Hallo zusammen,
im Vorfeld der Gedenkfeiern zum historischen Jubiläum des gescheiterten Hitler-Attentats vom 20. Juli 1944
sind mir einige neue Bücher und Artikel zum Thema aufgefallen.
Am prominentesten scheint die neue Stauffenberg-Biographie von Thomas Karlauf zu sein.
Jens Jessen von der ZEIT, der selbst Verwandte im Widerstand gegen Hitler hatte, fasste Karlaufs vernichtendes Urteil
über Oberst Claus Graf Schenk von Stauffenberg und den deutschen militärischen Widerstand so zusammen:
QuoteClaus Graf Schenk von Stauffenberg: Wer war Stauffenberg?
Nazi, Antisemit, kühner Wirrkopf? Die neue Biografie von Thomas Karlauf erklärt den Attentäter aus dem Geist des George-Kreises – und macht den Widerstand gegen Hitler zweifelhaft. Das mag eine zeitgemäße Ansicht sein, sie ist aber falsch.
Von Jens Jessen
Der ganze Artikel ist leider hinter der Bezahlschranke. Auf der Rezensionsseite Perlentaucher.de habe ich aber eine ganz gute Zusammenfassung von Jessens Kritik an Karlaufs Buch gefunden:
QuoteRezensionsnotiz zu Die Zeit, 07.03.2019
"Gäbe es heute noch ein Debatten-Feuilleton, dann würde über Jens Jessens ausführliche Kritik an Thomas Karlaufs Stauffenberg-Biografie heftig diskutiert! [...]
Am Ende der Kritik wird's ganz hart: Im Grunde stellte Karlauf die Attentäter als auch nicht viel besser als die Nazis dar. Nur Hellmuth Stieff werde als einer genannt, der über die Naziverbrechen entsetzt gewesen sei. Bei anderen werde dies Entsetzen unterschlagen. Das "unabsichtlich Tendenziöse" der Biografie liegt für den Rezensenten darin, dass den Widerständlern kaum weniger Schuld zugemessen wird als den Tätern. Jessen sieht es als "moralische Kapitulation" der Gegenwart vor dem Heldenmut der Attentäter."
Der Buchautor Thomas Karlauf durfte dann am 20. Juli 2019 auch die 75-Jahre Gedenkrede in der Frankfurter Paulskirche halten. Obwohl er den militärischen Widerstand gegen Hitler und gegen die NS-Politik als moralisch fragwürdig und wenig vorbildlich darstellte. Was bedeutet das für das weitere Gedenken an das gescheiterte Hitler-Attentat?
Und wie sollte eine angemessene Würdigung des schon mehrere Jahre vorher aktiv gewordenen militärischen Widerstands innerhalb der Wehrmacht aussehen? Zumeist waren daran ja verantwortungsbewusste Offiziere beteiligt, während Unteroffiziere und Mannschaften das Handeln der Offiziere aufgrund ihrer Dienststellung nur zustimmend oder ablehnend kommentieren konnten.
Beste Grüße,
Bodo