog sich die Aufklärungsgruppe zurück."

    und

    "Die Division führte in der Nacht den Feuerkampf mit dem gegenüberstehenden Feind an der bisherigen Linie und setzte gleichzeitig eine teilweise Umgliederung der Kräfte um. Das Garde-Schützenregiment 169 wurde in die zweite Staffel in den Raum der Schluchten nördl. RETSCHNIZY verlegt, die im Abschnitt: Höhe 235,0, Höhe 220,1 Verteidigungsstellun­gen bezogen hat. Ab 06.00 am 5.9. ging das Garde-Schützenregiment 171 in Richtung der Höhen 214,0 und 215,8 zum Angriff über. Das Garde-Schützenregiment 167 verteidigt standhaft den Abschnitt RËWNY, Schluchten 500 m östl. ORLOWIK und geht um 14.00 nach 10-minütigen Artillerieangriff mit dem Bataillon 3 zum Angriff in Richtung unbenannte Höhe südl. 246,9 über, mit dem Bataillon 1 – in Richtung unbenannte Höhe südl. des Pkt. 231,4. Durch organisiertes Feuer der feindlichen Infanterie und Artillerie wurde der Angriff zum Stehen gebracht, und das Regiment blieb vor einer Drahtsperre an den Osthängen der Höhen 246,9, 231,4 und der unbenannten Höhe südl. davon liegen. Um 16.30 unternimmt das Regiment einen zweiten Angriff."

    Dabei ist zu bedenken, dass sich die Deutschen Truppen zu diesem Zeitpunkt in Absetzbewegung Richtung Westen befanden, und trotzdem wurden die (zum Teil nur tageweise) gehaltenen Stellungen derart befestigt.

    Gruß Claas

    Ich Suche alles über die 383. ID, speziell GrenRgt 532.

  • Hallo zusammen,

    freu mich über die Beiträge.

    Offensichtlich gilt für das Anlegen von Drahthindernissen dieselbe Priorität wie für das eingraben. Soll heißen, dass es Kräfte und Leben schonen kann.

    Wichig ist aber immer, dass Hindernisse jeder Art durch Feuer überwacht werden können, da sie sonst fast wirkungslos sind; allenfalls ein Verzögerung hervorrufend.

    Gruß Karl

  • Hallo Dieter,

    in Schlammholder habe ich im Juni 1968 eine mehrfache S-Drahtrollensperre mit diesen Handschuhen mitverlegen dürfen. Die wurde dann mit Sprengstäben oder wie die Dinger hiessen geöffnet. Offene Stahlsprengung, wir waren nicht ganz die 1000 Meter weg.

    Gruss

    Rainer

    Suum cuique

  • Guten morgen zusammen,

    Quote

    Die wurde dann mit Sprengstäben oder wie die Dinger hießen...

    auch hier haben wir die Dienstliche Bezeichnung "gestreckte Ladung"

    Quote

    Offene Stahlsprengung,.....

    ich denke das hier eine nicht vedämmte Sprengung gemeint ist. Hier gibt es die Schneidladung als Form einer kontrollieren Struktur-Sprengung

    oder die rein zerstörender Sprengung mit "Plastik-Sprengstoff" (o.v.) die sich bei Stahl nur bedingt beeinflussen lässt.