Bucht und Insel Mont Saint Michel/Normandie 1944

  • Hallo,

    bei YouTube sind Filmaufnahmen der Felseninsel Mont Saint Michel in der gleichnamigen Bucht in der Normandie zu sehen, dieses Filmmaterial soll von US-Truppen nach der Landung in der Normandie im Jahr 1944 aufgenommen worden sein. Leider findet man zum Mont Saint Michel in den Kriegsjahren nur sehr wenige (deutschsprachige) und meistens sehr allgemein gehaltene Informationen. Ist vielleicht jemandem bekannt, ob die Insel von deutschen Truppen besetzt war und ob es dort bzw. in der landseitigen Gemeinde zu Kampfhandlungen gekommen ist? Selbst auf der HP der UNESCO im Verzeichnis der Weltkulturerbe wird der Zeitraum des 2.Weltkrieges nicht erwähnt. http://whc.unesco.org/en/list/80

    Zu den in den Frankreich bekannten "Festungen" wie Brest, La Rochelle, Saint-Malo, Cherbourg usw. findet man jede Menge Infos, nur nicht zu dieser Insel? War der Mont Saint Michel für die Wehrmacht strategisch völlig unbedeutend oder wurde er zur Vermeidung eines gleichen Schicksals wie der Abtei Monte Cassino aufgegeben oder (ähnlich wie Paris) zur "freien Zone" erklärt?

    Hier noch der Link zum genannten Video: https://www.youtube.com/watch?v=2tR3znzjDng

    Gruß, J.H.

    Edit: Hier noch mal die Übersicht zum Youtube-Kanal der Filmreihe "The Spirit of Liberation/Der Geist der Befreiung", in dem zahlreiche historische Filmaufnahmen der Alliierten aus den Kriegsjahren 1944/45 veröffentlicht sind: https://www.youtube.com/playlist?list=…TSRTrzeYNgOH6f-

  • Hallo allerseits!

    Ist vielleicht jemandem bekannt, ob die Insel von deutschen Truppen besetzt war

    Nein, die Inseln waren m.W. nicht "regulär" besetzt, lediglich durch deutsche Urlauber stark frequentiert. Auf dem Mont Saint Michel waren auch direkt kaum Einquartierungen der deutschen Urlauber möglich, da schon so zu wenig Platz für die Einwohner vorhanden war. Die Urlauber waren demnach am Festland untergebracht und lernten den Mont Saint Michel daher auch nur im Rahmen eines Tagesausfluges kennen. Zu Hause habe ich auch noch einige Bilder von deutschen Soldaten vor Ort, aber nichts Spektakuläres. Vor Ort war keine Komandantur o.ä., auch erfolgte keine Einbindung bei der Küstenverteidigung der Normandie / Bretagne.

    und ob es dort bzw. in der landseitigen Gemeinde zu Kampfhandlungen gekommen ist?

    Nein, dort gab es keine Kampfhandlungen, weder durch Flugzeuge, Schiffe oder Infanterie. In der Nähe tobten lediglich harte Kämpfe (hier Kampfgruppe Bacherer) in und um Avranches, Pontaubault, Pontorson und zuletzt bei und um St. Malo (lediglich hier kam die deutsche Marine zum Einsatz). Kampfhandlungen durch "Terroristen" oder Partisanen gab es lediglcih südlich bei Pontorson Ende Juli / Anfang August 1944. Die einzigen deutschenTruppen, die zu dieser Zeit (31. Juli 1944) in der Nähe waren, war der flüchtende Stab der 91.LLD (unter Oberst König), der im Fußmasch bei Ebbe die Bucht von Mont Saint Michel (Höhe Saint-Léonard) durchquerte. Am Nachfolgetag sammelte sich der Stab auf dem südlichen Ufer und verlegte hiernach nach Rennes.

    Grüße

    Sven

    Suche alles über die 91. Luftlandedivision und 77.Infanterie-Division

  • Guten Tag ans Forum,

    weder für die Deutschen noch für die Amerikaner war der Mont militärisch wichtig.

    Trotzdem gibt es aber auch über ihn ein wenig Militärgeschichte zu berichten, die man im Netz und in Literatur zusammentragen kann.

    Die Wehrmacht war ab dem 20.06.1940 auf dem Mont. Zur Flugzeugortung soll oben auf dem Mont eine Installation angebracht gewesen sein, die mit einem Fahrzeug vor dem Hotel "Mère Poulard" auf dem Mont verbunden gewesen sei. Das Hotel war von der Wehrmacht requiriert worden.. Später wurde der "mobile Horchposten" dann durch eine Baracke auf der Westplattform ersetzt. Dort sollen 5 deutsche Militärangehörige stationiert gewesen sein, die Österreicher gewesen sein sollen.

    Ansonsten war der Mont von 1940 - 1944 weiterhin eine touristische Attraktion für das deutsche Militär und für französische Zivilisten. Zumindest 70.000 deutsche Soldaten sollen als Touristen auf dem Mont gewesen sein. Entsprechende Fotografien gibt es deswegen auch in Hülle und Fülle. Die Anzahl der französischen Besucher soll jährliche in die Tausende gegangen sein.

    Im Bildband von Olivier Sierra: Ils étaient là!, Bayeux 2014, S.103, ist fotografisch belegt, dass der Flieger-Gefreite Emil Pappert auf dem Friedhof des Mont beerdigt gewesen war.

    Pappert kam am 13.08.1940 ums Leben. Heute ruht er auf der Kriegsgräberstätte in Orglandes, wohin er umgebettet wurde.

    Durch die Strömungsverhältnisse des Kanals wurden deutsche Gefallene auch am Mont angeschwemmt. Noch heute kommen jährlich im Kanal Ertrunkene zwischen Avranches und Granville an Land, obwohl sie meist weiter entfernt

    Schiffbruch o.ä. erlitten hatten.

    Die deutsche Präsenz am oder auf dem Mont soll (zumindest zeitweise) vom deutschen Zoll gewährleistet worden sein. In diesem Zusammenhang sind auch SS-Angehörige als wenige Verstärkungskräfte erwähnt.

    Ende Juli 1944 waren dann die Amerikaner als Touristen auf dem Mont.

    Mit freundlichen Grüßen aus der Normandie

    Peter

    (PH)

  • Hallo Peter!

    Danke dir für den aufschlussreichen und ergänzenden Beitrag zu dem Mont Saint Michel in der Zeit Juni 1940 bis Juli 1944.

    Ende Juli 1944 waren dann die Amerikaner als Touristen auf dem Mont.

    ... eine klitzekleine Unstimmigkeit, weil amerikanische Truppenspitzen erst am 01. August 1944 Ponterson (südlich von St. Mont Michel) erreichten, obwohl am Folgetag noch südlich von Avranches deutsche Truppen noch kämpften. Ich vermute daher, es wird Ende August gemeint sein.

    Grüße

    Sven

    Suche alles über die 91. Luftlandedivision und 77.Infanterie-Division

  • Guten Abend ans Forum und an Sven,

    Pontorson wurde am 01.August 1944 von den Amerikanern befreit.

    Der berühmte Kriegsfotograf Robert Capa soll aber bereits Ende Juli 1944 auf dem Mont gewesen sein und zwar zusammen mit dem damaligen Kriegsreporter Ernest Hemingway.

    Daran hatte ich mich mit den Amerikanern als Nachfolger der Deutschen auf dem Mont orientiert.

    Möglicherweise waren dann auch die in Pontorson involvierten amerikanischen Kampftruppen am 01.August 1944 auf dem nahen und nicht umkämpften Mont,zumal der Mont mal gerade knapp 10 km

    nördlich von Pontorson liegt.

    Vielleicht kann ich demnächst ja noch Konkreteres vor Ort erfahren.

    Mit freundlichen Grüßen aus der Normandie

    Peter

    (PH)

  • Guten Morgen!

    Der berühmte Kriegsfotograf Robert Capa soll aber bereits Ende Juli 1944 auf dem Mont gewesen sein und zwar zusammen mit dem damaligen Kriegsreporter Ernest Hemingway.

    Ich kreide dir ja nichts an, aber spätestens bei dem Namen Hemingway wäre ich vorsichtig bei dem Wahrheitsgehalt. Mir fallen da auf Anhieb noch mehr Märchen ein, sei es die Befreiung von Paris, die Teilnahme in der Ardennen-Schlacht, etc. ...

    Anbei ein Ausschnitt der deutschen Lagekarte vom 31. Juli 1944. Hier stehen die Amerikaner gerade vor Avranches ...

    Grüße

    Sven

  • Hallo Peter,

    Der berühmte Kriegsfotograf Robert Capa

    Der berümte Kriegsfotograf oder der Märchenerzähler ?

    Eins ist sicher , wenn man Geschichten erzählt dann wird man bekannt.

    Siehe hier :

    http://www.lefigaro.fr/arts-expositio…ebarquement.php

    Ich stimme Sven zu mit der HKL vom 31.07.44, anbei noch eine Karte mit der HKL vom 25 Juli 1944.

    Grüße

    Fredy

  • Guten Tag ans Forum,

    die Crux am Thema sind seine zwei Aspekte. Zum einen die Bucht und zum anderen die "Insel" als solche. Zur Bucht gibt es offensichtlich hinreichend belastbare Fakten, zum Mont hingegen offensichtlich nicht.

    Zur Bucht dürften auch die Ereignisse in Bezug auf Pontorson zählen, die ja entsprechend dokumentiert sind.

    Aber wenn der Mont zwischen 1940-1944 kaum militärisches Interesse genossen hatte, sondern offenkundig "nur" ein touristisches, wundert mich das militärhistorische Desinteresse zum genauen Datum seiner "Befreiung"

    nicht wirklich.

    In der Kürze der Zeit habe ich keine anderen themenbezogenen Quellen gefunden.

    Sven und Emil, ihr seid engagiert bei der Sache. Vielleicht stoßt ihr ja noch auf eine seriöse militärgeschichtliche Quelle zum Mont.

    Mit freundlichen Grüßen aus der Normandie

    Peter

    (PH)

  • Hallo!

    Bin zum Teil nochmal durch die mir vorliegenden KTB´s (1942-44) des LXXXIV.A.K. (Normandie) sowie des XXV.A.K. (Bretagne) drüber geflogen, aber ich habe hier nichts über eine Stationierung deutscher Truppen auf der Insel Mont St. Michel gefunden. Die nähsten Stationierungen waren St. Malo (westl.) sowie Granville (nördl.).

    Grüße

    Sven

    Suche alles über die 91. Luftlandedivision und 77.Infanterie-Division

  • Hallo allerseits!

    Ist vielleicht jemandem bekannt, ob die Insel von deutschen Truppen besetzt war

    Anbei ein Auszug aus dem KTB des AOK 7 vom 27. März 1944 (NARA T312 R1564:(

    Quote


    [...] Mit Zuführung 21.Pz.Div. hat das AOK in dem Raum Rennes - Fougeres - Avranches einen voll kampfkräftigen Verband erhalten. Durch Austausch dieser Div. gegen 155. und 179.Res.Div. verliert die Armee in dem an sich schon ungenügend besetzten K.V.A.. "A 1" [Anm. von mir: Küstenfront von Granville nach St. Malo] 4 Küsten-Btle.. Da die Armee diese Btle. nicht ersetzen kann, wird die Festung St. Malo (Landfront) empfindlich geschwächt; Süd- und Westteil der Bucht St. Mont Michel und Bucht von St. Brieu müssen völlig unbesetzt bleiben. [...]

    ... somit auch diese Frage beantwortet sein.

    Ergänzung: Am 03. April 1944 wurde eine Kompanie des SS-Wehrgeologen-Btl. beauftragt, in der Bucht von St. Mont Michel mögliche Strandhindernisse und Sperranlagen (u.a. Sperrung der Bucht) vor Ort erkunden. Die Stationierung war in Cancale (östl. St. Malo).

    Grüße

    Sven

    Suche alles über die 91. Luftlandedivision und 77.Infanterie-Division

    Edited once, last by Sven30 (September 9, 2019 at 7:30 PM).

  • Hallo zusammen,

    bin leider nur sporadisch im Forum. Sorry!

    1986 und 87 habe ich auf dem Mt. St. Michel gewohnt und gearbeitet. Einer meiner Arbeitskollegen war Robert Sauvet, der auf dem Mont

    geboren war und dort seine ganze Jugend, auch die Besatzungszeit, verbracht hatte.

    Er erzählte von 2 deutschen Luftabwehr-Geschützen (2 cm ?), eines auf der Westterrasse der Klosterkirche, ca 80 m über NN. Ein anderes stand auf vor dem Mont auf der Dammstrasse zum Berg. Er sagte, österreichische Soldaten seien hier stationiert gewesen.

    Er beobachtete, wie "Rommelspargel" in der Bucht gesetzt wurde und wie deutsche Jagdflugzeuge die unbewohnte Nachbarinsel Tobelaine

    als Zielpunkt benutzten.

    Grüsse