Todesurteile an Angehörige der Wehrmacht (Fahnenflucht usw.)

  • Hallo Margita.


    "Ich weiß nicht, ob meine Kenntnisse ausreichen, um ein eigenes Thema zu eröffnen."


    Ich persönlich finde das was du hier schon geschrieben hast sehr interessant und außerdem auch bewahrenswert!

    Es gibt hier einen Bereich mit "biografien..."


    Ich würde es super finden wenn du dort dein Wissen und das dir mündlich überlieferte bzw die biografie deines Vaters dort einstellen würdest. Das ist ganz bestimmt eine Bereicherung für unser forum hier...

    Grüßle Petzi

  • Hallo zusammen,

    ein weiteres Fundstück zum Thema.


    Lg Andre


    Michael Daucher

    3./leichte Artillerie-Ersatz-Abteilung 17


    Nachname: Daucher

    Vorname: Michael

    Dienstgrad: Kanonier

    Geburtsdatum: 01.09.1918

    Geburtsort: Nürnberg

    Todesdatum: 02.12.1941

    Todesort: Lobes

    Michael Daucher wurde am 02.12.1941 gemäß Urteil des Feldkriegsgericht der Division 193 vom 29.10.1941,

    vermutlich wegen Fahnenflucht in Lobes/Plsen erschossen.


    Michael Daucher ruht auf der vom Volksbund hergerichteten Kriegsgräberstätte in Plzen.


    Quelle Daten: Volksbund

    zusätzliche Quelle: Ancestry

    Erst wer den Dreck des Lebens gegessen hat, weiß wie schön dieses ist !!!

  • Ich weiß nicht, ob meine Kenntnisse ausreichen, um ein eigenes Thema zu eröffnen.


    (...)


    Die Geschichte meines Vaters ist eine lange Geschichte und beginnt schon in seiner Kindheit, da seine Eltern NS-Verfolgte waren und er nie im Jungvolk oder HJ war. Er wurde zum Deserteur aus Abneigung gegen das sinnlose Morden und seine politische Einstellung gegen das NS-Regime. Er desertierte bei seinem ersten Einsatz Anfang Februar 1944 bei Uman in der Ukraine. Wie schon erwähnt, eine lange Geschichte, ja eine Biografie, ich weiß nicht, ob dies hier der richtige Ort dafür ist...

    Liebe Margitta!


    Herzlichen Dank für Deine abermals sehr lesenswerten Beiträge in diesem Thread!


    Gerade nach diesen neuerlichen, interessanten Wortmeldungen möchte ich Dich - wie gesagt: nur ein Anstoß, fühl' dich zu nichts genötigt - noch einmal ermuntern, die Erzählungen Deines Vaters mit den Forumsmitgliedern zu teilen.


    PetziPolatzki hatte Dich ja ebenfalls zu diesem Schritt ermutigt und Dich auf die entsprechende Rubrik hingewiesen. Wenn solch wertvolle Zeitzeugenberichte in unserem Forum keinen Platz finden, dann nirgendwo! ;)


    Und ich kann Dich beruhigen: Deine Kenntnisse reichen spielend aus, um dieses Thema hier zu verankern. Wenn es Dir hilft: Von echter Fachkenntnis bin ich - verglichen mit den wahren Experten hier - selbst viele Meilen entfernt.


    Oft gehört nur ein wenig Mut dazu, das eigene Wissen mit der Forumsgemeinde zu teilen - so unbedeutend es einem selbst auch erscheinen mag. Irgendwann kommt einer, der mit genau diesen Details etwas anfangen kann und einen regen Austausch in Gang bringt.


    Und: Dein Vater scheint Dir und der Nachwelt ausgesprochen detaillierte Schilderungen hinterlassen zu haben. Das klingt nach einem Wissensschatz rund um ein Thema, das nicht alle Tage beleuchtet wird. Es zeigt eine Seite des Krieges - Du schreibst von einem ,furchtbaren Kapitel' -, die nicht in Vergessenheit geraten darf, wie ich meine. Es dient vielleicht auch dem Gedenken derer, die dieses Unrecht und Leid damals erdulden mussten - weil sie den Wahnsinn nicht (oder nicht mehr) einfach so mitmachen wollten.


    Wenn Du ein aufgeschlossenes, interessiertes Publikum für die Geschichte Deines Vaters findest, dann in diesem Forum!


    Viele Grüße!


    Frank

  • Hallo,

    hier ein interessantes Dokument zu einem Vermissten.

    Dabei handelt es sich zwar nicht um ein Todesurteil, sieht man

    daran jedoch welch großes Misstrauen die Führung selbst den Offizieren

    entgegenbrachte.


    Vermisst.jpg


    Quelle: A3356 004


    Nachdem Leutnant Ahlgrimm mit einem Teil seiner Männer in einem Bunker eingeschlossten

    nicht mehr zurück konnte, muss sein Vorgesetzter eine Beurteilung abgeben ob er auch

    ein aufrechter Nationalsozialist ist bzw. war.


    servus

    uwys

    Keine Macht den doofen!

  • . . . welch großes Misstrauen die Führung selbst den Offizieren

    entgegenbrachte.

    Hallo uwys,


    Deine Wertung in allen Ehren, aber ich vermute, dass es sich hier

    um "verwaltungstechnische Routine" nach dem Versorgungsrecht

    handelte. Es machte einen Unterschied, ob der Soldat übergelaufen/

    desertiert war oder gefallen/vermisst.

    Die Wortwahl des Vorgesetzten muss nicht der Realität entsprochen

    haben, bestimmt wollte er ganz sicher gehen, dass der Leutnant

    als "vermißt" geführt werden sollte, und hat es daher extrem system-

    konform formuliert.


    Gruß
    Rudolf (KINZINGER)

  • Hallo Rudolf,

    dieser Brief ist mir schon häufiger aufgefallen bei vermissten Offizieren.

    Verwaltungstechnische Routine war das sehr wahrscheinlich, ich denke jedoch

    das vermissten Soldaten immer schon gewisse Vorbehalte gegenüber standen.

    Im II. WK wurden zurück gekehrte Soldaten, die als Vermisst galten oder einfach

    nur bei einem der vielen Rückzüge an der Ostfront von ihrer Truppe getrennt wurden

    verhört und jeder musste genaue Angaben machen über den hergang usw.



    servus

    uwys

    Keine Macht den doofen!

  • Im II. WK wurden zurück gekehrte Soldaten, die als Vermisst galten oder einfach

    nur bei einem der vielen Rückzüge an der Ostfront von ihrer Truppe getrennt wurden

    verhört und jeder musste genaue Angaben machen über den hergang usw.

    Hallo uwys,


    das NS-Regime war ja nicht blind !
    Über die Geheime Feldpolizei war man sich zu jedem Zeitpunkt im Klaren,

    wie die Stimmung in der Truppe im Hinblick auf die Akzeptanz des Krieges

    war, und je klarer die Niederlage wurde, umso mehr griffen Desertion/Überlaufen

    und/oder Selbstverstümmelungen um sich. Nur mit entsprechend verschärften

    Untersuchungen und Verhörmethoden konnte man da "gegensteuern". Daran

    schlossen sich dann entsprechend drakonische Bestrafungen an. Das gehörte

    ganz einfach zur Überlebensstrategie des Systems.


    Gruß
    Rudolf (KINZINGER)

  • Hallo zusammen,


    Anbei ein kleiner Erfahrungsbericht über den Umgang mit Versprengten... Da ist es ja auch nicht weit her im Rückwärtsgang mal jemanden als Deserteur zu bezeichnen. Was das am Ende sehr wahrscheinlich bedeutet, wird hier ja genauer erläutert.


    Viele Grüße

  • Hallo zusammen,

    meinen besten Dank an alle für die zahlreichen Wortmeldungen bzw. Dokumente.

    Die von Sten weiter oben eingestellten Schriftstücke finde ich mehr als interessant.

    Sie zeigen deutlich, das man selbst den sogenannten Rückkämpfern zu den eigenen Linien, keinen Glauben schenkte.

    Diese bis Dato eher wie Fahnenflüchtige behandelt.

    Man könnte annehmen, das wohl einige zuvor als solche verurteilt wurden.


    Lg Andre

    Erst wer den Dreck des Lebens gegessen hat, weiß wie schön dieses ist !!!

  • Hallo zusammen,

    unten ein weiteres Fundstück zum Thema.


    Lg Andre


    Werner Stullich

    Flakersatz-Abteilung 11


    Nachname: Stullich

    Vorname: Werner

    Dienstgrad: Gefreiter

    Geburtsdatum: 28.07.1921

    Geburtsort: Königsberg

    Todesdatum: 12.02.1943

    Todesort: Feldgericht Paris

    Werner Stullich wurde am 12.02.1943 um 11.04 Uhr gemäß Urteil des Feldgerichts der Luftwaffe von Paris vermutlich wegen Fahnenflucht erschossen.


    Werner Stullich ruht auf der Kriegsgräberstätte in Champigny-St.André.

    Endgrablage: Block 7 Grab 83


    Quelle Daten: Volksbund

    zusätzliche Quelle: Ancestry

    Erst wer den Dreck des Lebens gegessen hat, weiß wie schön dieses ist !!!

  • Quote

    Die von Sten weiter oben eingestellten Schriftstücke finde ich mehr als interessant.

    Sie zeigen deutlich, das man selbst den sogenannten Rückkämpfern zu den eigenen Linien, keinen Glauben schenkte.

    Diese bis Dato eher wie Fahnenflüchtige behandelt.

    Man könnte annehmen, das wohl einige zuvor als solche verurteilt wurden.

    Servus Andre,

    Du meintest, dass wohl einige Versprengte zuvor als solche verurteilt wurden.

    Um das beurteilen zu können, müsste man wissen, aus welcher Zeit des Krieges die eingestellten Schriftstücke von Sten waren. Die Ausführungen klingen ja ganz human. Wenn Du aber die Zeit nach dem Sprung der Amerikaner über den Rhein im März 1945 betrachtest, sieht die Sache ganz anders aus. Da waren dann die "fliegenden Standgerichte" unterwegs, die ohne ordentliches Gerichtsurteil und Verteidigung, Todesstrafen durch Erschießen und Erhängen von Soldaten hinter der Front sofort vollzogen. Standgerichte fußten auf der preußischen Militärgerichtsordnung von 1845, das Verfahren war dadurch geregelt. Es gab Ankläger und Richter. In den fliegenden Stangerichten ab Anfang 1945 wurden die Vorschriften aber nicht mehr beachtet. Jeder Versprengte, der keine Papiere vorweisen konnte, die seinen Aufenthalt belegten, war verdächtig ein Deserteur zu sein. Ein ganz berüchtigtes fliegendes Standgericht war das von Helm in Unterfranken. Auf sein Konto gehen sehr viele wegen Verdacht vollstreckte Todesurteile.

    Also, wichtig wäre zu wissen, aus welchem Jahr die Schriftstücke von Sten stammen!!!


    Gruß

    Hans

  • Hallo,


    ich ergänze um den Eintrag des VDK:


    Nachname: Delvos
    Vorname: Heinrich

    Dienstgrad: Soldat
    Geburtsdatum: 04.05.1916
    Geburtsort: Dicker-Schelsen
    Todes-/Vermisstendatum: 02.06.1940
    Todes-/Vermisstenort: Noyelle-Godault

    Heinrich Delvos ruht auf der Kriegsgräberstätte in Bourdon

    Endgrablage: Block 26 Reihe 18 Grab 691


    Wilhelm Nolden ist beim VDK leider nicht verzeichnet.


    Grüße


    Uli

    *** Suche alles zum 22. SS-Panzergrenadier-Regiment (10. SS-Panzerdivision "Frundsberg") und R.A.D. 2/214 Oedt. Wer hat Informationen zum Schützen-Regiment 69 (1941)? Wer hat Informationen zur Flugzeugführerschule Crailsheim (1943-45)? Danke! ***

  • Hans Hans,

    besten Dank für deine Wortmeldung.

    Du hast recht, das es interessant wäre, zu wissen von welchem Datum die von Sten eingestellten Seiten wären.

    Habe in diversen Dokumente, z.b. zur Einkesselung der 9.Armee ab 06.1944, gelesen,

    wo Rückkämpfer, die sich zu den eigenen Linien durchschlugen, oftmals als Deserteure, vor dem Kriegsgericht zu verantworten hatten.

    Ob es dazu auch zu Hinrichtungen kam, kann ich nicht beantworten.

    Die sogenannten "fliegenden Standgerichte" waren ja auch an der Ostfront sehr berüchtigt.


    Lg Andre

    Erst wer den Dreck des Lebens gegessen hat, weiß wie schön dieses ist !!!

  • Hallo zusammen,


    nach intensiver Suche habe ich den aufgeführten Bericht wiedergefunden. Es handelt sich um den Tätigkeitsbericht vom 20.8.1944-20.9.1944 der 2./Feldgendamerie Abteilung (mot) 571 vom 30.9.1944 Punkt 4 mit dem Vorschlag zur Wahrung der Disziplin.


    Feldgendarmerie-Abteilung 571


    Ich hoffe euch damit geholfen zu haben.


    viele Grüße

    2.FlaRakGrp.38 VersStff 38 in der Truppenküche.

  • Hallo Sten,

    meinen besten Dank an dich für das komplette Dokument.


    Lg und bleibe gesund.

    Andre

    Erst wer den Dreck des Lebens gegessen hat, weiß wie schön dieses ist !!!

  • Hallo Andre,


    Sehr gern. Spannend finde ich auch den Bericht obenanhängend im Dokument bezüglich dem Stand der Disziplin. Da wurden manchmal die Einheiten in Wildwest Manier aufgefüllt. Das ist aber offtopic. Spekulativ wäre eventuell zu erwähnen, dass sich durch diese Art von Rekrutierung, ein Absetzen von der Truppe wahrscheinlicher macht.


    Viele Grüße

    Sten

    2.FlaRakGrp.38 VersStff 38 in der Truppenküche.

  • Hallo Sten,

    spannend ist noch sehr milde ausgedrückt ;)

    An allen Frontabschnitten wurde doch, spätestens ab 1944,

    alles eingezogen was einigermaßen gerade aus laufen konnte (ist jetzt von mir überspitzt dargestellt)

    Die neuen Rekruten kamen sich eh nur als Kanonenfutter vor.

    Schlechte und überhastete Ausbildung.

    Das da viele an Fahnenflucht bzw. Überlaufen, dachten, ist wohl mehr als naheliegend.


    Lg Andre

    Erst wer den Dreck des Lebens gegessen hat, weiß wie schön dieses ist !!!

  • Hallo Sten,

    einen Leutnant Biedermann konnte ich für 12.1944 bis Dato nicht finden.

    Weitere Infos gehen aus dem Dokumenten leider auch nicht hervor.


    Lg Andre

    Erst wer den Dreck des Lebens gegessen hat, weiß wie schön dieses ist !!!