Kennzeichen-Rätsel Do.217 Ösel

  • Hallo Forum,

    ich hoffe, daß Kundige mir helfen können.

    Nach Abzug der dt. Truppen am 23./ 24.11.44 von Sworbe (Ösel, Saaremaa) wurden noch wenige dt. Bombenangriffe und Aufklärung u.a. auf Arensburg (Kuressaare) geflogen. Arensburg war am 08.10.44 von russ. Truppen besetzt

    worden. In den Anhängen ist eine Do.217 zu sehen, in der Nähe von Arensburg. Es sind Nr. 01 + 04 Scanns von russ. Filmaufnahmen, die anderen Fotos wurden am 23.12.44 von einem russ. Fotografen aufgenommen.

    Leider ist das Kennzeichen nicht vollständig erkennbar, ?? + JM. Da das Schicksal der Besatzung unbekannt ist, stellt sich mir die Frage, ob über Kennzeichen, Typ (Bomber, Aufklärer) die Staffel/ Einheit/ Verband herauszufinden ist,

    über diese und den Verlustlisten dann die Besatzung.

    Eine ähnliche Fragestellung hatte ich 2016 gestartet, nun neu, da die Kenntnis des Aufnahmedatums der Fotos erst in den letzten Tagen erfolgte.

    Gruß

    Dieter

    Ps. Vom Film gab es eine etwas bessere Version, diese steht mir zur Zeit nicht zur Verfügung.

    Scann.01.jpgScann.02.jpgScann.03.jpgScann.04.jpgScann.05.jpg

  • Hallo Dieter,

    die Geschwaderkennung ist auf den Bildern leider nicht zu erkennen, das wäre die Kombination aus Buchstabe und Zahl vor dem Balkenkreuz gewesen.

    JM verrät uns nur, dass es sich um die Maschine "J" der 4. Staffel (Teil der II. Gruppe) handelt.

    Auch ein Verbandsabzeichen ist leider nicht zu erkennen.

    Gruß

    Yannik

    Suche sämtliche Bilder und Schriftstücke zum Infanterie-/Grenadier-Regiment 6

  • Hallo,

    das ist eine Do 217 der 4.Nachtaufklärungsstaffel (Abk.: 4./NSt.), die im Bereich der Luftflotte 1 Nacht-Fernaufklärung flog. Mit Blitzbomben wurde die Landschaft unterhalb des Flugzeugs beleuchtet, wodurch die Belichtung des Films erfolgte (falls nicht klar ist wozu die Einheit gut war)..

    Das reguläre Kennzeichen der 3./NSt. und der 4./NSt. war K7+xM, während die 1./NSt. und die 2./NSt. mit K7+xH flog. Alle 4 Einheiten waren Halbstaffeln mit regulär 6 Flugzeugen. Die 4. flog bei der Luftflotte 1 im Nordabschnitt, Die 3. bei der Lfl. 6 im Mittelabschnitt, die 1. und 2. im Südabschnitt bei der Lfl. 4.

    Die 4./NSt. flog noch bis zum Verlust von Riga (Okt. 44) vom Fliegerhorst Splive, verlegte dann aber ihre Einsatzbasis nach Ostpreußen (Prowehren).

    Aber auch ohne Kennzeichen wäre die Einheit (im Kontext mit dem Fundort) klar.

    Denn: die Nacht-Fernaufklärer waren die einzigen Einheiten, die ab 1943 noch die Do 217 an der Ostfront flogen !

    Ein Personalverlust der 4./NSt. über Ösel ist nicht in den Verlustunterlagen dokumentiert. Dort flog die 4./NSt. nach der Besetzung durch die Rote Armee auch keine Einsätze mehr. Ich tippe auf eine Notlandung infolge eines technischen Schadens. Die Besatzung trug - da die Maschine so gut wie unbeschädigt ist - keinen Schaden davon. Evtl. war der Stolz ein wenig angekratzt. Der Schrott konnte dann auf Grund der Frontlage nicht mehr geborgen werden und blieb halt liegen. Das Warck sieht auch schon reichlich gefleddert aus, die lag dort bei den Aufnahmen schon ein paar Monate.

    Mit Gruß, Uwe K.

    "Was sprechen die Diesel, Johann? - Die Diesel sind zufrieden, Herr Kaleu."

  • Hallo,

    vielen Dank für die Antworten, sie sind hilfreich.

    Um den Zeitablauf für mich nachvollziehbar zu machen. Die dt. Truppen waren vom Herbst 41 bis zum "24.11.44" auf Ösel. Die Frontlinie am 06.10.44 verlief >Karte AOK16< nördöstlich von Arensburg

    (rechte blaue Linie, vereinfachter Frontverlauf nach 50.000er), die linke blaue Linie die vom 07.10.44.

    In den mir vollständig vorliegenden KTB´s von HGr Nord (mit Flivo) abwärts bis zum Inselkommandanten (23.ID) ist kein Bruch zwischen Arensburg und nordöstlicher Küstenlinie zu Moon vermerkt. Ich

    hätte dies in einer Meldung vermutet.

    Da vorher die Insel unter dt. Kontrolle gestanden hat, wäre mein Verständnis, daß die Maschine oder Teile davon ohne Fledderei abtransportiert worden wäre. Auch der Meldeweg wäre mit hoher Wahr-

    scheinlichkeit eingehalten worden.

    Bei einer Annahme, daß die Notlandung erst nach dem 07./ 08.10.44 erfolgte, müßte die Besatzung den Russen in die Hände gefallen sein.

    Hat jemand der Kundigen noch eine Idee, wie ich das Datum der Notlandung dieser Maschine nachzuvollziehen könnte, z.B. außer dem Bundesarchiv (Verlustlisten) Nachkriegsbücher des Verbandes?

    Gruß

    Dieter

    Ösel-AOK16 Übersichtskarte.001.jpg

  • Hallo Dieter,

    die Maschine hatte, den Bilder nach zu beurteilen, nur noch Schrottwert. Wenn überhaupt, dann wäre es nur ums Altmetall gegangen.

    Die Karte von Ösel ist nicht aussagekräftig, was den Transportweg betrifft. Da müsstest Du eher eine Karte das Baltikums mit dem Frontverlauf zwischen dem 22.6. und Oktober 44 betrachten. Die HGr. Nord hatte mehr damit zu tun ihre Truppen und funktionsfähigen Waffen nach Süden in Richtung Lettland zu bringen, als den Metallnachschub fürs Reich zu sichern.

    Um die Bergung und den Abtransport SINNVOLL zu machen, hätte es ja eine für Materialtransporte verfügbare Eisenbahnverbindung von Ösel zurück ins Reichsgebiet geben müssen. Ab Mitte August war Lettland ziemlich abgeschnitten - da hätte die Bahn durchfahren müssen. Und per LKW oder Schiff den Metallschrott zurückbringen? Der Transportraum wurde wohl eher für Truppen nebst ihren Waffen und Verwundete benötigte, als für verbogenes Metall.
    Ab Frühjahr 1944 lieferten die Westalliierten im Übrigen durch ihre Flugzeugverluste bei den Bombardements genügend legiertes Aluminium frei Haus ins Reichsgebiet - daran herrschte nicht wirklich Mangel. Aus dem Alu jeder B-17 oder Lancaster konnte man nach dem Recycling 4 neue Jäger bauen.

    Generell: Flugzeuge gab es im Herbst 1944 genug, die Produktion war nie höher als 1944. Der Sprit und erfahrene Piloten wurden ab Sommer 44 zunehmend zum Problem.

    Ich denke, dass die Maschine von den Russen nach Besetzung der Insel gefleddert wurde. Zwischen Besetzung der Insel und dem Fototermin (23.12. ?) war genug Zeit für russische Soldaten, um sich kleine Blechteile als Souvenir aus dem Rumpf zu schneiden.

    Es ist übrigens eine Do 217 M-1. Erkennbar an den DB 603 Triebwerken. Die E und die K Versionen hatten ja den BMW 801 Doppelstern eingebaut.

    Auf den Bildern erkennt man die Reihenmotoren mit den Resten der 4-Blatt Luftschrauben.

    Die 4./NSt. verlor ohne Feindeinwirkung je eine "M" im Juli und September, und 2 im August.

    Totalverluste (mit Besatzung) gab es bei der 4./NSt. je einen im März, April, Juni und Juli. Die Maschinen sind aber ganz woanders vermisst bzw. abgestürzt - und keine davon hatte die Kennung JM.

    > ... z.B. außer dem Bundesarchiv (Verlustlisten) Nachkriegsbücher des Verbandes?

    Aus der ehemaligen WASt habe ich ja - über Umwege - die Luftwaffen-Verlustmeldungen für 1944.

    Aber wenn Du mir eine bessere Quelle auftust, wäre ich dir sehr dankbar.

    Ich vermute, dass es sich um eine der 4 Materialverluste aus dem Zeitraum Juni bis September 44 handelte, und die Maschine auf dem Rückflug vom Einsatz (Raum Leningrad, Narwa, Nord-Estland) nach Riga dort notlandete und die Männer zur Truppe zurückkehrten (wohl per Flugzeug abgeholt). Dass die Nachtaufklärer eigentlich weit hinter der Front und in großer Höhe operierten sollte man noch berücksichtigen. Und statt im Feindgebiet notzulanden, wäre die Besatzung eher über der Ostsee abgesprungen. Der Besuch bei der Roten Armee war in Luftwaffenkreisen nicht gerade populär.

    V. Grüße, Uwe K.

    "Was sprechen die Diesel, Johann? - Die Diesel sind zufrieden, Herr Kaleu."

  • Hallo Uwe,

    vielen dank für die ausführliche Beschreibung der Situation und den geflogenen Einsätzen. Die Zeitzeugenaussagen, damals Kinder, heute 80+, weichen nach so langer Zeit

    manchmal etwas ab.

    Das Datum der Fotos mit dem 23.12.44 entspricht den Vermerken des russ. Fotografen.

    Gruß

    Dieter

  • Guten Abend Dieter,

    anbei mal ein Foto der Szene in ordentlicher Auflösung, worauf dann auch die Kennung der Nachtstaffeln K7 klar zu erkennen ist. Leider ist keine Werknummer erkennbar, mit der ich dann evtl. mehr anfangen könnte. Damit das Foto in das Größenlimit passt, musste ich das Foto oben und unten beschneiden und etwas kleiner zoomen. Der Qualität dürfte das keinen Abbruch tun.

    Das Thema hatte mir keine Ruhe gelassen und ich habe mal meine Suchmaschinen-Fähigkeiten eingesetzt. Dabei ist mir aufgefallen, dass das Thema schon mehrfach in anderen Foren behandelt wurde, nämlich

    hier: https://www.flugzeugforum.de/threads/do-217-m-1-k7-jm.93300/

    und hier: http://forum.12oclockhigh.net/archive/index.php?t-29999.html

    Die Kollegen in Toch sind ebenfalls zur Folgerung gekommen, dass die Maschine schon vor der Besetzung durch die Russen dort "geparkt" wurde. Und durch sowj. Luft-/Tiefangriffe noch mehr beschädigt wurde.

    War dir das bewusst, Dieter?

    V. Grüße, Uwe K.

  • Hallo Uwe,

    unermüdlich, vielen Dank für das Foto und den erklärenden Hinweisen dazu.

    2016 hatte ich hier im Forum einen Beitrag dazu eingestellt. Die Beiträge in den beiden Links werde ich noch einmal dazu durchlesen. Ich werde dann auch vielleicht nachvollziehen können,

    ob die Fotos einer vergleichbaren Quelle entstammen.

    Gruß

    Dieter

  • Hallo Uwe, hallo Forum.

    Uwe, dein Link zum forum.12oclockhigh.net hat für mich sehr gute Hinweise ergeben, vielen Dank dafür.

    Die dort von Andrey Kuznetsov 2012 !! erwähnten Fluplätze Monnust und Kogula haben zu einem überraschenden Erfolg geführt. Einer meiner Bekannten auf Ösel kannte zwar den Flugplatz Monnust

    von einem Luftbild vom Januar 1945 (3./ F/ 22 - Stabsbildabteilung AOK.16 vom 16.01.45) und der heutigen landw. Nutzung, jedoch nicht das ehem. Flugfeld Kogula (Könnu).

    In Könnu konnte er einen alten Mann ausfindig machen (dieser wohnt seit seiner Geburt dort), der als Kind auf der Do.217 herumgekletter ist. Jetzt hoffe ich nur, daß möglichst bald die Reisebeschränkungen

    gelockert werden, um dann dort selber letzte Recherchen anstellen zu können.

    Angehängt ist ein (Teil)Foto vom Flugplatz Monnust, es wurden von den Auswertern 128 einmot. gezählt, JAK und Hurricane.II (mit Fragezeichen). Die westl. und östl. Straßenführung ist verändert worden,

    aber die alte Straße noch gut erkennbar (M..2).

    Von Kogula habe ich leider kein Luftbild gefunden, dort ist im Januar 45 vermutlich nicht mit aufgeklärt worden.

    Gruß

    Dieter

    1-Monnust-16.01.45.jpg2-Monnust 3.-F-22 16.01.45(AOK16).jpg3-Könnu Do.217-1941.jpg