Eine angemessene Würdigung von Wehrmachtsoffizieren, die sich gegen Hitler gestellt haben?

  • Hallo zusammen,


    im Vorfeld der Gedenkfeiern zum historischen Jubiläum des gescheiterten Hitler-Attentats vom 20. Juli 1944

    sind mir einige neue Bücher und Artikel zum Thema aufgefallen.


    Am prominentesten scheint die neue Stauffenberg-Biographie von Thomas Karlauf zu sein.

    Jens Jessen von der ZEIT, der selbst Verwandte im Widerstand gegen Hitler hatte, fasste Karlaufs vernichtendes Urteil

    über Oberst Claus Graf Schenk von Stauffenberg und den deutschen militärischen Widerstand so zusammen:


    Quote

    Claus Graf Schenk von Stauffenberg: Wer war Stauffenberg?

    Nazi, Antisemit, kühner Wirrkopf? Die neue Biografie von Thomas Karlauf erklärt den Attentäter aus dem Geist des George-Kreises – und macht den Widerstand gegen Hitler zweifelhaft. Das mag eine zeitgemäße Ansicht sein, sie ist aber falsch.

    Von Jens Jessen

    https://www.zeit.de/2019/11/cl…-biografie-thomas-karlauf


    Der ganze Artikel ist leider hinter der Bezahlschranke. Auf der Rezensionsseite Perlentaucher.de habe ich aber eine ganz gute Zusammenfassung von Jessens Kritik an Karlaufs Buch gefunden:


    Quote

    Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 07.03.2019

    "Gäbe es heute noch ein Debatten-Feuilleton, dann würde über Jens Jessens ausführliche Kritik an Thomas Karlaufs Stauffenberg-Biografie heftig diskutiert! [...]

    Am Ende der Kritik wird's ganz hart: Im Grunde stellte Karlauf die Attentäter als auch nicht viel besser als die Nazis dar. Nur Hellmuth Stieff werde als einer genannt, der über die Naziverbrechen entsetzt gewesen sei. Bei anderen werde dies Entsetzen unterschlagen. Das "unabsichtlich Tendenziöse" der Biografie liegt für den Rezensenten darin, dass den Widerständlern kaum weniger Schuld zugemessen wird als den Tätern. Jessen sieht es als "moralische Kapitulation" der Gegenwart vor dem Heldenmut der Attentäter."

    https://www.perlentaucher.de/b…karlauf/stauffenberg.html


    Der Buchautor Thomas Karlauf durfte dann am 20. Juli 2019 auch die 75-Jahre Gedenkrede in der Frankfurter Paulskirche halten. Obwohl er den militärischen Widerstand gegen Hitler und gegen die NS-Politik als moralisch fragwürdig und wenig vorbildlich darstellte. Was bedeutet das für das weitere Gedenken an das gescheiterte Hitler-Attentat?


    Und wie sollte eine angemessene Würdigung des schon mehrere Jahre vorher aktiv gewordenen militärischen Widerstands innerhalb der Wehrmacht aussehen? Zumeist waren daran ja verantwortungsbewusste Offiziere beteiligt, während Unteroffiziere und Mannschaften das Handeln der Offiziere aufgrund ihrer Dienststellung nur zustimmend oder ablehnend kommentieren konnten.


    Beste Grüße,

    Bodo

    „Was wir im deutschen Widerstand während des Krieges nicht wirklich begreifen wollten, haben wir nachträglich vollends gelernt: Daß der Krieg schließlich nicht gegen Hitler, sondern gegen Deutschland geführt wurde.“ (Eugen Gerstenmaier)

    Edited once, last by Bodo Franks ().

  • Bodo Franks

    Changed the title of the thread from “Angemessene Würdigung von Wehrmachtsoffizieren, die sich gegen Hitler gestellt haben?” to “Eine angemessene Würdigung von Wehrmachtsoffizieren, die sich gegen Hitler gestellt haben?”.
  • Hallo zusammen,


    zur weiteren Einordnung von Thomas Karlaufs Stauffenberg-Biographie möchte ich noch auf eine

    Art "Gegendarstellung" von Stauffenbergs Enkelin, der Historikerin Sophie von Bechtolsheim verweisen.

    "Stauffenberg - mein Großvater war kein Attentäter"


    In den letzten Wochen wurde das Buch von Bechtolsheim öfters in den Medien besprochen.

    Hier als Beispiel ein ZDF-Beitrag mit Interview vom 18. 07. 2019:


    "Er war eine Gewissensentscheidung"


    von Christhard Läpple


    Sophie von Bechtolsheim ist die Enkelin von Claus Graf von Stauffenberg. Ihren Großvater hat die Historikerin nie persönlich erlebt. Aber: Sie schreibt in ihrem neuen Buch, dass er viel mehr war als nur ein Attentäter. Wer war Stauffenberg?

    https://www.zdf.de/nachrichten…sensentscheidung-100.html


    Wenn ich es richtig verstehe, argumentiert Stauffenbergs Enkelin vor allem mit dem "Aufstand des Gewissens", einer historischen Interpretation seit den 1980er Jahren. Wegen der unfassbaren Nazi-Verbrechen und der Unterdrückung jeder politischen Opposition sei das Attentat auf Hitler vorbereitet und versucht worden. Also vor allem Widerstandskämpfer statt Deutschlandretter. Dagegen wertet sie Patriotismus bzw. Vaterlandsliebe der Verschwörer gegen Hitler wohl als weniger bedeutend. Die Autorin ist stellvertretende Vorsitzende des Kuratoriums der Stiftung 20. Juli 1944.


    Einen anderen Gegenentwurf zu Thomas Karlauf (aber auch zu Sophie von Bechtolsheim) hat der israelische Militärhistoriker

    Danny Orbach in der aktuellen Ausgabe der ZEIT als Kommentar verfasst. Orbach hat ein neueres Fachbuch zum Thema der vielen gescheiterten Anschlagspläne gegen Hitler verfasst:

    Danny Orbach, The Plots Against Hitler


    Leider ist dieser ZEIT-Artikel ebenfalls hinter einer Bezahlschranke versteckt, so dass ich ein paar Sätze auszugsweise abtippen musste. Orbach sieht sowohl ethische als auch patriotische Motive bei Stauffenberg und den vielen hundert Mitverschwörern:



    Was auch schon Jens Jessen (siehe oben) feststellte, kritisiert Orbach ebenfalls:

    Das bei allen zivilen wie militärischen Widerstandskämpfern vorhandene Entsetzen angesichts der nationalsozialistischen Massenmorde taucht bei Thomas Karlauf nur ganz am Rande auf:


    "Zudem "entsetzten" die nationalsozialistischen Gräueltaten die Verschwörer nicht nur: Sie veranlassten sie zum Handeln, neben ihren weitreichenderen politischen Zielen. Dafür finden sich zahlreiche Belege in Tagebüchern, Briefen, Erinnerungen, Gestapo-Verhörprotokollen und anderen Dokumenten aus dem Krieg.

    Im Sommer 1942 nannte Stauffenberg die "Behandlung der Juden" als einen Grund, sich dem Krieg und dem Regime zu widersetzen.

    In Erklärungen, die Stauffenberg 1944 mit verfasste, geißelten die Verschwörer die NS-Massenmorde und befahlen den Bezirkskommandanten, die Konzentrationslager zu befreien."

    https://www.zeit.de/2019/31/st…litaerputsch-adolf-hitler



    Das alles hat dann beim zentralen Gedenken in der Frankfurter Paulskirche beim Vortrag Karlaufs keine Rolle gespielt.

    Karlauf glaubt sogar, erst im Nachhinein also quasi posthum hätten die NS-Verbrechen für das Hitler-Attentat überhaupt Bedeutung gewonnen. Wie kommt er zu solch quellenfernen Schlussfolgerungen, hätte man ihn gerne fragen wollen. Aber es fragte wohl niemand.


    Der israelische Militärhistoriker Danny Orbach hat seine Kritik an Karlauf jedenfalls folgendermaßen auf den Punkt gebracht:


    Quote

    "Letztlich geht es völlig an der Sache vorbei, wenn Karlauf einen anachronistischen Gegensatz zwischen moralischen und patriotischen Motiven konstruiert.

    Das moralische Bewusstsein der führenden Verschwörer bewegte sich in einem patriotischen Rahmen, und ihr Patriotismus schloss eine starke ethische Komponente ein. Das ist der Schlüssel, um die Mentalität vieler deutscher Widerstandskämpfer aus der Bewegung des 20. Juli und darüber hinaus zu verstehen."

    https://www.zeit.de/2019/31/st…litaerputsch-adolf-hitler


    Sophie von Bechtolsheim, die Historikerin und Enkelin Stauffenbergs, stellte über ihren Großvater fest:

    "Er hatte von den Mordaktionen an Juden erfahren, von Verbrechen an der Zivilbevölkerung und an Kriegsgefangenen in den besetzten Gebieten. Er erkannte, dass all diese Verbrechen sowie die vernichtende Kriegspolitik keine Auswüchse, sondern ein Wesensmerkmal von Hitlers Politik waren.“ Das habe ihn, den Patrioten, „mit Abscheu und Scham“ erfüllt.


    Soviel zu den kritischen Reaktionen auf Karlaufs Biographie. Negative Kommentare zu seiner Paulskirchenrede am 20. Juli 2019 habe ich bisher nicht gefunden.


    Beste Grüße,

    Bodo

    „Was wir im deutschen Widerstand während des Krieges nicht wirklich begreifen wollten, haben wir nachträglich vollends gelernt: Daß der Krieg schließlich nicht gegen Hitler, sondern gegen Deutschland geführt wurde.“ (Eugen Gerstenmaier)

  • Tag allerseits,


    man kann natürlich alles auf den Kopf stellen und behaupten: Jeder Wehrmachtsoffizier war ein "untauglicher Gegner" des Regimes, weil Offiziere in letzter Konsequenz für den NS-Staat in den Krieg zogen

    und damit das System unterstützten. Dass Stauffenberg Brüche in seiner Biographie hatte, ist hinlänglich bekannt. In der ersten Phase des NS-Staates war er wohl auch kein Gegner der Rassenpolitik.

    Aber er wandelte sich im Laufe des Krieges; er erkannte erst etwas später das wahre verbrecherische System Hitlers - und das ist beileibe kein Manko. Ihn letztendlich, historisch gesehen, nun herabzuwürdigen,

    das entspricht wohl dem deutschen Zeitgeist.


    Grüße

    Bert

  • Hallo,


    der Widerstand des Kreisauer Kreises speiste sich aus national-konservativem Überzeugungen. Angesichts der Landung der Westalliierten in der Normandie und dem Zusammenbruch der Ostfront kurz darauf, blieb nur noch die Notbremsung mittels Cäsarenmord. Es drohte die bedingungslose Kapitulation, gleichbedeutend mit dem Untergang Deutschlands als Staat. Dies war im Sommer 1944 nicht einfach nur eine mehr oder weniger substanzlose Drohung wie noch ein Jahr zuvor, sondern eine militärische Tatsache. Und den Herren war klar, was es bedeuteten würde den Krieg zu verlieren und keine, auch nur lauwarme Verhandlungsposition zu haben. Zumindest das dürfte bei ihnen nach der Lektüre von Clausewitz hängengeblieben sein. Alle anderen Motive mögen eine gewisse Rolle gespielt haben, dürften aber nicht der wirkliche Hebel gewesen sein.


    Der Versuch der Offiziere um Stauffenberg Hitler zu beseitigen nehme ich respektvoll zur Kenntnis. Mich stört jedoch, dieses missglückte Attentat - neuerdings - derart hoch zu jubeln, dass der gesamte andere Widerstand überdeckt und unsichtbar wird. Insofern ist dem Artikel in der Jüdischen Allgemeinen ausdrücklich zuzustimmen.


    Gruß


    Paul


    G-W-G'

  • Hallo zusammen,


    für mich stellt sich die heutige Diskussion zu den Beweggründen der Attentäter als

    Ergebnis einer über 70-jährigen halbherzigen bzw. gebremsten Ursachenforschung dar.

    In der Konsequenz daraus wird auch nach einer Art Feigenblatt gesucht, um überhaupt

    ein Gegenpol zu den Grausamkeiten zu haben, die im Namen Deutschlands verübt wurden.

    Die Trennung Deutschland verhinderte eine konsequente Aufarbeitung der Geschichte des

    3. Reiches und damit auch Ihrer Protagonisten, die wie der Kreis um Stauffenberg erst spät

    zu der Erkenntnis kamen, das nun endlich was passieren musste um den endgültigen Unter-

    gang noch abzuwenden.

    Mag sein, das Sie selbst auch die mittlerweile nicht mehr zu verheimlichen Kriegsverbrechen

    schlussendlich als Argument für das Attentat nutzen.

    Klar ist aber auch, das dieser Versuch nicht verdecken kann, das alle "Attentäter" lange

    Zeit zu den aktiven Stützen des Regimes gehörten. Und damit waren Sie direkt an den Ver-

    brechen beteiligt. Davon kann Sie auch Ihr Umsturzversuch nicht freisprechen.

    Das Attentat war sicherlich der spektakulärste Versuch, AH zu beseitigen.

    Um erfolgreich zu sein, wäre eine breite und gut organisierte Gefolgschaft nötig gewesen.

    Und die gab es auch 10 Monate vor Kriegsende offensichtlich nicht.


    Das Attentat zeigt, das die Allmacht des Führers nicht mehr alle Deutschen erreicht hatte.

    Der große Rest der Nation und der Wehrmacht stand aber noch hinter ihm.

    Und dazu gehörten die Meisten unserer Vorfahren.


    Wer hat von uns Nachkommen in seiner Familie eine klares Bekenntnis zu Hitler bzw. nach dem

    Krieg zur Mitschuld an den begangenen Verbrechen gehört?


    Ich vermute mal, fast niemand. Auch in meiner Familie wurde dieses Thema nie angesprochen.

    Sicherlich um sich selbst, aber auch die Familie zu schützen.


    Wie soll dann heute der Widerstand gegen das Naziregime realistisch eingeschätzt und bewertet

    werden. Die Wissenschaft kann das versuchen. Wenn es aber im "gemeinen" Volk nicht ankommt,

    dann bringt es das Gedächtnis der Nation nicht weiter.


    Und das erleben wir gerade extrem. Es wird wieder nach dem starken Mann gerufen. Alles was ver-

    meintlich anders ist, sollte nach Meinung einiger sehr aktiven Zeitgenossen ausgegrenzt werden.


    Das war vor 90 Jahren der Beginn des "tausendjährigen". Mit den bekannten Folgen, die ich meinen

    Kindern und Enkeln gern ersparen möchte.


    Gruß Roland

    Als ich hätte fragen sollen, war ich zu jung.
    Als ich hätte fragen wollen, waren Sie zu alt.

  • Hallo Bert,


    Ihn letztendlich, historisch gesehen, nun herabzuwürdigen,

    das entspricht wohl dem deutschen Zeitgeist.

    m.E. wäre es falsch dieses herabwürdigen auf einen gewissen "deutschen Zeitgeist" zu schieben wobei es ja durchaus auch berechtigte Gründe für eine negative Einstellung zu Stauffenberg gibt.



    Hier möchte ich nur auf eine Äusserung unseres damaligen Forum-Administrators Arnold alias "Weers" verweisen,welcher damals folgendes zu Stauffenberg geschrieben hatte:

    Tut mir leid Rheinmetall wenn ich Deine Bewunderung für Staufenberg und Co. nicht teilen kann. Jeder Al-Kaida-Selbstmörder hat mehr Schneid in Leib, als Staufenberg, der sich rechtzeitig vor der Explosion verdrückte, um sich nicht weh zu tun.


    Und man sollte auch nicht vergessen, dass diese leitenden Herrschaften der Wehrmacht maßgeblich daran beteiligt waren, Hitlers Befehle ohne Widerspruch umzusetzen und Europa und die Welt mit einem Krieg zu überziehen, der alles davor Gewesene in den Schatten stellte.

    Dieses Attentat, ein paar Jahre früher durchgeführt, hätte mir Respekt abgenötigt. Ein dilettantisches Attentat wie dieses, als die Niederlage am 20.Juli 1944 schon offensichtlich war (nach D-Day und Bagration), nötigt mir keinen allzu großen Respekt ab. Abgesehen vom meist konservativ-adligen Weltbild, das die Herren "von" in ihren Visionen für ein neues Deutschland mit sich herum trugen. Es galt wohl die Parole "Rette sich wer kann."



    Gruss Chris

  • Tag allerseits,

    Klar ist aber auch, das dieser Versuch nicht verdecken kann, das alle "Attentäter" lange

    Zeit zu den aktiven Stützen des Regimes gehörten. Und damit waren Sie direkt an den Ver-

    brechen beteiligt. Davon kann Sie auch Ihr Umsturzversuch nicht freisprechen.

    Das Attentat war sicherlich der spektakulärste Versuch, AH zu beseitigen.

    Alle Attentäter des 20.Juli 1944 so zu klassifizieren - wie vorstehend - und sie zu beschuldigen, dass sie direkt an den Verbrechen der NS-Zeit beteiligt waren, das ist eine bloße Behauptung.

    An welchen Verbrechen waren z.B. Stauffenberg und Generalobert Beck beteiligt? Wer solche Behauptungen aufstellt, der ist beweislastig!


    Zitat:


    wenn ich Deine Bewunderung für Staufenberg und Co. nicht teilen kann. Jeder Al-Kaida-Selbstmörder hat mehr Schneid in Leib, als Staufenberg, der sich rechtzeitig vor der Explosion verdrückte, um sich nicht weh zu tun.

    Oberst Graf Stauffenberg in vergleichende Verbindung zu hochkriminellen Al-Kaida-Selbstmördern zu bringen, auch das nenne ich den negativen deutschen Zeitgeist. Solche Vergleiche widern mich an!


    Wir sollten dieses Thema besser den eigentlichen Historikern überlassen!


    Grüße

    Bert

  • Moin,


    natürlich erschöpft sich „der deutsche Widerstand“ nicht in Stauffenberg (und den Geschwistern Scholl). Trotzdem sind z.B. viele Schulen nach ihnen benannt.


    Wir können wohl auch nichts besseres vorweisen. Also immerhin.


    Eine bedingungslose Glorifizierung findet ja unter seriösen Histoikern ohnehin nicht statt - und sollte übrigens aber auch nicht denjenigen überlassen werden, die heute Geschichtsrevisionismus als Zündholz benutzen, um Feuer unter dem üblen Süppchen anzufachen, das bös nach damals schmeckt.


    Dieselbe (dort mut- und böswillige) Verwechslung - da stimme ich Bert zu - besteht in der moralischen Bewertung eines (Selbstmord)Attentäters, wenn sich der eine gegen eine katastrophale Diktatur wendet, der andere aber Terror in freiheitliche Gesellschaften trägt. „Schneid“ ist da wohl kaum die passende Kategorie, wo Unschuldige getötet, verletzt oder traumatisiert werden.


    Wir können heute nur einfach für die Zukunft daraus lernen!


    Und Teil eins der Lehre kann nur sein, dass sich derartiges niemals wieder wiederholen darf. Diese Einsicht beginnt zuvorderst in unseren Köpfen und Herzen - und findet natürlich und insbesondere Ausdruck im Umgang mit Andersdenkenden. Den Rechtsstaat kann man eben nur mit Mitteln des Rechtsstaates verteidigen. Unser Grundgesetz gibt an dieser Stelle guten Seitenhalt.


    LG Justus

  • Hall zusammen,


    ich denke die Wahrheit liegt irgendwo in der Mitte, eine Medaille hat immer zwei Seiten und somit sind auch immer mehrere Betrachtungsweisen gegeben.

    Mit diesem Thema werden sich die Historiker und Journalisten noch viele Jahre zu beschäftigen wissen, vom Datum her passt das Thema doch wunderbar ins ,Sommerloch´

    und das alle Jahre wieder.

    Fakt ist aber, dass Staufenberg einer der Wenigen, wenn nicht der Einzige war, der der Widerstandsgruppe angehörte, die so in die unmittelbare Nähe von Hitler kamen.

    Mit Sicherheit spielt auch die Kriegsversehrtheit von Staufenberg eine Rolle, denn ein Handicap war es allemal.

    Ohne Zweifel kann man auch davon ausgehen, dass wenn er sein Leben geopfert hätte, dann wäre das Attentat auch geglückt, aber dieser Umstand wurde wohl in der Vorbereitung nicht

    berücksichtigt.

    Wie dem auch sei 10 verschiedene Menschen und 10 verschiedene Meinungen bzw. Ansichten.


    Gruß

    Wolfgang

  • Guten Tag,


    selbstverständlich ist eine Glorifizierung von führenden Persönlichkeiten des Nationalsozialismus nicht angebracht, selbst wenn diese an einem (erfolglosen) Umsturzversuch beteiligt waren. Ebenso falsch ist es aber, diese Personen aufgrund Ihrer Mittäterschaft an Regimeverbrechen pauschal abzustempeln. Es dürfte kaum eine "wichtige" Person in dieser Zeit gegeben haben, die sich nicht in irgendeiner Form (Mitwissen, Duldung, Schweigen oder Tat) selbst irgendwie schuldig gemacht hat und im Gegensatz zu der großen Masse dieser Menschen, haben diese Leute um Stauffenberg wenigstens versucht etwas entgegen zu setzen. (Dies haben sie übrigens bereits weit vor der offensichtlichen Niederlage Sommer 1944 begonnen) Dabei sind sicherlich auch die verschiedenen persönlichen Motive zu unterscheiden und in die individuelle Beurteilung einzubeziehen. Mir persönlich ist ein "schlechter Mensch", der etwas Gutes macht meist lieber als ein "guter Mensch", der gar nichts macht. Dies aus 75 Jahren Abstand zu betrachten ist der damaligen Situation wohl auch nicht gerecht. Diese Leute haben -in einer schwierigen Situation und unter Einsatz ihres Lebens- an einer entscheidenden Stelle versucht das Richtige zu tun und haben dafür meinen Respekt. Sicherlich wäre aus heutiger Sicht ein Georg Elser (und viele Andere) besser für eine offizielle Verehrung geeignet, aber die Männer um Stauffenberg -warum redet man eigentlich kaum von Henning von Tresckow?- haben dem Land wenigstens ein kleines bisschen Selbstachtung erhalten.


    Gruß

    Michael

    Suche alle Informationen zur 68.ID und speziell zum GR169 von Januar 1943 bis Kriegsende.

  • selbstverständlich ist eine Glorifizierung von führenden Persönlichkeiten des Nationalsozialismus nicht angebracht, selbst wenn diese an einem (erfolglosen) Umsturzversuch beteiligt waren.

    Die Beteiligten am Attentat des 20.7.1944 waren keine "führenden Persönlichkeiten des Nationalsozialismus", denn ein Göring, Goebbels oder Himmler waren im Kreise der Männer des 20.7.1944 nicht dabei!

    Wir sollten mit den damaligen Fakten schon etwas genauer umgehen!


    Gruß

    Bert

  • Hallo Bert,


    Da habe ich mich wohl missverständlich ausgedrückt. Ich meinte damit nicht die engere Führungsspitze, sondern die (paar-)hunderttausend Menschen mit exponierten Positionen in Politik, Verwaltung, Öffentlichkeit und Militär. Hätte besser „höhere“ Persönlichkeit geschrieben.

    Bitte entschuldige diese Ungenauigkeit.


    Gruß Michael

    Suche alle Informationen zur 68.ID und speziell zum GR169 von Januar 1943 bis Kriegsende.

  • Hallo Bert,


    Oberst Graf Stauffenberg in vergleichende Verbindung zu hochkriminellen Al-Kaida-Selbstmördern zu bringen, auch das nenne ich den negativen deutschen Zeitgeist. Solche Vergleiche widern mich an!

    wie du solche Vergleiche nennen möchtest und generell darüber denkst ist natürlich allein deine Sache.

    Man muss aber akzeptieren das es durchaus auch Menschen gibt die das Sprengstoffattentat nicht positiv bewerten.

    Eine negative Einstellung zum Attentat selber gab es ja schliesslich auch noch vermehrt nach Kriegsende in Deutschland.



    Hallo Bodo,

    zur weiteren Einordnung von Thomas Karlaufs Stauffenberg-Biographie möchte ich noch auf eine

    Art "Gegendarstellung" von Stauffenbergs Enkelin, der Historikerin Sophie von Bechtolsheim verweisen.

    "Stauffenberg - mein Großvater war kein Attentäter"

    hierzu mag es für dich sicherlich auch von Interesse sein,dass es selbst bezüglich spezieller Äusserungen Sophie von Bechtolsheims gewisse Ungereimtheiten gibt!

    Nach einem Artikel der RP Online sagte von Bechtolsheim gegenüber der DPA,dass sich zu dem "angeblichen" Fackelzug in Bamberg am 30.1.1933 (bei welchem nach Thomas Karlaufs Darstellung auch Stauffenberg teilgenommen hatte) nichteinmal ein Zeitungsbericht finden lasse.zum Artikel


    Der renommierte Historiker Peter Hoffmann schreibt allerdings in seinem Buch ,,Stauffenberg und der 20. Juli 1944" dazu folgendes:


    ,,...Berichten zufolge begrüßte Stauffenberg 1933 Hitlers Ernennung zum Reichskanzler,nach manchen Berichten mit Begeisterung.

    Nach unwiderlegbaren Zeugnissen geriet er am Abend des 30.Januar,auf dem Weg zu einer gesellschaftlichen Veranstaltung in Bamberg in einen Fackelzug,mit dem die Nationalsozialisten ihren Sieg feierten,und ging ander Spitze des Zuges mit den Demonstranten.Da Soldaten sich politischer Äusserungen zu enthalten hatten,wurde er von seinen Kameraden kritisiert,als er ihnen seine Verspätung an dem Abend erläuterte.

    Seine Antwort auf die Kritik war,die Offiziere der Zeit der Befreiungskriege (1813) hätten sicher mehr Gefühl für eine echte Volkserhebeung bewiesen.

    Stauffenbergs Teilnahme am Fackelzug ist in der Literatur trotz eindeutigen Berichten kontrovers.Der erste,1950 erschienene Bericht,der Stauffenbergs Teilnahme erwähnte,war für die Familie schmerzend,weil er Stauffenberg zum Nationalsozialisten zu stempeln schien,was gewiß nicht richtig war.

    Es wurde dann dagegen behauptet,es habe am 30. Januar 1933 in Bamberg gar keinen Fackelzug gegeben.Das Bamberger Tagblatt vom 31.Januar berichtete jedoch von dem Fackelzug,der am Abend vorher stattgefunden hatte.

    Stauffenbergs Teilnahme oder Nichtteilnahme am Fackelzug ist nicht wesentlich für die Beurteilung seiner anfänglichen Zustimmung zur nationalsozialistischen Regierung.Es gibt dafür genug andere Zeugnisse.

    Andererseits gibt es ebenso reichliche Zeugnisse für seine Skepsis,Distanz und offene Kritik an den Nationalsozialisten.Seine Einstellung war weder vorbehaltlos positiv noch vollständig ablehnend."


    Hier stellt sich natürlich dann schon die Frage ob die Historikerin von Bechtolsheim einfach nur schlecht recherchiert hat?


    Stauffenberg ist zudem auch nicht die einzigste Persönlichkeit der damaligen Widerstandskämpfer welche von gewissen Kontroversen begleitet wird.




    Gruss Chris

  • Hallo Chris

    Eine negative Einstellung zum Attentat selber gab es ja schliesslich auch noch vermehrt nach Kriegsende in Deutschland!



    Gruss Chris

    Das würde ich nicht unbedingt als Maßstab nehmen!

    Der Krieg war zwar zu Ende und es gab jede Menge Persilscheine!

    Davon wurde die Gesinnung der Menschen nicht automatisch rechtsstaatlich und demokratisch!

    Es gab viele die sich an führender Stelle wieder "eingegliedert" haben.

    Ich erinnere nur an den Herrn Globke und den Herrn Filbinger um nur zwei zu nennen!

    Man könnte natürlich von gelungener Resozialisierung sprechen

    Ironiemodus aus

    Es wurden nach dem Krieg vielen Widerstandskämpfern Knüppel zwischen die Beine geworfen!

    Nach dem Motto mit "Verrätern" wollen wir nichts zu tun haben!


    Mit nachdenklichem Gruß Arnd

    Edited once, last by Arnd50 ().

  • Tag allerseits,


    dieses Thema hat viele Facetten! Es gibt natürlich heute Historiker, die Stauffenberg und seine Mittäter ganz unterschiedlich bewerten. Keiner dieser Historiker bezieht seine Kenntnisse aus dem persönlichen Erleben der damaligen Zeit. Man bewertet eben gewisse Veröffentlichungen, die meist nach dem Krieg erschienen sind.


    Im NS-System konnte man nicht ohne Weiteres als Gegner auftreten, man musste "mitschwimmen". Typisches Beispiel unser verstorbener ehemaliger BK Helmut Schmitt.


    Schmidt machte zu seiner Entwicklung in der Zeit des Nationalsozialismus die Aussage, Gegner der Nationalsozialisten gewesen zu sein. In Bewertung seiner damaligen Handlungen und Haltungen bezog sich das auf eine „innere Gegnerschaft“. So beurteilte ihn am 1. Februar 1942 ein Vorgesetzter: „Steht auf dem Boden der nat. soz. Weltanschauung und versteht es, dieses Gedankengut weiterzugeben.“ Auch in anderen Beurteilungen aus seiner Wehrmachtszeit wurde ihm eine „einwandfreie nationalsozialistische Haltung“ (10. September 1943) bzw. „Nationalsozialistische Haltung tadelfrei“ (18. September 1944) bescheinigt.


    Wir wissen heute auch, dass der NS-Staat nicht durch "Gefälligkeitsbeurteilungen" geprägt war.


    Selbst ein F.J. Strauß konnte sich 1944 einer Funktion als NS-Führungsoffizier nicht entziehen, auch wenn er in der Nachkriegszeit Wert darauf legte, dass er seine Funktion unpolitisch ausführte.


    Was die Bewertung von Widerstandskämpfern nach dem Kriege betraf: Besondere Beachtung fanden sie in der Bevölkerung vielfach nicht. Interessant auch, wie die Stimmung bis weit in die 60er-Jahre

    in Behörden und Betrieben war! Eine ehemaliger Hauptmann, der Ritterkreuzträger war, erfreute sich in einer Behörde besonderer Beachtung und Beliebtheit. Ein Verwandter eines Widerstandskämpfers,

    der in der gleichen Behörde arbeitete, wurde fast mit Argwohn behandelt. So erlebte ich es jedenfalls als junger Beamter.


    Grüße

    Bert

  • Hallo zusammen,


    Zitat aus dem Klappentext zu Karlaufs Buch: "Die Figur des Oberst, der am Mittag des 20. Juli 1944 die Bombe zündete, die Hitler töten sollte, blieb in der Literatur immer schemenhaft". Das mutet schon etwas skurril an.


    Zur Stauffenberg-Biographie von Zeller heißt es: >>Es gibt viele Bücher über Stauffenberg, den Attentäter des 20. Juli, aber nur eines, über das seine Witwe Nina Gräfin von Stauffenberg gesagt hat: 'Das Bild meines Mannes ist mir aus anderen Veröffentlichungen fast hinter einer Wand verschwunden. Bei Zeller fand ich ihn wieder.'<< Schemenhaft ist etwas anderes.


    Des Weiteren hat Peter Hoffmann nicht nur den Umsturzversuch sondern auch die Persönlichkeit und Entwicklung Staufenbergs akribisch nachgezeichnet, inkl. der Befragung von ehem. Kameraden, Schulkameraden, Freunden, Familienmitgliedern etc. Das war ebenfalls ganz sicher nicht schemenhaft.


    Wenig hilfreich ist es auch, den Attentätern Feigheit zu unterstellen. Stauffenberg kannte das Risiko. Dass er den Raum verlassen hat, nachdem er die Bombe platziert hatet, war auch damit begründet, dass er für den weiteren Verlauf des Umsturzversuches dringend in Berlin gebtaucht wurde. U.a. deshalb waren einige der Mitverschwörer auch dagegen, dass er das Attentat selbst ausführt. Davon abgesehen, dass sein Tod niemandem genutzt hätte.


    Nebenbei gab es in der Gruppe auch noch Axel von dem Bussche, der tatsächlich einen Selbstmordanschlag plante, weil man zu diesem früheren Zeitpunkt keine andere Möglichkeit sah. Dass dieser Versuch erfolglos war, ist ungünstigen Umständen zu verdanken, die vom Widerstand nicht gesteuert werden konnten.


    Weiß jemand, was über die "bisher unbekannten Quellen" , die Karlauf lt. Kalppentext vorlagen? Mir fallen dazu nur die Dokumente über Joachim Kuhn aus den russischen Archiven ein. Die hat aber auch schon Peter Hoffmann in seinem Buch über Kuhn ausgewertet.


    viele Grüße


    Christian

  • Guten Morgen,


    ich möchte zu diesem Thema nichts beitragen, aber es empört mich doch sehr, daß ein altes Zitat von unserem fernen Freund

    Arnold Weers in diesem Thema verwendet wurde.

    So etwas gehört sich ganz einfach nicht, das ist mehr als respektlos gegenüber einem verstorbenen Menschen, der sich

    nicht mehr rechtfertigen kann, genau DAS ist widerlich.


    Micha

  • Hallo Micha,


    So etwas gehört sich ganz einfach nicht, das ist mehr als respektlos gegenüber einem verstorbenen Menschen, der sich

    nicht mehr rechtfertigen kann, genau DAS ist widerlich.

    wie unterschiedlich doch die Menschen sind!

    Ich halte es für respektlos die Meinung eines verstorbenen Menschen nicht akzeptieren zu können und diese dann als widerlich zu betiteln.


    Gruss Chris

  • Hallo Micha,


    Quote

    So etwas gehört sich ganz einfach nicht, das ist mehr als respektlos gegenüber einem verstorbenen Menschen, der sich

    nicht mehr rechtfertigen kann, genau DAS ist widerlich.

    ich empfehle dir vor dem verfassen von Beiträgen nachzudenken und für deine Wortwahl gibt es eine offiziell Rüge, Klar !


    Den Versuch der Verteidigung von Arnold ist misslungen denn so wie ich Arnold gekannt habe war das seine Meinung.


    Da du zu dem Thema nichts beitragen möchte spare ich es mit dir zu erklären warum die Sichten auf Staufenberg so verschieden sind.

    Gruss Dieter