• Guten Tag,

    hier ein Brief meines Großonkels an die Familie seines Bruders, in der er mehrere Jahre gelebt hatte, als er in Francop bei Hamburg seine Schreinerausbildung machte. Mit seinem Bruder Valentin war Ludwig in Siegen stationiert.


    Ludwig Reinhardt an die Familie seines Bruder Rudolf


    R., den 11. Sept. 1939

    Liebe Liesel, Vater und Mutter!

    Ich habe Euch nun recht lange nicht mehr geschrieben. In dieser Zeit ist das ja auch verständlich. Nun ist doch wenigstens die Postsperre aufgehoben.

    Rudolf schwirrt doch sicher auch irgendwo mit den Flakgeschützen rum. Möchte mal wissen, ob er in Polen ist oder nicht. Muss oft an ihn denken. Denn hier ist auch Flak im Dorf.

    Am 24. August bekam ich von zu Hause eine Eilkarte, die uns aufforderte, sofort nach Hause zu kommen. Vater hatte einen Schlaganfall bekommen. Valentin war Stellvertreter auf der Gaskammer, den ließ der Chef sowieso nicht weg und ich wollte den 25. ab nach Hause fahren.

    Am 25. und 26. machten wir mobil und am Abend des 27. wurden wir verladen und wollten durch die Nacht dem Westwall entgegen. Am 28. waren wir dann schon in unseren Befestigungen und Stellungen drin.

    Kurz nach unserem Eintreffen räumte auch schon die Bevölkerung das bedrohte Gebiet. Das war für uns sehr schmerzlich, das könnt Ihr Euch vorstellen.

    Alles zurücklassen müssen ist schwer. Wir konnten dann auch nichts mehr kaufen. Am 8. 9. sind wir dann in den Stellungen abgelöst worden und sind zurück in die Etappe gekommen. Wir liegen jetzt hier im Ort R. gruppenweise in Quartier und haben einige Tage Ruhe.

    Gestern hatten wir sogar mal einen Sonntag gehabt, was ja nun ganz selten bei(m) Kommiss vorkommt. Sonst hatten wir immer noch einigermaßen Ruhe an der Front. Außer einigen kleinen Feuergefechten französischer Spähtrupps mit unseren Gefechtsvorposten ist nichts nennenswertes gewesen. Ein französischer Offizier und etliche Mann sind erschossen. Zwei französische Flieger, die über unserem Dorf waren, sind von der Flak, die in der Nähe des Dorfes steht, beschossen und runtergeholt. Habe es selbst beobachtet.

    Heute kam ja die Nachricht, der Flugplatz von Saarbrücken wäre beschossen von französischer Artillerie. Heute nachmittag hörten wir schweren Geschützdonner von fern. Ich nehme an, dass es unsere Artillerie war.

    Ich glaube nicht, dass der Franzmann angreifen wird. Doch wenn es sein sollte, werden wir hier im Westen das Reich schützen. Valentin und ich sind nun etwas getrennt, er ist beim Gefechtstross und ich bin in vorderster Front. Er wäre ja lieber bei mir an der vorderen Front.

    Wir sind hier in einem völlig katholischen Dorf. Aber wir sind unter uns zusammengekommen (um zu beten). Sind in jeder Kompanie welche. Unsere Kompanie ist jetzt zusammengewürfelt durch die Reservisten. Wir haben auch einen Dipl.-Ingenieur bei uns. Aber gemeinsames Erleben schweißt zusammen.

    Sonst geht mir's gut. Hatte ja vor einigen Tagen eine Magengeschichte, die ist nun schon wieder soweit besser. Ich hoffe, es geht Euch allen noch gut, dass Wera (* 4. Sept. 1936) noch gesund ist.

    Bis auf ein frohes Wiedersehen im Herrn grüßt Euch Euer Ludwig.


    MIt besten Grüßen

    Wolfgang

  • Tag allerseits,

    ein recht interessanter Brief!

    Der "Sitzkrieg" war also doch nicht so friedlich - nach den Schilderungen des Soldaten!


    Die Kriege der Neuzeit waren immer geprägt von einer gewissen Frömmigkeit der Frontsoldaten. Selbst Katholiken, die vor dem Krieg kaum zur Kirche gingen, beteiligten sich an der Front rege an Gottesdiensten.

    Bei den Lutheranern war es ähnlich.

    Grüße

    Bert

  • Der "Sitzkrieg" war also doch nicht so friedlich - nach den Schilderungen des Soldaten!


    Die Kriege der Neuzeit waren immer geprägt von einer gewissen Frömmigkeit der Frontsoldaten. Selbst Katholiken, die vor dem Krieg kaum zur Kirche gingen, beteiligten sich an der Front rege an Gottesdiensten.

    Bei den Lutheranern war es ähnlich.

     

    Hallo Bert,

    dass es im "Sitzkrieg" Tote gab, hat mich auch überrascht.

    Ludwig Reinhardt war ev.-uniert mit reformierter Tradition. Er gehörte wie seine Familie der "Landeskirchlichen Gemeinschaft für entschiedenes Christentum" (EC) an, einer strenggläubigen Gruppe innerhalb der ev. Kirche von Kurhessen-Waldeck.

    Herzliche Grüße

    Wolfgang

  • Lieber Wolfgang,

    die Sache mit der Frömmigkeit: Ich habe Fotos gesehen von Feldgottesdiensten bei der 57. ID (auf Regimentsebene) vor Beginn der Schlacht in Woronesch.

    An diesen Feldgottesdiensten nahmen so ziemlich alle "abkömmlichen Soldaten" des jeweiligen Regiments teil.

    Solche "Besucherzahlen" würden sich die Pfarrer beider Kirchen in der "Jetztzeit" wohl auch wünschen....

    Herzliche Grüße

    Bert

  • Guten Tag, Wolfgang,

    "Valentin war Stellvertreter auf der Gaskammer" steht im Brief. Hat diese mit dem Schreinerhandwerk zu tun? Zum Beispiel Holz gegen Holzwürmer begasen?

    Gruß, Hector

  • Hallo Wolfgang,

    ist denn bekannt, bei welcher Einheit dein Großonkel war.

    VG

    Pirmasens

    Suche Material (Feldpostbriefe, Dias, Bilder, Filmaufnahmen, Verleihungsurkunden etc.) zum Maschinengewehr-Bataillon 10 bzw. Granatwerfer-Bataillon 10.