Todesurteile an Angehörige der Wehrmacht (Fahnenflucht usw.)

  • Hallo Wirbelwind,

    da die Grablagen in vielen Fällen bei der Wast und dem VDK bekannt sind,

    wurden diese auch gemeldet.

    In einigen Fällen haben die Fam. vielleicht keine Todesnachricht erhalten.

    Gruß Roland

    Als ich hätte fragen sollen, war ich zu jung.
    Als ich hätte fragen wollen, waren Sie zu alt.

  • ... bedeutete der Verlust der Ehrenrechte automatisch auch, dass es nur eine anonyme Bestattung geben durfte? ...

    Hallo,

    auf dem Kieler Nordfriedhof gibt es ein "anonymes Gräberfeld", auf dem die in Kiel hingerichteten Wehrmachtssoldaten (und auch Militärangehörige Selbstmörder) beigesetzt wurden. In einer früheren (seit einer Überarbeitung der Friedhofsseite leider gelöschten) Beschreibung mit den Hintergründen zu diesem Gräberfeld war damals zu lesen, dass die Angehörigen der zum Tode verurteilten Soldaten über das Todesurteil und die erfolgte Vollstreckung schriftlich benachrichtigt wurden. Eine öffentliche Trauer in Form von Traueranzeigen, -Feiern u.ä. wurde den Familien untersagt, die Leichname der Hingerichteten konnten zur Bestattung auf Antrag abgeholt werden. Waren keine Angehörigen ausfindig zu machen oder hatte diese kein Interesse an einer Bestattung, wurden die Leichname ohne jegliche Kennzeichnung abseits der "Heldengräber" auf diesem anonymen Gräberfeld beigesetzt, weil sie mit dem Urteilsspruch als "ehrlos" galten und sie dadurch ein Ruherecht neben "ehrenhaft gefallenen" Soldaten verwirkt hatten.

    Wenn ich mich recht erinnere, wurde in dem Artikel sogar beschrieben, dass in einigen Fällen den Hinterbliebenen die mit der Hinrichtung und dem weiteren Verbleib des Leichnams verbundenen Kosten in Rechnung gestellt wurden und dass in Kiel auch Leichname und Leichenteile hingerichteter Soldaten zu Ausbildungszwecken und Forschung z.B. an die Pathologie und medizinische Fakultäten abgegeben wurden.

    Die Kieler Stadtverwaltung hat in der Vergangenheit versucht, die Namen und Schicksale der auf dem anonymen Gräberfeld beigesetzten Soldaten zu ermitteln, heute stehen dort Granitwürfel mit den Namen einiger Opfer.

    Gruß, J.H.

  • Hallo zusammen,

    ein weiteres Fundstück zum Thema.

    Lg Andre

    Franz Seraph Jobst

    3./Infanterie-Regiment 510

    293.Infanterie-Division

    Nachname: Jobst

    Vorname: Franz Seraph

    Dienstgrad: Gefreiter

    Geburtsdatum: 22.10.1914

    Geburtsort: München

    Todesdatum: 29.11.1942

    Todesort: Minsk Ostland

    Franz Seraph Jobst wurde am 29.11.1942 um 8:08 in Minsk/Ostland erschossen wegen Fahnenflucht

    nach dem Urteil des Gerichts der Oberfeldkommandantur 392 Minsk

    Franz Seraph Jobst konnte im Rahmen unserer Umbettungsarbeiten nicht geborgen werden.

    Die vorgesehene Überführung zum Sammelfriedhof in Berjosa war somit leider nicht möglich.

    Sein Name wird im Gedenkbuch des Friedhofes verzeichnet.

    Quelle Daten: VDK

    zusätzliche Quelle: Ancestry

    Erst wer den Dreck des Lebens gegessen hat, weiß wie schön dieses ist !!!

  • Guten Abend zusammen,


    auch in der 22. U-Jagdflottille kam es am 07.07.1944 zur Vollstreckung eines Todesurteils wegen Fahnenflucht. Demnach wurde der Schiffskoch von UJ-2211, Matrosengefreiter Vogel, nach 3 Tagen unerlaubter Abwesenheit in Genua erschossen. Was mich dabei besonders bewegt ist die Tatsache, dass das Urteil wahrscheinlich zur Abschreckung vor sämtlichen im Hafen von Genua liegenden Boots-Besatzungen vollzogen worden ist und wie nüchtern-sachlich der Vorgang im KTB vermerkt worden ist.

    In seinem 2003 veröffentlichtem Buch: „U-Boot-Jagd im Mittelmeer – Der Einsatz der 22. U-Jagdflottille“ beschreibt Manfred Krellenberg das Ereignis wie folgt: „Ernsthafte Konsequenzen nach sich zog auch die Tat des Matrosengefreiten Vogel, der sich drei Tage unerlaubt von der Truppe entfernt hatte. Zivil bekleidet, war er zusammen mit seiner Freundin in einem italienischen Hotel aufgefunden und verhaftet worden. Der Schiffskoch des U-Jägers 2211 wurde daraufhin zum Tode verurteilt. >>Flottillenstab, Unterstab und Besatzungen der Boote mussten im Flottillengelände in Genua zur Hinrichtung antreten<<, erinnert sich Werner Delinga. >>Unsere Besatzung selbst musste ein Spalier bilden, welches der Verurteilte durchqueren musste. Zu seinem Besten Freund sagte er noch: >>Schreib meinen Eltern die Wahrheit, so wie es wirklich gewesen ist.<< Er hat sich nicht die Augen verbinden lassen. Der Flottillenchef riß ihm schließlich alle Auszeichnungen ab sagte zum Erschießungskommando: >>Vollstrecken Sie das Urteil!<<“

    Im Kriegstagebuch der 22. U-Jagdflottille heißt es am 07.07.1944 dazu lediglich kurz und knapp: „Matrosengefreiter Vogel U.-Jäger 2211, der Fahnenflucht begangen hat, wird im Flottillengelände erschossen. Erschießungskommando stellt U.-Jäger 2211, angetreten sind Stab, U-Stab, Besatzungen der nicht einsatzbereiten Boote U.-Jäger 2207, 2211, 2220, 2222, RA 251, 257, 258, außerdem U.-Jäger 2216.“

    Aus dem mir ebenfalls vorliegenden Erlebnisbericht der Herrn Delinga (ehem. Besatzungsmitglied von UJ-2211) geht außerdem hervor, dass der Matrosengefreite Vogel damals von eigenen Besatzungsmitgliedern gesehen und angezeigt worden ist. Außerdem soll der Flottillenchef in seiner Ansprache vor der Urteilsvollstreckung auch die Worte: „Dieses Schwein hat noch vor kurzem zu uns gehört.“ gesprochen haben.

    Leider konnte ich bisher nicht den Vornamen des Matrosengefreiten Vogel ermitteln und weiß auch nicht, ob er in Genua begraben wurde und später vielleicht ebenfalls nach Costermano umgebettet worden ist, so wie die meisten Gefallenen der Flottille. Auch weiß ich nicht, ob überhaupt eine ordentliche Gerichtsverhandlung stattgefunden hat oder ob der Beschuldigte direkt vom Flottenkommando selbst abgeurteilt worden ist. Wenn ich die Zeitangabe zu dem Vorgang in dem KTB richtig interpretiere, wurde die Hinrichtung morgens um 5.00 Uhr durchgeführt. Vielleicht sollten die Italiener von der Aktion nur wenig mitbekommen? Was könnte damit gemeint sein, dass der Verurteilte seinen Kameraden bat, "die Wahrheit" über das Geschehene zu schreiben? Was hat man den Angehörigen in so einem Fall mitgeteilt?

    Beste Grüße


    Falko

  • Hallo,

    bei dem Matrosengefreiter Vogel handelt es sich um:

    Gefreiter Robert Vogel

    geboren am 14.11.1923 in Wiesbaden.

    Er liegt heute auf der Kriegsgräberstätte in Costermano, Endgrablage: Block 6 Grab 298

    Gruß

    Lothar

  • Guten Morgen Lothar,

    ich danke Dir vielmals für die Ergänzung der Daten des Matrosengefreiten Vogel. So hat der einstmals junge Mann durch die Nennung seines Vornamen, Alters und Herkunft wenigstens ein wenig seiner persönlichen Würde zurückerlangt. Prima auch, dass Robert Vogel ein anständiges Grab erhalten hat. Ich hatte schon die Bedenken, dass man seinen Leichnam einfach ins Wasser geworfen haben könnte...


    Beste Grüße und einen frohen Feiertag

    Falko

  • "Zu seinem Besten Freund sagte er noch: >>Schreib meinen Eltern die Wahrheit, so wie es wirklich gewesen ist.<< Er hat sich nicht die Augen verbinden lassen. ...<<“

    Was könnte damit gemeint sein, dass der Verurteilte seinen Kameraden bat, "die Wahrheit" über das Geschehene zu schreiben? Was hat man den Angehörigen in so einem Fall mitgeteilt?

    Hi Falko uaa.,

    vll. sollte der Freund den Eltern einfach nur sagen,

    daß Robert Vogel "nicht wirklich" Fahnenflucht begehen wollte,

    sondern "nur" seine Freundin noch einmal sehen und mit ihr

    zusammen sein wollte. Ist Spekulation, wäre für mich stimmig.

    Was man den Eltern schrieb, weiß ich nicht - dazu könnte sich

    im Forum etwas finden lassen, habe (noch) nicht gesucht.

    Es dürfte kaum tröstliches gewesen sein, eher ausdrücklich

    "Schimpf und Schande" Hervorhebendes.

    Man hat die Familien wissen lassen, für wie ehrlos ein

    Angehöriger gehalten wurde.

    Gruß, Kordula

    Slava Ukraini! In Memoriam A.N.!

  • Hallo Kordula,

    vielen Dank, dass Du deine Gedanken zu der Hinrichtung von Robert Vogel mit mir teilst. Ich denke mitlerweile auch, dass die Benachrichtigung der Angehörigen in so einem Falle wahrscheinlich ebenso knapp und herzlos ausgefallen sein dürfte, wie der entsprechende Eintrag ins KTB. Die von Johann Heinrich wiedergegebene Erklärung der Kieler Friedhofsverwaltung zu einem anonymen Gräberfeld auf dem Kieler Nordfriedhof scheint mir derzeit die treffenste Beschreibung, wie man damals im Falle einer Hinrichtung aufgrund von Fahnenflucht verfuhr.

    In einer früheren (seit einer Überarbeitung der Friedhofsseite leider gelöschten) Beschreibung mit den Hintergründen zu diesem Gräberfeld war damals zu lesen, dass die Angehörigen der zum Tode verurteilten Soldaten über das Todesurteil und die erfolgte Vollstreckung schriftlich benachrichtigt wurden. Eine öffentliche Trauer in Form von Traueranzeigen, -Feiern u.ä. wurde den Familien untersagt, die Leichname der Hingerichteten konnten zur Bestattung auf Antrag abgeholt werden. Waren keine Angehörigen ausfindig zu machen oder hatte diese kein Interesse an einer Bestattung, wurden die Leichname ohne jegliche Kennzeichnung abseits der "Heldengräber" auf diesem anonymen Gräberfeld beigesetzt, weil sie mit dem Urteilsspruch als "ehrlos" galten und sie dadurch ein Ruherecht neben "ehrenhaft gefallenen" Soldaten verwirkt hatten.

    Wenn ich mich recht erinnere, wurde in dem Artikel sogar beschrieben, dass in einigen Fällen den Hinterbliebenen die mit der Hinrichtung und dem weiteren Verbleib des Leichnams verbundenen Kosten in Rechnung gestellt wurden und dass in Kiel auch Leichname und Leichenteile hingerichteter Soldaten zu Ausbildungszwecken und Forschung z.B. an die Pathologie und medizinische Fakultäten abgegeben wurden.

    Was mich im Falle von Robert Vogel aber auch schockiert hat, ist die Aussage, dass ihn die eigenen Kameraden verpfiffen haben sollen. Ihnen musste doch die Konsequenz ihres Handels bewusst gewesen sein? Auch kann ich mir nicht vorstellen, dass Robert Vogel damals nicht vor hatte, von selbst wieder an Bord zurückzukehren. Hätte er wirklich dauerhaft desertieren wollen, dann hätte er
    sicher doch die Stadt verlassen? Wahrscheinlich war dem jungen Matrosengefreiten gar nicht bewusst, in welche Gefahr er sich selbst begeben hatte. Andererseits schilderte mir einst mein Großvater, damals ebenfalls Angehöriger der Flottille, auch die Gefahren eines Landganges. Demnach soll es junge italienische Frauen gegeben haben, welche die Soldaten bewusst "in eine Falle" gelockt haben. Übergriffe durch vermeintliche Partisanen gehörten Mitte 1944 wohl schon zum gefährlichen Alltag in Norditalien. Insofern müssen die Soldaten doch gewarnt gewesen sein.

    Beste Grüße

    Falko

  • ... Insofern müssen die Soldaten doch gewarnt gewesen sein ...

    Hallo,

    die eindringlichste Warnung an die Soldaten war wohl die konsequente Umsetzung des Hitler-Ausspruchs "Der Soldat an der Front k a n n sterben, der Deserteur muss sterben!" durch die Militärjustiz. Und zum "verpfeifen" durch die eigenen Kameraden hier noch ein Link zum Schicksal des (hier im Forum auch schon öfter genannten) U-Bootkommandanten Oskar Kusch, der wegen Regimekritischer Äußerungen von Offizieren seiner Besatzung denunziert und anschließend hingerichtet wurde: http://www.apt-holtenau.de/holtenau-info/…kusch-oskar.htm

    In dem Bericht wird auch etwas zum Umgang mit dem Leichnam des Hingerichteten und dem Verbot von Traueranzeigen u.ä. berichtet.

    Gruß, J.H.

  • Hallo Kordula,

    vielen Dank, dass Du deine Gedanken zu der Hinrichtung von Robert Vogel mit mir teilst. Ich denke mitlerweile auch, dass die Benachrichtigung der Angehörigen in so einem Falle wahrscheinlich ebenso knapp und herzlos ausgefallen sein dürfte, wie der entsprechende Eintrag ins KTB. Die von Johann Heinrich wiedergegebene Erklärung der Kieler Friedhofsverwaltung zu einem anonymen Gräberfeld auf dem Kieler Nordfriedhof scheint mir derzeit die treffenste Beschreibung, wie man damals im Falle einer Hinrichtung aufgrund von Fahnenflucht verfuhr.

    ...

    Falko

    Hallo,

    ich habe gerade das Originalschreiben an meine Großmutter vor mir liegen. Betreffend meinen Großvater, also ihren Mann.

    Standurteil wg. Fahnenflucht vom soundsovielten März, vollstreckt am gleichen Tag, Schreiben selbst hat auch das gleiche Datum. Angeblich wurde der Leichnam auf dem Ortsfriedhof beerdigt. Das stimmt sicherlich nicht. Es gibt eine Anweisung solche "Fälle" ausserhalb des Friedhofs zu bestatten. Wörtlich: "Nachrufe pp. in Zeitungen sind verboten."

    Der "ehrenwerte" Oberstabsrichter hat nur mit "N." unterschrieben.

    Grüße

    Uli

    *** Suche alles zum 22. SS-Panzergrenadier-Regiment (10. SS-Panzerdivision "Frundsberg") und R.A.D. 2/214 Oedt. Danke! ***

  • Guten Abend Uli,

    vielen Dank für Deine Wortmeldung. Ich schließe daraus, dass also im Falle Deines Großvaters nicht dessen Einheit, sondern vielmehr der Oberstabsrichter selbst die Ehefrau über den Tod des Ehemannes unterrichtet hat.

    Warum meinst Du, hat der Richter nur mit seinem Namenskürzel "N" unterschrieben? War der Richter zu feige, mit seinem vollen Namen zu unterschreiben? War das so üblich bzw. sogar so angeordnet? Hatte der Richter gar Angst vor einer späteren Strafverfolgung, weil er wusste, dass sein Handeln falsch ist?

    Nachdenkliche Grüße

    Falko

  • Hallo Falko,

    ich vermute mal, dass er damit seine Mißachtung verstärkt zum Ausdruck bringen wollte.

    Gruß Roland

    Als ich hätte fragen sollen, war ich zu jung.
    Als ich hätte fragen wollen, waren Sie zu alt.

  • Hallo zusammen,

    der Schütze Friedrich Senger wird am 23.5.42 wegen Fahnenflucht nach Urteil

    des Kriegsgerichtes F.K. 182 zum Tode verurteilt und erschossen.

    Er ruht heute auf dem Friedhof in Tartu/Estland.

    Senger, Friedrich

    Stab/291. ID

    Nachname: Senger

    Vorname: Friedrich

    Dienstgrad: Schütze

    Geburtsdatum: 23.10.1919

    Geburtsort: Danzig-Oliva

    Todesdatum: 23.05.1942

    Todesort: Dorpat


    Gruß Roland

  • Hallo zusammen,

    ich weiß nicht, ob das anhängende Dokument bereits bekannt

    oder gar hier schon veröffentlicht wurde.

    Marco DRÄGER; Der Umgang mit Opfern der Wehrmachtjustiz auf

    Soldatenfriedhöfen und Kriegsgräberstätten 1939-2015.

    Man möge mir verzeihen, wennich unwissentlich eine "Dublette"

    geschaffen habe.

    Gruß

    Rudolf (KINZINGER)