Hallo an alle,
im Rahmen von Recherchen zum Einsatz der 167. Volksgrenadierdivision während der Ardennenoffensive, bin ich auf die Ereignisse vom 30.12.44 im Raum Lutrebois - Chateau Losange gestoßen. Dabei konnte ich folgenden Stand der Literatur ausarbeiten, wobei sich die verschiedenen Quellen teilweise nicht decken. Hat jemand vielleicht weitere Informationen zu den beschriebenen Eregnissen (es handelt sich genau um das 331. GR / 167. VGD.)?
Ereignisse am 30.12.1944, GR 331
In Bergström, Christer, The Ardennes 1944-1945, Hitler’s Winter Offensive, S. 312, 2014 wird beschrieben, dass die 167. VGD die Straße Arlon (Martelange) – Bastogne überschritten hat und den Wald „Bois Bechou“ nordöstlich von Assenois erreicht hat. Allerdings bestand keine Chance gegen die 4. US-Panzerdivision, so dass sich die Division wieder auf die östliche Seite der Straße Arlon – Bastogne zurückziehen musste. Laut Generalleutnant Hans-Kurt Höcker wurde das angreifende Bataillon volsständig aufgerieben.
Bergström bezieht sich dabei in dieser Aussage auf den Text in Cole, Hugh M., The Ardennes: Battle of the Bulge, S. 626, 1964 (Fußnote 209, Kapitel 8, The Ardennes 1944-1945). Cole beschreibt, dass am Morgen des 30.12.1944 die 167. VGD die Straße Martelange – Bastogne überschritten hat und den Rand der Wälder südöstlich von Assenois erreicht hat. Dort stießen die Grenadiere auf das 51. Armored Infantry Bataillon der 4. US-Panzerdivision, welches jeden Versuch, aus dem Wald in freies Gelände durchzubrechen, verhinderte. Außerdem wurden Jagdbomber und Granaten, welche gezielt in den Bäumen explodierten, den Grenadieren zum Verhängnis. Diese Angriffe wurden von der Artillerie der 35. US-Infanteriedivision durchgeführt.
Cole bezieht sich dabei auf die Aussagen von Generalleutnant Höcker, Hans-Kurt, MS # B-041, 167th Volks Grenadier Division, 24 December 1944-February 1945, Corps Hoecker, 2-10 March 1945 and 59th Infantry Division, 20 March-24April 1945, S.7, 1946. Höcker beschreibt in dieser Studie den Angriff des Spitzenbataillons am 30.12.1944. Er gibt an, dass das Spitzenbataillon den äußersten Rand des Waldes südlich von Remoifosse erreicht hat. Dabei wurde der Btl.-Kdr. verwundet und der Adjutant ist gefallen. Aufgrund dessen, dass die 1.SS-Panzerdivision dem Angriff nicht folgen konnte, musste sich das Spitzenbataillon wieder zurückziehen. Dabei sind nur wenige Männer des angreifenden Bataillons zu den deutschen Linien zurückgekehrt.
Die von Cole eingeführte und danach zitierte Wendung, dass das Bataillon [was] „cut to pieces“, kommt bei Höcker nicht vor und wurde wohl von Cole so beschrieben.
Die Informationen über das Vorrücken der 167. VGD wird auch bei Rickard, John Nelson, Advance and Destroy, Patton as commander in the Bulge, S. 228, 2011 so wiedergegeben. Wie auch Cole beschreibt Rickard in der Fußnote 11, dass nur wenig Informationen über den Einsatz der 167. VGD bekannt sind. Rickard schreibt noch, dass die 167. VGD vermutlich mit zwei Regimentern angegriffen hat.
Das Überqueren der Straße Arlon-Bastogne wird auch in der Lagekarte OB West vom 01.01.45 gezeigt. Dort ist die Überquerung eher nordöstlich von Assenois anzusetzen (Lage West 1.1.45). Die Lage deckt sich daher eher mit der bei Betgström beschriebenen Position, wobei der Einbruch in die amerikanischen Stellungen dort nicht in der gleichen Tiefe eingetragen ist, wie bei Bergström beschrieben. Die Meldung, dass die Straße abgeschnitten worden ist, muss demnach beim OKW eingegangen sein und es muss auch am 01.01.45 noch davon ausgegangen worden sein, dass die Straße abgeschnitten ist. Genaue Truppenstellungen oder Verbände werden nicht angegeben. Es kann sich nach der Lage OB-West sowohl um Truppen der 167. Volksgrenadierdivision, als auch der 1. SS-Panzerdivision handeln. Für beide Positionen, nordöstlich und südöstlich von Assenois gibt es Belege, wobei keine Lagekarte OB-West vom 30.12.44 oder 31.12.44 zu finden waren. Inwiefern die Karte vom 1.1.45 die Lage vorherige Tage widerspiegelt, ist nicht sicher zu sagen
Die Lagekarte des OB-West vom 1.1.45 ist die einzig vorhandene Primärquelle, welche aus Sicht der deutschen Seite vorhanden ist. Alle anderen Primärquellen, die die Ereignisse vom 30.12.44 wiedergeben können, sind aus amerikanischer Sicht beschrieben.
Von Seiten der 35. US-Infanteriedivision ist bekannt, dass diese am 30.12.44 vom Gegenangriff der 167. VGD auf Lutrebois überrascht worden ist und die 4. US-Panzerdivision zu Hilfe kommen musste, um die vorrückenden deutschen Verbände aufzuhalten.
Einen ersten Anhaltspunkt liefern die Berichte, welche von deutschen Soldaten, nach ihrer Gefangennahme, durch die amerikanischen Truppen aufgenommen worden sind. Danach ist das I./GR331 am frühen Morgen des 30.12.44 aus dem Wald nordöstlich von Lutrebois angetreten und konnte, zumindest in Teilen, Lutrebois passieren und in die Wälder westlich von Lutrebois eindringen. Darüber hinaus werden im Unit Journal Headquarters 134th Infantry, Dec 44, keine Hinweise gegeben, dass deutsche Truppen die Straße Arlon-Bastogne abgeschnitten haben und diese wieder durch Verbände der 35. US-Infanteriedivision freigekämpft werden mussten.
Nach dem Report of Action Against the Enemy – December 1944, 35th Infantry Division, Headquarters 35th Infantry Division, APO 35, US Army, January 14 1945, werden die Ereignisse des 30.12.44 so beschrieben, dass der Angriff des GR 331 durch das 134. US-Infanterieregiment aufgehalten werden konnte und das Regiment seine Positionen den Tag über gehalten hat. Der Angriff der deutschen, mit dem Ziel die Straße Arlon – Bastogne abzuschneiden wurde damit zurückgewiesen.
Im Report of Action Against the Enemy, December 1 to December 31, 1944, Headquarters 134th Infantry Regiment, APO #35, US Army, 4 January 1945, wird für den 30.12.44 ausdrücklich erwähnt, dass der Angriff der deutschen Verbände ca. 400 m vor der Straße Arlon – Bastogne aufgehalten werden konnte und es den deutschen Truppen nicht gelang, diese Straße abzuschneiden.
Die amerikanischen Truppen der 35. US-Infanteriedivision mussten sich dennoch zurückziehen und waren auf Hilfe der 4. US-Panzerdivision angewiesen
Der After Action Report, 51st Armd Inf. Bataillon, 4th Armored Division, 23 Aug thru 9 May 45 gibt dabei detailliert die Gegenmaßnahmen des 51. Panzergrenadierbataillons der 4. US-Panzerdivision wieder.
Danach wurde das 51st AIB bereits um 04:30 von dem Gegenangriff der deutschen Verbände unterrichtet und richtete sich zur Verteidigung ein. In diese Vorbereitungen kam die Meldung, dass die deutschen Verbände in die Wälder westlich von Lutrebois eingesickert ist, um die Straße Arlon-Bastogne südlich von Remoifosse abzuschneiden. Gegen 08:45 wurde im Gefechtsstand des 51st AIB (Chateu Losange) deutsches MG-Feuer wahrgenommen. Dieser Angriff führte zum Rückzug von Einheiten des 134. Infanterieregimentes und die deutschen Truppen verfolgten die sich zurückziehenden amerikanischen Einheiten. Auch wenn es für die amerikanischen Einheiten des 51st AIB zunächst schwierig war das Feuer zu eröffnen, da die deutschen und amerikanischen Truppen vermischt waren, gelang es die deutschen Truppen unter gezieltes Feuer zu nehmen. Die Soldaten des Gefechtstandes beobachteten vom Chateau Losange aus die deutschen Bewegungen. Als die deutschen Soldaten den Wald verließen und auf die Lichtung vor dem Schloss vordrangen, nahmen die deutschen Verbände zwar die amerikanischen Einheiten zuerst unter Feuer, allerdings konnten die amerikanischen Verbände ihre Waffen im zusammengefassten Feuer gegen die deutschen Truppen richten. Die deutschen Verbände mussten sich daraufhin von dem Schloss zurückziehen und wieder in den Wald zurückkehren.
Neben den Verbänden der 167. VGD befanden sich auch mindestens zwei Züge der 5. Kompanie des 2. SS-Panzergrenadierregiments der 1. SS-Panzerdivision im Bereich um das Chateau Losange. Nach dem Interrogation Report, 134th Infantry Regiment, IPW 60, 30.12.44 kamen zwei Züge der 5. Kompanie bis an den Waldrand zum Chateau Losange, mussten sich dann aber gegen Druck der amerikanischen Verbände zurückziehen. Nähere Einzelheiten zu diesem Gefecht sind im After-Action-Report des 51st AIB nicht erwähnt.
Das Eingreifen der Divisionsartillerie wird in den vorhandenen After-Action-Reports nur sporadisch beschrieben, es sind keine genauen Einsatzdetails erwähnt. Lediglich die Tatsache, dass es einen deutschen Gegenangriff gab, der mit Hilfe der Artillerie gestoppt werden konnte, wird erwähnt.
Bei der Beschreibung dieses Gefechtes werden zwar keine deutschen Truppen benannt, aber es kann sich nur um das I./ GR 331 handeln. Dieses Bataillon war das einzige Bataillon, welches es um diese Zeit, aus der Richtung Lutrebois kommend, bis in den Wald geschafft hat und weiter vorrücken konnte.
Bei diesem Bericht des 51st AIB ist ebenfalls nicht erwähnt, dass deutsche Truppen die Straße Arlon-Bastogne abschneiden konnten. In der Lesart ist der Bericht aber mit den Ausführungen von Höcker identisch. Das betreffende Bataillon konnte in die Wälder westlich von Lutrebois vorstoßen und erlitt dort sehr hohe Verluste. Ort und Rahmenumstände stimmen einigermaßen überein. Der einzige Unterschied ist die Tiefe des Einbruches der deutschen Verbände in die amerikanische Stellung.
Es besteht auch die Möglichkeit, dass es in der Meldung nach dem Angriff zu einem Fehler gekommen ist und das beschriebene offene Gelände (welches in diesem Fall eine Lichtung vor dem Chateau Losange war) aus deutscher Sicht so interpretiert worden ist, dass die Straße Arlon – Bastogne bereits überschritten war und der westliche Rand des Waldes erreicht worden ist. Dies wird dadurch unterstützt, dass die angreifenden Verbände hohe Verluste erlitten haben und die Truppen teilweise erst Tage später wieder zu den deutschen Linien zurückkehren konnten.
Ergänzend ist noch festzuhalten, dass auch im After Action Report der 3. US-Armee kein Hinweis darauf enthalten ist, dass Einheiten der 167. VGD (oder andere Einheiten) die Straße Arlon - Bastogne abschneiden konnten.
Bei Rickard wird noch darauf hingewiesen, dass Einheiten der 1.SS-Panzerdivision am 30.12.44 das Chateau Losange erobert hätten und anschließend bis an die Straße Arlon – Bastogne herangerückt waren. Ein weiterer Angriff auf das Chateau Losange wird in dem After-Action-Report des 51st AIB nicht erwähnt. Es gibt, wie bereits erwähnt, lediglich den Hinweis, dass auch Einheiten der 1. SS-Panzerdivision im Raum um das Chateu Losange präsent waren.
Gesichert ist, dass der Kampfraum Lutrebois – Chateau Losange – Villers-la-Bonne-Eau im Rahmen der Kampfhandlungen nicht klar zwischen der 1.SS-Panzerdivision und der 167. VGD aufgeteilt war. Die Einheiten der 1.SS-Panzerdivision sollten den Angriff der 167. VGD aus Lutrebois mit Panzern unterstützen, diese mussten sich aber erst von Lutremange nach Lutrebois in Bewegung setzen. Diese Bewegung führte automatisch zur Vermischung der beiden beteiligten deutschen Divisionen. Ebenso kam es im Wald westlich von Lutrebois zu Vermischungen der beiden Verbände. Es kann durchaus sein, dass das Vordringen des 331. GR und des 2. SS-PzGR zeitnah lag und der Angriff der deutschen Verbände als ein einziger Angriff wahrgenommen worden ist
Kennt vielleicht jemand weitere Quellen zu diesem Thema, die ich noch auswerten kann?
Vielen Dank.
Grüße
strops