Warum waren die deutschen Generäle in Trent Park so redselig ?

  • Hallo werte Mitforisten,

    ich bin - mal wieder zufällig - auf einen Artikel im Internet aus dem Jahr 2017 gestoßen, der "des Überfliegens" wert ist, wie ich meine:

    https://www.scotsman.com/news/obituarie…d-war-1-4666124

    Dort wird Fritz Lustig gedacht, eines jüdischen Emigranten, der zum Team gehörte, welches die deutschen Generäle in Trent Park abhörte.

    Ich wußte ja, daß das "Generalslager" in Trent Park wegen des Abhörens durch die Briten sehr wichtig war, nur waren mir Details bisher unbekannt.

    Anscheinend war die dort gefangene deutsche Generalität umgangssprachlich formuliert "ziemlich geschwätzig", obwohl man sie in Deutschland schon vorher vor genau so einer Situation im Falle einer Gefangennahme gewarnt hatte.

    So sprachen sie nicht nur über die Massenmorde in Osteuropa, sondern auch etwa über Waffenprogramme, was zur Bombardierung von Peenemünde 1943 führte.

    Man kann wirklich sagen, daß die Briten hier hochprofessionell vorgegangen sind. Nur daß die deutschen Generäle so ungezwungen redeten, ist mir ein Rätsel.

    Von der Erkenntnisebene her wird im Artikel Trent Park mit Bletchley Park auf eine Stufe gestellt.

    Beste Grüße aus Bonn,

    Manfred

  • Hallo Manfred,

    die Massenmorde in Osteuropa waren den Briten definitiv schon frühzeitiger bekannt geworden. Das geschah durch die Entzifferung der " Enigma " . Durch dieses System wurden die täglichen Lagemeldungen der Einsatzgruppen der SS verschlüsselt.

    Was Peenemünde betrifft :

    Hier erhielten die Engländer durch den polnischen Ingenieur Antoni Kocjan, Flugzeugkonstrukteur, Kenntnis. Dieser war der zuständige Sektionschef für die technische Aufklärung im polnischen Wiederstand. Er schickte den Ingenieur Jan Szreder als freiwilligen Fremdarbeiter nach Peenemünde. Ein erster Bericht trifft am 19. April 1943 in England ein. Im Juni 1943 bestätigte sich dann endgültig per Luftbild die entsprechende Lage von scheinbar abschussfertigen unbemannten Flugkörpern. Am 17. August 1943 erfolgte dann der Angriff.

    Daraufhin wurde die Produktion der V1 nach Fallersleben verlagert, wo im September 1943 die Serienproduktion anlief. Im Dezember 1943 begann dann der Beschuss auf London.

    Die Generäle erzählten also nichts neues, zumal die Aktion Trent Park erst im Mai 1943 mit vorwiegend in Afrika gefangenen Generälen richtig begonnen wurde. Vielleicht kann man davon ausgehen, das man wusste abgehört zu werden.

    Gruß Andreas

  • Hallo,

    das folgende ist mir sehr neu

    Dezember 1943 begann dann der Beschuss auf London.

    Nach meinem Kenntnisstand begann das erst im Juni 1944. Vielleicht kannst du eine Quelle für Dezember 1943 angeben.

    Gruss

    Rainer

    Suum cuique

    Edited once, last by Rainer (March 16, 2019 at 10:19 PM).

  • Hallo,

    Sönke Neitzel verweist in seinem Werk darauf, dass die Generäle zu keinem Zeitpunkt davon ausgingen abgehört zu werden. Sie hielten demnach die clubartige Atmosphäre in Trent Park für angemessen und meinten genau so müssten gefangene Generäle behandelt werden.

    Die Briten hörten ja nicht nur Generäle ab. Die zweite Werk von Sönke Neitzel: "Soldaten: Protokolle vom Kämpfen, Töten und Sterben" sowie Falko Bell: "Britische Feindaufklärung im Zweiten Weltkrieg: Stellenwerk und Wirkung der Human Intelligence in der britischen Kriegsführung 1939-1945" geben darüber Auskunft.

    Alle Personen von Interesse wurden abgehört. Die Generäle in Trent Park dauerhaft, das "Fußvolk" manchmal nur tageweise in speziellen Verhöreinrichtungen.

    Falko Bell arbeitet sich an drei interessanten Fallbeispielen ab: der Luftschlacht um England, der Abwehr der Vergeltungswaffen (inklusive der Bombardierung von Peenemünde) und der Einschätzungen zur deutschen Moral. Er bezieht natürlich auch stark die klassischen Verhöre mit ein.

    Das Ziel der "Human Intelligence" war u.a. das Kennenlernen der "Taktiken und Methoden" des Feindes und die Königsdisziplin war die "Warning Intelligence".


    Viele Grüße

    Andre


  • Hallo Rainer,

    ein Schreibfehler meinerseits . Es sollte " sollte " heißen. Das wurde Makulatur, da der französische Wiederstand massiv im Zusammenwirken mit der englischen Luftwaffe die zunächst stationären Abschussrampen angriff. Die Deutschen wichen dann auf kleine, transportable und gut getarnte Abschussrampen aus.

    Insofern ist dein genannter Zeitpunkt korrekt.

    Gruß Andreas

  • Tag allerseits,

    dass die Herren Generale nicht auf den Gedanken kamen, dass sie abgehört werden konnten, das lag wohl an ihrer Borniertheit.

    Wäre damals Gehlen bei den Gefangenen dabei gewesen, er hätte Möglichkeiten erkannt, wie man Gespräche führen kann, ohne zu befürchten, abgehört zu werden.

    Das hätte eben bei Spaziergängen in der Parkanlage erfolgen können.

    Gruß

    Bert