Strafeinheiten der Polizei

  • Hallo und ein gutes Neues Jahr,

    so wie bei der Wehrmacht gab es auch bei der Polizei Strafeinheiten.

    Zum Beispiel die.2. Pol.-Strafkomp. Agram oder beim Pol.-Ers.-Batl. Esseg neben dem Genesungszug eine Strafkompanie.

    Ich gehe davon aus, dass dies ein bisher relativ unbekanntes und unbearbeitetes Thema ist.

    Wer weiß Näheres über solche Einheiten?

    Es grüßt Euch

    Dieter

  • Guten Abend ans Forum und an Dieter,

    zu Deinem Thema habe ich in meiner Literatur und in meinen Unterlagen bisher nichts gefunden.

    Ich meine aber, hierüber schon etwas gelesen zu haben.

    Ich suche mal weiter und würde dann ein mögliches Ergebnis ins Forum stellen.

    Mit freundlichen Grüßen aus der Normandie

    Peter

    (PH)

  • Guten Tag ans Forum und an Dieter,

    bei meiner Suche zum Thema, haben sich bei Strafen (Verurteilung und Vollstreckung) gegen Polizeiangehörige erweiternde Aspekte ergeben,

    Man sollte berücksichtigen, dass es ab Oktober 1939 eine "Verordnung über eine Sondergerichtsbarkeit im Strafsachen für Angehörige des SS und für die Angehörigen der Polizeiverbände bei besonderem Einsatz" gab. Diese SS- und Polizeigerichtsbarkeit wurde seit ihrer Einführung im Laufe des Krieges auf weitere Personengruppen innerhalb der Polizei erweitert.

    Die genannte Sondergerichtsbarkeit schloss Einweisungen von Polizeiangehörigen in Konzentrationslager und Deliktsahndung (z.B. bei Fahnenflucht oder Wehrkraftzersetzung) durch Todesurteile mit ein.

    Friedrich WILHELM nennt in seinen Buch "Die Polizei im NS-Staat, Paderborn 1997, S. 130, die Gesamtzahl von 138 vollstreckten Todesurteilen an Polizeiangehörigen zwischen September 1939 und Juni 1944.

    Die Bestandsbeschreibung zur SS- und Polizeigerichtsbarkeit beim Bundesarchiv weist darauf hin, dass entsprechende Akten vernichtet worden seien, um sie nicht in Feindeshand fallen zu lassen.

    Möglicherweise lasst sich die von Dieter offensichtlich angesprochene schlechte Aktenlage zum Thema ja so erklären.

    Mit freundlichen Grüßen aus der Normandie

    Peter

    (PH)

  • Hallo zusammen,

    Sondergerichtbarkeit der Polizei, GANZ schwieriges Thema.

    Ich empfehle hierzu das Buch von Bianca Vieregge: Die Gerichtsbarkeit einer "Elite". Nationalsozialistische Rechtsprechung am Beispiel der SS- und Polizei-Gerichtsbarkeit.

    Ich weise aber darauf hin, dass das ein juristisches Fachbuch ist ?(

    Nicht immer einfach zu lesen.

    Oben sieht man, dass das Verbände in Kroatien waren, von den Münchener Personalakten kann ich sagen, dass es hier keine Strafeinheiten gab, Leute kamen bei Verurteilungen

    ins Straflager Danzig-Matzkau und dann zur Frontbewährung zu SS-Polizei-Regimentern (ein Fall eines Hauptmanns) oder wurden auch hingerichtet (ein Reservist wegen § 175).


    Slowenien kenne ich Strafeinheiten beim BdO Alpenland auch nicht, das war aber reichsdeutsches Personal.


    Gruß aus München

    Marcus

    Suche ALLES zu Polizei-Bataillonen aus dem Wehrkreis VII und dem Einsatz in Slowenien sowie zur PV. Litzmannstadt
    "Wer die Freiheit aufgibt um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren." (Benjamin Franklin)

  • Hallo Marcus,

    dass das kein einfaches Thema ist, war mir klar.

    Auffallend war, dass mir bisher nur die beiden Beispiele aus Kroatien begegnet sind.

    Normalerweise müsste es so etwas auch bei anderen Einheiten gegeben haben. Evtl. zusammengefasst bei einer Einheit pro Wehrkreis. Aber das ist Spekulation.

    Herzlichen Gruß

    Dieter

  • Hallo Dieter,

    also für die BdO VII und XVIII und den KdSch Stuttgart sind mir KEINE Strafeinheiten untergekommen in den Akten.

    Herzliche Grüße aus München

    Marcus

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  • Hallo Uwe,

    bisher noch nicht, aber jetzt dann bald - Danke für den Tipp....

    Gruß aus München

    Marcus

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  • Hallo Marcus,

    bestimmt eine interessante Quelle, das Buch. Sind Dir daraus Fälle bekannt, dass Polizei-Angehörige aufgrund von Befehlsverweigerungen im Rahmen von Erschiessungen von jüdischen Menschen, verurteilt worden sind?

    Beste Grüße

    Andreas

    Beste Grüße, Andreas

    "Die Würde des Menschen ist unantastbar". (Art.1GG)

  • Hallo liebe Forumsfreunde,

    herzlichen Dank für die rege Beteiligung an meinem Thema.

    Uwe, leider konnte ich Deinen Link nicht öffnen (404 Fehler).

    Andreas, es würde mich sehr wundern, wenn in diesem Buch etwas über Todesurteile von Polizeiangehörigen wegen Befehlsverweigerung bei Erschießungen gefunden würde.

    Bisher habe ich in der Literatur nichts bezügliches finden könnte.

    Meiner Meinung nach handelt es sich dabei um die in den Nachkriegsprozessen von Tätern immer wieder aufgestellte Behauptung, dass ihnen das gedroht hätte. Belegt werden konnte dies aber nach meiner Kenntnis bisher in keinem Fall.

    Herzlichen Gruß

    Dieter

  • Hallo Andreas,

    die Wissenschaft ist sich einig, dass es bislang nicht gelungen ist, ein Urteil zu finden, in dem ein SS- oder

    Polizeiangehöriger wegen Verweigerung der Erschießung von Juden belangt wurde.

    Nach so einem Urteil werden Scharen von Verteidigern gesucht haben, weil damit jede Anklage nach dem

    Krieg für die Mülltonne gewesen wäre.

    Im Gegenteil wurde den Männern anfangs sogar teilweise freigestellt, mitzumachen, ich verweise da auf das Buch

    "Ganz normale Männer" von Browning.

    Gruß aus München

    Marcus

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  • ...

    die Wissenschaft ist sich einig, dass es bislang nicht gelungen ist, ein Urteil zu finden, in dem ein SS- oder Polizeiangehöriger wegen Verweigerung der Erschießung von Juden belangt wurde.

    ....

    Hallo Marcus und Interessierte,

    so ganz richtig ist das nicht. Der Oberleutnant d.SchP. und Kompaniechef im Pol.-Batl. 306 Klaus Hornig kam wegen Befehlsverweigerung ins KZ Buchenwald, nachzulesen bei Klemp, Nicht ermittelt. Außerdem stelle ich mal die Behauptung auf, dass bis heute noch niemand gezielt (z.B. per Forschungsauftrag) nach solchen Urteilen gesucht hat. Die Frage ist auch, was sucht man, Todesurteile oder andere Arten von Bestrafungen.

    Liebe Grüße

    Daniel

    "Mit den falschen Selbstgewissheiten derjenigen, die sich für bessere, stets auf der richtigen Seite befindliche Menschen halten, ist aus dem Nationalsozialismus nichts zu lernen." Götz Aly

  • Hallo Dirk,

    herzlichen Dank für die Einstellung der Dokumente zu Hornig.

    Hast Du noch weitere Unterlagen zu Hornig? Ich arbeite z.Zt. an einem Projekt, Polizeibeamte, die entgegen Vorschriften und Befehlen gearbeitet haben und so ihre Menschlichkeit bewahrt haben, der jüngeren Polizeigeneration nahe zu bringen. Dazu gehörte auch Hornig, der im Polizeigefängnis Mainz war.

    Daniel, Dein Einwand zu Hornig ist teilweise zutreffend und Marcus Aussage, dass es kein Urteil geben würde, wonach ein Polizeibeamter "belangt" wurde zu relativieren.

    Bei Hornig beruhte die Verurteilung vorrangig aber darauf, dass er Angehörige seiner Kompanie als Gerichtsoffizier über die rechtlichen Bestimmungen des Wehrstrafrechtes aufklärte. Dies wurde ihm als Wehrkraftzersetzung ausgelegt.

    Mein Hinweis bezog sich auf Todesurteile, die tatsächlich bisher nicht bekannt geworden sind.

    Herzliche Grüße

    Dieter

  • Hallo Daniel,

    man muss im Gegenteil davon ausgehen, dass SEHR VIELE Leute nach einem solchen Urteil gesucht hätten.

    Allerspätestens die Anwälte der Leute, die es mit den Staatsanwaltschaften und der Zentralstelle Ludwigsburg im Rahmen deren

    Ermittlungen zu den Massenverbrechen zu tun bekommen haben.

    Ein einziges solches Urteil schwarz auf weiß hätte genügt, alle Ermittlungsverfahren wegen einem tatsächlichen Befehlsnotstand

    (und nicht dem trotz allem in der Regel zugesprochenen angenommenen) in die Mülltonne treten zu lassen.

    Wie gesagt, immer noch aktueller Stand, der auch so noch vor ca. 3 Jahren von einem Staatsanwalt der Zentralstelle vertreten wurde

    bei einem Vortrag, den ich gehört habe: es gibt keine nachgewiesenen Todesurteile oder KZ-Einlieferungen aufgrund von einer

    Verweigerung einer Beteiligung an den Massenverbrechen.

    Herzliche Grüße aus München

    Marcus

    Suche ALLES zu Polizei-Bataillonen aus dem Wehrkreis VII und dem Einsatz in Slowenien sowie zur PV. Litzmannstadt
    "Wer die Freiheit aufgibt um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren." (Benjamin Franklin)

  • Hallo Marcus,

    ich will mich sicherlich nicht streiten, aber die Einweisung ins KZ bei Verweigerung an Teilnahme einer Massenerschiessung ist Befehlsnotstand! Ein drohendes Todesurteil ist beim Befehlsnotstand nicht zwingend erforderlich. Es muss Gefahr für Leib und Leben bestanden haben und das erfüllt die Einweisung ins KZ allemal, da sind wir uns wohl einig.

    Siehe dazu bitte auch hier:

    https://de.wikipedia.org/wiki/Befehlsnotstand

    Und was Ludwigsburg sagt, interessiert mich nicht die Bohne. Soll auch hier kein Thema sein. Ich frage mich aber schon, warum der Fall Hornig damals im Vortrag kein Thema war, denn dieses eine Urteil hätte gereicht für die Mülltone.

    Liebe Grüße

    Daniel

    "Mit den falschen Selbstgewissheiten derjenigen, die sich für bessere, stets auf der richtigen Seite befindliche Menschen halten, ist aus dem Nationalsozialismus nichts zu lernen." Götz Aly

  • Hallo Daniel

    Bei Hornig beruhte die Verurteilung vorrangig aber darauf, dass er Angehörige seiner Kompanie als Gerichtsoffizier über die rechtlichen Bestimmungen des Wehrstrafrechtes aufklärte. Dies wurde ihm als Wehrkraftzersetzung ausgelegt.

    Mein Hinweis bezog sich auf Todesurteile, die tatsächlich bisher nicht bekannt geworden sind.

    Herzliche Grüße

    Dieter

    Da ich im dem Bereich nicht so bewandert bin

    Kannst du mich bitte mal ein bisschen schlauer machen.

    Gibt es zu dem Prozess Akten aus dem der offizielle Urteilsgrund zu erkennen ist?

    Das in der Zeit das Recht gebogen und verdreht wurde wie es den Herren gepasst hat ist mir bekannt!

    Gruß Arnd

  • Hallo Marcus,

    genau, dies ist auch mein Kenntnisstand, dass es die einheitliche Meinung der Forschung ist, dass bislang kein belegbarer Fall bekannt ist, wo es bei einer Weigerung an einer (Massen)-Erschiessung teilzunehmen zu einer Verurteilung gekommen ist. Es gab wohl überlieferte verbale Drohungen in der Art wie „Dann können Sie sich dazustellen!“, jedoch wohl keine nachweisbaren Verurteilungen. Brownings Buch ist mir wohlbekannt, dort wird eher der Gruppendruck thematisiert, wie sich bestimmte Dynamiken entwickeln konnten, aber mehr auch nicht. Es wäre halt interessant gewesen, wenn sich aus der neuen Aktenlage neue Urteile oder Hinweise ergeben hätten. Wie schon hier angeführt, es wäre für einen Strafverteidiger von großen Nutzen gewesen, hätte er solch einen Fall in der Verteidigung mit einbauen können. Der Befehlsnotstand einer „normalen“ Befehlsverweigerung war ja weitestgehend bekannt. Schließlich ist es einem Soldaten/Polizisten der in einer Streitkraft eines Terrorregimes dienen muss klar, dass er andere Maßstäbe bei seiner Rechtswahrung ansetzen muss. Wenn er mit ansehen muss, dass es zu unrechtmäßigen Tötungen jederzeit kommen kann, ist ihm im Grunde auch nachzusehen, dass er davon ausgehen muss nicht rechtsstaatsmässig und fair von einem Militärrichter abgeurteilt zu werden. Wenn der Diebstahl einer Schokakola-Schokolade schon zu einem Todesurteil führen konnte, so konnte der einfache Dienstgrad auch davon ausgehen, dass er bei einer Befehlsverweigerung auch von einer „tollwütigen“ Militärgerichtsbarkeit keine Gnade zu erwarten hat.

    Ich bin froh, ob der Gnade meiner späten Geburt.

    Beste Grüße

    Andreas

    Beste Grüße, Andreas

    "Die Würde des Menschen ist unantastbar". (Art.1GG)

    Edited once, last by suum cuique: Typo (January 12, 2020 at 5:47 AM).

  • Hallo,

    für alle denen der Fall Hornig unbekannt ist, hier mal sämtlich vorliegende Darstellungen aus der Sekundärliteratur. Gott sei Dank hat unser Forumsmitglied Rolandus/RolandP in unermüdlicher Schreibarbeit die Sachen bereits abgetippt. Einen herzlichen Dank dafür an dieser Stelle. :thumbup:8)

    Originalunterlagen zum damaligen Gerichtsverfahren gegen Hornig liegen mir leider nicht vor. Die müssten in Wiesbaden liegen, wenn ich mich nicht irre. Viel Spass beim lesen.

    In der Zeit vom 21. bis 28.9.1941 wurden auf Grund des Befehles des OB d. Heeres vom 8.6.1941 und des Einsatzbefehles Nr.8 vom 17.7.1941 unter dem Decknamen “Aktion Hühnerfarm” mehrere tausend sowjetische Kriegsgefangenen des Gefangenenlagers Kalikow bei Biala-Podlaska von Angehörigen der in Biala-Podlaska stationierten 2.Kp. des Pol.Btl. 306 erschossen. ...Unter der Vorspiegelung, sie würden in ein Winterlager verlegt, wurden 5 – 6 000 Gefangene in der Zeit vom 21. bis 28.9.41 mit LKW in ein Waldstück zwischen Terespol und Biala-Podlaska verbracht und dort erschossen. Das Erschießungskommando und die Transportmannschaft wurden von Angehörigen der 2.Kp. des Pol.Btl 306 gestellt. Im Verlauf der Aktion wurden Angehörige der 3.Kp. des Btl. zur Erweiterung der Gruben eingesetzt.

    (Quelle: Lichtensteiner, Himmlers Grüne Helfer, S.177ff)

    15.10.1941

    Am 15.10.1941 wurde der Oberleutnant d.Sch. Dr. Klaus Hornig (in Schäfer, NSG-Verfahren, S. 76 nur „Dr. K.H.“, s.a. Klemp, Nicht ermittelt, S. 52ff) als Gerichtsoffizier zum Polizeibataillon 306 befohlen: „… Am 15.10.1941 hatte ich mich bei Pol.Batl. 306 in Lublin zu melden, einer Einheit, die im besetzten Polen und rückwärtigen russischen Kriegsgebiet Sonderaufgaben wie Banditen- und Partisanenbekämpfung, Exekutionen von Polen, Juden und russischen Kriegsgefangenen (sog. Politruks), zusammen mit dem SD, Kontingenteintreibungen bei polnischen Bauern, auf Befehl des Distriksgouverneurs und Evakuierungen ganzer Landstriche auf Befehl des SS-Hauptamtes „Rasse und Siedlung“ (Volksdeutsche Mittelstelle) und des „Höheren SS- und Polizeiführers“ Globocnik (richtig: nur SSPF) von Lublin durchzuführen hatte.

    Sehr bald erkannte ich, dass die genannten Maßnahmen mit großer Brutalität und Unmenschlichkeit ausgeführt wurden. – Ich übte daher zunächst im engsten Kameradenkreise scharfe Kritik an den vorgenannten Maßnahmen, wies auf die allgemein gültigen Gesetze der Menschlichkeit und auf völkerrechtliche Grundsätze hin, worauf ich als pedantischer Jurist und als zu weich eingestellter Offizier bezeichnet wurde…“

    (Quelle: Schäfer, NSG-Verfahren, S. 76, Aussage Dr. K.H.)

    An anderer Stelle führte Dr. Hornig aus: „Im Oktober 1941 erhielt ich auf Veranlassung von Himmler einen Marschbefehl nach Lublin zum Pol.-Batl. 306. Ich wurde dort zum Truppendienst und als Gerichtsoffizier eingesetzt“ – leider nennt Hornig nicht die Kompanie des Bataillons, die er übernahm. „In dieser Eigenschaft habe ich Dinge festgestellt, die rechtlich und völkerrechtlich nicht in Ordnung waren.

    Ich wurde von Dreier nach Zamosc geschickt, und er erklärte mir, dass aufgrund der sog. Politruk-Erlasse dort russische Kommissare erschossen wurden. Diese Aktion laufe unter dem Decknamen „Hasenschießen“.

    Ich erklärte Dreier, dass ich eine solche Aktion nicht durchführen könne. Daraufhin hat er mich furchtbar angeschrien und erklärte mich für nicht hart genug für den Osteinsatz …“

    (Quelle: Schäfer, NSG-Verfahren, S.183, Aussage am 17.2.1972)

    01.11.1941

    „Eines der aussagekräftigsten Beispiele für Fälle von Befehlsverweigerung ist die Geschichte des Offiziers Klaus Hornig. Er hat als Kompaniechef des Polizeibataillons 306 im Rang eines Oberleutnants am 1.November 1941 die Ausführung eines Erschießungsbefehls verweigert. Knapp 800 sowjetische Kriegsgefangene, darunter Kommissare, sollten in einem Waldstück zwischen Lublin und Lemberg erschossen werden. Er ging zu seinem Bataillonskommandeur, Major Dreier, und sagte ihm, dass er als Jurist und Wehrmachtsoffizier den Auftrag nicht ausführen könne, weil es ihm unmöglich sei, auf wehrlose Menschen zu schießen. Darüber hinaus rief er auch noch die Offiziere seiner Kompanie zusammen und belehrte sie über den §47 des Militärstrafgesetzbuches, wonach jeder das Recht hatte, einen verbrecherischen Befehl zu verweigern. Die Belehrung wurde ihm übergenommen. Der §47 war den Polizisten wohl nicht bekannt gemacht worden. Hornig erklärte, die Erschießung von Wehrlosen sei ein Verbrechen. Major Dreier riet ihm, nach Zamosc zu fahren, wo ein SS-Sturmführer seit Wochen Menschen erschoss. Hornig fuhr nach Zamosc, konnte aber seine Männer nach eigenen Angaben aus den Erschießungen heraushalten, weil ein Polizeireiterzug die Aktion ausführte.

    Ein SS-Führer namens Schubert habe dort das Kommando gehabt. Hornig beschwerte sich über die Methoden bei der Exekution. Der SS-Führer schoss mit, aber aus kurzer Entfernung, dass sein Mantel über und über mit Gehirn und Blutbespritzt war. Hornig belehrte in, dass ein Offizier bei solchen Exekutionen nicht mitschießen dürfe, und nannte ihn wohl „SS-Lümmel“, weil er frech geworden sei. Er soll die Erschießungen auch als GPU-Methode bezeichnet haben. Da er den SS-Führer Schubert persönlich kannte, wurde er nicht direkt verhaftet, sondern in die Heimat versetzt. In seiner Wohnung wurde er dann verhaftet.

    Hornig wurde vor ein SS- und Polizeigericht gestellt und wegen Befehlsverweigerung und Wehrkraftzersetzung angeklagt. Nach seinen Angaben sei er zweimal verurteilt worden, erst zu einigen Jahren, dann zu etwas sechs Monaten Gefängnis. Da keins der Urteile rechtskräftig wurde, veranlasste Himmler seine Einweisung nach Buchenwald. Klaus Hornig überlebte und trat nach 1945 in NS-Prozessen als lebender Beweis für die Möglichkeit einer Befehlsverweigerung auch für Offiziere auf.

    (Quelle: Klemp, Nicht ermittelt, S. 52 – 53, 56, 393, 395, s.a. Anm. 105 auf S. 52 Alexandre, Michel, Der Judenmord, S. 62-66; s.a .Klemp, Nicht ermittelt, S. 225 und 431: dort ist ein Oberleutnant Nikolaus Hornig am 5.11.1940 Kdr. des Pol.Btl. 124 (wahrscheinlich Chef der 3.Kp.) in Luxemburg)

    Hornig gab selber an: „…. Auf dem Weg nach Zamosc belehrte ich meine Unterführer über den §47 des Mil.StGB mit dem Erfolg, dass aufgrund meiner Unterweisung nicht einer meiner Leute an Erschießungen teilnahm.

    In Zamosc habe ich mir die Erschießungen angesehen, die so grauenhaft waren, dass ich einen anwesenden SD-Führer „SS-Lümmel“ nannte und die Aktion als „GPU-Methode“ bezeichnete. SS-Richter Dr. M., der in Frankfurt lebt, kam und ich habe ihm vor allem über die Plünderungen durch Bataillons-Angehörige berichtet. Es wurde ein Verfahren eingeleitet, und als sich herausstellte, dass der Kommandeur mit in die Sache verwickelt war, wurden mir die Akten entzogen und gegen mich ein Verfahren eingeleitet, dass unter dem Oberbegriff „SS-feindliche Einstellung“ lief.

    Ich wurde nach Frankfurt zurückgeschickt und hier im Präsidium verhaftet und in das Polizeigefängnis gebracht. In dem Verfahren wurde RA Dr. W., der mich verteidigen sollte, nicht zugelassen. Auf Einspruch erklärte sich nach 6 Wochen das SS-Gericht in Kassel als nicht zuständig, die Sache wurde nach Düsseldorf verweisen und dort wurde ich von RA Graf G. verteidigt. Den Haftbefehl gegen mich hatte der (HSSPF Kassel) Erbprinz J. v. W. erlassen.

    Die erste Verhandlung in Kassel war unter dem Vorsitz des SS-Richters I., Anklagevertreter war ein Dr. P. Meine Zeugen waren nicht zugelassen worden, nur die Gegenzeugen, die Hauptm. Landwehr benannt hatte, F. und S., waren als Zeugen vernommen worden.

    Das Urteil lautete auf 3 Jahre und 7 Monate Gefängnis. Ich durfte keine Polizei-Uniform mehr tragen, wohl aber eine Wehrmachtsuniform….

    Inzwischen machte ich in Mainz – Weisenau Dienst und wurde dort auf Befehl Himmlers wieder verhaftet und nach Buchenwald als Vorzugshäftling eingeliefert. In diesem neuen Verfahren wurde ich unter dem Vorsitz von P. zu 6 Jahren und 7 Monaten Gefängnis verurteilt und das Verbleiben im KZ angeordnet.

    Nach der Befreiung durch die Amerikaner wurde ich dem CIC übergeben und nach verschiedenen Lagern landete ich in Dachau, wo ich Herrn Oberst Griphan und Herrn Kuhr wieder traf. Da das Urteil nicht rechtskräftig war, war ich nach wie vor Offizier und bleib in Zeugenhaft. 1947 wurde ich praktisch frei.“
    (Quelle: Schäfer, NSG-Verfahren, S. 183-184, Aussage am 17.2.1972)

    „Wenn Hornig in seiner Eigenschaft als Gerichtsoffizier die Dinge festgestellt hätte, die rechtlich und völkerrechtlich nicht in Ordnung waren, dann hätte er so gut wie jeden „Einsatz“ des Polizeibataillons 306 melden müssen. Sie verstießen nahezu alle gegen Recht und Völkerrecht. Dr. Hornig war womöglich kein Dissident mit Rückgrat. Er war seit 1937 Mitglied in der NSDAP. Des Weiteren gestand er Tatbeteiligungen bei „Kontingenteintreibungen“ und „Evakuierungen“ ein.

    (Quelle: Schäfer, NSG-Verfahren, S.184 unten).

    Sehr interessant sind die Angaben, die sich aus der Anklage gegen den verantwortlichen Offizier des bei der „Aktion Hasenschießen“ tatbeteiligten „Reiterzuges Zamosc“, Bruno Meiert, ergaben. Dem nach war es „… nicht wahr, dass Hornig sich geweigert hat, die Exekutionen durchzuführen, sondern er hat, nachdem die Exekution zur Hälfte bereits unter seiner Leitung durchgeführt war – M. war ihm unterstellt – dem Major Dreier erklärt, dass er körperlich der Lage nicht mehr gewachsen sei und dass er daher bitte, ihn jetzt durch .. m. abzulösen. Das ist dann geschehen. …“ (Schäfer, NSG-Verfahren, S. 184 – 185, s.a. Anm. 313) Meiert gab an: „Hornig sagte zu mir sinngemäß „Wie können Sie als Offizier so etwas tun. Das sollte doch eigentlich nicht die Aufgabe eines Offiziers sein“. Seine Worte beinhalten nicht eine Unrechtmäßigkeit des Verhaltens nach sittlichen, ethischen oder moralischen Grundsätzen, sondern betrafen die Äußerlichkeit des Verhaltens als Offizier. In meiner Antwort habe ich dann gesagt, war mir Dreier kurze Zeit vorher selbst ins Gesicht gebrüllt hatte, nämlich, was man von den Männern verlangen würde, müsste ich selbst als Vorbild tun. …“

    (Quelle: Schäfer, NSG-Verfahren, S.185, Aussage v. 19.12.1961)

    Liebe Grüße

    Daniel

    "Mit den falschen Selbstgewissheiten derjenigen, die sich für bessere, stets auf der richtigen Seite befindliche Menschen halten, ist aus dem Nationalsozialismus nichts zu lernen." Götz Aly