Überläufer - Lebenserwartung

  • Hallo,

    die Überlebenschancen eines Überläufers* dürften sich durch den Wechsel zum " Feind" nicht oder nicht wesentlich gebessert haben, wenn man den Kriegsschauplatz im Osten nimmt.**

    Sehr oft wurden diese sofort wieder gegen die einstigen Kameraden eingesetzt, entweder in geschlossenen Einheiten oder untergemischt unter die neuen Kameraden.

    Somit ergibt sich folgendes Bild:

    > Der Überläufer bleibt an der Front, nur auf der "anderen Seite",

    > gerät der Überläufer nun in Gefangenschaft ( bei seinen ehemaligen Kameraden) ist sein Leben als Fahnenflüchtiger ziemlich sicher verwirkt,

    > wird der Überläufer nicht an der Front eingesetzt, dann kommt er sicher in Gefangenschaft,

    > wenn er großes Pech hat, z. B. mit einem entspr. Dienstgrad und Wissen, dann wird er zusätzlich auch noch einem " scharfen Verhör" etc. unterzogen,

    > wenn er den Krieg überlebt kann er u. U. auch noch danach in Gefangenschaft kommen.

    Was bewog also Überläufer zum Frontwechsel?

    Vielleicht weil die eigene Lage völlig aussichtslos und überlaufen die einzige Hoffnung darstellte?

    WAS ist Euere Meinung?

    Gruß Karl

    * Zitate von Gaius Julius Caesar - Ich liebe den Verrat, aber ich hasse den Verräter.

    ** Mir ist nicht bekannt, dass Überläufer im Westen wieder an der Front eingesetzt wurden, sondern " nur" in Gefangenschaft gingen.

  • Sehr oft wurden diese sofort wieder gegen die einstigen Kameraden eingesetzt

    Mir ist nicht bekannt, dass Überläufer im Westen wieder an der Front eingesetzt wurden, sondern " nur" in Gefangenschaft gingen.

    Hallo Karl,

    mir ist kein einziger Fall, wo die deutschen Überläufer gegen derer Willen gegen die einstigen Kameraden eingesetzt wurden bekannt.

    Gruß Viktor

  • Tag allerseits,

    Überläufer an der Ostfront waren teilweise überzeugte Kommunisten, die später in der DDR vereinzelt auch Karriere machten.

    Typisches Beispiel

    https://de.wikipedia.org/wiki/Paul_Blechschmidt

    Überläufer galten als Verräter. Auf beiden Seiten der Front. – Selbst in dem populären deutschen Stalingrad-Spielfilm „Hunde, wollt ihr ewig leben?“, der Jahre später, 1958, in die bundesdeutschen Kinos kam und eigentlich als Anti-Kriegsfilm für sich Reklame machte, selbst dort wird die Figur des Überläufers in Schwarz-Weiß-Manier von vornherein als zweifelhafter Charakter dargestellt.

    Dazu

    https://www.deutschlandfunk.de/geschichte-akt…rticle_id=97573

    Grüße

    Bert

    Edited once, last by Jahrgang39 (March 17, 2019 at 2:42 PM).

  • Hallo Victor 7,

    ich habe nicht speziell auf deutsche Überläufer abgehoben. Habe damit auch nicht das NKFD gemeint.

    Mir sind solche Fälle mit Rumänen, Polen und Ungarn, z. B. beim Angriff auf Budapest aus der Literatur bekannt.

    Wenn eine ganze Einheit überlief, wurde wohl der einzelne Soldat nicht gefragt.

    Wenn ich z. B. an die Finnen denke, die zwangsläufig - gem. Abkommen - gegen ihre einstigen"Waffenbrüder" kämpfen mussten...

    Aber das habe ich hier nicht gemeint. Die Fragestellung war allgemein gehalten.

    Gruß Karl

  • Mir sind solche Fälle mit Rumänen, Polen und Ungarn, z. B. beim Angriff auf Budapest aus der Literatur bekannt.

    Hallo Karl,

    mein Vater war beim Angriff auf Budapest als sowj. Soldat dabei, hatte aber so etwas nie erwähnt, konnte sein, dass in seinem Abschnitt sowas nicht gegeben hat. Soweit mir bekannt ist, machten die Russen bei der Behandlung der Rumänen und der Ungarn kein Unterschied zu den Deutschen.

    Ich kannte persönlich auch einen 2 Männer, der 12. SS-Division "Hitlerjugend", die ebenso dort waren und über fanatische Einstellung der Ungarn berichteten, mehr aber auch nicht. Gezielt danach fragen kann ich die allerdings auch nicht mehr...

    Gruß Viktor

  • Hallo,

    das eine größere Anzahl von Wehrmachtsangehörigen geschlossen zu den sowj. Streitkräften an der Ostfront übergelaufen sind, ist mir nicht bekannt. Allein der bekanntgewordene Umgang mit gefangengenomenen Wehrmachtsangehörigen bereits zu Beginn der Kämpfe in der SU dürften viele, selbst in auswegslosen Situationen davon abgehalten haben, überzulaufen. Selbst dt. Kommunisten hatten per se nicht gleich eine bessere Behandlung zu erwarten. Sicherlich spielte auch der Umstand eine Rolle, dass unter Umständen die Familienangehörigen in Deutschland in Sippenhaft kommen konnten, wenn das Überlaufen zu den sowj. Streitkräften bekannt wurde. Die Wehrmacht selbst rekrutierte aus ihren Kriegsgefangenenlager, unter Überläufern russ. Soldaten für den Einsatz gegen ihre Landsleute (z, Bsp. bei den ,,Brandenburgern" oder in der Wlassow-Armee) Auf der Gegenseite kamen gegen Kriegsende verstärkt die sogenannten ,,Seydlitz-Soldaten" zum Einsatz.

    Sofern sich das noch eruieren läßt, interessiert es mich, wieviele dt. Überläufer gab es bei den kämpfen um Stalingrad?

    MfG Wirbelwind

  • Hallo,

    in Die Zeit erschien in der Ausgabe 11 von 1989 ein längerer Bericht über deutsche Überläufer. Dieser Bericht ist eine Reaktion auf den Film des Hamburger Publizisten Bernd C. Hesslein "Roter Stern und Stacheldraht. Umerziehung in sowjetischer Kriegsgefangenschaft" aus dem selben Jahr.

    Der Bericht wird dadurch lesenswert, weil er einen guten Überblick über die Stellung der Überläufer der Wehrmacht in der RA gibt. Sicherlich nicht sehr tiefgründig, aber für den Anfang ausreichend.

    https://www.zeit.de/1989/11/hoeret-die-signale

    Mir ist nur ein massenhaftes Überlaufen zur RA aus dem Dez. 1944 in der Slowakai / Ungarn bekannt. Zwangsrekrutierte deutsche politische Häftlinge aus allen KLn waren im Oktober des selben Jahres in die Sturmbrigade Dirlewanger überstellt worden. Sie waren in Kompanien zusammengefasst, die dann beim ersten Einsatz gegen die RA im Dez. 1944 geschlossen überlief.

    Zu finden hier:

    H. Auerbach; IFZ Vierteljahreshefte 1962; S. 261f

    https://www.ifz-muenchen.de/heftarchiv/1962_3_2_auerbach.pdf

    Diese Aktion war auch bereits Thema im Forum:

    Arhtur Koß (1904-1944) trifft Oskar Dirlewanger

    Beste Grüße

    Paul


    G-W-G'

    Edited once, last by Paul Spohn (March 17, 2019 at 3:46 PM).

  • Tag allerseits,

    die Zahl der Überläufer war gering. Aber diese Fälle gab es eben. Da beschreibt der Frontsoldat Ferdinand Barnreiter in seinem Buch "Mit Gottvertrauen durch den Krieg" wie übergelaufene Kameraden über Frontlautsprecher der Roten

    Armee von der guten Behandlung in Gefangenschaft erzählen. Höhepunkt dieser Erzählung war dann, dass es täglich 2 x Pudding gibt.

    Ich erwähnte schon, wer als Kommunist überlief, hatte sehr gute Überlebenschancen. Meist schickte man sie nach "Fronteinsätzen an den Lautsprechern" auch zu Antifa-Lehrgängen. Man war bei den Sowjets vor allem auch an

    überlaufenden Offizieren interessiert. Wer dann beim Nationalkomitee Freies Deutschland oder beim Bund Deutscher Offiziere mitarbeiten durfte, dessen Karriere in der späteren DDR war damit vorgezeichnet.

    In dem Buch "Odyssee in Rot" beschreibt der Autor Heinrich Gerlach ausführlich solche Karrieren von Überläufern.

    Interessant auch, dass ein Generalleutnant Vincenz Müller sich bereit erklärte, einen Antifa-Lehrgang zu besuchen. Danach wurde immerhin auch General in der DDR.

    Zahlen bzw. Untersuchungen zu den Überlebenschancen von Überläufern wird es wohl nicht geben.

    Gefangene Soldaten der Roten Armee, die in Kriegsgefangenenlager kamen, die hatten eine sehr schlecht Chance zu überleben. Übergelaufene Rotarmisten, die sich bereit erklärten, bei der Wehrmacht als HIWIs zu dienen, hatten gute

    Chancen, nach Kriegsende noch zu leben, sofern sie nicht in russ. Gefangenschaft gerieten. Dann nämlich wurden sie u.U. umgehend liquidiert.

    Grüße

    Bert

    Edited 6 times, last by Jahrgang39 (March 17, 2019 at 5:34 PM).

  • Ein Hallo in die Runde

    Bei dem oben erwähnten Paul Blechschmidt steht in Wikipedia Artikel etwas von einem Einsatz als Fallschirmspringer im April 45 um ein großes Munitionslager zu vernichten!

    Ist dazu irgendwas bekannt?

    Gehört nicht ganz zum Thema

    Wusste nicht ob ich dafür ein extra Thread aufmachen soll?

    Gruß Arnd

    PS: sollte es zu umfangreich werden kann ein Moderator vielleicht verschieben

    Danke

  • Hallo,

    Gründe überzulaufen waren auf russ. Seite u.a. der schnelle Vormarsch der Wehrmacht in der ersten siegreichen Zeit des Russlandfeldzugs, da ein Sieg Deutschlands zu dieser zeit noch sehr wahrscheinlich schien. Das Leben in der SU war zu diesem Zeitpunkt kein Zuckerschlecken, geprägt von Mangel und "Unfreiheit", vielleicht erhofften man sich ein besseres Leben. Die Soldaten waren auch einfach demoralisiert , hatten kaum Verpflegung und lebten im Dreck . Desweiteren gab es viele nicht-russischstämmige Soldaten, deren vormals "freie" Länder vom Kommunismus "übernommen" wurden, wie z.B. das Baltikum, aber auch viele Kaukasusstaaten.

    Es wird in einigen Stalingrad-Berichten erwähnt, dass Ungarn und Rumänen nach der Gefangennahme von den Russen besser behandelt wurden als die Deutschen, man gab ihnen Waffen und bessere Verpflegung und ließ diese die deutschen Gefangenen bewachen. Dabei kam es auch zu schweren Misshandlungen von deutschen Gefangenen durch Rumänen. Ich suche mal die Quelle raus.

    Grüße Werner

  • Hallo Werner,

    Dabei kam es auch zu schweren Misshandlungen von deutschen Gefangenen durch Rumänen. Ich suche mal die Quelle raus.

    bitte nicht, das gibt dann möglicherweise eine Diskussion in diese Richtung. Ich weiß um die Umstände.

    Weißt du etwas zu rumänischen oder ungarischen Überläufern und deren Schicksal?

    Gruß Karl

  • Hallo Werner,

    bitte nicht, das gibt dann möglicherweise eine Diskussion in diese Richtung. Ich weiß um die Umstände.

    Weißt du etwas zu rumänischen oder ungarischen Überläufern und deren Schicksal?

    Gruß Karl

    Hallo Karl,

    ok.

    konkretes also mit Quelle habe ich leider nicht - da müsste man die russischen Kollegen fragen - ich denke die Sowjets haben relativ schnell aus diesen Überläufern den Grundstock für spätere rumän. und ungar. Verbände gebildet , indem diese "Überläufer",aber auch eingebrachte Gefangene, besser behandelt , sowie speziell weltanschaulich und "sowjetmilitärisch" geschult wurden - denn die ungarischen, rumänischen und auch polnischen Einheiten der Roten Armee sind ja wirklich schnell aus dem Boden gestampft worden, ich denke ohne eine gewisse Vorarbeit in den Jahren 1943 und 44 wäre das nicht so ohne weiteres gegangen.

    Aber das ist nur eine Vermutung. Man darf auch nicht vergessen, dass es nach dem Krieg viele Rumänen und Ungarn in den Gulags gab, allerdings habe ich bisher nur selten davon gelesen, dass diese ehemalige ungar./rumän.Sowjet-Soldaten waren.

    Grüße Werner

  • konkretes also mit Quelle habe ich leider nich

    Aber das ist nur eine Vermutung

    Hallo,

    habe ich allein den Eindruck, dass du diesen Forum unterschätzt oder mit Gewalt nach unten ziehen willst? Keine Quelle, keine Ahnung, aber Klischees ohne Ende...

    Sorry, dass wollte bei soviel "Fachkompetenz" schon gestern raus!

    Gruß Viktor

  • Tag allerseits,

    Viktor hat wieder einmal völlig Recht. Wir sollten uns vor solchen "Räuberpistolen" hüten, wonach rumänischen und ungarische Gefangene von den Sowjets bewaffnet wurden. Ich habe über Kriegsgefangene in der Sowjetunion

    schon einiges gelesen, z.B. wie Japaner, die in russ. Kriegsgefangenschaft gerieten, behandelt wurden, aber nirgends etwas über die "Wiederbewaffnung" von Kriegsgefangenen anderer Nationen gelesen.

    Was stimmt, dass deutsche Kriegsgefangene mitunter etwas anders behandelt wurden als Verbündete Rumänen und Ungarn, das ist in der Natur der Sache begründet. Selbst Österreicher, die in der Wehrmacht dienten und in

    Gefangenschaft gerieten, versuchten sich von den deutschen Kameraden abzusondern. Bei den Sowjets kam das aber nicht an.

    Nach dieser Klarstellung sollten wir wieder das eigentliche Thema behandeln!

    Grüße

    Bert

  • Hallo zusammen,

    .......so war z. B. das 7. rum. Armeekorps, unterstützt durch sowj. Panzer, mit ca. 18.000 Soldaten gegen Budapest eingesetzt.

    Diese hatten sehr verlustreiche Kämpfe zu bestehen. So waren von den ursprünglich 36.348 Soldaten bis Mitte Januar ( 1945) mehr als 20.000 Soldaten tot, verwundet oder verschollen*

    Gruß Karl

    * Ungvary, Krisztian: Die Schlacht um Budapest"

    Militärgeschichtliche Mitteilungen 1994/10 S. 114

    Studie Csimas.

  • so war z. B. das 7. rum. Armeekorps, unterstützt durch sowj. Panzer, mit ca. 18.000 Soldaten gegen Budapest eingesetzt.

    Hallo Karl,

    es sind völlig verschiedene Sachverhalte. Wenn ein Land aus welchen Gründen auch immer ihre Pläne und Orientierung ändern und dem entsprechend ihre Truppen einsetzen, hat es nichts mit "Überlaufen" zu tun.

    Gruß Viktor

  • Hallo,

    ein paar Zahlen aus:

    Pauly: Desertion im Recht des Nationalsozialismus

    Von 484 ausgewerteten Akten waren:

    1 Offizier

    18 Unteroffiziersdiesntgrade

    Rest (96%) Mannschaftsdienstgrade

    Davon 90,5% Heer, 7% Luftwaffe, 2,5% Kriegsmarine

    17% waren sog. Volksdeutsche oder Angehörige der dt. Volksliste 3, also z.T. dt. Staatsangehörige auf Widerruf. 50% hiervon waren polnischstämmig, 2% italienische, niederländische, jugoslawische oder französische Staatsangehörige, der Rest aus deutschsprachigen Gebieten wie dem Elsass, Lothringen, Luxemburg oder der Tschechei.

    18% waren bis 20 Jahre alt, 64% waren 21-30 Jahre alt, 12% zwischen 31-35 Jahre, 6% älter als 35.

    30% waren bereits militärisch, 27% militärisch und zivil und 9% rein zivil vorbestraft, also insg. 66% in irgend einer Form Vorbestrafte.

    Grüße

    Thilo

    Suche alles zur Lehrtruppe Fallingbostel und zum Einsatz des NSKK in der Ukraine 1941