Wie hießen die Prüfer, die im Krieg bei den Bauern die abzuliefernde Menge der Ernte prüften ?

  • Hallo Gemeinde,

    derzeit erstelle ich einen geschichtlichen Abriß über einen kleinen Landbahnhof. Bei der Befragung der Alteingesessenen des Dorfes bin ich auch auf einen mir bisher so nicht bekannten Sachverhalt in der Zeit des II. Weltkriegs aufmerksam geworden: der örtliche Bäcker mußte mit einer zweiten Person bei den Bauern der Umgebung "die Ernte bzw. die Vorräte prüfen und entscheiden, was diese noch abgeben konnten, ohne selbst Hunger leiden zu müssen..."

    Hierzu bin ich noch auf der Suche nach:

    - der Bezeichnung dieser Prüfer

    - und der Behörde / Dienststelle, in deren Auftrag sie unterwegs waren. (vllt. des Kreisbauernführers ?)

    Vielleicht kann hierzu jemand sachdienliche Hinweise geben. Vielen Dank im Voraus.

    Freundliche Grüße

    Uwe

    An Informationen zur Heeres-Neben-Muna Kupfer, Muna Siegelsbach, Muna Urlau, Muna Ulm und zur Aggregat 4 - speziell Logistik für den Verschuß und den Eisenbahntransport- interessiert.

  • Hallo Micha,

    ich danke für die schnelle Reaktion und halte schon mal das Stichwort Reichsnährstand fest.

    Vielleicht hat aber jemand aus einem anderen Ort eine vergleichbare Konstellation und kann näheres berichten.

    Es bleibt spannend.

    Herzliche Grüße

    Uwe

    An Informationen zur Heeres-Neben-Muna Kupfer, Muna Siegelsbach, Muna Urlau, Muna Ulm und zur Aggregat 4 - speziell Logistik für den Verschuß und den Eisenbahntransport- interessiert.

  • Hallo Uwe,

    die Abgabenkontrolle war Aufgabe der Kreisbauernschaft, die wiederum maßgeblich von der Einschätzung des Ortsbauernführers abhing, er kannte die Verhältnisse vor Ort und die Erträge der Flächen.

    Zur weitergehenden Kontrolle wurden 1943 die Hofbegehungskommissionen eingeführt, die aus Fachleute wie Landwirtschaftslehrern usw. bestanden und die die Kontigenterfassung der Kreisbauernschaft nochmals prüfte und den Bauern dahingehend zu beraten hatte, sein Abgabesoll zu erfüllen. Die Hofbegehungskommission war Nachfolger der 1937 eingeführten Ablieferungskommission.

    Grüße

    Thilo

    Suche alles zur Lehrtruppe Fallingbostel und zum Einsatz des NSKK in der Ukraine 1941

  • Herzlichen Dank Thilo,

    "Hofbegehungskommission" ist das zutreffende Wort. Hier hat sich der hochbetagte, langjährige Ortsvorsteher der Gemeinde gleich wieder dran erinnert... ...und sogleich fiel ihm dabei auch der Name des zweiten Mannes dieser Kommission wieder ein, der mit dem Bäcker Gauss hier den undankbaren Job zu erledigen hatte.

    Danke auch für Deine Erläuterung der Zusammenhänge.

    Einen schönen Tag wünscht Dir

    Uwe

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  • Servus,

    schau dir doch einmal diese Verordnungsblatt für das Generalgouverment Polen an -> http://dlibra.umcs.lublin.pl/dlibra/plain-content?id=7860

    Hier auch interessanter Artikel in der Litzmannstädter Zetung 1944 zum Grundkontingent des Kartoffelanbaus -> http://bc.wimbp.lodz.pl/Content/29735/…%20Nr%20068.pdf

  • Moin,

    falls es interessiert, hier mal zwei Beispiele für Kartoffel- und Schweineablieferungsbescheide mit Ablieferungs-/Schlußschein von meinen Großeltern bzw. Urgroßeltern.

    Gruß

    Udo

  • Hallo Holger, hallo Udo,

    das sind aufschlußreiche Dokumente, sehr interessant.

    Wie man sieht, hat man damals nicht nur an den Fronten, sondern auch im Reich Krieg geführt: Papierkrieg.

    Herzlichen Dank euch beiden für die Unterstützung.

    Grüße

    Uwe

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  • Hallo Lisa

    Laut Aussagen meiner Mutter legte der Ortsbauerführer zusammen mit dem Ortsgruppenleiter nach der Ernte bei einer Hofbegehung das Abliefersoll fest,mann hat dann vorher eine gewisse Menge Getreide und Kartoffel unter dem Heu und Stroh versteckt.Geschlachtet durfte nur ein Zentner Pro Jahr Lebendgewicht pro Hausbewohner, Hühner Gänse Enten und Hasen waren frei.Die Kühe wurden Morgens unter Aufsicht gemolken, und so das Abliefersoll festgelegt.Man wusste wann die Kontrolle kam und hat die Kühe nachts etwas gemolken damit sie morgens weniger Milch gaben.Schwarz zu Schlachten war strengstenes verboten und konnte den Kopf kosten.Nach dem Krieg kam heraus das die eifrigsten Schwarzschlachter die Parteibonzen selbst waren.

    Gruß Reinhold

  • Hallo Uwe!

    Hier eine kleine Anekdote die nicht Deine Frage beantwortet, aber irgendwie doch zum Thema passt.

    Die Eltern meiner Frau hatten in Neuwiese (Kreis Labiau) Ostpreußen einen kleinen Bauernhof.

    Vermutlich wurde die amtliche Zählung vorher angekündigt.

    Immer wenn diese anstand sagte meine Schwiegermutter zu meiner Frau, die damals ein kleines Mädchen war: "wenn heute der alte Griesch kommt", so hieß der Gemeindediener der diese undankbare Arbeit ausführen mußte, "dann läufst Du bei der Hühnerzählung immer wieder durch die Hühnerschar. Auch wenn ich Dich schimpfe tust du es noch einige mal".

    Herr Griesch soll jedesmal einen Tobsuchtanfall bekommen haben wenn die Kleine kurz vor Ende der vermeintlich erfolgreichen Zählung erneut durch die Eierleger gerannt ist.

    Auf beiden Seiten wurde um jedes Huhn erbittert und mit allen Tricks gekämpft.

    Viele Grüße

    Gerhard

  • Hallo Reinhold,

    hallo Gerhard,

    recht herzlichen Dank für Eure "Geschichten, die das Leben schrieb.."

    Diese lassen erkennen, daß sich die betroffenen durchaus auch "zu helfen wußten". ;) Ob es dann auch immer geholfen hatte..

    Zum Glück sind diese Zeiten längst vorbei,

    Einen schönen Tag wünscht Euch

    Uwe

    An Informationen zur Heeres-Neben-Muna Kupfer, Muna Siegelsbach, Muna Urlau, Muna Ulm und zur Aggregat 4 - speziell Logistik für den Verschuß und den Eisenbahntransport- interessiert.

  • Hallo,

    da gab es noch ganz andere Tricks, zum Beispiel:

    Das tote Wanderschwein

    Schweine ließen sich zu sehr guten Preisen unter der Hand verkaufen, allerdings war der Schweinebestand erfaßt. Nun kam es aber vor, daß auch mal ein Schwein verstarb und Schweine neigen dann dazu, den toten Artgenossen anzufressen. Im ersten Moment Pech, denn das tote Schwein wurde wertlos, es wurde dem Kontrolleur gemeldet, der vorbei kam und den Sachverhalt feststellte.

    Nun begann das Schwein ein zweites "Leben" im Stall eines befreundeten Bauer. Das tote Schwein wurde dort hin gebracht, eine lebendes aus dem Stall genommen und versteckt. Die lebenden Schweine fraßen wiederum am toten Schwein herum, was dessen Aussehen stark veränderte. Also konnte wieder ein totes Schwein gemeldet werden, das versteckte wurde geschlachtet oder verkauft.

    Auch einzelne Ferkel ließen sich gut verstecken oder zu direkt Geld machen, man mußte nur dafür sorgen, daß sie während der Säugezeit, also etwa 6 Wochen, nicht erfaßt wurden.

    Grüße

    Thilo

    Suche alles zur Lehrtruppe Fallingbostel und zum Einsatz des NSKK in der Ukraine 1941

  • Moin Thilo,

    danke für deine weiteren Ausführungen, wie immer sehr interessant. :thumbup:

    Aus der Familie erinnere ich, daß sog. "Schwarzschlachtungen" vor 1945 ein Problem waren, auch meine Urgroßeltern Franz und Swantje hatten immer

    das eine oder andere Schwein, das im Garten "fettgefüttert" wurde, Enten, Gänse, Hühner und Kaninchen sowieso... ;)

    "Kriegswirtschaftsverordnung" / Zitat:

    "Die Sondergerichte haben sich oft mit Schwarzschlachtungen beschäftigt und Todesurteile gefällt, weil dadurch unerlaubt Fleisch der staatlichen Bewirtschaftung entzogen worden ist."

    Kriegswirtschaftsverordnung / Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Kriegswirtschaftsverordnung

    Gruß

    Micha

    P.S. Erinnerung meiner Oma an ihre Mutter Swantje und ihren Vater Franz:

    "Omas liebstes Hobby war es, den Schweinen beim Fettwerden zuzusehen, Franz hatte immer Hunger auf Fleisch..!"

    (Kleine Leute, nach 1918, und nach 1945, Hunger war wohl die allergrößte Sorge für die Leute, macht nachdenklich...)

    Edited once, last by Holzkopf (November 8, 2019 at 12:42 PM).