Todesurteile an Angehörige der Wehrmacht (Fahnenflucht usw.)

  • Hallo zusammen,

    danke an alle, die bisher fleißig in diesem Thread diverse Dokumente veröffentlicht haben.

    Meinen besten Dank dafür :thumbup:

    Hallo Rudolf,

    deine eingestellten Seiten kannte ich bis Dato nicht.

    Diese sind sehr interessant und zeigen in aller Deutlichkeit,

    wie sehr doch der NS-Staat mit anders denkenden umging !!!!

    Frei nach dem Motto: Die gehören an die Wand gestellt.

    Was ja auch dann unzählige Male geschah.

    Lg Andre

    Erst wer den Dreck des Lebens gegessen hat, weiß wie schön dieses ist !!!

  • Hallo,

    Nach Rolle T311 R-143, Bild 0989 (fortführend wird der Fall wiederholt erwähnt, allerdings mit falscher Schreibweise des Namens) > Schepke anstelle Schottke <

    Quote

    Tagesmeldung vom 28.11.1944,

    Punkt (g), Besondere Vorkommnisse:

    „Oberstlt. Schottke, Kdr. AR 347, hat am 25.11.44 m als die Div. in harten Abwehrkämpfen im Raum Busendorf – Lobeln (?) stand und dem Feind ein Einbruch in die HKL gelungen war, so stark dem Alkohol zugesprochen, dass er am Abend nicht mehr in der Lage war, die aufgrund der Lage für die Nacht und den folgenden Tag erforderlichen Maßnahmen zu treffen bzw. deren Durchführung zu überwachen.

    Auf Befehl des Oberbefehlshabers der H.Gr. wurde Oberstlt. Schottke am 28.11.44 21.00 Uhr erschossen.“

    Gruß

    Ralf Anton Schäfer

  • . . . hier noch ein Bericht vom Spiegel über U-Boot Kapitän Oskar Kusch,

    Hallo zusammen,

    da nun mehrfach das Schicksal des Oberleutnant z.S. Oskar KUSCH erwähnt wurde, möchte ich einige Punkte dazu beitragen und hoffe, dass sie ein wenig Klärung bringen, v.a. was sein irrationales Verhalten, mit dem er sich sehenden Auges in Lebensgefahr gebracht hat, angeht :

    Zum Sachverhalt selbst kann ich nur das bereits erwähnte - akribisch recherchierte - Buch von Heinrich WALLE empfehlen

    Die Tragödie des Oberleutnants zur See Oskar Kusch. Hrsg. im Auftr. der Ranke-Gesellschaft, Vereinigung für Geschichte im Öffentlichen Leben e.V. und dem Deutschen Marine-Institut von Michael Salewski und Christian Giermann

    In diesem Zusammenhang hatte ich auch mit dem Autor Kontakt.

    Oskar KUSCH war ein Schulkamerad meines Schwiegervaters in BERLIN (er war der mit „Roland“ titulierte Briefempfänger). Leider ist mein Schwiegervater inzwischen aufgrund seines Alters (102) nicht mehr „aufnahmefähig“ und als ich mit ihm vor einigen Jahren über Oskar KUSCH gesprochen habe, hatte ich den Eindruck, dass ihre Freundschaft kaum über eine Schulfreundschaft hinausging und die späteren Vorgänge um Anklage, Verurteilung und Hinrichtung aufgrund eigener Kriegsteilnahme an ihm vorbeigegangen sind bzw. er sie erst später aus zweiter oder dritter Hand erfahren hat. Ebenso kann ich mir aus der Personenkenntnis meines Schwiegervaters kaum ein gegenseitiges „Befruchten“ im Hinblick auf Kritik am NS-System vorstellen.

    Was aber weiterhelfen könnte, Beweggründe und Motivation des Oskar KUSCH zu erhellen, ist die Tatsache, dass er durch den Vater meines Schwiegervaters (Großvater meiner Ehefrau) Nachhilfestunden bekommen hat. Dieser Mann, Konrat F. ZIEGLER, war schon seit der Weimarer Zeit als Rektor der Universität GREIFSWALD ausgesprochen systemkritisch und ist keiner Auseinandersetzung aus dem Weg gegangen. Er war Menschenfreund, politisch engagiert und ein exzellenter Wissenschaftler. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten wurde er entlassen, sein Ruhegehalt gekürzt und er stand unter Beobachtung der Gestapo.

    Er zog mit seiner Familie nach BERLIN, ließ sich trotz Publikationsverbots nicht mundtot machen und half, wo er nur konnte, jüdischen Mitmenschen aus seinem Bekannten- und Freundeskreis. Um das finanzielle Auskommen seiner siebenköpfigen Familie sicherzustellen, gab er Gymnasiaten Nachhilfestunden. Bei diesen wird es nicht bei Altgriechisch und Latein geblieben sein, denn speziell in der Person des Oskar KUSCH und seinem Verhalten erkennt man fast eine Kopie des Konrat ZIEGLER. Wie es in den Einzelheiten nicht einmal der Familie bekannt war und erst durch die eingehenden Ermittlungen im Zuge seiner posthumen Ehrung als „Gerechter unter den Völkern“ ans Licht kam, hat er - obwohl mehrfach von der Gestapo vorgeladen, verhört und inhaftiert - nicht aufgehört, gegen das Regime zu opponieren und dabei Taten begangen, die durchaus mit der Todesstrafe bedroht waren. Auch er hat sehenden Auges Gesundheit und Leben, sowie die Existenzgrundlage seiner Familie um seiner Überzeugung willen aufs Spiel gesetzt.

    Auch der Ratschlag, sich nach dem Abitur freiwillig zur Kriegsmarine zu melden, um dem NS-Regime zumindest zeitlich begrenzt entzogen zu sein, könnte von Konrat ZIEGLER stammen, denn genau diesen Vorschlag hat er seinem Sohn Roland für die Wehrmacht gemacht.

    Ich durfte Konrat F. ZIEGLER 1973 noch persönlich kennenlernen, ein freundlicher, bescheidener 89-jähriger Herr, mit dem man sich gut unterhalten konnte, der aber NIXON und den Vietnam-Krieg in drastischen Worten verurteilte. Da kam noch etwas von dem früheren Kämpfer und Systemkritiker hervor.

    Für die These, dass Oskar KUSCH sich von Konrat ZIEGLER beeinflussen ließ oder ihn gar in seiner systemkritischen Haltung zum Vorbild nahm, gibt es trotz eingehender Recherchen keine Beweise. Nur die Tatsache, dass beide sehr viel Zeit miteinander verbracht haben und sie sich in ihrem Verhalten gegenüber dem NS-Regime so sehr ähnelten, lässt diesen Zusammenhang möglich erscheinen und wäre eine Erklärung für das irrationale Verhalten des Oskar KUSCH. Meine Frau und ich gingen in der Diskussion sogar so weit, dass wir uns des Eindrucks nicht erwehren konnten, dass ihr Großvater in Oskar KUSCH eher einen geistigen „Verbündeten“ gesehen hat als in seinen eigenen Söhnen.

    Gruß

    Rudolf (KINZINGER)

    P.S. Hier noch einmal: Konrat F. ZIEGLER

  • Hallo,

    vielen Dank Rudolf für Deinen wichtigen Beitrag, der mögliche Hintergründe für das Handeln des U- Bootkommandanten Oskar Kusch erhellt. Hier an der Kieler Küste sind doch eine Reihe von Zeitgenossen noch an dessen Schicksal interessiert. Justus hat auf die Absicht der Bundesmarine hingewiesen, die Kieler Scheer-Mole in Oskar-Kusch-Mole umzubenennen. Wie immer löste das hier erwartungsgemäß Kritik hiesiger Traditionalisten aus. Gleiches gilt für die Absicht, die Kieler Tirpitz-Mole in Brandtaucher-Mole umzubenennen. Ich könnte weitere Beispiele nennen. Immerhin hat die Landeshauptstadt Kiel der zum Hinrichtungsort (Schießstand) von Kusch führenden Straße den Namen Oskar Kusch gegeben

    In diesem Kontext denke ich immer wieder an den Kieler Nordfriedhof (ich weiß, der hat wohl mit der Bestattung von Oskar Kusch nichts zu tun), wohl aber mit der Hinrichtung von rd. 150 Wehrmachtsangehörigen, auf dem Schießstand. Hierzu bemühe ich mich um weitere Informationen.

    Beste Grüße

    Horst

  • Hallo,

    was mich beim Thema ,,Oberleutnant Oskar Kusch" immer wieder aufs neue verwundert, ist seine Unbekümmertheit, mit der er sich gegen das Regime wandte und das teils in drastischer Form. Auch wenn er solche Typen, wie Abel und Druschel, sicherlich aus tiefsten Herzen verachtete, so musste ihm doch klar sein, dass gerade Abel nicht ruhen würde, ihn zu Fall zu bringen. Sympathien der übrigen Besatzung konnten ihn da nicht schützen. Gerade er, der als intelligent galt, muss das doch zumindest geahnt haben. Selbst wenn der Zugriff der Gestapo durch seine Zugehörigkeit zur DKM gehemmt war, so gab es in der Deutschen Kriegsmarine ebenfalls fanatische Anhänger. die Defätismus und Herabwürdigung ihres Idols A. H. nicht duldeten. Winter schreibt zum Fall Oskar Kusch, dass Abel den Dienstweg nicht einhielt, als er Kusch an das Messer lieferte. Das würde doch auch eine Dienstverfehlung bedeuten? Oder irre ich mich da? Schließlich schreibt ja Werner Winter, ehemaliger Kommandeur von Kusch, dass Abel hätte seinen Bericht erst dem Kommandeur und Disziplinarvorgesetzten der 2. U-Boot-Flottille, Kapitän zur See, Kals vorlegen müssen.

    MfG Wirbelwind

  • Hallo Michael,

    durch Zufall stieß ich auf deine Frage in diesem Forum und möchte sie beantworten:

    Die vier ermordeten jungen Männer waren verurteilte Deserteure, die der 3. Feldstrafgefangenen-Abteilung 16 angehörten. Die Einheit wurde im Wehrkreis VIII für das Wehrmachtsgefängnis Glatz aufgestellt. (Einsatzräume 1944/1945 im Westen, Niederrhein, Venlo, Ems, Weser)

    Die vier wegen Desertation verurteilten jungen Männer kamen Anfang September 1944 aus dem Wehrmachtsgefängnis Glatz über die Wehrmachtsgefängnisse Döllersheim und Rokitnitz in die vorgenannte Feldstrafgefangenen-Abteilung. Zuerst nach Well in Holland und ab November 1944 nach Geldern-Walbeck.

    Die Gefangenen mußten unter schwersten Bedingungen und ausgehungert Bunker und Stellungen im Frontgebiet bauen. Man kann die Feldstrafgefangenenabteilungen und Feldstraflager als KZ der Wehrmacht bezeichnen, da eine Vernichtung durch Arbeit stattfand ("Der Soldat kann sterben, der Deserteur muß sterben!" - Hitler-Zitat -)

    Die vier jungen Männer, die zu den Engländern überlaufen wollten, begingen den Fehler, gemeinsam zu flüchten, was den Wächtern viel zu schnell auffiel und sie von Feldjägern gefangengenommen wurden.

    Sie wurden durch ein "fliegendes Standgericht" in Walbeck verurteilt und von einem 10-köpfigen Erschießungskommando umgebracht. Die ganze Strafgefangenenkompanie mußte dabei zusehen. Für das Kriegsverbrechen gibt es einen mutmaßlich Verantwortlichen. Die vier ermordeten jungen Männer waren Kameraden meines Vaters, der als verurteilter Deserteur dieses Feldstrafgefangenenlager überlebt hat. Es gäbe daher viele Details zu berichten.

    Liebe Grüße

    Margitta

  • Die vier ermordeten jungen Männer waren Kameraden meines Vaters, der als verurteilter Deserteur dieses Feldstrafgefangenenlager überlebt hat. Es gäbe daher viele Details zu berichten.

    Guten Abend Margitta!

    Herzlich willkommen auch von mir - und danke für Deinen Beitrag!

    Ich möchte Dich keinesfalls zu etwas drängen, die Entscheidung liegt ganz bei Dir... Aber Du scheinst viel Hintergrundwissen zur Geschichte Deines Vaters und seiner Zeit im Feldstrafgefangenenlager zu haben. Kannst Du dir vorstellen, hier im Forum ein eigenes Thema zu eröffnen und uns dort tatsächlich von den ,vielen Details zu berichten', die Du andeutest?

    Das klingt nach einem ausgesprochen spannenden, alles andere als alltäglichen Thema und würde uns diese Facette der damaligen Geschehnisse über einen Zeitzeugen und seine Erinnerungen näherbringen.

    Oder bezieht sich die Aussage mit den Details ,nur' auf den Fall der vier jungen Männer? Dann wären die Informationen natürlich in diesem Thread ,gut aufgehoben'.

    Viele Grüße!

    Frank/Evergreen

  • Hallo Margitta,

    habe besten Dank für deine wertvollen Informationen.

    Wenn ich mich nicht irre, wird der Vorfall in dem Buch: Niederrheinisches Land im Krieg",

    von Wilhelm Michels und Peter Sliepenbeck, erwähnt.

    Werde morgen mal nachschauen, was ich eventuell alles dazu finde.

    Hallo an alle anderen,

    meinen besten Dank für die ausführlichen Infos.

    Diese sind für mich neu und sehr Interessant.

    Lg Andre

    Erst wer den Dreck des Lebens gegessen hat, weiß wie schön dieses ist !!!

  • Standort-Schießanlage/Hinrichtungsstätte "Lehrer Tal" bei Ulm (ehem. Gelände der spät. Rommel-Kaserne)

    Hallo,

    im Gefallenenverzeichnis für den 2.Weltkrieg der Stadt Ulm sind einige Namen von verurteilten Soldaten verzeichnet, die auf der o.g. Schießanlage im "Lehrer Tal" bei Ulm hingerichtet wurden; soweit möglich nachfolgend die Daten beim Volksbund mit Ergänzungen/Abweichungen (kursiv) aus dem Totenbuch, es sind dort auch acht unbekannte Soldaten verzeichnet. In der Nähe des Hinrichtungsortes wurde später zum Gedenken ein Deserteur-Denkmal errichtet.

    Quelle: Totengedenkbuch der Stadt Ulm 1939 - 1945

    Gruß, J.H.

    Nachname: Bürkle

    Vorname: Reinhold

    Geburtsdatum: 22.03.1915

    Geburtsort: Stuttgart

    Todes-/Vermisstendatum: 18.02.1942

    Todes-/Vermisstenort: Ulm, Lehrer Tal

    Reinhold Bürkle ist in der Gräberdatenbank des Volksbundes nicht verzeichnet.

    Nachname: Ebert

    Vorname: Johann

    Geburtsdatum: 19.07.1926

    Geburtsort: Rielasingen/Konstanz

    Todes-/Vermisstendatum: 28.10.1944

    Todes-/Vermisstenort: Ulm/Neu-Ulm

    Johann Ebert ist in der Gräberdatenbank des Volksbundes nicht verzeichnet.

    Nachname: Eckstein

    Vorname: Jakob

    Dienstgrad: Kanonier

    Geburtsdatum: 25.08.1920

    Geburtsort: Neresheim

    Todes-/Vermisstendatum: 17.03.1945

    Todes-/Vermisstenort: nicht verzeichnet Ulm, Lehrer Tal

    Jakob Eckstein ruht auf der Kriegsgräberstätte in Ulm - Neuer Friedhof. Endgrablage: Block 74 Grab 3

    Nachname: Henne

    Vorname: Kurt

    Beruf: Tischlergeselle

    Dienstgrad: Grenadier

    Geburtsdatum: 18.12.1914

    Geburtsort: Weimar

    Todes-/Vermisstendatum: 17.03.1945

    Todes-/Vermisstenort: nicht verzeichnet Ulm, Lehrer Tal

    Kurt Henne ruht auf der Kriegsgräberstätte in Ulm - Neuer Friedhof. Endgrablage: Block 74 Grab 2

    Nachname: Stemmle

    Vorname: Richard

    Beruf: Hilfsarbeiter

    Dienstgrad: Grenadier

    Geburtsdatum: 19.09.1922

    Geburtsort: Seelbach

    Todes-/Vermisstendatum: 21.03.1945

    Todes-/Vermisstenort: Ulm, Lehrer Tal

    Richard Stemmle ist in der Gräberdatenbank des Volksbundes nicht verzeichnet.

    Nachname: Riesterer

    Vorname: Kurt Curt Erich

    Geburtsdatum: 31.07.1917 30.06.1917

    Geburtsort: Mannheim

    Todes-/Vermisstendatum: 22.03.1943

    Todes-/Vermisstenort: nicht verzeichnet Ulm, Lehrer Tal

    Kurt Riesterer ruht auf der Kriegsgräberstätte in Ulm - Neuer Friedhof. Endgrablage: Block 63 Grab 42

    Nachname: Westerich

    Vorname: Karl

    Beruf: Lokomotivheizer

    Dienstgrad: Obergefreiter

    Geburtsdatum: 18.10.1914

    Geburtsort: Düsseldorf

    Todes-/Vermisstendatum: 14.12.1944

    Todes-/Vermisstenort: Ulm, Lehrer Tal

    Karl Westerich ist in der Gräberdatenbank des Volksbundes nicht verzeichnet.

  • Hallo Margitta,


    vielen Dank für die zusätzlichen Informationen.
    Ich bin sehr an weiteren Details zu den 4 jungen Männern und den Standorten des Feldstrafgefangenenlagers 16 am Niederrhein interessiert. Auch weitere Informationen zum Standort Glatz wären für mich interessant, da meine Großeltern in der Nähe zuhause waren (Giesshübel im Adlergebirge). Wenn du uns an der Geschichte deines Vaters teilhaben lässt, würde ich mich auch sehr freuen. Hast du Informationen, weshalb die 4 Männer verurteilt wurden?


    Gruss

    Michael

    Suche alle Informationen zur 68.ID und speziell zum GR169 von Januar 1943 bis Kriegsende.

  • Liebe Margitta,

    herzlich Willkommen im Forum der Wehrmacht.

    Dein erster Beitrag hier ist eine sehr wertvolle Information. Dafür meinen Dank.

    Liebe Grüße,

    Justus

    Lieber Justus,

    vielen Dank für Deine positive Resonanz!

    Liebe Grüße

    Margitta

  • Lieber Frank/Evergreen,

    Danke für deine freundliche Antwort.

    Mein HIntergrundwissen beschränkt sich auf die Berichte meines Vaters, quasi "Wissen aus zweiter Hand", das ich hier gerne weitergeben möchte. Ich bin ja per Zufall auf die Seite des Wehrmachtsforums gestoßen, da ich nach dem Namen Ewald Bansbach recherchierte, einem der vier ermordeten Männer, mit dem sich mein Vater im Strafgefangenenlager angefreundet hatte.

    Ich weiß nicht, ob meine Kenntnisse ausreichen, um ein eigenes Thema zu eröffnen.

    Die Tragik dieser Geschichte im Detail ist: Der fanatische Befehlsinhaber der Kompanie, im Zivilleben Jurist, setzte sich nach der Gefangenennahme der vier jungen Männer gegen den Willen eines Ranghöheren! durch und machte Meldung an das "Fliegende Standgericht". Die traurigen Folgen sind bekannt.

    Die Geschichte meines Vaters ist eine lange Geschichte und beginnt schon in seiner Kindheit, da seine Eltern NS-Verfolgte waren und er nie im Jungvolk oder HJ war. Er wurde zum Deserteur aus Abneigung gegen das sinnlose Morden und seine politische Einstellung gegen das NS-Regime. Er desertierte bei seinem ersten Einsatz Anfang Februar 1944 bei Uman in der Ukraine. Wie schon erwähnt, eine lange Geschichte, ja eine Biografie, ich weiß nicht, ob dies hier der richtige Ort dafür ist...

    Viele Grüße

    Margitta

  • Hallo Andre,

    Danke dir für deine freundliche Resonanz.

    Das Buch "Niederrheinisches Land im Krieg" kenne ich bislang nicht. Mir liegt das Buch "Der zweite Weltkrieg zwischen Rhein und Maas" von Heinz Bosch aus dem Jahre 1977 vor, in welchem auf Seite 183 die Strafkompanie nur am Rande unwesentlich erwähnt wird.

    Interessant ist eine 2002 vom Heimat- und Verkehrsverein Walbeck herausgegebene kleine Denkschrift mit dem Titel "Der stille Held von Walbeck", gewidmet Johannes Bours (die Broschüre ist aber vermutlich vergriffen). Johannes Bours war ein mutiger junger Kaplan, der die jugendlichen Strafgefangenen seelsorgerlich in der "Roten Zone" betreute. Er begleitete die vier jungen Männer auf ihrem letzten Weg. Auch ihn muß dieses Erlebnis ein Leben lang, wie meinen Vater, beschäftigt haben. Er hat es in einem seiner Werke verarbeitet.

    Ergänzend möchte ich noch anmerken, daß es sich bei der Kompanie der 3. Feldstrafgefangenen-Abteilung 16 um eine reine Jugendfeldstrafgefangenenabteilung handelte. Die Gefangenen waren alle nur 18 - 20 Jahre alt und durch Miltärgerichte verurteilt.

    Liebe Grüße

    Margitta

  • Hallo Margitta,

    besten Dank für deine Rückmeldung.

    Die von dir beschriebene Broschüre konnte ich leider im Netz auch nicht finden.

    Denke mal, das man diese eher beim Heimatverein Walbeck beziehen bzw. einsehen kann.

    In dem von mir zitierten Buch, wird die Strafkompanie auch nur am Rande erwähnt.

    Das die Strafgefangenen demnach mehr oder weniger als Kanonenfutter missbraucht wurden und es unzählige Leben gekostet hat.

    Weitere Infos zum Thema liegen mir leider auch nicht vor.

    Unten im Anhang, für alle Interessierten, Infos zu Johannes Bours.

    Lg Andre

  • Hallo Margitta,


    vielen Dank für die zusätzlichen Informationen.
    Ich bin sehr an weiteren Details zu den 4 jungen Männern und den Standorten des Feldstrafgefangenenlagers 16 am Niederrhein interessiert. Auch weitere Informationen zum Standort Glatz wären für mich interessant, da meine Großeltern in der Nähe zuhause waren (Giesshübel im Adlergebirge). Wenn du uns an der Geschichte deines Vaters teilhaben lässt, würde ich mich auch sehr freuen. Hast du Informationen, weshalb die 4 Männer verurteilt wurden?


    Gruss

    Michael

    Hallo Michael,

    ich kenne den Grund der Verurteilung der vier jungen Männer nicht; es ist aber stark zu vermuten, daß es auch wegen "unerlaubter Entfernung von der Truppe" war. Jedenfalls sollten sie sich in der Jugendfeldstrafgefangenenabteilung "bewähren". In so eine Abteilung kam nur, wer zu einer mind. 3-monatigen Gefängnisstrafe durch ein Militärgericht verurteilt war.

    Die Zustände im Wehrmachtsgefängnis Glatz bzw. der riesigen, aber völlig überfüllten Festungsanlage waren im Sommer 1944 schrecklich. Mein Vater war am 6.6.1944 durch ein Divisionsgericht in Yasi/Rumänien verurteilt worden und er hatte "Glück", daß man ihm nicht mehr als 4 Tage Abwesenheit von der Truppe nachweisen konnte, er wäre sonst wegen Fahnenflucht zum Tode verurteilt worden. Da es um Fahnenflucht ging, bekam er ein Verteidiger zur Seite gestellt, der ihn in seinem Falle wirklich beriet, was keineswegs üblich war. Mein Vater war in Glatz eineinhalb Monate, die ersten zwei Wochen noch zusammen mit gleichaltrigen verurteilten Jugendlichen, die letzten vier Wochen aber mit Schwerstverbrechern und Mördern. Dabei haben sich fürchterliche Dinge zugetragen, darüberhinaus kamen die Gefangenen aus dem Verlies nur selten kurz an die Luft bzw. Tageslicht.

    Nach dieser Zeit erfuhren die Gefangenen, daß sie einer Feldstrafgefangenen-Abteilung zugeführt werden sollten, was dann auch geschah. Mit dieser Gefangenenabteilung, die aus Hunderten von Wehrmachtshäftlingen bestand, ging es in Güterwaggons in den Westen. Die Häftlinge atmeten auf, nicht wieder an die Ostfronten geschickt zu werden. Sie wußten nichts von dem, was entlang der Kanalküste vor sich ging. Sie hatten ja nicht die geringste Information über das Kriegsgeschehen und dachten, daß die Wehrmacht im Westen nach wie vor "alles im Griff" hatte. Sie sollten das Gegenteil erfahren.

    Der Transport nach Holland wurde mehrfach unterbrochen. Die Strafgefangenen mußten die Waggons in Lager und Gefängnisse verlassen für Tage oder auch Wochen, um Gestorbene und Todkranke zu "entsorgen" und den Transport mit neuen Gefangenen zu ersetzen, von denen es viele gab. So war mein Vater ca. zwei Wochen in Baracken des Wehrmachtsgefängnisses Döllersheim, streng bewacht und wieder mit älteren Verbrechern eingesperrt. In Rokitnitz im Adlergebirge, wo es im Sommer 1944 auch ein Wehrmachtsgefängnis bzw. Lager gab, war er in einer Schule, ca. zwei Wochen, streng bewacht. Dort fand eine "Auslese" statt: Die jungen Gefangenen wurden von den älteren getrennt und zu einer Jugendfeldstrafgefangenenabteilung zusammengestellt. Hier dürften sich die vier jungen Männer und mein Vater kennengelernt haben.

    Von dort aus kamen sie Ende August/Anfang September 1944 an ihr Ziel in Holland, nach Well an der Maas. Sie waren in der dortigen Schule untergebracht. Die Front lag zu diesem Zeitpunkt über der Maas. Während sie dort ohne jeglichen Schutz (Helm, Gasmaske etc.) einen Panzergraben bauen mußten, kamen die ersten englischen Jagdflieger, zum Glück noch ohne Beschuß, was sich später aber änderte, als sie in der Wäldern Bunker bauen mußten und punktgenau über die Maas beschossen wurden. Im Dezember, einen Tag vor Weihnachten 1944, kamen sie nach Walbeck, wo sie vermutlich in der Gaststätte "Friedenseiche" unterkamen.

    Der Alltag in der Jugendfeldstrafgefangenen-Abteilung war geprägt von härtester Arbeit, 10 - 14 Stunden Bunker- und Stellungsbau bei geringsten Verpflegungssätzen. Darüberhinaus waren die Gefangenen brutaler Gewalt und Demütigung durch sadistische Bewacher ausgeliefert. Es ist ein furchtbares Kapitel, an anderer Stelle mehr dazu.

    Viele Grüße

    Margitta