Sollten wir den Holocaust nicht mehr weiter diskutieren, sondern einen Strich darunter ziehen?

  • Hallo Arnd,

    Quote

    Der Artikel ist sehr interessant sprengt aber den Rahmen hier !

    Die Quelle dürfte unverdächtig sein

    .....und aktuelle Politik ,und damit of Limit !!

    Ich hoffe das das klar ist !

    Gruss Dieter

  • Hallo Augustdieter

    Das war ein Reflex auf die Antwort von Marc !

    Bitte entschuldige wenn es zu weit geht bitte löschen.

    Werde mich in Zukunft zurück halten

    Gruß Arnd

  • Grüß Gott,

    Arnd50

    Von der katholischen Kirche für den tot Jesu verantwortlich gemacht !

    Es ist der Tod, aber nicht nur die falsche Orthografie stört mich, sondern auch der Fingerzeig nach dem Vatikan. Keine Frage, diese Argumentationshilfe kam aus "bibelfesten" Kreisen, also nicht nur von der Katholische Kirche.

    Gruß Wolfgang

  • Hallo Wolfgang

    Ich bin nicht "bibelfest" sondern ein seit Jahren an Geschichte interessierter Evangelischer!

    Das mit dem Jesusmord ist, daß erst Mal in 2. Jahrhundert von einem Bischof aufgebracht worden !

    Da gab es die Evangelischen nachweislich noch nicht !

    Ich mache zwar über die Katholiken ab und zu Witze, kenne allerdings etliche die ich sehr schätze!

    Das wir Evangelischen uns, beim Antisemitismus, nicht immer mit Ruhm bedeckt haben steht außer Frage.

    Außerdem war es der dritten Punkt einer Aufzählung.

    Die war mit Sicherheit nicht komplett, das Thema ist vielschichtig und ich weiß nicht ob das hier nicht den Rahmen sprengt!

    Das meine Orthographie nicht die Beste ist weiß ich ;(

    Ich bitte einen Moderator es zu ändern da ich nicht mehr dran komme.

    Gruß Arnd


  • Grüß Gott Arndt,

    ich wollte nicht in eine konfessionelle Abwägung abgleiten, viel mehr Deinen Satz hier so nicht stehen lassen. Der Holocaust hat seine Wurzel nicht im Neuen Testament, darüber sind wir gewiß einig.

    Gruß Wolfgang

  • Hallo Marc,

    wir sollten hier (jetzt) nicht von Schuld reden. Die Schuldigen haben die Amerikaner in Landsberg gehenkt, soweit diese seinerzeit gelebt haben.

    Mit der Diskussion über die Schuld, drängen wir die damals Unschuldigen in die bekannte partielle Amnesie.

    Ich will selbstverständlich den unzweifelhaft damaligen Tätern Unterstützung zukommen lassen.

    Gruß Wolfgang

  • Hallo Wolfgang

    Also da erlaube ich mir anderer Meinung zu sein. Einige Hauptschuldige wurden gehängt. Aber es sind viele, die sich schwerster Verbrechen schuldig gemacht haben, mit Gefängnis oder ganz straflos davongekommen. Nur wenige wurden später noch vor den Kadi gezerrt.

    Ich glaube nicht, dass man mit einer Diskussion über Schuld die UNSCHULDIGEN in die partielle Amnesie treibt. Wenn überhaupt jemanden, dann die "kleinen" und "großen" Schuldigen und jene aus ihrem Umfeld, denn die haben dann einen Grund mehr sich "an nichts zu erinnern". Aber das haben sie in vielen Fällen ja wohl schon vor vielen, vielen Jahren absolviert.

    Aber ehrlich gesagt, ich denke nicht, dass man sich geschichtlich-moralische Diskussionen ausschließlich von deren Befindlichkeiten diktieren lassen sollte. Sippenhaftung wäre natürlich Blödsinn, aber die will/praktiziert ja keiner. Die Diskussion um Schuld und Verantwortung generell einzustellen scheint mir auch nicht der richtige Weg.

    Und ich denke weiterhin, die Frage nach Verantwortlichkeit/Schuld ist eine, die aus gutem Grund nicht schon lange abgehakt wurde. Wäre sie es, und hätten nicht verdienstvolle Personen da weiter gebohrt und geforscht, dann wären wir ja wohl nie über den Stand der später 1940er, frühen 1950er hinausgegangen (wobei es da ja in Ost und West unterschiedliche Sichtweisen gab - wiewohl einiges auch wieder frappierend ähnlich war). In meinen Augen wäre das ein Unding und ich bin heilfroh, dass dem nicht so war.

    Wenn die Schuldigen gehängt worden wären - ja dann hätten ja Leute wie Fritz Bauer getrost die Hände in den Schoß legen können - was sie glücklicherweise nicht taten.

    Gerade in Fragen wer was gewusst und welche Personenkreise zumindest partiell an was beteiligt waren in welchem Maße, dazu haben die letzten gut 25 Jahre durchaus wichtige und auch neue Erkenntnisse gebracht. Und ich würde meine Hand nicht ins Feuer legen, dass nicht noch die eine oder andere interessante Teilerkenntnis zu Tage gefördert werden kann.

    Mit freundlichen Grüßen

    Marc

  • Hallo Arnd,

    danke für den Hinweis, ja natürlich, in dem Satz fehlt das negierenden Wort, es hätte heißen sollen "Ich will selbstverständlich den unzweifelhaft damaligen Tätern keine Unterstützung zukommen lassen."

    Ich habe mir angewöhnt, einen Satz zunächst mit der Kernaussage einzutippen und dann zu ergänzen, seit meinem Schlaganfall überblicke ich dann diese Ergänzungen nicht so ganz, so ist es zu diesem gravierenden Fehler gekommen, Entschuldigung!

    Gruß Wolfgang

  • Hallo Wolfgang

    Kein Problem Tippfehler kommen vor!

    Hätte mich auch sehr gewundert wenn es anders wäre!

    In der Rechtschreibung hab ich so meine Schwächen!

    Jeder trägt sein Kreuz ;)

    Alles Gute nachträglich zum Geburtstag

    Gruß Arnd

  • Grüß Gott Marc,

    durch meinen fehlerhaften Satz, wird es wohl dazu gekommen, daß der vorangegangene Satz "Mit der Diskussion über die Schuld, drängen wir die damals Unschuldigen in die bekannte partielle Amnesie." nicht so verstanden wird, wie er gemeint war: Zur klärung der Schuld haben wir rechtsstaatliche Organe, die Diskussion um die Schuld sollten wir den Staatsanwaltschaften und den zuständigen Richtern überlassen. Wenn wir auf jeden, der angeblich nichts gewußt hat, zeigen und ihn für schuldig erklären, dann zwingen wir ihn, in die altgewohnte Verteidigungsstrategie der partiellen Amnesie, wir maßen uns damit nicht nur die Aufgabe der Staatsanwaltschaft, sondern erschweren deren Arbeit.

    Gruß Wolfgang

  • Hallo Arnd,

    vielen Dank für Dein Verständnis. Ich sollte mir aber einen Arbeitsstil, wie früher, als man einen handgeschriebenen Text, nicht so einfach ergänzen konnte, dann passiert so ein gravierender Fehler, der mir sehr peinlich ist, nicht.

    Gruß Wolfgang

  • Hallo Marc,

    auf die sehr wesentliche Erkenntnisse des Fritz Bauers, daß bei Völkermord es nicht erforderlich ist, dem Angeklagten seinen Tatbeitrag nachzuweisen, können wir nicht verzichten, es reicht, daß der Angeklagte die "Maschinerie" mit in Gang gehalten hat, sei es als Bäcker oder Wachmann. Und genau daran sieht man, auf welches dünnes Eis man als Laie sich begibt, wenn man die Diskussion um Schuld aufnimmt. Wenn es um ein KZ geht reicht also der Nachweis, daß der Angeklagte eben in diesem KZ eingesetzt war, egal als was.

    Du hast völlig Recht, die Amerikaner haben nicht alle Verantwortliche für den Holocaust gehenkt, ich hatte bei diesem Beitrag, nur die Massenerschießungen hinter der Ostfront im Blick.

    Gruß Wolfgang

  • Hallo Marc,

    Dachte man NIE darüber nach, was all der lautstark und durchaus mit dem Terminus der Vernichtung artikulierte Hass auf "die Juden" wirklich bedeutete und wozu er führte? Dass wahnsinnige Gegeifer gegen "Alljuda" war ja nicht auf den Stürmer-Kasten beschränkt - das wurde auch noch im Einsatzgebiet von Wehrmachtsseite angestimmt.

    das ist nahezu das passende Beispiel, wo Geschichtsschreibung endet und der Sauerteig der "besseren Deutschen" beginnt.

    Man habe sich gefälligst das Unvorstellbare vorzustellen gehabt und es sich nur bequem gemacht? Selbst wenn es aufmerksamen und gebildeten Bürgern beim Aufkommen erster Gerüchte unvorstellbar erschien, wertvolle menschliche Arbeitskräfte massenhaft und gezielt zu ermorden (siehe Tagebucheintrag Victor Klemperer). Oder ein Jurist Helmuth James Graf von Moltke feststellte, das 9 von 10 Deutschen nicht die geringste Ahnung haben, was man planmäßig im Osten anstellte. Zu Recht kritisieren neutrale Historiker aus dem Ausland die jüngste deutsche Entwicklung, weg von einem "verbreiteten Wissen über viele Dinge" hin zum hartnäckigem "fast alle wussten nahezu alles" und das am liebsten schon seit Herbst 1941.

    Der britische Historiker Richard J. Evans hat diese Entwicklung sehr gut beobachtet und auf den Punkt gebracht:

    Quote

    ...Seit den frühen 1990er Jahren ist die Geschichtsschreibung zum Dritten Reich nicht sachlicher, neutraler

    oder wissenschaftlicher geworden, im Gegenteil. Weit davon entfernt, das Thema sine ira et studio zu behandeln,

    zeigten Historiker eine wachsende Tendenz, die Analyse, das Argument und die Abwägung durch die moralisierende

    Verurteilung zu ersetzen. Die Geschichtsschreibung über Nazideutschland wurde durch die Sprache des Staatsanwalts

    und des Moralpredigers in erheblichem Umfang beeinflusst, fast schon geprägt

    Zitiert aus Timm C. Richter, Krieg und Verbrechen : Situation und Intention S.79

    Nach so vielen Jahren ist es vollkommen denkbar, dass sie sich selber im Laufe der Zeit eingeredet haben, sie hätten nichts gewusst. Solche Modifikationen der Erinnerung sind Phänomene, die nur zu bekannt sind.

    Die menschliche Psyche bietet wohl mannigfaltige Möglichkeiten, mit einem "offenen Geheimnis" umzugehen. Aber auch das Gegenteil ist ein seltsames Phänomen, wie war das mit der berühmten Allensbach-Befragung von Zeitzeugen, wann sie das erste mal von größeren Judenmorden erfuhren? Unter dem permanenten Druck des Zeitgeistes und durch die mediale Übersättigung gaben 5 oder 10% der Befragten an, die Kenntnis war ihnen schon vor 1939 bekannt. Also Jahre vor dem Beginn des eigentlichen Mordens?

    Die Probleme, die mit dem Aussterben der Überlebenden und dem abnehmenden Bewusstsein für den Holocaust bei der jüngeren Generation einhergehen, bekämpft man nicht mit immer gewagteren Interpretationen und moralisierenden Tendenzen.

    Aber der Tatendrang deutschen Historiker geht eigene Wege, siehe Stellungnahme von Richard J. Evans. Letzte Woche ging es selbst Stauffenberg mit neuer Biografie gnadenlos an den Kragen (Thomas Karlauf - "nur ein Nazi, Antisemit und kühner Wirrkopf"). Helmut Schmidt und den Geschwistern Scholl gibt man noch eine gewisse Schonzeit, bis der Zeitgeist auch ihre Köpfe fordert. Oder wie der irische Schriftsteller George Bernard Shaw zu sagen pflegte - Die Deutschen haben eine Besessenheit, jede Sache so weit zu treiben, bis eine böse daraus geworden ist.

    Warum soll das nicht auch in Punkto Aufarbeitung der Geschichte eintreten, Mahnungen aus dem Ausland gibt es bereits und der Todfeind des deutschen Historikers, der lebende Zeitzeuge, ist nahezu vollständig verstorben.

    MfG

    Tac

  • Hallo TAC

    Du willst doch wohl nicht ernsthaft behaupten, dass Saul Friedländer nur den "Sauerteig des besseren Deutschen" bereitet (was immer diese Formulierung besagen soll)? Wobei er natürlich bei weitem nicht der einzige ist, der sich damit beschäftigt und zu sehr ähnlichen Befunden kommt. Gerade Friedländers Werk wird nicht ohne Grund als eines DER Standardwerke zum Thema Holocaust bezeichnet.

    Dass man erste Gerüchte nicht unbedingt wahrhaben wollte, bedeutet nicht, dass man nicht die Wahrheit doch erkennen kann. Es hat ja niemand behauptet, dass die Hörer beim ersten Mal gleich alles erkennen mussten. Es blieb ja wohl auch nicht unbedingt bei diesem einen Male. Der Judenmord begann ja bereits in Polen 1939 - noch nicht als systematische Ermordung wie dann 1941, aber Gruppenerschießungen und Massensterben in Ghettos gingen keineswegs erst nach dem Überfall auf die UdSSR los. Und sogar davor gab es erste warnende Hinweise wie die massenhaften Verhaftungen im November 1938. Das war noch nicht der Holocaust (obwohl auch da schon in beträchtlicher Zahl gemordet wurde), aber es war ein erstes Indiz wohin es gehen konnte - zu dem sich dann leicht weitere gesellten.

    Sicher waren die öffentlichen Reden Hitlers und Konsorten nicht SO offen wie Himmlers Geheimreden. Die man im übrigen auch so interpretieren kann, dass er zumindest ein gewisses Mitwissen/allgemeinen Grundkonsens postuliert, nur eben nicht die "Entschlossenheit", die er seinen Massenmördern attestiert. Sagte er nicht in etwa:„Ich meine jetzt die Judenevakuierung, die Ausrottung des jüdischen Volkes. Es gehört zu den Dingen, die man leicht ausspricht. – ‚Das jüdische Volk wird ausgerottet‘, sagt ein jeder Parteigenosse‚ ‚ganz klar, steht in unserem Programm, Ausschaltung der Juden, Ausrottung, machen wir.‘" - nur mit der Umsetzung hätten die Leute Probleme, da kämen ihnen (anders als seinen Schlächtern) eben Einzelbedenken. Freilich spricht er ja wohl auch vom nicht darüber reden (aber das wurde eben nicht so eingehalten).

    Aber der Terminus "Ende der jüdischen Rasse" oder dergleichen kam denn doch bei weitem zu oft vor, auch in den öffentlichen Reden.

    Außer natürlich du willst unterstellen, dass alle Deutschen ihren "Führer" nur für jemanden hielten, der ins Blaue hineinrede und niemals etwas von dem umsetzen würde, was er so von sich gibt. Scheint mir nicht so plausibel.

    Und ich widerspreche zumindest partiell der Behauptung, der Völkermord sei "das Unvorstellbare" gewesen. SO unvorstellbar war massenhaftes Morden ja nun wieder auch nicht, dass nicht offenkundig darüber geredet wurde. Die Wehrmachtssoldaten die in Gefangenschaft darüber reden verfallen nach dem was ich bei Neitzel gelesen habe beim Thema Massenmord ja gerade eben eher nicht in Schockstarre nach dem Motto das kann ja gar nicht wahr sein, wie konnten unsere Leute das nur tun. Häufiger ist es - wenn sie es angelegentlich thematisiert haben - ein "na und?". Moltkes Behauptung ist ja wohl eher seine Behauptung als eine eherne, auf umfassende Faktenbasis gestützte Wahrheit (mal abgesehen von der Frage, wie viele Deutschen hinterher denn zugegeben haben, dass sie was wussten). Und selbst wenn sie stimmen würde - was ich bezweifle - würde das eine Mitwisserschaft von Millionen bedeuten.

    Ein Geheimnis aus etwas zu machen, an dem nicht tausende, nicht ein paar zehntausende sondern deutlich mehr Personen direkt oder als wissende Helfer beteiligt waren (Personal in den Konzentrations- und Vernichtungslagern, Wachmannschaften im Umfeld der Ghettos bzw. bei den "Auflösungen", Beteiligte und Hilfspersonal bei den Grubenerschießungen in Polen und der UdSSR sowie den Deportationen in anderen Teilen des deutschen Machtbereichs, Personal in den Werken in denen massenhaft jüdische KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter eingesetzt wurden, im Reich wie in den besetzten Gebieten), war eben nicht so einfach. Zumal es ja auch noch andere Kommunikationskanäle gab. Die Reichsbahnleute, die Züge zusammenstellten, die "Ghetto-Touristen", jene die entsprechende Meldungen in ausländischen Nachrichtensendern hörten und so weiter, und so weiter. Und natürlich all jene, die von einem der oben Genannten Näheres hörten. Selbst in einer Diktatur wurde geredet.

    Ein gutes Beispiel ist, wie relativ schnell sich das Morden im Rahmen der T4-Aktion herumsprach. Dabei war an der Aktion deutlich weniger Personal beteiligt, und die Zahl der als Opfer betroffenen Deutschen war natürlich einiges kleiner - und Hitler sprach wohl weitaus weniger häufig in seinen Reden über den angeblichen "Gnadentod", als über das "Ende der jüdischen Rasse" (das ist jetzt freilich eher geraten). Dies scheint mir doch eher dafür zu sprechen, dass selbst eine von vorneherein klandestin aufgezogene Massenmordaktion so perfekt geheim nicht bleiben kann und recht schnell ein relativ weit verbreitetes Wissen - wenn auch natürlich nicht über alle Details - hergestellt war. Für den Holocaust galt dies natürlich noch viel mehr.

    Die Behauptung, die deutsche Geschichtswissenschaft würde vehement zunehmend behaupten, alle wüssten alles und zwar schon ab Ende 1941, ist in meinen Augen einfach falsch.

    Nun will ich nicht sagen, dass es nicht Einzelstimmen gibt, die so weit gehen (ich würde dem zu diesem frühen Zeitpunkt widersprechen, ohne freilich in solch hochgestochene volkspsychologischen Sphären aufzusteigen, wie du es anscheinend immer wieder mal tust). Aber daraus einen dominierenden Trend zu machen ist wirklichkeitsfern. Eine merkwürdige Diskussionskultur scheint mir das, dem Gegenüber (ob anwesend oder nicht) Dinge zu unterstellen, damit er sich gegen etwas rechtfertige, was so nicht behauptet wurde.

    Du hast eine interessante Haltung, hier immer eine "ausgewogene" Sichtweise zu propagieren, zugleich aber kein Problem damit, die deutsche Geschichtsschreibung nahezu schon in Bausch und Bogen zu verdammen, so lange sie deiner Sicht der Dinge zu widersprechen scheint. Das Postulat "neutrale ausländische Historiker" ist in meinen Augen eher ein Scheinargument indem du dabei nur das herauspickst was deine Sicht der Dinge stützt. Wer in Inland und Ausland anderer Ansicht ist (egal mit welch guten Argumenten) - ist der dann "nicht neutral"? In deinen Augen anscheinend schon.

    Die Argumente der Gegenseite als befangen zu erklären scheint mir einer Diskussion aber schwerlich zuträglich - und schwächt auch eher die eigene Position, denn dass es sie stärkt.

    Und du ignorierst ja wohl auch standhaft jene gar nicht so wenigen Zeitzeugen (von denen einige auch hier zitiert wurden, tw. aus dem familiären Umfeld) die sehr wohl etwas gewusst hatten - ohne dass sie an besonders privilegierter Stelle saßen um Zugang zu bekommen.

    Das Argument, die Geschichtsschreibung sei nach 1990 moralisierender geworden, kann ich in dieser Art und Weise nur als Fehlwahrnehmung betrachten, und ich nehme an, das erkennst du auch. Es würde ja postulieren, früher sei man "neutraler" gewesen. Dies zu behaupten gerade für eine Geschichtsschreibung, die ja auch angelegentlich - mitunter gar ganz massiv - durch den Systemkonflikt des Kalten Krieges mit beeinflusst bzw. durch ihn wegen mangelnder Zugänge zu den Quellen gehandicapt war, scheint mir schon sehr gewagt, vorsichtig ausgedrückt.

    Die genannten "Mahnungen" sind wohl eher Meinungen, die nicht selten überspitzt sind, wenn nicht gar ganz und gar falsch.

    Dass der Zeitzeuge der Todfeind des deutschen Historikers sei ist natürlich schon eine absurde Behauptung, die man sich selbst als ironische Zuspitzung ja wohl eher verkneifen sollte.

    Gewiss muss man beim Umgang mit Zeitzeugenaussagen immer mit Vorsicht agieren (aber das muss man bei Dokumenten aus der Zeit selbstverständlich auch). Der Zeitzeuge darf für eine seriöse Geschichtsschreibung nicht als der ultimative Born der Weisheit betrachtet werden, der die reine, ungefilterte und unmittelbare Wahrheit verkündet. Seine Erinnerung ist Überformungen ausgesetzt, er entscheidet nicht selten bewusst was er weitergibt oder hat sich unbewusst eine Erzählung zurechtgelegt.

    Aber das heißt nicht, dass seine Aussagen in Bausch und Bogen verworfen werden (eher im Gegenteil), gar dass eine systematische Feindschaft gegenüber Zeitzeugen bei den Historikern vorherrsche. Eher scheint mir, dass in den letzten gut zwei Jahrzehnten der Oral Historie ein erhebliches Gewicht beigemessen wurde, mit bemerkenswerten Ergebnissen. Und auch ich habe da sehr gute Erfahrungen gemacht.

    Ich finde es deshalb wirklich schwer verständlich, wie man zu solchen Sichtweisen wie der deinen kommen kann. Das muss schon eine merkwürdige Subkultur sein auf die du dich beziehst (wenn sie denn existiert), der ich sonderbarerweise bei allen Kollegen mit denen ich zu tun hatte, niemals begegnet bin (und ich müsste schon sehr nachdenken, um sie in einem Buch zu finden, von denen hunderten, die man so eben liest). Da muss ich ja wohl blind und taub durchs Leben gegangen sein bisher, dass ich diesen angeblich zentralen Trend der deutschen Geschichtsschreibung, die vehemente Ablehnung des Zeitzeugen, so wenig erlebt habe. Tja, Sachen gibt es...

    Hallo Wolfgang

    Ich denke, hier sollte man zwischen der Diskussion der Schuld und einem juristischen Schuldspruch unterscheiden. Es gibt auch auch so etwas wie moralische Mitverantwortung, jenseits des formal juristischen. Man kann nicht der Justiz die GANZE Schuld/Verantwortungsdebatte überlassen - denn ihre Aufgabe ist eine andere als die der Soziologen/Historiker. Juristen sollen Tatbestände feststellen - nicht erklären, wie es generell zum Massenmord kam, wie weit er einem antisemitischen Grundkonsens entgegenkam etc. Juristen haben ja auch gar nicht das Werkzeug, um - sagen wir mal - so etwas wie eine Gesamtuntersuchung zum System der Konzentrationslager (wie Wachmanns "KL") oder des Holocaust (wie Friedländers "Jahre der Vernichtung") zu verfassen. Ich denke nicht, dass das Nicht-Juristsein dabei ein unüberwindbares Hindernis ist.

    Ich stimme zu, dass man mit klaren Verdickten dem oder jenem hätte diese oder jene Strafe gebührt als Nichtjurist vorsichtig sein muss - aber dergleichen wird in der Zunft auch eher selten praktiziert. Doch hätte man allein der Justiz die Diskussion überlassen, wo wären wir dann jetzt? Hat die Justiz nicht auch aus der Geschichtsschreibung Anregungen und Hinweise erhalten?

    Ich bin kein überzeugter Freund des Arguments, man müsse darüber reden, um eine Wiederholung zu verhindern, weil ich nicht recht glaube, dass sich Geschichte wirklich wiederholt. Allerdings ist es schon lehrreich, sich ausführlich mit den Spielräumen, über die der einzelne auch in einer Diktatur verfügt, mit alternativen Handlungsweisen etc. zu befassen. Sie lassen eine Annäherung an die Frage zu, wie es möglich war und sind zwar nicht als Abziehfolie, aber doch als Vergleichsraster auch für andere Vorgänge/Strukturen/Tendenzen anwendbar. Natürlich darf das nicht ins simple Gleichsetzen abgleiten.

    Mit freundlichen Grüßen

    Marc

  • Hallo Marc,

    Du willst doch wohl nicht ernsthaft behaupten, dass Saul Friedländer nur den "Sauerteig des besseren Deutschen" bereitet (was immer diese Formulierung besagen soll)? Wobei er natürlich bei weitem nicht der einzige ist, der sich damit beschäftigt und zu sehr ähnlichen Befunden kommt. Gerade Friedländers Werk wird nicht ohne Grund als eines DER Standardwerke zum Thema Holocaust bezeichnet.

    um Gottes Willen, nichts sei gegen Saul Friedländer gesagt, der erst vor wenigen Wochen im Bundestag gesprochen hat. Natürlich gebührt ihm allergrößte Ehre für sein Standardwerk, dass mit seinen vielen Einzelschicksalen neue Maßstäbe in der Geschichtsschreibung gesetzt hat . Da sieht man doch gerne über eine fehlende Repräsentanz der Fundstücke hinweg und schweigt. Mein Groll gilt eher den verbissenen Alt'68er Soziologen, die auf Teufel komm raus in jeden noch so kleinen Stimmungsbericht oder Abhörprotokoll den Stein der Weisen gefunden haben, um doch noch ihren Beweis der 99%igen Mitwisserschaft unters Volk zu bringen. Meist noch arrogant mit polemischen Titeln versehen (u.a. "Opa war kein Nazi", "Niemand war dabei und keiner hat's gewusst"). Mit Grauen wende ich mich von diesen Pamphleten ab und flüchte zu den ausländischen Historikern (u.a. Kershaw, Longerich, Stargardt), wenn es um die letzten großen Geheimnisse der NS-Herrschaft geht. Denen fehlt diese deutsche Obsession völlig und dank zusätzlichen Semestern Philosophie besitzen sie meist auch die intellektuelle Demut eines Sokrates ("Ich weiß, dass ich nichts weiß.).


    Und du ignorierst ja wohl auch standhaft jene gar nicht so wenigen Zeitzeugen (von denen einige auch hier zitiert wurden, tw. aus dem familiären Umfeld) die sehr wohl etwas gewusst hatten - ohne dass sie an besonders privilegierter Stelle saßen um Zugang zu bekommen.

    Ich habe nie behauptet, dass der Aussage- und Umfragenstand von Reichsbürgern aus dem Mai 1945 noch heute Gültigkeit besitzt. Aber wie Helmut Schmidt bin ich sehr skeptisch, wenn gerade der moderne Historiker oder Soziologe sich als "besserer Deutscher" inszenieren will und in Richtung "Alle wussten alles" tendiert. Dazu noch gezwungen ist, im Sinne seiner Institution ("Wes Brot ich ess, des Lied ich sing") erzieherisch und wohlwollend moralisierend zu "forschen". Und energisch protestiert, wenn ein Historiker unverschämt auf die vielen tausend Aussagen von Juden hinweist, die bis zum Umkleideraum vor der Gaskammer von all dem nichts wussten, wo sie doch eigentlich besorgter als Deutsche hätten sein müssen? (Deutsche Schuld 1933 – 1945? Die ignorierten Antworten der Zeitzeugen, Konrad Löw)

    Dank vollem Portemonnaie fällt dieser Tatbestand bei o.g. ausländischen Historikern zumeist weg, da wären wir wieder bei der neutralen Sichtweise ohne erzieherischen "Ehrgeiz".

    Ich möchte hier kein Wettposten auf hohem AfD-Niveau veranstalten, wer mit welchem aufgefunden Feldpostbrief, Zeugenaussage oder Einzelfall am Besten pauschalisieren kann oder darf. Sokrates wußte schon damals, daß allzu viele eifernde Forscher nicht wissen, daß sie nichts wissen.


    Aber zum Thema zurück - "Strich darunter ziehen". Das hat man Gott sei Dank mit der Lebensgeschichte von Maria "Mitzi" Gabrielsen nicht getan,

    diese wurde jetzt ins Deutsche übersetzt unter dem Titel "Angezeigt von Mama".

    Ein nahezu unglaublicher Zufallsfund in der letzten Woche, niemals hätte diese Mutter doch fünf Jahre Kerkerhaft in Deutschland bekommen?

    Hat Österreich besser verurteilt?

    https://www.giessener-anzeiger.de/lokales/stadt-giessen/nachrichten-giessen/arbeitsstelle-holocaustliteratur-der-jlu-giessen-stellt-grausames-schicksal-vor_19204714#


    MfG

    Tac