Lynchjustiz an alliierten Flugzeugbesatzungen

  • Hallo zusammen,

    ich würde an Tacs Stelle den Tenor des Zeitungsartikels nicht überbewerten. Es handelt sich doch um einen Text

    aus einer Regionalzeitung für Forchheim und Umgebung (Nordbayerische Nachrichten). Außerdem ist der Inhalt

    (ohne die reichlich überspitzte Einleitung) sehr interessant und aufschlußreich.

    An den im Artikel geschilderten Fällen läßt sich auch gut illustrieren, was der britische Historiker Martin Middlebrook

    über die unterschiedlichen Arten der Konfrontation zwischen Deutschen und gelandeten alliierten Fliegern geschrieben hat.

    Entscheidend für die Frage nach den Tätern sind ja zunächst die letzten beiden Sätze des Artikels:

    Quote

    An den Lynchmorden beteiligt waren nur selten aufgebrachte Zivilisten, meist stammten die Täter aus den Reihen der Gestapo, des Sicherheitsdienstes, der SS, SA, Polizei oder Wehrmacht. Bei Zivilisten waren es fast immer fanatische Nazi-Funktionäre.

    http://www.nordbayern.de/region/herzoge…icksal-1.177032

    Diese Tatsache ("fast immer fanatische Nazi-Funktionäre") hatten wir ja auch schon mehrmals festgestellt. Bei der Tatbeteiligung von deutschen Zivilisten muß man also gerechterweise von einer kleinen Minderheit ausgehen.

    Die Formulierung von den "entfesselten Volksgenossen" ist wohl dem davor geschilderten Fall der "aufgebrachten Menschenmenge" in Nürnberg geschuldet. Aber wieviele Menschen waren nur Schaulustige und wieviele wollten den englischen Funker tatsächlich aufhängen? Waren die Lynchwilligen nur ausgebombte Bürger ("aufgebrachte Zivilisten") oder auch NSDAP-Funktionäre in Zivil, von denen bei Mordtaten an Gefangenen schon öfter die Rede war?

    Oder hatten sich aus beiden Personengruppen Fanatiker zum Lynchen eingefunden? Das bleibt völlig offen.

    Hier haben schließlich die deutschen Wachsoldaten schlimmeres verhindert.

    Auf jeden Fall wurde das "Paradieren" von kriegsgefangenen Fliegern durch vom Bombenkrieg getroffene Städte

    manchmal absichtlich von den Wachen unternommen, wie Middlebrook schreibt. Dort kam es dann ja meist

    zu den schlimmsten Angriffen und Fliegermorden. Im von Thilo genannten Fall "Rüsselsheim" war es eine

    aufgebrachte Menschenmenge wie in Nürnberg, beides nach schweren Bombenangriffen.

    Die Gewalttaten gingen zum einen von manchen Hinterbliebenen der Bombenopfer aus,

    während örtliche "Nazi Party officials" für weitere Mißhandlungen verantwortlich zu machen sind:

    Quote

    "There were few cases of ill-treatment and deliberate humiliation of prisoners, the first probably at the hands of civilians who had lost relations in the bombing of cities, the humiliation usually the result of action by minor local Nazi Party officials.

    Prisoners captured in Germany were sometimes paraded under the gaze of local people."

    (Martin Middlebrook, The Schweinfurt-Regensburg Mission. American Raids On 17 August 1943, London 1983, S. 301-302.)

    Nürnberg als von den Nazis ausgerufene "Stadt der Reichsparteitage" und Wirtschaftszentrum wurde besonders oft bombardiert:
    https://museen.nuernberg.de/dokuzentrum/th…ichsparteitage/

    Middlebrook hat dann noch vier besonders negative Berichte zitiert, wo unangenehme Begegnungen ("encounters")

    mit deutschen Zivilisten und Soldaten am 17. August 1943 geschildert werden.

    Im ersten Fall raucht Staff Sergeant Elmer C. Smith nach der Landung auf einem Getreidefeld seelenruhig eine Zigarette mit einem älteren Bauern. Dieser hatte ihn zuerst erreicht aber konnte kein Englisch, Smith kein Deutsch.

    Der erste benachrichtigte Offizielle aus der nächsten Stadt zog sofort ein Messer aus der Tasche und drohte Smith

    auf English, daß er ihm die Kehle durchschneiden sollte ("he ought to cut my throat"). Nach Smith' Einschätzung war das aber nur Angeberei ("he was just showing off") eines höheren NS-Funktionsträgers in Zivil:

    Quote

    Staff Sergeant Elmer C. Smith, 351st Bomb Group:

    "I fell right into a field where they were harvesting wheat. There was no chance of escape and I thought I might as well take it easy; the jig was up.

    I just sat on the edge of a small track, took out a cigarette and offered it to the old chap who reached me first. He sat on one side of the track and I sat on the other, both of us smoking but not saying anything. We neither of us knew the other's language; we had tried but it had not worked.

    The first man to turn up from away took out his knife and told me in English that he ought to cut my throat, but he was just showing off. I think he was some high-up from the next town."

    (Martin Middlebrook, The Schweinfurt-Regensburg Mission. American Raids On 17 August 1943, London 1983, S. 299-301.)

    Im zweiten geschilderten Fall geht es um deutsche Frauen bewaffnet mit langen Küchenmessern, die 2nd Lt. Ronald Delany

    nach seiner Fallschirmlandung bedrohten. Bei seiner Durchsuchung stießen sie auf einen Brief seiner Mutter, den eine der Frauen übersetzen konnte. Als sie dann erfuhren, daß Delaneys Ehefrau hochschwanger war, änderte sich ihre Haltung sofort und sie reagierten verständnisvoller auf seine Situation als Kriegsgefangener (eventuell lag auch ein Foto seiner Frau im Brief):

    Quote

    "In Germany, Second Lieutenant Ronald Delany was being threatened by women armed with long kitchen knives until someone translated a letter which had been brought out to his aircraft just before take-off.

    The letter was from Delaney's mother and described how well his wife was looking in her pregnancy.

    The German women immediately became more sympathetic."

    (Martin Middlebrook, The Schweinfurt-Regensburg Mission. American Raids On 17 August 1943, London 1983, S. 301-302.)

    Die letzten beiden Fälle, die Middlebrook in sein Buch aufgenommen hat, lassen sich unter der Überschrift

    "Gewaltausbrüche nach dem Absprung" für diesen speziellen Tag (17. August 1943) zusammenfassen.

    Der erste Fall wurde von einem anderen US-Kameraden beobachtet. Ein B-17 Pilot hatte nach dem Absprung

    offenbar seine Dienstwaffe gezogen und versucht, sich der Gefangennahme durch eine wilde Flucht zu entziehen.

    Für den Entschluß, sich niemals gefangen zu geben, war er anscheinend im Geschwader schon bekannt.

    Der Kamerad sah, wie die verfolgenden deutschen Soldaten auf den Piloten schossen. Dabei soll dieser getötet worden sein:

    Quote

    "It should be stressed that ill-treatment of Americans shot down on this day was not frequent and usually ceased when the prisoners came under any sort of military control.

    There is one case of a B-17 pilot who was almost certainly shot and killed on the ground, but only after being observed by a fellow crew member running hard to escape from German soldiers. This American was definitely armed with a pistol and was known to be the type of man who would probably have preferred to shoot it out rather than surrender."

    (Martin Middlebrook, The Schweinfurt-Regensburg Mission. American Raids On 17 August 1943, London 1983, S. 302.)

    Im zweiten und letzten Fall handelt es sich eindeutig um einen Mordversuch durch einen deutschen Wachsoldaten.

    Er schoß dem amerikanischen Gefangenen "casually" in den Bauch und ließ ihn als vermeintlich Sterbenden einfach liegen.

    Der US-Soldat überlebte aber (er muß von deutschen Ärzten zeitnah operiert worden sein) und meldete vier weitere

    Crew-Mitglieder als vermißt. Deren Schicksal blieb trotz umfangreicher Nachforschungen, ob sie möglicherweise ermordet wurden, ungeklärt:

    "In another case an American was casually shot in the stomach by a German soldier and left for dead, but he managed to survive. The bodies of four other men in this crew were not recovered after the war and much investigation took place into the possibility that these men had also been shot on the ground, but there was not enough evidence for this to be proved."

    (Martin Middlebrook, The Schweinfurt-Regensburg Mission. American Raids On 17 August 1943, London 1983, S. 302.)


    Dieser Fall mit einem gesicherten Mordversuch an einem US-Flieger und vier weiteren ungeklärten Fliegerschicksalen

    zeigt auch, warum viele alliierte Soldaten am Boden lieber unentdeckt bleiben wollten.

    Der britische Offizier Lionel Jeffries hatte ja in dem von Tac kritisierten Artikel betont, daß er nach seiner Landung und Gefangennahme durch deutsche Zivilisten eine viel schlechtere Behandlung erwartet hatte:

    Quote

    Aus einem zeitlichen Abstand von 60 Jahren heraus betrachtet der Offizier Lionel Jeffries die Geschehnisse nach dem Absturz pragmatisch: „Sie haben mich besser behandelt, als man es von einem Feind erwarten kann, den man bombardiert hatte. Ich weiß nicht, wie ich reagieren würde, wenn die Deutschen meinen Heimatort Rockhampton bombardierten.“

    http://www.nordbayern.de/region/herzoge…icksal-1.177032

    Grüße,

    Bodo

    „Was wir im deutschen Widerstand während des Krieges nicht wirklich begreifen wollten, haben wir nachträglich vollends gelernt: Daß der Krieg schließlich nicht gegen Hitler, sondern gegen Deutschland geführt wurde.“ (Eugen Gerstenmaier)

  • Hallo allerseits,

    Als jemandem, der in der juristischen Materie nicht bewandert ist, sei die Frage gestattet, inwiefern die Erschießung eines feindlichen Soldaten, der sich der Gefangennahme entziehen will oder die Erschießung eines Kriegsgefangenen auf der Flucht ein im damaligen juristischen Sinn ein Verbrechen darstellt.

    Mit Dank für etwaige Aufklärung und

    Gruß, Thomas

    "Lirum-larum Löffelstiel, wer nichts sagt, der weiß nicht viel - larum-lirum Gabelstiel, wer nichts weiß, muss schweigen viel!"

  • Hallo Thomas,

    ls jemandem, der in der juristischen Materie nicht bewandert ist, sei die Frage gestattet, inwiefern die Erschießung eines feindlichen Soldaten, der sich der Gefangennahme entziehen will oder die Erschießung eines Kriegsgefangenen auf der Flucht ein im damaligen juristischen Sinn ein Verbrechen darstellt.

    Artikel 47- 52 des Abkommen über die Behandlung der Kriegsgefangenen. (27. Juli 1929) erlaubt zumindest unbegrenzte Fluchtversuche von bereits gefangengenommenen Gegnern. Bei der Entziehung vor der Erstgefangennahme könnte es anders aussehen, musste man davonlaufende Piloten auf eigenem Hoheitsgebiet tolerieren?

    MfG

    Tac

  • Guten Abend in die Runde,

    auch in Mecklenburg kam es zu Morden an dort notgelandeten alliierten Fliegern.

    Einer der Hauptanklagepunkte bei dem Kriegsverbrecherprozess gegen den Gauleiter von Mecklenburg Friedrich Hildebrandt war dessen angebliche Befehlsgabe zu Erschießungen notgelandeter alliierter Flieger. Bei einem der so genannten Fliegerprozesse in Dachau wurde Hildebrandt schließlich zum Tode verurteilt.

    Erhaltene Prozessakten und Zeugenaussagen sollen demnach belegen, dass Hildebrandt bei einer Gauleitertagung in Schwerin mündlich angeordnet habe, alliierte Flieger nicht an die Wehrmacht zu übergeben, sondern „sogleich zu kassieren, dem nächsten Hoheitsträger der NSDAP auszuliefern welcher dann schon weiß was zu tun sei.“

    Und so kam es nur allein am 21.06.1944 zu 15 Morde in Mecklenburg!

    In dem Buch von Ralf Salomon „Friedrich Hildebrandt – NSDAP Gauleiter und Reichsstatthalter in Mecklenburg“, werden im Kapitel 6.7 -Luftkrieg und Lynchjustiz- die Ereignisse ausführlich beschrieben und belegt, welche ich hiermit wie folgt zusammenfassen möchte.

    An jenem Tag stürzten zwei viermotorige Bomber ab. Ein Flugzeug landete in der Müritz und das andere ging bei Schwerin zu Boden. Insgesamt retteten sich 16 US-Piloten mit ihren Fallschirmen. Der Gauleiter erhielt darüber Meldung und wollte die Angelegenheit von seinen NSDAP Funktionären bis zum Abend erledigt wissen. Die örtlichen Funktionäre wurden alarmiert.

    Bei Veelböken wird daraufhin ein amerikanischer Flieger nach seiner Gefangennahme von einem Ortsgruppenleiter „übernommen“ und am Rande eines Rapsfeldes erschossen. 2 weitere Amerikaner befanden sich bereits auf einer Polizeistation in Mühlen Eichsen, als sie vom dortigen NSDAP-Ortsgruppenleiter abgeholt und anschließend erschossen werden. Drei andere notgelandete Piloten wurden noch am selben Tage von einem NSDAP Kreisleiter im Kreis Schönberg getötet, wobei ein Gefangener die Mordaktion schwer verletzt überlebt hat. Weitere 9 Flieger sind in die Müritz gestürzt und werden zunächst von Marinesoldaten gerettet. Allerdings werden kurz darauf 7 von ihnen von einem Polizeitrupp im Wald an der Müritz erschossen. Die beiden übrigen Offiziere werden am Abend in die Sicherheitspolizeischule nach Drögen bei Fürstenberg gebracht und dort erschossen.

    Es sind auch viele weitere Fliegermorde in Mecklenburg belegt. So wurden beispielsweise Ende August 1944 zwei Flieger von Parteifunktionären aus der Polizeistation in Meetzen abgeholt und in der Nähe von Möllin bei Gadebusch erschossen. Solche Beispiele machen sehr deutlich, wie organisiert solche Aktionen waren. In Mecklenburg waren laut einer Prozessaussage von Friedrich Hildebrandt insgesamt „140 feindliche Fallschirmspringer in Zivilkleidern als Agenten und Spione erschossen oder gefangen genommen worden“. Eine persönliche Schuld wies er jedoch stets von sich. Letztlich konnte man Hildebrandt wohl nur die Schuld für die Ermordung von 3 gefangenen Fliegern bei Gadebusch nachweisen.

    Beste Grüße aus Mecklenburg

    Falko

  • Hallo zusammen,

    ich möchte der Diskussion (auszugsweise) einen kleinen Zeitbeleg beisteuern, in welchem eine Ehefrau und Mutter(!) ihrem Mann über den Absturz eines englischen Flugzeuges berichtet und ihre persönliche Einschätzung darüber, wie doch mit den Insassen zu verfahren sei. Der Brief stammt aus Berlin im September 1940.

    Neu war für mich, daß hier von Frauen die Rede ist. Flog die englische Luftwaffe mit weiblichem Personal?

    Grüße

  • Hallo zusammen,

    folgendes habe ich als Ergänzung zum Thema gefunden, beim:

    DEUTSCH-RUSSISCHES PROJEKT ZUR DIGITALISIERUNG DEUTSCHER DOKUMENTE IN ARCHIVEN DER RUSSISCHEN FÖDERATION

    Aktentitel:

    Jahresverfügung 1945 des Oberkommandos der Wehrmacht über Abwehr von Landesverrat, Spionage, Sabotage und Zersetzung in der Wehrmacht.

    III. Verhalten bei Abwehrfällen.

    b) Verhalten bei Spionage und sonstigen Landesverratsvorfällen.

    6. Bekämpfung einzelner Fallschirmspringer.

    Es ist zu unterscheiden zwischen:

    a) Fallschirmspringern und Luftlandetruppen, die zur Durchführung von Kampfhandlungen eingesetzt werden, sowie ausgestiegenen Besatzungen feindlicher Kampfflugzeuge,

    b) einzelnen Fallschirmspringern und kleineren Trupps von Fallschirmspringern , die zur Ausführung von Spionage -, Sabotage-, Terror- oder Zersetzungsaufträgen abgesetzt werden.

    Die Bekämpfung des luftgelandeten Feindes zu a) ist Aufgabe der Wehrmacht.

    Für die Vernehmung von kriegsgefangen Angehörigen feindlicher Luftwaffen (siehe oben a) und für die Sicherstellung von Luftwaffenbeutegerät ist allein die Luftwaffe zuständig, auch wenn es sich um Fallschirmspringer oder Luftlandetruppen handelt, die im unmittelbaren Zuge von Kampfhandlungen in die Hände der Truppe fallen.

    Die Bekämpfung einzelner Fallschirmspringer mit Aufträgen (siehe oben b) ist in allen Gebieten (Reichsgebiet und besetzte Gebiete), in denen Dienststellen des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD als Exekutive eingesetzt sind, deren Aufgabe; hierbei ist es gleichgültig, ob die Abgesprungenen Uniform oder Zivil tragen.

    Soweit solche Einzelabspringer durch Angehörige der Wehrmacht festgenommen werden, sind sie, unter Benachrichtigung der Dienststelle der Truppenabwehr, unverzüglich der nächsten Dienststelle der Sicherheitspolizei zu übergeben. Dieses gilt auch bei Kampfhandlungen gegen Fallschirmjäger oder Luftlandetruppen, wenn durch die Truppe erkannt wird, dass es sich um Saboteure oder Spione handelt.

    Handelt es sich bei den der Sicherheitspolizei von der Truppe übergeben oder von Organen der Polizei unmittelbar gefassten Fallschirmspringern um

    Angehörige feindlicher Luftwaffen,

    wird der Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei veranlassen, dass sie nach Durchführung der notwendigen Erhebungen den zuständigen Dienststellen der Luftwaffe zugeführt werden.

    Quelle: DEUTSCH-RUSSISCHES PROJEKT

  • Hallo,

    in der Datenbank der Amsterdamer Universität sind zahlreiche Verfahren wegen Hinrichtungen von feindlichen Flugzeugbesatzungen verzeichnet, hier mal ein Beispiel aus Sponholz bei Neubrandenburg. Anscheinend versuchten Angehörige der örtlichen Gendarmerie leider vergeblich, den amerikanischen Piloten zu schützen:

    Verfahren Lfd.Nr.1492

    Tatkomplex: Kriegsverbrechen

    Angeklagte: Röh., Erich 4 Jahre
    Gerichtsentscheidungen:
    LG/BG Schwerin 490218 Az.: StKs14/49

    OLG Schwerin 490602 Az.: ERKs35/49

    Tatland: DDR

    Tatort: Sponholz Krs.Neubrandenburg

    Tatzeit: 4408

    Opfer: Kriegsgefangene

    Nationalität: Amerikanische

    Dienststelle: Allgemeine SS Neubrandenburg

    Verfahrensgegenstand: Zusammen mit anderen Mitgliedern eines SS-Sturms, der u.a. zur Ergreifung von entwichenen Gefangenen und notgelandeten ausländischen Piloten eingesetzt wurde, verhaftete der Angeklagte einen amerikanischen Piloten. Dieser wurde trotz Widerstandes der örtlichen Gendarmerie zuerst schwer misshandelt und dann erschossen

    Veröffentlicht in DDR-Justiz und NS-Verbrechen Band IX

    Quelle: https://www.expostfacto.nl/junsv/inhvzbrdddr.htm

    Gruß, J.H.

  • Hallo,

    Quote


    Neu war für mich, daß hier von Frauen die Rede ist. Flog die englische Luftwaffe mit weiblichem Personal?

    Frauen machten Überführungsflüge für die Air Transport Auxiliary (ATA), aber nicht als reguläres Besatzungsmitglied im Kampfeinsatz. Evtl. hat die Schreiberin irgendwelche Gerüchte gehört, Geschichten über "Flintenweiber" diente seit jeher dazu, die moralische Verkommenheit des Gegners zu zeigen.

    Grüße

    Thilo

    Suche alles zur Lehrtruppe Fallingbostel und zum Einsatz des NSKK in der Ukraine 1941

  • Hallo,

    auch für die Army Air Force in den USA flogen viele Frauen in der als Flugzeugüberführerinnen (AWFS).

    Ebenso in der Luftwaffe. Im "Überführungsgeschwader Mitte" flogen 1944 u.a. 5 Pilotinnen, darunter Hauptmann Beate Uhse(damals noch mit anderem Namen).

    Beste Grüsse

    Ingo

  • Hallo, Thilo,

    gut möglich, daß die Schreiberin hier Gerüchten aufgesessen ist und diese so weitergab. Klatsch und Tratsch wird auch damals an der Tagesordnung gewesen sein. Für mich als Frau ist es aber nur schwer verständlich, wie kalt und gehässig sie von dem Ereignis berichtet und zudem den Tod einfordert.

    Ich habe einen kleinen Beitrag im Internet gefunden, der davon spricht, daß in der ATA insgesamt 5 Kanadier waren. Nun schreibt sie ja auch von kanadischen Frauen. Besteht die Möglichkeit, evtl. anhand der wenig vorhandenen Daten herauszufinden, welche englische Maschine kurz vor dem 08.09.1940 in Berlin-Marienfelde abgeschossen wurde und ob diese evtl. eine ATA-Maschine war? Wenn's zu offtopic ist, dann einfach vergessen.

    Grüße

    Diana

    Die Frau ist die einzige Beute, die ihrem Jäger auflauert (Ingelore Ebberfeld)

  • Hallo zusammen,

    eine sehr schöne Quelle!

    hier ein weiterer Fall:

    Verfahren Lfd.Nr.1441

    Tatkomplex: Denunziation, Kriegsverbrechen

    Angeklagte:
    Ben., Wilhelm Freispruch + Verfahren eingestellt
    Gerichtsentscheidungen:
    LG/BG Magdeburg 490609 Az.: 11StKs24/48

    Tatland: DDR

    Tatort: Ummendorf

    Tatzeit: 43-44

    Opfer: Kriegsgefangene, Deutsche Soldaten, Fremdarbeiter

    Nationalität: Amerikanische, Deutsche, Polnische

    Dienststelle: Polizei Hilfspolizei Ummendorf

    Verfahrensgegenstand: Verhinderung der Rettung von vier amerikanischen Fliegern, als diese in ihrem abgestürzten Flugzeug verbrannten. Denunziation eines deutschen Soldaten, der sich an der versuchten Rettung der amerikanischen Flieger beteiligt hatte. Meldung eines Fremdarbeiters wegen eines tätlichen Angriffs, der daraufhin gehängt wurde

    Veröffentlicht in DDR-Justiz und NS-Verbrechen Band VIII

    Quelle: https://www.expostfacto.nl/junsv/ddr/ddropfa01.html

  • ... Frauen machten Überführungsflüge für die Air Transport Auxiliary (ATA), aber nicht als reguläres Besatzungsmitglied im Kampfeinsatz ...

    Hallo,

    es gab vor einigen Jahren eine 4-teilige britische TV-Dokumentation zur Geschichte der Royal Air Force im 2.Weltkrieg, die auch im deutschen TV (in der ARD) unter dem Titel "Aus heiterem Himmel. Die Royal Air Force verteidigt die Heimat" gezeigt wurde. Im Teil 2 dieser Doku wurde ausführlich über die Pilotinnen der ATA berichtet, u.a. auch darüber, dass die von ihnen überführten Jagdflugzeuge nicht bewaffnet/aufmunitioniert waren. Die prominenteste ATA-Pilotin war Amy Johnson, die 1941 bei einem Flug ums Leben kam.

    Die TV-Serie in den Fernseh-Tipps hier im Forum: Aktuelle Fernsehtipps

    Gruß, J.H.

  • Hallo Diana,

    Luftangriffe auf Berlin fanden statt:

    Quote


    Besteht die Möglichkeit, evtl. anhand der wenig vorhandenen Daten herauszufinden, welche englische Maschine kurz vor dem 08.09.1940 in Berlin-Marienfelde abgeschossen wurde und ob diese evtl. eine ATA-Maschine war?

    Luftangriffe auf Berlin fanden statt:

    26. August 1940

    29. August 1940

    31. August 1940

    4. September 1940

    Die erste (von insg. 15) im Krieg getöteten ATA-Pilotinnen war Amy Johnson am 5. Januar 1941.

    Somit scheidet ATA wohl aus.

    Grüße

    Thilo

    Suche alles zur Lehrtruppe Fallingbostel und zum Einsatz des NSKK in der Ukraine 1941

  • Guten Tag allerseits,

    nach dem Bombenangriff auf den Leipziger bzw. Engelsdorfer Rangierbahnhof am 6. April 1945 kam es zu einer Kollision zweier amerikanischer B-17, in deren Folge beide Maschinen abstürzten und 12 der insgesamt 16 Besatzungsmitglieder um's Leben kamen.

    Die 4 überlebenden "Airmen" wurden danach von verschiedenen Leuten vor der Lynchjustiz gerettet.

    Zu diesem Ereignis gibt es ein interessantes Büchlein von Klaus Schumann und Horst Ries "Als Leisnig einer Katastrophe entging" . Erhältlich im Buchhandel- oder für kostenbewußte Leser- auf der Internetseite der 384th Bomb Group sowohl in englischer als auch in deutscher Sprache.

    Viele Grüße

    Jens

  • Hallo zusammen,

    um mal etwas zur Größenordnung der alliierten Luftkriegsverluste im Einsatz und später am Boden durch Fliegerlynchmorde festzuhalten:

    die wichtigste und mächtigste alliierte Luftflotte auf dem europäischen Kriegsschauplatz war ja die 8. US Army Air Force.

    Diese verfügte laut Wikipedia Mitte 1944 über rund 2000 schwere Bomber und 1000 Jagdflugzeuge und hatte eine

    Personalstärke von etwa 200.000 Mann:

    Die Hälfte aller US-Luftkriegsverluste der Army Air Force im Zweiten Weltkrieg erlitt die 8. US Army Air Force, das sind laut der englischen Seite 26.000 tote und 47.000 verwundete Besatzungsmitglieder.

    https://en.wikipedia.org/wiki/Eighth_Ai…ties_and_awards

    Jetzt noch zur Größenordnung der angenommenen Fliegerlynchmorde auf deutschem Boden:

    Quote

    Von der 8. US Army Air Force gerieten insgesamt 21.000 Besatzungsmitglieder in deutsche Kriegsgefangenschaft.

    10.999 Kriegsgefangene in deutschen Lagern waren vom britischen Bomber Command.

    Insgesamt befanden sich 1945 "weit über 40.000 Gefangene der alliierten Luftflotten in deutschem Gewahrsam. Mehr als 15.000 von ihnen dienten als Offiziere."

    (Martin Albrecht, Helga Radau, Stalag Luft I in Barth. Britische und amerikanische Kriegsgefangene in Pommern 1940 bis 1945, Schwerin 2012, S. 41.)

    21 gefangene britische Bomberpiloten konnten aus deutschen POW-Camps fliehen und erfolgreich die eigene Truppe erreichen. Mit ihrer Hilfe gewannen die alliierten Einsatzstrategen wertvolle Erkenntnisse über die deutschen Verhörmethoden im Dulag Oberursel und die Zustände bei der Unterbringung in den deutschen Stalags (Quelle ebenda).

    Wenn man jetzt die bis heute vermutete Zahl von Fliegerlynchmorden an alliierten Soldaten heranzieht, ergibt sich folgendes Bild über die Dimension dieser Kriegsverbrechen in Deutschland:

    "Tatsächlich, so haben Historiker und Heimatforscher herausgefunden, wurden vermutlich Hunderte von wehrlosen kriegsgefangenen Fliegern auf Befehl der Nazis systematisch massakriert.

    [...]

    Der Archivar Thomas Adam vom Stadtarchiv Bruchsal hält sogar "deutlich über 500 Fälle" für belegt. Bisher gingen Fachleute von nur gut 100 Fällen aus. [...]

    Wo es sich um Zivilisten handelte, waren es fast immer fanatische Nazi-Funktionäre." (SPIEGEL 34/2001).

    http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-20794719.html

    Barbara Grimm ging 2007 in einem Sammelband zum Luftkrieg dagegen von etwa 350 Lynchmorden an alliierten Fliegern ebenfalls überwiegend durch nationalsozialistische Funktionsträger aus. Dies ist meines Wissens nach die neueste publizierte Opferzahl.

    (Dietmar Süß (Hrsg.), Deutschland im Luftkrieg. Geschichte und Erinnerung, München 2007, S. 83 f.)


    Nach der (inzwischen veralteten) Zahl von 100 Fliegermordopfern, die Experten ursprünglich vermuteten (das entspricht etwa 0,25 % der angegebenen Gesamtzahl von 40.000 allierten Luftkriegsgefangenen), geht man demnach heute von etwa 350 Opfern der Fliegerlynchmorde aus.

    Das entspräche dann einem Anteil von unter einem Prozent der rund 40.000 Kriegsgefangenen in Lagern der deutschen Luftwaffe.

    Dem realen Risiko für abgesprungene oder notgelandete alliierte Flieger, in Deutschland einem Lynchmord durch fanatische Nazis zum Opfer zu fallen, standen also bei der 2001 angenommenen Maximalzahl von 500 Mordtaten die 40.000 nach der Genfer Konvention ordnungsgemäß in Kriegsgefangenschaft überführten alliierten Flieger gegenüber.

    Diese vielen, nach hunderten zählenden Einzelfälle grausamer Lynchmorde sollten sich daher vergleichsweise schlüssig der hauptsächlich tatverdächtigen Gruppe von NS-Funktionsträgern zuordnen lassen. Dies ist z.B. in Mecklenburg durch umfangreiche Nachkriegsermittlungen der britischen und amerikanischen Besatzungsbehörden geschehen. Auslöser der Ermittlungen waren Angaben von Einwohnern.

    Der Historiker Bernd Kasten hat darüber im Rahmen des Vereins "Geschichtswerkstatt Rostock" 2004 einen Beitrag geschrieben:

    (Bernd Kasten, "Auf der Flucht erschossen". Die Ermordung abgesprungener amerikanischer Flieger in Mecklenburg 1944, in: Geschichtswerkstatt Rostock e.V. (Hrsg.), Zeitgeschichte regional, 8. Jahrgang, Heft 1 (2004), S. 18-21.)

    Seine Schlußfolgerungen sind interessant, denn sie bestätigen das, was wir hier in vorigen Beiträgen festgestellt hatten:

    Mordbefehle und Ausführung gingen von allen Ebenen der NSDAP-Parteihierarchie und auch der Polizei aus:

    Quote

    "[...] Außer den schweren Bombenangriffen auf Rostock und Wismar erregten vor allem die 1944 einsetzenden Tieffliegerangriffe in Mecklenburg die Bevölkerung. Seit Januar 1944 stand es den Begleitjägern der großen Bomberverbände frei, auf ihrem Rückweg militärische Ziele im Tiefflug anzugreifen, wobei zum Beispiel ein Zug automatisch als militärisches Ziel galt. Im Frühling 1944 wurde so zwischen Schwerin und Ludwigslust ein Personenzug beschossen. Die meisten Toten waren Zivilisten, unter ihnen viele Frauen und Kinder.

    Der mecklenburgische Gauleiter Hildebrandt - ohnehin ein leicht erregbarer Mensch - geriet wegen dieser Angriffe in maßlose Wut. Auf einer großen Versammlung von Kreisleitern, Landräten und hohen Regierungsbeamten in der Turnhalle der Gauschule in Schwerin forderte er, daß ein solcher "Terrorflieger" nicht der Wehrmacht übergeben werden sollte:

    "Nach meinem Willen soll er eben nicht ausgeliefert, sondern sogleich kassiert oder umgelegt werden. [...] Abgeschossene Flieger sind dem nächsten Hoheitsträger der NSDAP auszuliefern. Der wird schon wissen, wie er ihn zu behandeln hat."

    [...] Wiederholt forderte er auf Versammlungen der Kreis- und Ortsgruppenleiter dazu auf, die abgeschossenen Flieger zu "erledigen", denn: je mehr Witwen in England, desto besser für Deutschland"."

    (Bernd Kasten, "Auf der Flucht erschossen". Die Ermordung abgesprungener amerikanischer Flieger in Mecklenburg 1944, in: Geschichtswerkstatt Rostock e.V. (Hrsg.), Zeitgeschichte regional, 8. Jahrgang, Heft 1 (2004), S. 18-21.)

    Bernd Kasten berichtet auch darüber, wie es im Sommer 1944 anläßlich eines Besuchs des SS-Obergruppenführers und Chefs des Reichssicherheitshauptamtes Ernst Kaltenbrunner zum endgültigen Mordbefehl des Gauleiters Hildebrandt kam:

    "Nach der Invasion vom 6. Juni 1944 verschärfte sich Hildebrandts Rhetorik noch, da es jetzt um "Sein oder Nichtsein" ginge.

    Trotzdem wurden nun keineswegs täglich in Mecklenburg abgesprungene Flieger getötet. Es bedurfte noch eines besonderen Anlasses, um Hildebrandts Haßtiraden in einen direkten Mordbefehl zu verwandeln.

    Dieser bot sich am 21. Juni 1944, dem von den Nationalsozialisten besonders gefeierten Sonnenwendfest, als sich Ernst Kaltenbrunner, der Chef des Reichssicherheitshauptamtes, zum Besuch der Polizeischule in Fürstenberg im damaligen mecklenburgischen Kreis Stargard ankündigte. Hildebrandt wollte ihn hier am Nachmittag treffen, anschließend war ein längeres geselliges Beisammensein vorgesehen.


    Ausgerechnet an diesem Tag stürzten gegen 11 Uhr vormittags zwei viermotorige Liberator-Bomber über Mecklenburg ab, die von einem großen Bombenangriff auf Berlin zurückkehrten. Eine Maschine stürzte in die Müritz, die andere machte in der Nähe von Groß Trebbow bei Schwerin eine Bruchlandung.

    Aus dem einen Flugzeug konnten sich neun, aus dem anderen sieben Besatzungsmitglieder mittels Fallschirm retten.

    Über die Lautsprecherverbindung des Luftwarnnetzes gab Hildebrandt von seinem Befehlsbunker in Schwerin-Paulshöhe den Befehl an die betroffenen NSDAP-Kreisleitungen, die abgesprungenen Flieger zu "erledigen".

    Die telefonische Meldung über den Vollzug erwartete er ebenfalls bis zum Abend. Offensichtlich sollte ihn diese Aktion Kaltenbrunner gegenüber in ein vorteilhaftes Licht rücken.

    Der befehlsgewohnte Parteiapparat reagierte prompt und zuverlässig. Der diensthabende Kreisamtsleiter des Kreises Schwerin-Land Karl Grönwald rief den Ortsgruppenleiter von Passow Kurt Müller an und gab Hildebrandts Anweisung an ihn weiter."

    (Bernd Kasten, "Auf der Flucht erschossen". Die Ermordung abgesprungener amerikanischer Flieger in Mecklenburg 1944, in: Geschichtswerkstatt Rostock e.V. (Hrsg.), Zeitgeschichte regional, 8. Jahrgang, Heft 1 (2004), S. 18-21.)


    Eine ganze Reihe der mit Fallschirmen abgesprungenen Flieger wurde zunächst korrekt in Gewahrsam genommen, während der schwerverletzte Flight Lieutenant Holwet vom Roten Kreuz wegen eines beim Absprung in Moltenow erlittenen Schädelbruchs "sofort ins Schweriner Standortlazarett gebracht wurde". Alle anderen US-Flieger wurden von NSDAP-Funktionären und Polizisten nach und nach ermordet.

    Kasten zählt die Morde anhand der Ermittlungsakten auf:

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    "[Ortsgruppenleiter] Müller bat den Ortsbauernführer Fritz Schröder, ihn zu begleiten, und stieß auf der Landstraße bei Goddin auf einen Kaugummi kauenden amerikanischen Flieger, der bereits von einem deutschen Soldaten ergriffen worden war. Er übernahm den Gefangenen, ließ ihn ca. 1 km, Zigarette rauchend, auf der Straße neben dem Auto marschieren und schoß ihm dann bei Veelböken am Rand eines Rapsfeldes mit seiner Dienstpistole zweimal in den Rücken."

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    "Außer Müller hatte Grönwald auch seinen Chef, den Kreisleiter Bollow, angerufen, der nun das Weitere in die Hand nahm. Gemeinsam mit Grönwald und dem Ortsgruppenleiter von Groß Trebbow, dem Förster Ewald Haselow, fuhr der Kreisleiter nach Mühlen Eichsen, wo sie auf der Gendarmeriestation die Sergeants Grubisa und Vinsen vorfanden.

    Als die beiden Polizisten die Gefangenen nicht ausliefern wollten, telefonierte Bollow mit dem vorgesetzten Polizeihauptmann Manske, der die Herausgabe genehmigte. Dann verabschiedete der Kreisleiter seine beiden Gefolgsleute mit dem Auftrag:

    "Fahrt ein klein bißchen weg und schießt sie tot.""

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    "Auch von den drei im Kreis Schönberg gelandeten Soldaten war am Abend des 21. Juni keiner mehr am Leben. Kreisleiter Koepcke und zwei SA-Männer töteten einen bei Rüting, einen bei Wüstenmarck sowie den letzten bei Rambeel und veranlaßten dann ihre Beerdigung auf dem Friedhof von Diedrichshagen. Als offizielle Todesursache wurde stets gemeldet: "auf der Flucht erschossen"."

    Aus dem zweiten in der Müritz abgestürzten US-Bomber hatte die deutsche Marine neun Besatzungsmitglieder gerettet.

    Diese wurden von Angehörigen der Polizei und Partei übernommen und ermordet, die meisten in einem Wald bei Poppentin:

    "Auch die neun von der deutschen Marine aus der Müritz geretteten Flieger wurden sämtlich ermordet. Polizeihauptmann Kuhr, Polizeimeister Jürss, Hilfspolizist Brüggmann, SA-Sturmführer Schippmann aus Waren und Ortsgruppenleiter Gross aus Eldenurg erschossen sieben Männer im Wald bei Poppentin.

    Da es sich hier um ein gemeinsames Exekutionskommando von Polizei und Partei handelte, dürfte hier außer Hildebrandt der mit ihm gut bekannte Leiter der Sicherheitspolizeischule in Drögen bei Fürstenberg, SS-Standartenführer Dr. Hans Trümmler, maßgeblich beteiligt gewesen sein.

    Die beiden amerikanischen Leutnants Ludka und Helton übergab die Schutzpolizei in Waren an Trümmlers Beauftragten, den SS-Untersturmführer und Kriminalkommissar Stempel von der Sicherheitspolizeischule in Drögen, wo sie dann ermordet und auch beerdigt wurden. Trümmler selbst wurde für diese Tat nach dem Krieg von den Amerikanern zum Tode verurteilt und 1948 in Landsberg hingerichtet."

    (Bernd Kasten, "Auf der Flucht erschossen". Die Ermordung abgesprungener amerikanischer Flieger in Mecklenburg 1944, in: Geschichtswerkstatt Rostock e.V. (Hrsg.), Zeitgeschichte regional, 8. Jahrgang, Heft 1 (2004), S. 18-21.)

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    "Für Mecklenburg war mit diesen Ereignissen eindeutig ein Damm gebrochen. Alliierte Flieger, die das Pech hatten, an einem Tag in der Region zu landen, an dem der Gauleiter schlechte Laune hatte, konnten nicht mehr auf den Schutz der Genfer Konvention rechnen. Wiederholt gab Hildebrandt in den folgenden Monaten über das Luftwarnnetz Exekutionsbefehle an die Kreisleiter, nach Aussage von Grönwaldt "immer, wenn er aufgeregt war und über die Lautsprecheranlage gebrüllt hat."

    Im Sommer 1944 wurden einige Flieger in der Nähe von Sternberg ermordet. In Kloster Wulfshagen bei Ribnitz erschoß der als Nationalsozialist bekannte Gutsverwalter mehrere abgesprungene britische Bomberpiloten. Ende August 1944 holte der Gadebuscher Ortsgruppenleiter Brusch zusammen mit drei anderen lokalen Parteiführern zwei Flieger bei der Gendarmerie in Meetzen ab und erschoß sie in der Nähe von Möllin."

    (Bernd Kasten, "Auf der Flucht erschossen". Die Ermordung abgesprungener amerikanischer Flieger in Mecklenburg 1944, in: Geschichtswerkstatt Rostock e.V. (Hrsg.), Zeitgeschichte regional, 8. Jahrgang, Heft 1 (2004), S. 18-21.)

    Bernd Kasten glaubt nicht, daß nach diesen vielen Fliegerlynchmorden durch Partei und Polizei im Sommer 1944 bis Kriegsende noch weitere Verbrechen dieser Art verübt wurden:

    "Nach der Art und Weise, wie schnell sich die bekannten Morde herumsprachen und wie rege sie von den Bewohnern der umliegenden Dörfer und Kleinstädte diskutiert wurden, erscheint es unwahrscheinlich, daß solche Geschehnisse unbemerkt blieben.

    Eben diese weit verbreitete Kenntnis von Tat und Tätern wurde den Mördern nach der Kapitulation zum Verhängnis."

    Der für Nazi-Deutschland katastrophale Verlauf des Krieges und die per Flugblattabwurf verbreiteten alliierten Warnungen, wonach deutsche Kriegsverbrecher mit gnadenloser Verfolgung zu rechnen hätten, wirkten auf viele NSDAP-Vertreter bestimmt abschreckend.

    Ein Hinweis aus der Bevölkerung genügte für eine Verhaftung.

    Bis auf den Ortsbauernführer Schröder, der von den Alliierten zu zwanzig Jahren Gefängnis verurteilt wurde, erhielten sechs weitere Beteiligte die Todesstrafe, alles Funktionäre der NSDAP, darunter der Gauleiter Hildebrandt. Sie wurden am 5. November 1948 in Landsberg hingerichtet.

    Grüße,

    Bodo

    „Was wir im deutschen Widerstand während des Krieges nicht wirklich begreifen wollten, haben wir nachträglich vollends gelernt: Daß der Krieg schließlich nicht gegen Hitler, sondern gegen Deutschland geführt wurde.“ (Eugen Gerstenmaier)

  • Moien,

    der Vorfall am 4.März 1945 steckt voller Fehler. Die Maschine, eine B-24J, 484rd BG, 15th Airforce, wurde von deutscher Flak abgeschossen. Aber da waren keine Canadier an Bord, Es gab vier Lynchmorde. Der Flieger hies tatsächlich 2nd. Lt. Mac, Donell Moore Jr. O-2062529, (Co-Pilot) war US-Staatsbürger und stammte aus Connecticut. Geboren wurde er am 12. März 1925.

    h.