Übersetzung aus Sütterlin

  • Hallo,

    im Auftrag versuche ich die Bedeutung eines Begriffs herauszufinden.

    Es sind Auszüge aus Berichten über ein 4 wöchiges Praktikum im Mädchenpensionat Maria Helferin in Kaldenkirchen aus Juli 1932.

    Darin fällt der Begriff " Krüggelkind". Mit diesem Begriff kann ich leider nichts anfangen.

    Hat jemand eine Ahnung, worum es sich bei diesem Begriff handeln könnte?

    Anbei sind die Teile aus dem Originalbericht und ein Teil, Bild 4, aus der Übersetzung. Vielleicht hat die Übersetzerin, mittlerweile auch schon fast 87 Jahre alt, da irgendwas verwechselt?

    Gruß

    Rigo

  • Moin Bert,

    das ging ja schnell.

    Warum hat man denn nicht gleich Krüppelkind gesagt? Oder war dieser Begriff dann doch zu abwertend? War denn Krüggelkind 1932 ein geläufiger Begriff?

    Gruß

  • Hallo Rigo,

    Warum hat man denn nicht gleich Krüppelkind gesagt?

    man hat gleich Krüppel gesagt ! Die zusätzliche Irritation entsteht noch dadurch, dass die Dame beim Transkripieren aus

    " ein Krüppel " im Text " im Krüggel " macht. Sie kreiert durch falsches Lesen auf diese Art ein neues Wort.

    Vergleiche doch einfach mal das p" im Text bei den Worten körperlich oder Spiel .

    MfG Ludwig

    Never let go!

  • Hallo Wolfgang,

    die über Jahrhunderte herrschende Schreibschrift im deutschsprachigem Raum war die Kurrentschrift. Das p Deines ersten Beispiels entspricht dem der Kurrentschrift.

    Im zweiten Beispiel wird das p aus der erst spät entstandenen Reformschrift - basierend auf der Kurrentschrift - des Herrn Sütterlin gezeigt. Sütterlin war eigentlich die Schrift der von 1920 bis 1939 geschulten Generation. Und selbst die war nicht flächendeckend umgesetzt worden. Hinzu kam noch, dass etwa zu Beginn des 2. Weltkriegs in Deutschland die lateinische Schrift als Schreibschrift verbindlich wurde.

    So kam es, dass viele Leute oftmals ein wildes Durcheinander dieser drei Schriften produzierten, zusätzlich zu ihrem ganz persönlichen Stil.

    Aber es gibt glücklicherweise einige hier, die das Schriftchaos wunderbar beherrschen.

    Beste Grüße

    Paul


    G-W-G'

  • Grüß Dich Paul,

    der Brief ist in Kurrent geschrieben. Kurrent war eine Schrägschrift, Sütterlin hatte aufrechte Buchstaben. Das von Frau Mücke angegebene zweite „p“ ist schräg, sieht aber dem „p“ von Sütterlin ähnlich. Diese Form des „p“s wurde im Kurrent des18. Jahrhunderts verwendet. Das erklärt auch die Angabe von Frau Mücke, über die zweite Form des „p“. Siehe Tabelle im Anhang. Leider finde ich die Quelle im Moment nicht – die Tabelle stammt von 2011. Versuche sie nachzureichen. Achtung: Wie ich jetzt herausgefunden habe, gibt es diese Webseite nicht mehr, oder sie ist umgezogen! Mit google-Bildersuche konnte ich sie allerdings auch nicht mehr entdecken.

    In Preußen wurde Sütterlin bereits 1915 eingeführt. Die haben wohl auch hier wieder einmal schneller „geschossen“.

    Die gebrochenen Schriften (Fraktur) wurden durch ein geheimes Rundschreiben von M. Bormann am 03.01.1941 verboten. Der Mann hatte offensichtlich keine Ahnung, wo und wie Frakturschriften entstanden sind, und tat die Hacken zusammenschlagend das, was ihm von A. H. befohlen wurde. Das Sütterlinverbot folgte dann am 01.09.1941. Hier wird ausführlich darüber geschrieben:

    https://de.wikipedia.org/wiki/Antiqua-F…alschrifterlass

    Ja, das sieht man öfters, daß lateinische, Kurrent- und/oder Sütterlinschrift gemischt werden. Oft beherrschen aber Briefschreiber beide Schriftarten (Kurrent/Latein), selbst wenn sie vor dem 1.Wk geboren sind.

    Stimmt, das ist sehr erfreulich und beispielhaft, daß es solche Mitglieder gibt, sie haben schon viel wertvolle Arbeit geleistet."Chapeau! Touché!"

    Servus

    Wolfgang

    P.S.:

    Falls jemand noch Interesse an den Großbuchstaben hat, bitte PN an mich, oder ich stelle sie hier ein, falls es allgemein gewünscht wird.


    Kleinbuchstaben_a-s.png

    Edited 2 times, last by Nagelschmied (March 26, 2019 at 10:50 AM).

  • Hallo Wolfgang,

    kurzer Abstecher: Gibt es diese Tabelle auch für Großbuchstaben?

    Danke & Grüße

    Uli

    *** Suche alles zum 22. SS-Panzergrenadier-Regiment (10. SS-Panzerdivision "Frundsberg") und R.A.D. 2/214 Oedt. Danke! ***

  • Hallo,

    in einem anderen Brief steht was von "Pfänderspielen", welche, in ziemlicher Regelmäßigkeit, gespielt wurden.

    Sind jemandem von euch solche Spiele bekannt?

    Der Person, der die Briefe gehören, und auch ich, können mit Pfänderspielen überhaupt nichts anfangen.

    L.G.

    Rigo

  • Tag allerseits,

    Pfänderspiele: siehe - https://de.wikipedia.org/wiki/Pf%C3%A4nderspiel


    Interessant auch:

    Der Schrifterlass vom 3. Januar 1941 untersagte die Verwendung des alten Schrifttypus Fraktur. Am 1. September 1941 ließ Martin Bormann, Kanzleichef der NSDAP, in einem Rundschreiben verkünden, dass neben der Deutschen Kurrentschrift ab sofort auch die Sütterlinschrift verboten sei.

    Bormanns falsche Begründung

    Die Nationalsozialisten hatten das Verbot der alten deutschen Schriften antisemitisch begründet und sie – in Anspielung auf die im 15. Jahrhundert entstandene Schwabacher Schrift – als „Schwabacher Judenlettern“ bezeichnet. Die Juden, so lautete die von Bormann verbreitete Propaganda, hätten die Druckereien beherrscht und diese Buchstaben geprägt.

    Tatsächlich war im 15. Jahrhundert der Besitz von Druckereien in Deutschland allein Christen vorbehalten. Dass die Nationalsozialisten die Fraktur und Sütterlin abschafften und mit lateinischen Buchstaben ersetzten, hatte vermutlich nur einen Grund: Die Menschen in den während des Krieges besetzten Gebieten, in denen die deutschen Schriften nicht bekannt waren, sollten die Anweisungen der Nationalsozialisten lesen können.


    Gruß

    Bert

    Edited once, last by Jahrgang39 (August 4, 2019 at 5:26 PM).

  • Hallo Bert,

    die Begründung für die Änderung hat mich schon immer interessiert, habe mich trotzdem nicht weiter drum gekümmert.

    Manchmal kommt die Antwort dann ganz zufällig und belohnt die Faulheit. Trotzdem: besten Dank.

    Gruß

    Paul


    G-W-G'