Vom polnischen Soldaten zum Stabsgefreiten in der Wehrmacht

  • Hallo Zusammen,

    ich hatte bereits im Juni 2018 ein Thema zu der russischen Kriegsgefangenschaft meines Großvaters eröffnet. Dort haben Thomas ( korpowo ) und Viktor ( Viktor7 ) mir bei der Übersetzung der russischen Gefangenenkartei geholfen und es konnte der Ort der Gefangenschaft ermittelt werden. Die Auskunft der Deutschen Dienststelle hatte ebenfalls ergeben, dass mein Großvater Stabsgefreiter in der 4. Kompanie des Luftnachrichtenregiment 38 war. Leider ist die Aktenlage zu diesem Regiment sehr dünn. Man weiß lediglich, dass jenes Regiment dem VIII Fliegerkorps unterstellt war.

    Was es allerdings an Neuigkeiten gibt, ist die Tatsache, dass mein Großvater vor seiner Zeit bei der Wehrmacht auch beim polnischen Militär war! Er wurde 1915 im polnischen Landkreis Turek geboren und galt dort als so genannter „Volksdeutscher“. Nun habe ich auch ein Foto von meinem Großvater als polnischer Soldat finden können.

    Leider kenne ich mich jedoch mit den Dienstgraden und Uniformen der polnischen Streitkräfte kaum aus. Vielleicht kann mir hier jemand in diesem Forum helfen, eine Zuordnung zu der abgebildeten Uniform und dem Dienstgrad zu treffen?

    Aus dem Buch „Polen in der Wehrmacht“ von Ryszard Kaczmarek weiß ich, dass es durchaus üblich war, auch die „Volksdeutschen“ in die polnische Armee einzuberufen. Viele sind dann bei den Kämpfen im September 1939 in deutsche Gefangenschaft geraten und später in die Wehrmacht übernommen worden.

    Nach einigen Nachfragen innerhalb meiner Familie habe ich erfahren, dass mein Großvater nach seiner Gefangennahme durch die Wehrmacht unter anderem in das deutsche Kriegsgefangenlager in Neubrandenburg Stalag II A verbracht worden ist. Aus der deutschen Gefangenschaft muss er dann nach Hause entlassen worden sein, um dort zunächst in der örtlichen SA ( Volksdeutscher Selbstschutz? ) organisiert gewesen zu sein ( keine Unterlagen im Bundesarchiv erhalten ). Die Einberufung zur Wehrmacht erfolgte dann zum 01.08.1941.

    Vielleicht hat noch jemand eine Idee, bei welchen Institutionen ich noch näheres zur ersten Kriegsgefangenschaft meines Großvaters in Erfahrung bringen könnte? Müsste die Wehrmacht nicht auch Aufzeichnungen über die polnischen Kriegsgefangenen gehabt haben? Ich habe bereits auch eine Anfrage an das polnische Militärarchiv in Warschau zum Werdegang meines Großvaters beim polnischen Militär gestellt, dessen Antwort abzuwarten bleibt.

    Grüße aus Mecklenburg

    Falko

  • Hallo Alex,

    :thumbup:eine sehr interessante Website. Vielen Dank!

    Ich werde dort zunächst nach Großvaters Namen in den Listen zum Stalag II A suchen. Sollte ich dort nicht fündig werden, starte ich dort eine schriftliche Anfrage.

    Hast Du vieleicht aber auch eine Idee zu der abgebildeten Uniform? Welcher Dienstgrad könnte das sein? Ob die "schützenschnurr artigen Bommeln" oder der Kragen etwas über den Dienstgrad verraten?

    Gruß Falko

  • Grüß Gott Falko,

    beim Abzeichen links über der Brusttasche ,könnte es sich um das Polnische Sportabzeichen handeln,

    beim Abzeichen rechts auf der Brusttasche ,könnte es sich um das ,, Grenzverteidigungskorps-Abzeichen handeln,

    Angaben ohne Gewähr

    Servus Eumex

    Vivat Bavaria

  • Hallo Falko,

    auf dem von dir eingestellten Bild handelt es sich um einen einfachen Soldaten der polnischen Armee.

    Dies lässt sich anhand der Schulterklappen in Kombination mit der Mütze und der Verzierung auf den Kragenpatten feststellen.

    Aufgrund der schwarz weiß Aufnahme kann die Waffengattung allerdings nicht eindeutig festgestellt werden.

    Bei dem Abzeichen über der linken Brusttasche handelt es zudem um das polnische Sportabzeichen.


    Gruss Chris

    (Quelle:Mollo - The Armed Forces of WWII,Rosignoli -Army Badges and Insignia of WW2)

  • Guten Abend Zusammen,

    also die Bestimmung des Dienstgrades an einer polnischen Uniform jener Zeit scheint doch recht kompliziert. Ich habe bisher kein geeignetes Vergleichsbild gefunden.

    Allerdings könnte ich mir vorstellen, dass die beiden Troddel an der Uniform als Ersatz für zwei Balken auf dem Schulterstück stehen. Demnach wäre der Dienstgrad auf dem Foto ein Unteroffizier. Allerdings ist das bisher nur eine Theorie meinerseits. Vielleicht ist jemand im Besitz einer polnischen Uniformtafel für die Zeit 1920-1939.

    Vielen Dank auch an Eumex. Das bestätigt zunächst meine Theorie, dass es sich bei dem Abzeichen auf der rechten Brusttasche nicht um einen Orden, sondern vielmehr um ein Regimentsabzeichen handelt.

    Die Namensliste des polnischen Kriegsgefangenen Archiv / Museum werde ich mir morgen weiter vornehmen.

    Beste Grüße

    Falko

  • Guten Abend Chris,

    Du warst mit Deiner Antwort schneller, als ich mit meiner letzten Zusammenfassung. Nach Deiner Ausführung handelt es sich um einen einfachen Soldaten.

    Aber weißt Du vielleicht auch, wofür die beiden Troddeln stehen? Ich habe bisher nur ein Foto im Internet gesehen, wo ein polnischer Soldat nur einen der Troddeln trägt...:/ Ist es doch eine polnische Schützenschnurr?

    Gruß

    Falko

  • Hallo Falko,

    Aber weißt Du vielleicht auch, wofür die beiden Troddeln stehen? Ich habe bisher nur ein Foto im Internet gesehen, wo ein polnischer Soldat nur einen der Troddeln trägt... :/ Ist es doch eine polnische Schützenschnurr?

    das kann ich dir leider nicht genau sagen.

    Ich würde mich deiner Annahme,dass es sich dabei um eine Schützenschnur handelt aber anschließen.


    Gruss Chris

  • Hallo Zusammen,

    hier mal einen kurzen Zwischenstand zur Recherche.

    Aus dem polnischen Militärarchiv in Warschau habe ich die Auskunft erhalten, dass bei einer vorläufigen Abfrage in den Akten und Datenbanken der Personal- und Identifikationsdateien des Zentralen Militärarchivs des Militärhistorischen Büros der Name meines Großvaters nicht gefunden werden konnte. Man wies mich außerdem darauf hin, dass dort generell auch keine vollständigen Aufzeichnungen der Soldaten der polnischen Armee vorliegen. Lediglich wenn man die genaue Einheit des Gesuchten wüsste, dann könnte man nach einer umfangreichen Legitimation Einsicht in die entsprechenden militärischen Akten erhalten.

    Anschrift des polnischen Militärarchiv:

    Wojskowe Biuro Historyczne

    Pontonierow 2 A

    00-910 Warszawa

    Bezüglich der Uniform meines Großvaters habe ich heute nochmal das polnische Militärmuseum in Breslau angeschrieben. Dieses hatte 2016 eine Sonderausstellung zu polnischen Uniformen. Vielleicht kann man dort etwas zu den besagten "Troddeln" an der Uniform sagen.

    Des Weiteren bin ich dabei, die Listen der polnischen Kriegsgefangen im Stalag II A durchzusehen. Diese sind tatsächlich recht umfangreich und aufschlussreich. Man hat die Kriegsgefangenen dort stets mit vollem Namen, Geburtsdatum, Geburtsort, Wohnanschrift, Name der Eltern, Dienstgrad, Truppenteil und dem Ort der Gefangennahme registriert. Vielleicht finde ich dort auch noch meinen Großvater...

    Bei dem Truppenteil dürfte es sich gemäß dem genaueren Abgleich von Vergleichsbildern tatsächlich um das polnische Grenzschutzkorps handeln! Laut einem ersten Nachschlagen bei Wikipedia wurden diese Einheiten 1939 vornehmlich an der polnischen Ostgrenze zu Russland eingesetzt. Diese Tatsache macht mich jedoch ein wenig ratlos über die Gefangennahme meines Großvaters durch die Deutsche Wehrmacht. Hätte er im Osten nicht eher in russische Kriegsgefangenschaft geraten müssen, da von dort aus ja die russischen Truppen in Polen einmarschiert sind?

    Beste Grüße

    Falko

  • N´Abend!

    Die Auskunft der Deutschen Dienststelle hatte ebenfalls ergeben, dass mein Großvater Stabsgefreiter in der 4. Kompanie des Luftnachrichtenregiment 38 war. Leider ist die Aktenlage zu diesem Regiment sehr dünn.

    Dir ist die folgende Seite zu der Einheit bekannt?

    Luftnachrichten-Regiment 38

    Grüße

    Sven

    Suche alles über die 91. Luftlandedivision und 77.Infanterie-Division

  • Guten Abend Zusammen,


    ich habe inzwischen eine Rückmeldung bezüglich der polnischen Uniform vom Kierownik Muzeum Militariów Arsenal in Breslau erhalten:

    Mein Großvater war demnach definitiv beim Grenzschutzkorps der Polnischen Armee. Auf dem Foto handelt sich um einen einfachen Soldaten mit Sportabzeichen ( links über Brusttasche ) , Schießabzeichen ( links unter Brusttasche ) sowie der polnischen Schützenschnurr für einen "sehr guten Schützen".

    Erläuterungen zur polnischen Schützenschnurr ( Aussehen, Stufen... ) sind unter https://pl.wikipedia.org/wiki/Sznur_strzelecki zu finden.

    Damit sind die Vermutungen von Eumex und Chris absolut bestätigt und die polnische Uniform bestens erläutert. Eine schriftliche Anfrage beim polnischen Kriegsgefangenen Archiv / Museum habe ich inzwischen ebenfalls gestellt. Vielen Dank nochmals an Alex für den guten Tipp.

    Die Seite im Lexikon der Wehrmacht zum Luftnachrichtenregiment 38 kannte ich bereits, aber trotzdem besten Dank für Hinweis auch an Sven.

    Beste Grüße

    Falko

  • Hallo Zusammen,

    ich möchte mal einen aktuellen Stand der Dinge mitteilen.

    Das polnische Kriegsgefangenenarchiv hatte leider keine Unterlagen zu meinem Großvater gefunden, mir jedoch den Hinweis gegeben, mich an das polnische Institut für Nationales Gedenken Instytut Pamieci Narodowej IPN in Warschau zu wenden.

    Von diesem Institut habe nach etwa 2 Monaten Wartezeit nun tatsächlich eine Anwort erhalten, dass sich in deren Aktenbeständen "Der Reichsstatthalter im Reichsgau Wartheland Posen" eine Liste aus dem Jahr 1940 über die Freilassung polnischer Soldaten aus Kriegsgefangenenlagern befindet, in welcher auch mein Großvater vermerkt worden ist. Unter einer anderen Signaturnummer wurde auch die Karteikarte meines Großvaters über seine Eintragung in die so genannte Deutsche Volksliste DVL gefunden.

    Damit ist schon mal bewiesen, dass mein Großvater tatsächlich zunächst als polnischer Soldat in deutsche Kriegsgefangenschaft geriet!

    Allerdings hat man mir leider keine Kopien der Unterlagen geschickt. Statt dessen erhielt ich gemäß dem aktuellen polnischen Archivgesetz einen Antrag / Fragebogen um Zugang zu den genannten Dokumenten zu bekommen. Aus diesem Fragebogen geht aber sinngemäß hervor, dass man nach einer komplizierten Legitimation und Beglaubigung der gemachten Angaben in einer Stelle des Instituts persönlich Akteneinsicht nehmen könne.

    Auch wenn es vielleicht nicht ganz Euer Thema ist ( ich habe daher bereits auch im Forum Ahnenforschung.Net angefragt ), so hat aber vielleicht schon mal jemand in diesem Forum Erfahrungen mit dem besagtem polnischen Institut gemacht? Vielleicht weiß jemand, ob man dort tatsächlich persönlich Erscheinen muss, oder ob es eine andere Möglichkeit gibt, dass man mir die Kopien der Unterlagen gegen ein Entgeld per Post schicken könnte? Für Hinweise und Ideen wäre ich sehr dankbar.

    Ich erhoffe mir, in den Unterlagen den Tag und den Ort der Gefangennahme erfahren zu können. Dann könnte man vielleicht sogar ermitteln, welche Einheit der Wehrmacht meinen Großvater in Gefangenschaft nahm.

    Vielen Dank und Beste Grüße aus Mecklenburg

    Falko

  • Guten Abend Zusammen,

    an dieser Stelle möchte eine kurze Zusammenfassung meiner Rechercheergebnisse um die polnische Militärzeit meines Großvaters geben, bevor dieser wie zuvor bereits beschrieben am 01.08.1941 in die Wehrmacht eingezogen worden ist. Ich möchte damit Mut machen, auch die polnischen Archive in eine Recherche mit einzubeziehen, insbesondere wenn die gesuchte Person aus den ehemaligen deutschen Gebieten im heutigen Polen stammt.

    Tatsächlich hat mir insbesondere die Anfrage beim polnischen Institut für Nationales Gedenken (IPN) in Warschau am meisten weitergeholfen. Nach einem längeren Antragsverfahren wurde mir die Einsicht in die erhaltenen Unterlagen meines Großvaters gewährt. Zum Nachweis der Abstammung musste ich allerdings eine beglaubigte Kopie der Geburtsurkunde meines Großvaters beibringen, dessen Original zum Glück im Zweigarchiv Konin des polnischen Staatsarchiv Posen gefunden werden konnte. Außerdem war es erforderlich, die Kopien der Unterlagen persönlich in einer Zweigstelle des IPN entgegen zunehmen, da die gefundenen Unterlagen nicht per Post oder E-Mail versendet werden. Ich habe die kopierten und beglaubigten Unterlagen dann schließlich in Stettin ausgehändigt bekommen. Dieser Service war kostenlos.

    Bei einem netten persönlichen Gespräch wurde mir dann schließlich der Hinweis gegeben, dass sich in dem Archivum Strazy Granicznej (Archiv des polnischen Grenzschutz-Korps in Stettin) ebenfalls noch Unterlagen über die Militärzeit meines Großvaters befinden könnten, da dieser gemäß dem erhaltenen Foto beim polnischen Grenzschutzkorps KOP (Korpus Ochrony Pogranicza) gewesen ist. Dort sollte ich dann tatsächlich Glück haben. Nach nur 2 Wochen Wartezeit fand man dort mehrere Belege über die polnische Militärzeit meines Großvaters, welche vom Umfang her weitaus detailierter waren, als manch eine Auskunft der WASt bzw. des Bundesarchiv. Für die Kopien von 6 Din-A4 Seiten habe ich lediglich 15 Zloty überweisen müssen.

    Zusammenfassend konnte anhand der polnischen Unterlagen nun folgendes um die polnische Militärzeit meines Großvaters belegt werden:

    - Einberufung zum Wehrdienst 1937 vom "Poviat Supplementary Command" (PKU) in Konin (Registrierkarte 7 / Koło)

    - Grundausbildung: September 1937 bis März 1938 beim 68. Infanterieregiment in Września (Provinz Posen, zuständig für die Rekrutenausbildung des KOP "Ostrog")

    - 3. März 1938 als Ergänzung zum Bataillon der KOP "Ostrog" versetzt, Zuteilung in eine Reservekompanie in Ostrog (Kreis Zdołbunowski)

    - April 1938 Auszahlung von 10 Zloty Sold

    - September 1938 Versetzung zur 1. Grenzkompanie "Kurhany", Sicherung eines 15 km langen Abschnitt an der polnisch-sowjetischen Grenze

    - Heimaturlaub 15.-28. Dezember 1938

    - Sportabzeichen und Schützenschnur erhalten

    - März 1939 Entlassung aus dem aktiven Militärdienst des KOP und Überführung in die Reserve des 68. Infanterieregiments in Września

    - im Zuge der Mobilmachung 1939 erneute Einberufung als Soldat beim 68. Infanterieregiment, 2. Bataillon, 5. Kompanie in Jarochin, Marschroute des 68. Pulk Piechoty vom 2. bis zum 9. September 1939: Jarochin, Konin, Kolo, Łęczyca  

    - Gefangennahme: September 1939 unter der Häftlingsnummer 23657 im Stalag II-A (Neubrandenburg) registriert  

    - 3. August 1940 Befürwortung des Entlassungsgesuchs nach Eintragung in die DVL (Deutsche Volksliste)  

    - Am 30.09.1955 erscheint der Name meines Großvaters auf einer Liste des Kreisamt für Innere Angelegenheiten und für die öffentliche Sicherheit von Turek, auf denen sämtliche Namen der ehemaligen Volksdeutschen des Landkreises Turek (welche sich in die DVL eingetragen haben) und dessen Verbleib nach dem Kriege erfasst worden sind. Bei meinem Großvater wurde zum Verbleib vermerkt, dass sich der Aufenthaltsort außerhalb dem polnischen Staatsgebiet befindet.  

    Beste Grüße

    Falko

  • Moin Falko,


    nicht schlecht, da sieht man mal, dass sich so ein Aufwand auch lohnen kann. Ich habe auch noch zwei ausstehende Benutzungsanträge für Archive im Ausland.
    Zu dem sehr interessanter Lebenslauf. Zum weiteren Verlauf in der Wehrmacht ist dein Stand noch der alte?

    Gruß
    Emerick

  • Guten Abend Emerick,

    ob man es glaubt oder nicht, aber in meinem Falle konnte ich bisher mehr von den ausländischen Archiven erfahren, als von den deutschen Behörden und Archiven. Am ergibigsten waren tatsächlich die russische Kriegsgefangenenkarteikarte vom DRK sowie die Unterlagen in den polnischen Archiven. Über die eigentlich längste Dienstzeit bei der Wehrmacht waren kaum mehr Angaben zu finden. Entweder sind die meisten Unterlagen der Luftnachrichtentruppe bei Kriegsende tatsächlich vernichtet worden oder aber man hat aus geheimgehaltungsgründen im vornherein nur sehr spärliche Angaben an die WASt weitergemeldet.

    Beste Grüße

    Falko